T 1069/14 04-12-2020
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Vorrichtung zum Bewickeln eines Spulenkerns
Einspruch - zulässig (ja)
Offenkundige Vorbenutzung - mangelnde Neuheit (ja, Hauptantrag, Hilfsantrag 1)
Offenkundige Vorbenutzung - Neuheit, erfinderische Tätigkeit (ja, Hilfsantrag 2)
Sachverhalt und Anträge
I. Die vorliegende Beschwerde der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 12. März 2014, mit der der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 2011131 aufgrund des Artikels 101 (2) EPÜ zurückgewiesen worden ist.
Die Einspruchsabteilung war zu dem Schluss gelangt, dass der Einspruch zwar zulässig sei aber in der Sache keinen Erfolg habe. Aufgrund der vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel war die Einspruchsabteilung zwar überzeugt, dass Doppelspuler DDS/V250 von der Einsprechenden an einen Kunden verkauft und ausgeliefert worden seien, allerdings sei nicht mit ausreichender Sicherheit ermittelbar gewesen, welche Merkmale diese aufwiesen. Insbesondere sei nicht über vernünftigen Zweifel erhaben belegt worden, dass die tatsächlich ausgelieferten Doppelspuler verschwenkbare Gegenlager aufgewiesen haben, und es habe Widersprüche in den Daten technischer Zeichnungen und der Auftragsbestätigung gegeben.
II. Die folgenden Dokumente sind für die vorliegende Entscheidung relevant:
D4 |Rechnung, Firma Aumann an Firma Essex Group Inc., 31. Mai 1999 |
D5 |Lieferschein zur Rechnung D4 |
D6 |Fotografien Ablaufplan zum Wechseln einer Spule, Spuler DDS/V 250 |
D7 |Stückliste (5 Seiten) der Position P6401.000.005 aus Rechnung gemäß D4 |
D8 |Werkstatt-Zeichnung (5 Seiten) einer vertikalen Doppelspuleinheit |
D9 |Werkstatt-Zeichnung eines Gegenlagers |
D10|Werkstatt-Zeichnung der in D7 aufgeführten Spulspindel |
D11|Bedienungsanleitung (6 Seiten) der in D7 aufgeführten Doppeldrahtspuler |
D12|Fotografien der an Essex Group gelieferten Doppeldrahtspuler |
D13|Auftrag der Firma Essex an die Firma Aumann North America Inc., 29. April 1998|
D15|Eidesstattliche Erklärung (Affidavit) von Herrn Joshua Fennig |
D16|Final Quote A1246-5 dated 4/21/98, Fine wire enameling machine, type DLH 250, prepared forEssex Group, Inc.|
Des Weiteren wird Bezug auf die Niederschrift vom 12. März 2014 über die Beweisaufnahme durch Zeugeneinvernahme des Herrn Neddermann, aufgenommen in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung am 21. Januar 2014 (in der Folge kurz "Niederschrift"), genommen.
III. Am 4. Dezember 2020 fand auf Antrag der Beschwerdeführerin bzw. mit Zustimmung der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) eine mündliche Verhandlung vor der Kammer per Videokonferenz statt. Am Ende der mündlichen Verhandlung versicherte sich der Vorsitzende, dass die durch die Artikel 113 und 116 EPÜ garantierten Rechte der Parteien durch die Durchführung der mündlichen Verhandlung als Videokonferenz, insbesondere durch technische Probleme, nicht beeinträchtigt worden waren. Die Parteien bestätigten dies.
IV. Die Schlussanträge der Parteien waren wie folgt:
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, den Einspruch als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise die Beschwerde zurückzuweisen und die Zurückweisung des Einspruchs zu bestätigen, weiter hilfsweise die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage eines der mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 6 aufrechtzuerhalten.
V. Der Wortlaut des unabhängigen Patentanspruchs gemäß Hauptantrag, also wie erteilt, lautet wie folgt:
(a)|"Vorrichtung (1) zum Bewickeln eines Spulenkerns (3) mit einem Draht (4) zur Herstellung von Elektrospulen |
(b)|mit zumindest einem Rotationsteller (2), der zur Aufnahme des Spulenkerns (3) vorgesehen ist, |
(c)|wobei benachbart des Spulenkerns (3) eine Haltevorrichtung (5') zur verstellbaren Halterung eines Lagerelements (6) vorgesehen ist, das an einem im Wesentlichen senkrecht zur Achse des Spulenkerns (3) angeordneten Haltearm (5) befestigt ist,|
(d)|so dass zur spindelfreien Lagerung des Spulenkerns (3) während des Bewickelns der Spulenkern (3) endseitig mittels des Rotationstellers (2) und des Lagerelements (6) drehbar gelagert ist, |
(e)|dadurch gekennzeichnet, dass der Haltearm (5) zwischen einer Wickelstellung und einer Ruhe- bzw. Wechselstellung verschwenkbar ist." |
Die Merkmalsgliederung wurde durch die Kammer hinzugefügt und entspricht der in der Einspruchsschrift verwendeten.
Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 enthält zusätzlich zum erteilten Anspruch 1 an dessen Ende das Merkmal
"wobei der Haltearm (5) mit Hilfe einer Feststellvorrichtung (10) wahlweise verschwenkbar bzw. drehfest angeordnet ist".
Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 enthält zusätzlich zu Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 an dessen Ende das Merkmal
"wobei der Steher (8) einen inneren Basisteil (11) aufweist, über welchen ein den Haltearm (5) tragender Hülsenteil (12) gestülpt ist und der Haltearm (5) auf dem Hülsenteil (12) höhenverstellbar und drehfest gelagert ist".
In Anbetracht des Tenors dieser Entscheidung wird der Wortlaut der unabhängigen Ansprüche gemäß den Hilfsanträge 3 bis 6 nicht wiedergegeben.
VI. Die entscheidungsrelevanten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen.
Der Einspruch sei zulässig. Die Einsprechende habe innerhalb der Neunmonatsfrist gemäß Artikel 99 EPÜ dargelegt, wann (1999) die offenkundige Vorbenutzung, wo (Fabrik der Essex Group in Indiana/USA), wie (Verkauf mehrerer Doppeldrahtspuler vom Typ DDS/V250) und durch wen (durch die Einsprechende selbst) stattgefunden habe. Auch sei in der Einspruchsschrift angegeben, welche spezifischen Merkmale das verkaufte Produkt in Bezug auf den Gegenstand des vorliegenden Streitpatents aufweise. Substantiiert habe die Einsprechende ihr Vorbringen weiterhin anhand der Beweismittel D4 bis D12 sowie des Zeugenangebots.
Insbesondere sei gemäß der Rechtsprechung der Beschwerdekammern ein einziger Verkauf an einen Kunden ohne Geheimhaltungsverpflichtung ausreichend um den Gegenstand öffentlich zu machen. Eine Geheimhaltungspflicht habe ausweislich der Aussage des Zeugen Herrn Neddermann nicht bestanden. Gemäß dessen Aussage seien die Grundmodule der Maschine auch immer gleich gewesen, was gegen eine gemeinschaftliche Entwicklung und daher gegen eine Geheimhaltungs-vereinbarung spreche. Auch dass eine Maschine einer mit dem Kunden bei Auftragsvergabe vereinbarten Spezifikation entsprechend hergestellt wird, sei im Bau von Fertigungs- und Herstellungsanlagen übliche Praxis und keinerlei Hinweis auf eine implizite Geheimhaltungsvereinbarung. Auch aus dem Vermerk, der Inhalt des Angebots D16 sei vertraulich folge nicht, dass die Essex bezüglich der Doppelspuler zur Geheimhaltung verpflichtet war.
Der Aussage von Herrn Neddermann als Zeuge komme Beweiskraft zu. Herr Neddermann sei ein langjähriger Mitarbeiter der Beschwerdeführerin und kenne die an Essex Group Inc. ausgelieferte Maschine aus eigener Anschauung, da er an deren Aufbau in den USA verantwortlich beteiligt war. Seine Aussage zur Verschwenkbarkeit des Gegenlagers gemäß D9 sei nicht widersprüchlich. Er habe lediglich ausgesagt, D9 zeige das Gegenlager, das auch an die Firma Essex geliefert worden sei und dieses sei verschwenkbar gewesen. Wenn möglicherweise die Darstellung von D9 für sich genommen nicht zweifellos erkennen lasse, dass das Gegenlager verschwenkbar ist, ergebe sich hieraus doch kein Widerspruch, der die Aussagen von Herrn Neddermann in Frage stellen könne.
Auch der Erklärung von Herrn Joshua Fennig (D15) komme Beweiskraft zu. Die Beschwerdegegnerin stelle nur Mutmaßungen bezüglich im Text verwendeter eckiger Klammern an. Mit den Angaben aus der Erklärung D15 sei es aber für die Beschwerdegegnerin ein Leichtes gewesen, sich bei der Firma Essex Group Inc. über die Existenz von Herrn Fennig zu informieren.
Bezüglich der Verschwenkbarkeit des Gegenlagers seien die Beweismittel D6 und D8 bis D12, sowie die Zeugenaussage von Herrn Neddermann in ihrer Gesamtheit zu würdigen. Die Beschwerdegegnerin argumentiere lediglich, aus der technischen Zeichnung D9 für sich alleine genommen gehe hervor, das Lager sei nicht verschwenkbar. Aus D9 für sich genommen gehe aber weder hervor, dass das Lager verschwenkbar ist, noch das Gegenteil.
Die Hilfsanträge 1 bis 6 seien erst mit der Erwiderung auf die Beschwerdebegründung eingereicht worden und daher verspätet. Sie sollten nicht zugelassen werden, da die Hilfsanträge nicht konvergent seien und da Hilfsantrag 1 prima facie nicht neu gegenüber der Vorbenutzung DDS/V250 sei. Darüber hinaus sei der Gegenstand von Anspruch 1 von Hilfsantrag 1 nicht neu gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung DDS/V250, denn auch diese haben mit dem Klemmring eine Feststellvorrichtung, mit welcher der Haltearm wahlweise verschwenkt oder drehfest angeordnet werden könne. Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung DDS/V250. Durch die relative Beweglichkeit des Haltearms zur Hülse werde zusätzliche Flexibilität bei der Höhenverstellbarkeit erreicht. Zur Lösung dieser Aufgabe sei die anspruchsgemäße Ausführung das Mittel der Wahl und habe nahegelegen.
VII. Die entscheidungsrelevanten Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen.
Der Einspruch sei nicht zulässig, da er innerhalb der Neunmonatsfrist gemäß Artikel 99 EPÜ nicht ausreichend substantiiert worden sei. Es sei weder der konkrete Zeitpunkt, noch der konkrete Ort der Vorbenutzung angegeben worden. Die Angaben "im Jahr 1999" und "an die Essex Group Indiana/USA" seien nicht spezifisch genug. Insbesondere sei nicht angegeben worden, dass die Fabrik der Essex Group der Ort der Vorbenutzung sei. Auch sei die Angabe, dass ein "Doppeldrahtspuler des Typs DDS/V250" ausgeliefert worden sei, nicht ausreichend als Angabe des vorbenutzten Gegenstandes. Die entsprechenden Unterlagen seien widersprüchlich, so dass nicht ermittelt werden könne, welcher Gegenstand vorbenutzt gewesen sei.
Die Beweismittel D17 bis D20 seien nicht zulässig, da sie verspätet vorgebracht und nicht prima facie relevant seien.
Darüber hinaus sei die angebliche offenkundige Vorbenutzung durch die Beschwerdeführerin nicht ausreichend belegt worden. Der anzulegende Beweismaßstab sei ein lückenloser Nachweis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, da praktisch sämtlich Beweismittel in der Verfügungsmacht und dem Wissen der Einsprechenden stehen.
Was den Zeitpunkt der Vorbenutzung angeht, sei als Beleg für die Auslieferung der Maschinen lediglich ein Lieferschein D5 und eine Bestellung D13 eingereicht worden. Hieraus ergebe sich aber nicht, ob die Maschine wirklich beim Kunden angekommen ist. Insbesondere seien keine Verzollungspapiere vorgelegt worden, obwohl die Beschwerdeführerin ausweislich der Rechnung D4 für die Verzollung verantwortlich gewesen sei. Die Erklärung D15 des Joshua Fennig sei unzureichend. Sie enthalte keine Angaben zu Geburtsdatum und Wohnort und wäre damit nach österreichischer Prozessordnung nicht verwertbar. Sie sei auch als Beweis der Auslieferung der Maschine völlig unzureichend. Auch handele es sich nach Angaben der Beschwerdeführerin bei den vertikalen Spulern um eine Entwicklung für die Essex Group Inc. beziehungsweise eine gemeinschaftliche Entwicklung. Daher sei von einer Geheimhaltungsverpflichtung auszugehen, was auch durch die Schutzvermerke nach DIN 34 auf allen Zeichnungen und den Vermerk der Vertraulichkeit auf dem Angebot D16 bestätigt werde. Durch das angebliche Aufstellen auf dem Betriebsgelände der Firma Essex Group Inc. seien die Spuler nicht öffentlich gemacht worden, da das Gelände nicht öffentlich zugängig sei.
Ebenso sei der Gegenstand der Vorbenutzung nicht ausreichend nachgewiesen. Aufgrund der zahlreichen Widersprüche könne gar nicht festgestellt werden, welche Merkmale die ausgelieferten Spuler gehabt hätten. Es habe Widersprüche im Datum der Auftragsvergabe und den erst danach datierten technischen Zeichnungen D8 und D9 gegeben, obwohl der Zeuge Neddermann klar ausgesagt habe, die Konstruktion der Maschinen sei bei der Beschwerdeführerin vor Angebotsabgabe abgeschlossen. Darüber hinaus sei in D9 von einer Säule "oben" und einer Säule "unten" die Rede. Daher sei klar, dass diese Zeichnungen nicht zu einem vertikalen, sondern einem horizontalen Spuler gehörten. Es sei auch nicht ausreichend bewiesen, dass ein verschwenkbares Gegenlager bei den angeblich vorbenutzten Spulern vorgesehen war. Die Zeichnung D9 zeige eindeutig ein nicht verschwenkbares Gegenlager, denn die kürzere der beiden Säulen würde in jeder Stellung in das Gegenlager eingreifen und so ein Verschwenken verhindern. Auch auf der Fotografie der D12 erkenne man nicht, ob ein Gegenlager verschwenkbar sei.
Die Zeugenaussage von Herrn Neddermann habe allenfalls geringe Beweiskraft, da er seit 40 Jahren Angestellter bei der Beschwerdeführerin sei und um die Wichtigkeit eines positiven Ausganges des vorliegenden Verfahrens für seinen Arbeitgeber wisse. Hinzu komme, dass er im Hinblick auf D9 eine unrichtige Aussage in der Zeugeneinvernahme gemacht habe, denn das dort dargestellte Gegenlager sei entgegen der Angabe von Herrn Neddermann nicht verschwenkbar. Vermutlich habe das Studium der Anwaltskorrespondenz ihn in seinen Aussagen beeinflusst. Der Beschwerdeführerin habe es freigestanden, glaubwürdige Beweismittel, zum Beispiel einen Zeugen der Firma Essex Group zu benennen. Stattdessen sei eine Erklärung D15 von Herrn Joshua Fennig vorgelegt worden, die aufgrund der eckigen Klammern im Text offensichtlich keine persönliche Erklärung darstellt, sondern vorgeschrieben worden sei und aus der hervorginge, dass Herr Fennig nicht einmal gewusst habe, wo die Fotos in der Erklärung aufgenommen worden seien. Er erkläre lediglich, er sei "zuversichtlich", dass das Foto die Fabrik von Essex zeige. Der Erklärung D15 käme daher keine Beweiskraft zu. Die Herkunft und das Aufnahmedatum der Fotografien D6 und D12 sei nicht bekannt. Auch ihnen käme daher keine Beweiskraft zu.
Die Hilfsanträge 1 bis 6 seien zulässig. Die Beschwerdegegnerin habe im Einspruchsverfahren keinen Anlass gehabt die Hilfsanträge einzureichen, da ihrem Hauptantrag stattgegeben wurde.
Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 sei neu. Das Gegenlager der D9 sei schon nicht verschwenkbar. Der Klemmring habe nur die Funktion der Höhenverstellbarkeit des Lagers.
Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 sei neu und beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit. Das Gegenlager der Spuler DDS/V250 sei nicht auf einer Hülse höhenverstellbar. Die Vorbenutzung rege hierzu auch nicht an.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit der Beschwerde
Die Beschwerde wurde frist- und formgerecht eingereicht. Sie ist daher zulässig.
2. Zulässigkeit des Einspruchs
2.1 Der Einspruch ist zulässig. Gemäß der Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 9. Auflage, Juli 2019, IV.C.2.2.8 d) sind die Voraussetzungen der Regel 76 (2) c) EPÜ bei einem ausschließlich auf eine offenkundige Vorbenutzung gestützten Einspruch erfüllt, wenn anhand der innerhalb der Einspruchsfrist in der Einspruchsschrift angegebenen Tatsachen Folgendes ermittelt werden kann:
- der Zeitpunkt der Vorbenutzung ("wann") zur Feststellung der Vorzeitigkeit der Benutzung,
- der Gegenstand der Vorbenutzung ("was") zur Prüfung ihrer Relevanz sowie
- die Umstände der Vorbenutzung ("wie") zur Bestätigung ihrer öffentlichen Zugänglichkeit.
Außerdem sind in der Einspruchsschrift die Argumente und Beweismittel zur Stützung der behaupteten Vorbenutzung zu nennen.
2.2 Die Beschwerdeführerin führt zurecht aus, dass der Einspruchsschrift zu entnehmen ist, dass die Firma Aumann GmbH im Jahr 1999 an die Firma Essex Group Inc. Doppeldrahtspuler vom Typ DDS/V250 ausgeliefert hat. Damit enthält die Einspruchsschrift die geforderten Angaben zum Wann (1999), zum Was (Doppelspuler vom Typ DDS/V250) und zum Wie (durch Auslieferung an den Kunden Essex Group Inc.).
Hingegen behauptet die Beschwerdegegnerin, dass der Zeitpunkt, in welchem der Doppeldrahtspuler öffentlich zugänglich gemacht worden sei, nicht dargelegt worden sei. Dies überzeugt die Kammer nicht. Die Angabe des Jahres der behaupteten Vorbenutzung (1999), das sich ferner in den gesamten Beweismitteln wieder findet (siehe z.B. die Rechnung D4 und der Lieferschein D5, beide vom 30. Mai 1999), reicht für die Frage der Substantiierung der behaupteten Vorbenutzung aus. Die Angabe der Jahreszahl des Verkaufs bzw. der Lieferung erscheint somit im Zusammenhang mit den anderen Informationen über die Vertragsparteien und den Vertragsgegenstand als hinreichend präzise, um eine konkrete Vorbenutzung zu identifizieren. Die Angabe eines konkreten Datums innerhalb des Jahres 1999 erscheint auch deshalb nicht erforderlich, da ein ausreichender zeitlicher Abstand zum Prioritätstag (24. April 2006) des Streitpatents besteht.
Die Beschwerdeführerin behauptet weiterhin, der konkrete Ort der Vorbenutzung sei nicht benannt worden. Insbesondere sei nicht erklärt worden, dass die Fabrik der Firma Essex der Ort der Vorbenutzung gewesen sei.
Allerdings übersieht die Beschwerdegegnerin, dass die Einspruchsschrift die Angabe enthält, die Lieferung sei an die Essex Group in Indiana/USA gegangen, und dass innerhalb der Einspruchsfrist der Lieferschein D5 vorlag, der als Adresse ESSEX GROUP INC., 800 West Mitchell Street, USA-46755 Kendallville, IN46755 INDIANA zeigt. Es entspricht den allgemeinen Usancen des Geschäftsverkehrs, dass die Maschine an diese auf dem Lieferschein genannte Adresse geliefert wurde. Damit war auch der konkrete Ort der Vorbenutzung innerhalb der Neunmonatsfrist benannt.
Die Beschwerdegegnerin vertritt die Ansicht, das Eintreffen der Maschine bei der Firma Essex Group Inc. sei nicht hinreichend belegt worden. Die Bestellung hätte storniert und die Doppelspuler nie ausgeliefert werden können. Für die Frage der Zulässigkeit des Einspruchs ist jedoch lediglich zu prüfen, ob die Erfordernisse für eine ausreichende Substantiierung des Vorbringens (vgl. hierzu die oben unter Punkt 2.1 genannten Kriterien) erfüllt sind. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob das Vorbringen als hinreichend bewiesen anzusehen ist. Dies ist jedoch im Rahmen der Prüfung der materiellrechtlichen Begründetheit des Einspruchs zu untersuchen und nicht im Rahmen der Prüfung seiner Zulässigkeit.
Weiterhin vertritt die Beschwerdegegnerin die Auffassung, dass Widersprüche in den Beweismitteln unmöglich machten zu erkennen, was konkret der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde, insbesondere da das Datum der technischen Zeichnung D8 nach dem Auftragsdatum liege, sowie aufgrund der fehlenden Angaben zu den Fotografien D6 und D12.
Ihr Vortrag zeigt aber, dass sie sehr wohl in der Lage war, die behaupteten Tatsachen bezüglich des Zeitpunkt, des Ortes und der Umstände der Vorbenutzung zu verstehen und dazu Stellung zu nehmen. Ihre Einwände richten sich erkennbar nicht dagegen, dass, wie von Regel 76 (2) c) EPÜ gefordert, die Tatsachen und Beweismittel nicht angegeben waren, sondern vielmehr dagegen, dass die vorgelegten Beweismittel die behaupteten Tatsachen ihrer Ansicht nach nicht mit ausreichend hoher Sicherheit belegen. Dies betrifft aber eindeutig die Frage der Beurteilung der Beweismittel und die Frage des Beweisstandards und ist nicht Teil der Zulässigkeitsprüfung, sondern der Prüfung der materiellrechtlichen Begründetheit des Einspruchs.
Zudem ist zu erwähnen, dass die Einsprechende die Frage des Nichtbestehens einer Geheimhaltungsverpflichtung im Einspruchsschriftsatz implizit angesprochen hat, indem sie von einem öffentlich vorbenutzten Stand der Technik spricht bzw. von einem Gegenstand der eben durch Verkauf und Lieferung öffentlich vorbenutzt wurde. Für die Frage der Zulässigkeit des Einspruchs ist es daher entbehrlich, explizit zu erwähnen, dass keine Geheimhaltungsverpflichtung vorgelegen habe.
3. Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) mit 54 EPÜ - Hauptantrag
3.1 Der Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ steht der Aufrechterhaltung des Streitpatents im Wege, da der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag gegenüber dem Doppeldrahtspuler DDS/V250 der Beschwerdeführerin nicht neu im Sinne von Artikel 54 (1) und (2) EPÜ ist.
3.2 Anzulegendes Beweismaß
Im vorliegenden Fall wird der Einspruch ausschließlich auf eine offenkundige Vorbenutzung gestützt, die auf dem Verkauf eines Produktes der Beschwerdeführerin selbst an einen Kunden beruht. Das anzulegende Beweismaß ist im Einklang mit der Rechtsprechung der Beschwerdekammern der lückenlose Nachweis. Der Maßstab hierfür ist höher als ein bloßes Abwägen der Wahrscheinlichkeiten ("wahrscheinlicher als nicht"), aber auch nicht die absolute Sicherheit. Stattdessen muss der Vortrag über vernünftige Zweifel erhaben sein, nicht jedoch über jeden denkbaren Zweifel. Siehe hierzu Rechtsprechung der Beschwerdekammern (loc. cit.) I.C.3.5.2. b).
3.3 Würdigung der Neddermann-Aussage und der Fennig-Erklärung
Da die Beschwerdegegnerin die Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung, wonach die Vorbenutzung als bewiesen anzusehen sei, grundlegend in Zweifel gezogen hat, hat die Beschwerdekammer die Würdigung der Beweise in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht zu überprüfen (vgl. T 1604/16, Gründe Nr. 3).
Grundsätzlich ist dazu auszuführen, dass die Beweismittel nicht isoliert sondern in ihrer Gesamtheit und in ihrem Zusammenhang zu betrachten sind. Da die Beschwerdegegnerin insbesondere die Aussagen des Herrn Neddermann sowie die Erklärung des Herrn Fennig in Zweifel zieht, ist zu betonen, dass auch diese unter Berücksichtigung der übrigen Beweismittel auszulegen und zu beurteilen sind.
Die Kammer hat nach Betrachtung aller Beweismittel und Umstände keine Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Herrn Neddermann und der Richtigkeit seiner Aussage. Aufgrund des bloßen Umstandes, dass er ein langjähriger Angestellter der Einsprechenden ist, kann ihm nicht die Glaubwürdigkeit abgesprochen werden. Jedoch kann dieser Umstand im Rahmen der Würdigung der Aussage des Zeugen eine Rolle spielen, etwa wenn begründete Zweifel an der Richtigkeit seiner Aussage aufkommen. Dies spricht jedoch nicht gegen seine grundsätzliche Eignung als Zeuge aufzutreten, wie die Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung ausführte. Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass Herr Neddermann für den Aufbau der Maschinen bei der Firma Essex verantwortlich war und deshalb sowohl aus eigener Wahrnehmung über die Umstände der Lieferung und den Aufbau der Maschinen berichten kann als auch über die nötige technische Sachkenntnis verfügt, um über die technischen Details der gelieferten Maschinen Auskunft zu geben. Dass er dieses Wissen aus eigener Erfahrung besitzt, geht aus dem Detailreichtum seiner Aussage hervor. Dem Vorbringen der Beschwerdegegnerin, dass Herrn Neddermann die Eignung als Zeuge fehle, kann demnach nicht gefolgt werden. Die Beschwerdegegnerin verwies zudem auf den zweiten Absatz auf Seite 8 der Niederschrift, wonach der Zeuge vor seiner Aussage die Anwaltskorrespondenz gelesen habe. Hierzu ist zu bemerken, dass dieser Umstand gegebenenfalls im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen ist. Er stellt jedoch an sich und ohne weitere Anhaltspunkte die Glaubwürdigkeit eines Zeugen nicht in Frage. Im vorliegenden Fall wurden keine konkreten Anhaltspunkte vorgebracht, die dafür sprechen, dass der Zeuge durch die Lektüre der Korrespondenz veranlasst die Unwahrheit aussagte. Im Gegenteil sind Herrn Neddermanns Aussagen, wie auch von der Einspruchsabteilung festgestellt (siehe Seite 8 der angefochtenen Entscheidung), detailreich und beruhen offenbar auf der eigenen Wahrnehmung und sind konsistent mit den weiteren vorgelegten Beweismitteln D4, D5, D9, D13, D15, D16.
Auch Herrn Neddermanns Aussagen zur Zeichnung D9 ändern an der Beweiskraft seiner Aussage nichts. Die Beschwerdegegnerin vertritt die Ansicht, Herr Neddermann habe auf die von ihr gestellte Frage bei der Zeugeneinvernahme "ob D9 ein verschwenkbares Gegenlager zeigt" mit seiner Antwort "Ja, man kann sie verschwenken und hochziehen." (vgl. Niederschrift, Seite 9, unten) nachweislich falsch geantwortet, da D9 eindeutig kein verschwenkbares Lager zeige. Die Kammer bemerkt dazu, dass bereits die Frage der Patent-inhaberin nicht eindeutig ist. Aus D9 geht weder die Verschwenkbarkeit noch die Unverschwenkbarkeit des Gegenlagers hervor, zumal die Zeichnung diesen Aspekt gar nicht illustrieren möchte. Die Antwort des Zeugen bezog sich nach Auffassung der Kammer nicht auf die zeichnerische Darstellung in der D9 sondern auf das tatsächlich aufgebaute und ausgelieferte Lager. Aus der Niederschrift ist zudem ersichtlich, dass sich auch die vorhergehende Frage, auf die Übereinstimmung der Zeichnungen mit den tatsächlich ausgelieferten Produkten bezog. Die diesbezüglichen Aussagen des Zeugen sind daher weder unrichtig noch unstimmig. Die stillschweigende Annahme der Beschwerdegegnerin, wonach aus der Anordnung der Säulen in D9 für sich alleine betrachtet hervorginge, das Gegenlager sei nicht verschwenkbar ist unzutreffend. Die korrekte zeichnerische Darstellung der tatsächlichen Anordnung der Säulen und des Gegenlagers würde aufgrund der Länge der Säulen im Vergleich zur Höhe des Gegenlagers die wichtigen Details des Gegenlagers, die in der D9 offenbar dargestellt werden sollen, nicht gut erkennen lassen und Platz verschwenden. Die Säulen sind daher in stimmiger Weise gebrochen dargestellt. Auch gibt es technisch keinerlei sinnvolle Erklärung für die Annahme, die Säulen seien auch im aufgebauten Gegenlager leicht versetzt angeordnet. Die Kammer ist daher überzeugt, dass die Darstellung in D9 nicht der tatsächlichen Anordnung der Säulen im Aufbau entspricht. Daher ist die Schlussfolgerung der Beschwerdegegnerin, wonach Herr Neddermann eine unrichtige Angabe gemacht habe, unzutreffend.
Dokument D9 zeigt ein Gegenlager, das nach Aussage von Herrn Neddermann auch bei den Doppeldrahtspulern DDS/V250 bei der Firma Essex Group Inc. verbaut wurde. Dieses war nach seiner Aussage verschwenkbar. Seine Aussage wird von den Fotografien von D6, der Bedienungsanleitung D11 und der Erklärung D15 gestützt. Insbesondere in D6 ist ein Gegenlager zu erkennen, das in den erkennbaren Teilen seiner Konstruktion der Zeichnung D9 entspricht und welches nach Aussage von Herrn Neddermann einen tatsächlich an Essex ausgelieferten Spuler DDS/V250 zeigt. Herr Neddermann erklärte, dass die Drahtlackieranlagen inklusive der Spuler in den USA abgebaut und in Portugal wieder aufgebaut wurden. Er habe die Maschinen in Portugal gewartet und könne daher erkennen, dass sie konstruktiv unverändert geblieben seien. Die Fotografien D6 habe er selbst in Portugal gemacht.
Auch die Bedienungsanleitung D11 bestätigt die Verschwenkbarkeit des Gegenlagers. Herr Fennig bestätigt in seiner Erklärung D15, dass D11 die Anleitung ist, die mit den Drahtlackiermaschinen an Essex geliefert wurde. Gemäß Abschnitt 4. von D11 "Counter bearing" kann das Gegenlager verschwenkt werden. ("The counter bearings can be removed from the spooler housing and pivoted to the side after releasing.")
An der Existenz von Herrn Fennig hat die Kammer aufgrund des Dokuments D15 keine Zweifel. Auch an der Richtigkeit seiner Erklärungen zweifelt die Kammer nicht. Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdegegnerin führt auch das Fehlen personenbezogener Daten nicht automatisch zur Unverwertbarkeit dieses Beweismittels, das vielmehr nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu beurteilen ist. Die Beschwerdegegnerin hätte ihre Zweifel im Übrigen auch mit einer Nachfrage bei der Firma Essex stützen können. Aus der in der Erklärung enthaltenen Formatierung seiner Stellenbezeichnung mit eckigen Klammern lässt sich nicht der Schluss ziehen, die Erklärung sei nicht von ihm persönlich abgegeben und erst recht nicht, dass sie unrichtige Angaben enthalte. Stattdessen sind die angegebenen Tatsachen in D15, wie Daten und Orte mit anderen Beweismitteln wie D4, D5 und D16 oder Angaben aus der Zeugenaussage von Herrn Neddermann, wie dem Wiederaufbau der Maschinen in Portugal, konsistent. Seine etwas vorsichtige Formulierung, er sei "confident", dass es sich bei dem Foto aus D12 um die Fabrikhalle der Firma Essex handelt, was im Deutschen auch als "überzeugt" übersetzt werden kann, deutet auch nicht auf eine unrichtige Angabe hin. Es bestand nie die Behauptung, er habe das Foto selbst aufgenommen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Herr Fennig seine Worte in D15 mit Bedacht gewählt hat, um auszudrücken, dass er den auf dem Foto dargestellten Gegenstand erkennt, ohne zu suggerieren, er habe das Foto selbst gemacht. Von der Unrichtigkeit seiner Angaben ist daher nicht auszugehen.
3.4 Zeitpunkt und Ort der Vorbenutzung DDS/V250
Die Beschwerdeführerin trägt vor, sie habe Doppeldrahtspuler des Typs DDS/V250 im Laufe des Jahres 1999 an die Firma Essex Group Inc. verkauft und ausgeliefert. Als Beweismittel für den gesamten Vorgang legt sie ein Angebot D16 vom 21. April 1998, eine Bestellung D13 vom 29. April 1998, eine Rechnung D4 und einen Lieferschein D5, beide mit Datum 31. Mai 1999 und eine Stückliste der Lieferung D7 vor. Die Dokumente sind einander und demselben Verkaufsvorgang zuordenbar. Bestellung D13 nimmt auf die Angebotsnummer A1246-5 und das Datum des Angebots D16 Bezug. Die Rechnung D4 und der Lieferschein D5 nehmen auf die Bestellnummer M08627387 der Bestellung D13 sowie die Angebotsnummer der D16 Bezug. Die Rechnung D4 bezieht sich auf den Lieferschein 8564 vom 31. Mai 1999 (D5). Die Stückliste D7 weist die Stücknummer P6401.000.005 auf, die auch in der Rechnung D4 und im Lieferschein D5 genannt werden.
Gemäß Angebot D16, Seite 6 sollte Herr Neddermann bei der Installation, Inbetriebnahme und dem Training vor Ort sein. Herr Neddermann bestätigt mit seiner Aussage (vgl. Niederschrift, der die Seiten 1 und 2 überbrückende Absatz), dass er die Maschinen in den USA in Betrieb genommen hat. Auch Herr Fennig bestätigt, dass die Fotografie D12 die aufgebauten Spuler am Standort der Firma Essex Group Inc. in Kendallville zeigt. Die durch Herrn Fennig in D15 bestätigte Adresse stimmt mit der Adresse auf dem Lieferschein D5 überein. Sowohl Herr Fennig als auch Herr Neddermann bestätigen, dass die Maschinen im Jahr 1999 in die USA ausgeliefert wurden. Auch dies ist konsistent mit den Daten des Lieferscheins.
Die Beschwerdegegnerin entgegnet, es sei kein ausreichender Beweis erbracht worden, dass die Doppeldrahtspuler tatsächlich an die Firma Essex ausgeliefert worden seien. Die Bestellung D13 vom 29. April 1998 habe auch storniert werden können. Es seien durch die Beschwerdeführerin keine Verzollungspapiere vorgelegt worden, obwohl die Verzollung ausweislich der Rechnung und des Lieferscheins D4 bzw. D5 durch die Beschwerdeführerin erfolgt ist.
Dies überzeugt die Kammer nicht. Die Beschwerdegegnerin lässt die diesbezüglich eindeutigen Aussagen von Herrn Neddermann und die Erklärung von Herrn Fennig sowie das Beweismittel D12 unberücksichtigt. Die Wahl der Beweismittel steht zudem dem beibringenden Beteiligten frei. Aus dem Umstand, dass keine Verzollungspapiere vorgelegt wurden, folgt nicht zwingend, dass die vorgelegten Beweismittel unzureichend bzw. zweifelhaft sind. Schließlich liegt es auf der Hand, dass die Nichtvorlage bestimmter Dokumente auch darin begründet sein kann, dass diese nach so langer Zeit nicht mehr verfügbar sind.
Da der Prioritätstag des Streitpatents der 24. April 2006 ist, ist der Nachweis eines exakten Auslieferungsdatums nicht erforderlich, zumal die Produkte offenbar in mehreren Teillieferungen geliefert worden sind. Der Nachweis einer Lieferung des Doppeldrahtspulers DDS/V250 vor dem Ende des Jahres 1999 ist daher jedenfalls ausreichend.
Da die Einwände der Beschwerdegegnerin nicht überzeugen konnten, sieht die Kammer keinen Grund von der Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung abzuweichen, wonach Doppeldrahtspuler des Typs DDS/V250 durch die Beschwerdeführerin an die Firma Essex Group Inc. vor dem Prioritätstag des Streitpatents geliefert wurden (vgl. angefochtene Entscheidung, Punkt 2.2.3 der Gründe).
3.5 Bestehen einer Geheimhaltungsverpflichtung
Die Beschwerdegegnerin trug vor, dass die Offenkundigkeit der angeblichen Vorbenutzung zu verneinen sei, da eine Geheimhaltungsvereinbarung bestanden habe. Dies überzeugt die Kammer aus den folgenden Gründen nicht.
Der Zeuge Neddermann sagte aus, es habe seines Wissens keine Geheimhaltungsverpflichtung gegeben (vgl. Niederschrift, Seite 5, letzter Absatz). Auch wenn er sich in seiner Aussage nur auf "sein Wissen" bezog und damit das Bestehen einer solchen Verpflichtung nicht kategorisch ausschloss, ist davon auszugehen, dass er als Verantwortlicher für die Installation, Inbetriebnahme und Abnahme der Maschinen etwaige Geheimhaltungsvereinbarungen hätte kennen müssen. Das Angebot D16 enthält in Übereinstimmung mit der Aussage von Herrn Neddermann keine Vereinbarung über eine Geheimhaltung die ausgelieferten Spuler betreffend. Zwar trägt es auf dem Deckblatt den Vermerk, die Angaben in dem Angebot seien vertraulich. Dies bezieht sich aber erkennbar nicht auf eine generelle Geheimhaltungsverpflichtung über die ausgelieferten Maschinen. Vielmehr ist es üblich, dass über Preise und Lieferbedingungen Vertraulichkeit besteht, ohne, dass sich dies auf das ausgelieferte Produkt selbst bezieht.
Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdegegnerin handelt es sich bei den an Essex verkauften Maschinen auch nicht um Maschinen, die auf einer gemeinschaftlichen Entwicklungstätigkeit beruhen und bei denen daher eine implizite Geheimhaltungsverpflichtung anzunehmen sei. Zunächst ist anzumerken, dass der Lieferung an die Essex Group Indiana/USA ein Kaufvertrag zu Grunde lag, der durch entsprechende Dokumente (Angebot, Liefer-schein, Rechnung, Bedienanleitung, etc.) belegt ist, und nicht ein Vertrag, der die gemeinsame Entwicklung einer Vorrichtung zum Gegenstand hat. In diesem Zusammenhang sagte Herr Neddermann aus, dass die einzige Anpassung der Maschinen darin bestand, die Spuler vertikal zu konstruieren, damit die gewickelten Spulen von Kränen abgenommen werden können. Dies sei durch die Gesetzgebung in den USA gefordert (siehe Niederschrift, Seite 3, letzter Absatz). Allerdings habe die Anlage für Essex, was die Grundmodule betraf, keinen anderen Unterschied zu den herkömmlichen Maschinen der Beschwerdeführerin aufgewiesen. Es handelt sich daher weder um eine komplette Neuentwicklung und noch weniger um eine gemeinsame Entwicklung, sondern lediglich um eine geringfügige Anpassung eines bestehenden Produkts an Kundenanforderungen, welche auf gesetzlichen Anforderungen und nicht auf einer technisch vertraulich zu behandelnden Erkenntnis beruht. Dies ist ein im Anlagenbau üblicher Vorgang. Eine Geheimhaltungs-verpflichtung ist allein aufgrund dieser Tatsache daher nicht anzunehmen.
Die Beschwerdegegnerin geht auch fehl in ihrer Ansicht, der Vermerk auf den technischen Zeichnungen wie D8 bis D10 "Schutzvermerk nach DIN 34 beachten" deute auf eine Geheimhaltungsverpflichtung hin. Diese Schutzvermerke dürften standardmäßig durch die Software zum Erstellen technischer Zeichnungen eingefügt werden und sich auf die Zeichnungen selbst beziehen. Diese Zeichnungen sind offenbar für den internen Hausgebrauch bei der Beschwerdeführerin bestimmt und stellen an sich keine der Öffentlichkeit zugängliche Information dar. Aus diesem Schutzvermerk kann hingegen nicht abgeleitet werden, dass die Käuferin Essex Group Inc. gehindert war, die von ihr erworbene Maschine anderen Personen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Darüber hinaus handelt es sich bei den technischen Zeichnungen um ein indirektes Beweismittel für den Nachweis der technischen Merkmale des vorbenutzten Produkts DDS/V250. Eine Vorveröffentlichung der technischen Zeichnungen selbst wurde von der Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht.
Die Beschwerdegegnerin geht auch fehl in ihrer Behauptung, die Doppelspuler DDS/V250 seien durch Aufstellung auf dem Betriebsgelände der Firma Essex noch nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Vielmehr führt die Beschwerdeführerin zurecht unter Verweis auf die Rechtsprechung der Beschwerdekammern (loc. cit.), I.C.3.3.1 aus, dass ein einziger Verkauf genügt, um der Öffentlichkeit den verkauften Gegenstand im Sinne des Art. 54 (2) EPÜ zugänglich zu machen, sofern der Käufer nicht zur Geheimhaltung verpflichtet war. Es braucht nicht nachgewiesen zu werden, dass Dritte tatsächlich Kenntnis von diesem Gegenstand erlangten.
Daher kommt die Kammer zu der Überzeugung, dass die Spuler vom Typ DDS/V250, welche im Jahre 1999 an die Firma Essex geliefert wurden, zum Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ gehören.
3.6 Verschwenkbarkeit der Spuler DDS/V250
3.6.1 Die Beschwerdeführerin legt dar, dass die ausgelieferten Doppeldrahtspuler DDS/V250 alle Anspruchsmerkmale verwirklichen. Das einzige konkret durch die Beschwerdegegnerin angezweifelte Merkmal war allerdings die Verschwenkbarkeit des Gegenlagers.
3.6.2 Herr Neddermann erklärte (vgl. Seiten 3 und 9 der Niederschrift), die bei der Firma Essex am Standort Kendallville ausgelieferten Maschinen seien in den USA abgebaut, nach Portugal gebracht und dort wieder aufgebaut worden. Zudem erklärte er (Niederschrift Seite 9), er habe die Maschinen in Portugal gewartet und könne daher aus eigener Anschauung sagen, dass sie unverändert gegenüber dem Auslieferungszustand 1999 geblieben seien. Herr Neddermann sagte zudem aus (Niederschrift Seite 7), er habe die Fotografien D6 bei der Anlage in Portugal selbst angefertigt. Aus dem Gesagten folgt, dass die Fotografien in D6 einen Doppelspuler zeigen, der auch bereits am Standort der Firma Essex in Kendallville im Jahre 1999 ausgeliefert wurde. Aus dem Vergleich der beiden Fotografien aus D6 und der Zeugenaussage von Herrn Neddermann geht hervor, dass der Haltearm mit Gegenlager verschwenkbar ist. Im oberen Bild sieht man, dass beide Säulen in das Gegenlager in der Halteposition eingreifen. Dem unteren Bild ist zu entnehmen, dass das Gegenlager über die kürzere Säule geschoben und verschwenkt werden kann. Dort ist eindeutig ein Stück des Randes der kürzeren Säule zu sehen. Die Position des Handgriffes relativ zu den Säulen zeigt ebenfalls, dass das Gegenlager im unteren Bild in Richtung Bildhintergrund verschwenkt ist. Bestätigt wird dies durch Abschnitt 4. der Bedienungsanleitung D11, welcher eindeutig angibt, dass das Gegenlager verschwenkt werden kann. ("The counter bearings can be removed from the spooler housing and pivoted to the side after releasing.") D9 widerspricht der Verschwenkbarkeit wie oben ausgeführt nicht. Die Mutmaßungen der Beschwerdegegnerin bezüglich der Möglichkeit die Spulen horizontal aus den in D12 gezeigten Spulern herauszunehmen, überzeugt die Kammer im Gegensatz zu den Angaben von Herrn Neddermann nicht.
3.7 Datumsangaben der Konstruktionszeichnungen D8 bis D10
Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass aufgrund der Datumsangaben auf den Konstruktionszeichnungen D8 bis D10 (5. Februar 1999, 6. Juli 1998 und 1. Juli 1998) und des Angebots D16 (21. April 1998) kein ausreichender Nachweis darüber vorliege, welche Merkmale die ausgelieferten Doppelspuler aufwiesen.
Die Kammer folgt dem Vorbringen der Beschwerdegegnerin insofern, als die Zeichnungen (D8 bis D10) nicht als Grundlage für das Angebot dienen konnten, da sie allesamt erst nach der Erstellung des Angebots angefertigt wurden.
Die von der Beschwerdeführerin vorgetragene Nachweiskette beruht allerdings nicht auf einem direkten Nachweis der technischen Merkmale durch D8 bis Dl0: Der Zeuge Neddermann hat nicht erklärt, dass die in D8 bis Dl0 vorgelegten Zeichnungen die ursprünglichen Konstruktionszeichnungen darstellten, auf Basis derer das fragliche Angebot D16 erstellt wurde oder die dem Entwurf und der Konstruktion der fraglichen Anlagen zugrunde lagen, (vgl. Niederschrift, Seite 6). Herr Neddermann sagte vielmehr aus, dass die an Essex ausgelieferten Doppelspuler den gleichen Aufbau wie die in D8 bis Dl0 gezeichneten Doppelspuler hatten und sich lediglich in der Länge der Spulen unterschieden haben könnten. Ansonsten sei nämlich immer der gleiche Aufbau verwendet worden (vgl. Niederschrift, Seite 9). Auch aus der von der Beschwerdegegnerin zitierten Passage von Seite 7 geht nicht hervor, dass der Zeuge die D8 bis Dl0 als ursprüngliche Zeichnungen verstanden hat. Die Kammer sieht daher keinen Widerspruch zwischen den Erklärungen des Zeugen und den Datierungen der Zeichnungen, der die Aussagen des Zeugen zu den technischen Merkmalen des vorbenutzten Doppelspulers in Zweifel ziehen könnte. Zudem ist zu berücksichtigen, dass seine diesbezüglichen Aussagen auch mit den Dokumenten D6, D11 und 12 im Einklang stehen. Wie oben ausgeführt, sieht die Kammer daher das Merkmal der Verschwenkbarkeit des Haltearms als durch die Vorbenutzung vorweggenommen an.
3.8 Insgesamt kommt die Kammer daher zu der Schlussfolgerung, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag (also wie erteilt) nicht neu gegenüber den vorbenutzten Spulern DDS/V250 ist. Damit ist der Hauptantrag der Beschwerdegegnerin nicht gewährbar.
4. Zulässigkeit der Hilfsanträge 1 bis 6
4.1 Die Hilfsanträge 1 bis 6 sind zulässig.
4.2 Die Hilfsanträge 1 bis 6 wurden mit der Erwiderung auf die Beschwerdebegründung eingereicht. Sie sind daher gemäß Artikel 12 (1) VOBK 2020 Grundlage des Beschwerdeverfahrens. Das einzige Kriterium für die Ausübung des Ermessens der Kammer gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007 (anwendbar aufgrund von Artikel 25 VOBK 2020), die Hilfsanträge 1 bis 6 eventuell unberücksichtigt zu lassen, ist, ob die Anträge schon im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können. Der Vortrag bezüglich der angeblichen mangelnden Konvergenz der Hilfsanträge und deren prima facie Relevanz durch die Beschwerdeführerin ist mithin kein maßgebendes Kriterium für die Ausübung des Ermessens.
Da die Einspruchsabteilung im Ergebnis dem Hauptantrag der Beschwerdegegnerin stattgegeben hat, gab es für sie im Einspruchsverfahren keine Veranlassung Hilfsanträge einzureichen. Die Einreichung von Hilfsanträgen bereits im Einspruchsverfahren, anstatt erst mit der Beschwerdeerwiderung, hätte im vorliegenden Fall auch keinen Einfluss auf die prozessuale Situation im Beschwerdeverfahren gehabt. In beiden Fällen wären die Hilfsanträge im erstinstanzlichen Verfahren nicht diskutiert worden.
5. Hilfsantrag 1 - Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
5.1 Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung DDS/V250 nicht neu im Sinne von Artikel 54 (1) und (2) EPÜ.
5.2 Gemäß der Fotografie D6 und der Zeichnung D9 zeigt der Spuler DDS/V250 einen Klemmring. Mit diesem Klemmring lässt sich das Gegenlager an der höheren der beiden Säulen festklemmen. Im ungeklemmten Zustand ist das Gegenlager auf beiden Säulen höhenverstellbar. Wenn beide Säulen in das Gegenlager eingreifen ist es drehfest. Wird der Klemmring gelöst und das Gegenlager über die kürzere Säule gehoben ist es drehbar gelagert. Der Klemmring bildet daher eine Feststellvorrichtung, mit Hilfe derer der Haltearm wahlweise verschwenkbar bzw. drehfest angeordnet ist.
5.3 Die Beschwerdegegnerin argumentierte, sie kann auf der Zeichnung D9 kein verschwenkbares Gegenlager erkennen. Die Kammer hat aber am Ende der Diskussion des Hauptantrages diese Frage bereits entschieden, so dass dieses Gegenargument sie nicht überzeugt. Des Weiteren diene der Klemmring und Klemmhebel gemäß der Beschwerdegegnerin nur für die Höhenverstellbarkeit, nicht für die Verschwenkbarkeit. Allerdings verkennt sie dabei, dass Anspruch 1 nur fordert, dass mit Hilfe der Feststellvorrichtung der Haltearm verschwenkbar oder drehfest gelagert ist. Das Gegenlager des offenkundig vorbenutzten Spulers ist ebenfalls mit Hilfe des Klemmrings wahlweise drehfest oder verschwenkbar gelagert. Der Klemmring verhindert einerseits selbst das Verschwenken im klemmenden Zustand, andererseits ermöglicht er auch das Abheben des Gegenlagers von der kürzeren Säule. Damit verwirklicht er in beiden Fällen die beanspruchte Funktion das Gegenlager festzustellen und dabei zu helfen, es zu verschwenken oder drehfest zu lagern.
5.4 Da es dem Gegenstand von Anspruch 1 an Neuheit mangelt, ist Hilfsantrag 1 nicht gewährbar.
6. Hilfsantrag 2
6.1 Der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2 ist gegenüber der offenkundigen Vorbenutzung DDS/V250 neu und beruht ihr gegenüber auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
6.2 Der Gegenstand von Anspruch 1 ist neu gegenüber dem Spuler DDS/V250. Beim Spuler DDS/V250 hat das einstückig ausgebildete Gegenlager zwei Bohrungen, die auf den beiden Säulen laufen können. Einzig den Teil des Gegenlagers, welcher die Bohrungen aufweist, könnte man als Hülsenteil im Sinne des Anspruchs ansehen. Es folgt, dass der Haltearm nicht auf dem Hülsenteil höhenverstellbar angeordnet ist, denn eine Relativbewegung des Haltearms zum Teil, welcher die Bohrungen aufweist, ist aufgrund der einstückigen Ausbildung nicht möglich.
6.3 Der Gegenstand von Anspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ gegenüber dem Spuler DDS/V250.
Durch das im vorigen Abschnitt identifizierte Unterscheidungsmerkmal wird bewirkt, dass der Haltearm höhenverstellbar angeordnet ist. Dies erlaubt Spulenkörper unterschiedlicher Höhe zu bewickeln. Diese technische Wirkung wird allerdings eindeutig auch schon durch den Spuler DDS/V250 verwirklicht, welcher auch einen höhenverstellbaren Haltearm - das Gegenlager - aufweist.
Die gelöste technische Aufgabe ist daher lediglich die Bereitstellung einer konstruktiven Alternative.
Die Beschwerdeführerin vertrat die Ansicht, es werde der technische Effekt zusätzlicher Flexibilität bei der Höhenverstellbarkeit bewirkt. Die Kammer kann allerdings nicht erkennen, inwiefern hier zusätzliche Flexibilität erreicht wird. Beide Spuler sind höhenverstellbar. Die Beschwerdegegnerin trug keine technische Wirkung vor, die durch das Unterscheidungsmerkmal verwirklicht würde.
Die anspruchsgemäße Alternative wird durch den vorgelegten Stand der Technik nicht nahegelegt. Der Spuler DDS/V250 zeigt eine grundlegend andere Konstruktion basierend auf zwei unterschiedlich hohen Säulen und nicht auf einer Hülse und einem Basisteil. Damit ist kein Stand der Technik vorgelegt worden, der die Behauptung der Beschwerdeführerin, die alternative Konstruktion sei naheliegend, untermauern könnte. Die Sichtweise der Beschwerdeführerin basiert damit auf einer ex post facto Betrachtung.
6.4 Die Kammer ist auch überzeugt, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 in der Kombination der ursprünglichen Ansprüche 1, 4 und 6 ursprünglich offenbart war. Hilfsantrag 2 genügt damit den Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.
6.5 Anspruch 1 von Hilfsantrag 2 enthält das Merkmal "der Steher", welches keinen Rückbezug aufweist. In den erteilten Ansprüchen war Anspruch 6, welcher das Merkmal "der Steher" aufweist, von einem der Ansprüche 1 bis 5 abhängig. Auch wenn Anspruch 5 den zur Deutlichkeit nötigen Rückbezug enthält, handelt es sich im vorliegenden Fall nicht um einen Mangel an Deutlichkeit, der durch die Änderungen im Einspruchsverfahren eingeführt wurde, sondern einen, der bereits bei der Erteilung vorhanden war. Damit steht er der Prüfung im Einspruchsverfahren nicht offen.
6.6 Daher ist der Hilfsantrag 2 der Beschwerdegegnerin gewährbar. Allerdings muss die Beschreibung noch an die geänderten Ansprüche angepasst werden.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 11 des Hilfsantrags 2 mit einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.