T 1157/16 12-03-2021
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Flüssigkristallines Medium
Änderung nach Ladung - außergewöhnliche Umstände (nein)
Änderungen - Erweiterung über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinaus (ja)
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Europäische Patent EP 2 199 363 unter Artikel 101(3)(b) EPÜ zu widerrufen.
II. Im Einspruchsverfahren war das Patent unter Artikel 100(a) EPÜ wegen mangelnder Neuheit (Artikel 54 EPÜ) und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ), unter Artikel 100(b) EPÜ wegen mangelnder Offenbarung (Artikel 83 EPÜ), sowie unter Artikel 100(c) EPÜ wegen unzulässiger Änderungen (Artikel 123(2) und Artikel 76(1) EPÜ) angegriffen worden.
III. In ihrer Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zu dem Schluss, Anspruch 1 des während des Einspruchsverfahrens eingereichten Hauptantrags und des ersten Hilfsantrags erfülle nicht die Erfordernisse der Artikel 123(2) und (3) sowie 76(1) EPÜ. Ferner beruhe der Gegenstand des Anspruchs 1 der Hilfsanträge 2 und 3 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ. Hilfsantrag 4 wurde nicht ins Einspruchsverfahren zugelassen (Artikel 114(2) EPÜ).
IV. Gegen diese Entscheidung wurde am 10. Mai 2016 von der Patentinhaberin Beschwerde eingelegt, die am 21. Juli 2016 begründet wurde. Mit der Beschwerdebegründung wurden ein Hauptantrag (entsprechend dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hauptantrag) und 10 Hilfsanträge eingereicht. Im weiteren Verlauf des schriftlichen Verfahrens wurde Hilfsantrag 11, während der mündlichen Verhandlung Hilfsantrag 12 eingereicht.
V. Von der Beschwerdegegnerin (Einsprechende) wurden mit Schreiben vom 7. Dezember 2016 und vom 29. März 2019 Argumente vorgebracht gegen die Zulässigkeit des Hilfsantrags 11 in das Beschwerdeverfahren sowie gegen die Gewährbarkeit der bis dahin vorgelegten Anträge.
VI. Mit Schreiben vom 31. Juli 2020 wurden die Parteien zur mündlichen Verhandlung für den 12. März 2021 geladen.
VII. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK wurden die Parteien über die vorläufige Einschätzung der Kammer informiert. Die Kammer war unter anderem der vorläufigen Ansicht, dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Zurückverweisung an die Vorinstanz wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht zu folgen. Sie verwies ferner darauf, dass die Gewährbarkeit des Hauptantrags im Hinblick auf die im Anspruch 1 durchgeführten Änderungen während der mündlichen Verhandlung zu diskutieren sein werde. Betreffend die im Anspruch 2 des Hauptantrags durchgeführten Änderungen vertrat die Kammer im Einklang mit der Entscheidung der Einspruchsabteilung die vorläufige Auffassung, eine Stütze sei in den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen vorhanden. Ebenso wurde den Parteien mitgeteilt, dass die Zulässigkeit des Hilfsantrags 11 gegebenenfalls Gegenstand der mündlichen Verhandlung sein werde.
VIII. Der vorgelegte Hauptantrag beinhaltet drei unabhängige Ansprüche. Der Wortlaut der verfahrensrelevanten Ansprüche 1 und 2 lautet wie folgt:
1. Flüssigkristallines Medium auf der Basis eines Gemisches von polaren Verbindungen mit negativer dielektrischer Anisotropie (Deltaepsilon),
dadurch gekennzeichnet, dass das Medium bei einem Klärpunkt von > 60 °C und einem Deltaepsilon von <= -2,3 einen Wert für das Verhältnis gamma1/Deltan**(2) [Pa·s] im Bereich von 6-45 Pa·s aufweist und ein oder mehrere Biphenyle der Formeln,
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
worin
Alkyl und
Alkyl* jeweils unabhängig voneinander einen geradkettigen Alkylrest mit 1-6 C-Atomen, und
Alkenyl und
Alkenyl* jeweils unabhängig voneinander einen geradkettigen Alkenylrest mit 2-6 C-Atomen, vorzugsweise Vinyl, 1-E-Alkenyl oder 3-E-Alkenyl
bedeuten,
und
Verbindungen der Formel IB
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
und der Formel II
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
worin
R1 und R2 jeweils unabhängig voneinander einen unsubstituierten, einen einfach durch CN oder CF3 oder einen mindestens einfach durch Halogen substituierten Alkyl- oder Alkenylrest mit bis zu 15 C-Atomen, wobei in diesen Resten auch eine oder mehrere CH2-Gruppen jeweils unabhängig voneinander durch -O-, -S-, FORMEL/TABELLE/GRAPHIK, -C?C-, -CF2O-, -CO-, -CO-O-, -O-CO- oder -O-CO-O- so ersetzt sein können, dass O-Atome nicht direkt miteinander verknüpft sind, und
v 1 bis 6
bedeuten,
enthält,
worin der Anteil an Verbindungen der Formel II im Gesamtgemisch mindestens 10 Gew.-% beträgt.
2. Flüssigkristallines Medium auf der Basis eines Gemisches von polaren Verbindungen mit negativer dielektrischer Anisotropie (Deltaepsilon),
dadurch gekennzeichnet, dass das Medium bei einem Klärpunkt von > 60 °C und einem Deltaepsilon von <= -2,3 einen Wert für das Verhältnis gamma1/Deltan2 im Bereich von 6-45 aufweist und ein oder mehrere Biphenyle der Formel
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
worin
Alkyl und
Alkyl* jeweils unabhängig voneinander einen geradkettigen Alkylrest mit 1-6 C-Atomen
bedeuten,
und
mindestens zwei Verbindungen der Formeln IA, IB und/oder II
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
worin
R1 und R2 jeweils unabhängig voneinander einen unsubstituierten, einen einfach durch CN oder CF3 oder einen mindestens einfach durch Halogen substituierten Alkyl- oder Alkenylrest mit bis zu 15 C-Atomen, wobei in diesen Resten auch eine oder mehrere CH2-Gruppen jeweils unabhängig voneinander durch -O-, -S-, FORMEL/TABELLE/GRAPHIK, -C?C-, -CF2O-, -CO-, -CO-O-, -O-CO- oder -O-CO-O- so ersetzt sein können, dass O-Atome nicht direkt miteinander verknüpft sind, und
v 1 bis 6
bedeuten,
enthält.
IX. In ihrer Beschwerdebegründung und im weiteren Verfahren brachte die Beschwerdeführerin betreffend die für die vorliegende Entscheidung relevanten Punkte im Wesentlichen folgendes vor:
Während des erstinstanzlichen Verfahrens sei ihr rechtliches Gehör mehrfach verletzt worden. Erstens sei der Einwand der unzulässigen Erweiterung des Schutzbereichs (Artikel 123(3) EPÜ) erstmalig in der Entscheidung der Einspruchsabteilung erhoben worden. Auch treffe die diesbezügliche Beurteilung durch die Einspruchsabteilung nicht zu. Zweitens sei ihr nicht ausreichend Gelegenheit gegeben worden, auf einen Einwand der unzulässigen Änderung des Anspruchsgegenstands (Artikel 123(2) EPÜ) zu reagieren. Drittens hätte ihrer Meinung nach die Einspruchsabteilung während der zweiten mündlichen Verhandlung eine erneute Verschiebung anberaumen sollen, weil die Patentinhaberin/Beschwerdeführerin während dieser Verhandlung erneut mit dem Einwand der erfinderischen Tätigkeit in Bezug auf den Gegenstand eines Anspruchs konfrontiert worden sei, obwohl sie davon habe ausgehen können, dass die diesbezügliche Erörterung bereits während der ersten mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung abgeschlossen worden war.
In Bezug auf den Einspruchsgrund unter Artikel 100(c) EPÜ (Artikel 76(1) und 123(2) EPÜ) brachte die Beschwerdeführerin vor, die Merkmalskombinationen der Ansprüche aller vorgelegten Anträge ergebe sich insbesondere ausgehend von Anspruch 11 in Abhängigkeit von Anspruch 1, sowohl der ursprünglich eingereichten Fassung des Streitpatents, als auch der zugrunde liegenden Stammanmeldung. Die zusätzlichen Änderungen basierten teilweise auf Anspruch 15, weitere Merkmale seien in der ursprünglich eingereichten Beschreibung offenbart. Die Beschwerdeführerin sah die Kombination der Merkmale nicht mit einer neuen technischen Lehre verbunden.
X. Bezüglich der für die vorliegende Entscheidung relevanten Punkte brachte die Beschwerdegegnerin im Wesentlichen folgendes vor:
Sie stimmte mit der Beschwerdeführerin dahingehend überein, dass der Schutzbereich im Einspruchsverfahren nicht unzulässig erweitert worden sei. Jedoch sei eine Basis für die durchgeführten Änderungen betreffend die vorliegenden Anträge weder in den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen, noch in den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen der dem Streitpatent zugrunde liegenden Stammanmeldung zu finden. Die Hilfsanträge 11 und 12 seien nicht zuzulassen, da sie verspätet vorgelegt wurden und das verspätete Vorbringen nicht ausreichend begründet sei. Zudem führten sie prima facie zu zusätzlichen Unvereinbarkeiten mit dem EPÜ, die einer Zulassung entgegenstünden.
XI. Anträge der Parteien
Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung und die Rückerstattung der Beschwerdegebühr. Hilfsweise beantragte sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage eines der folgenden Anträge:
- Hauptantrag und Hilfsanträge 1 bis 10, eingereicht
mit der Beschwerdebegründung vom 21. Juli 2016;
- Hilfsantrag 11, eingereicht mit Schreiben vom
29. Juni 2018;
- Hilfsantrag 12, eingereicht während der mündlichen
Verhandlung vor der Kammer.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde. Sie beantragte weiterhin, die Hilfsanträge 11 und 12 nicht zum Verfahren zuzulassen.
XII. Am 12. März 2021 fand eine mündliche Verhandlung, mit Einverständnis beider Parteien in Form einer Videokonferenz, statt. Am Ende der Verhandlung wurde die Entscheidung verkündet.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Rechtliches Gehör (Artikel 113(1) EPÜ)
Die Beschwerdeführerin brachte drei Gründe vor, warum ihr rechtliches Gehör im Verfahren vor der Einspruchsabteilung verletzt worden sei. Das Verfahren sei deshalb mit wesentlichen Verfahrensmängeln behaftet, die eine Rückverweisung an die Vorinstanz, verbunden mit einer Rückzahlung der Beschwerdegebühr, rechtfertigten. Die Kammer ist aus den nachfolgenden Gründen der Ansicht, dass dies nicht zutreffend ist.
2.1 Die Beschwerdeführerin brachte zunächst vor, dass das Streitpatent durch die Einspruchsabteilung unter anderem deshalb widerrufen wurde, weil der Schutzumfang von Anspruch 1 des Hauptantrags unzulässig erweitert worden sei (Artikel 123(3) EPÜ). Dieser Grund sei jedoch erstmalig in der Entscheidung angeführt worden.
Dieses Vorbringen wurde von der Beschwerdegegnerin bestätigt. Beide Parteien stimmten auch darin überein, dass der Schutzumfang nicht unzulässig erweitert wurde.
Auch die Kammer stellt fest, dass auf den Einwand der unzulässigen Erweiterung des Schutzbereichs erstmalig in der Entscheidung der Einspruchsabteilung Bezug genommen wird. Etwas Gegenteiliges lässt sich auch aus den Niederschriften über die beiden mündlichen Verhandlungen nicht entnehmen. Ebenso wenig vermag die Kammer einen Verstoß gegen die Erfordernisse des Artikels 123(3) EPÜ zu erkennen. Vielmehr geht sie, wie auch von der Beschwerdegegnerin in ihrer Erwiderung auf die Beschwerdebegründung dargelegt, davon aus, dass es sich bei der entsprechenden Stelle der Einspruchsentscheidung um einen Fehler in der Abfassung der Entscheidung handelt. In der Tat wurde dort nur Paragraph (3) des Artikels 123 EPÜ gleichzeitig mit Paragraph (2) des Artikels erwähnt, jedoch ohne Begründung hinsichtlich Schutzbereichserweiterung.
2.2 Die Beschwerdeführerin brachte weiterhin vor, ihr sei von der Einspruchsabteilung während der zweiten mündlichen Verhandlung lediglich eine einzige Möglichkeit gegeben worden, einen Einwand unter Artikel 123(2) EPÜ auszuräumen, da nämlich im Verlauf der zweiten mündlichen Verhandlung der von ihr vorgelegte vierte Hilfsantrag nicht zum Verfahren zugelassen wurde. Die Einspruchsabteilung hat dies damit begründet, dass der Antrag unter anderem die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ prima facie nicht erfülle.
Zunächst stellt die Kammer fest, dass gemäß Niederschrift der mündlichen Verhandlung nichts darauf hindeutet, dass die Patentinhaberin/Beschwerdeführerin weitere Hilfsanträge einreichen wollte. Dies wurde auch von der Beschwerdeführerin nicht vorgebracht. Für die Kammer ist daher nicht nachvollziehbar, inwiefern der Patentinhaberin/Beschwerdeführerin durch die Einspruchsabteilung nicht die Möglichkeit gegeben worden war, einen weiteren Versuch zu unternehmen, den festgestellten Mangel einer unzulässigen Erweiterung zu beseitigen. Die Kammer vermag daher in der Vorgehensweise der Einspruchsabteilung keine Verletzung des rechtlichen Gehörs der Einsprechenden/Beschwerdeführerin zu erkennen.
2.3 Schließlich brachte die Beschwerdeführerin vor, dass ihr rechtliches Gehör auch dadurch verletzt worden sei, dass sie nicht ausreichend auf einen Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit reagieren konnte. Die Beschwerdeführerin stellte den zugrundeliegenden Sachverhalt folgendermaßen dar:
2.3.1 Im Laufe der ersten mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren habe sich herausgestellt, dass eine abschließende Erörterung aller vorgebrachten Einspruchsgründe aufgrund der verspäteten Vorlage des Dokuments D20 durch die Einsprechende/Beschwerdegegnerin nicht geboten sei. Im Einverständnis beider Parteien wurde die Verhandlung daher unterbrochen, um sie zu einem späteren Zeitpunkt fortzusetzen. Bereits während der ersten Verhandlung sei jedoch die Frage der erfinderischen Tätigkeit des Anspruchs 2 gemäß Hauptantrag - nach Ansicht der Patentinhaberin/Beschwerdeführerin bereits abschließend - erörtert worden. Im Verlauf der zweiten mündlichen Verhandlung sei jedoch - zur Überraschung der Patentinhaberin/Beschwerdeführerin - erneut die Frage der erfinderischen Tätigkeit für einen Anspruch erörtert worden, der identisch war zu Anspruch 2 des vormalig behandelten Hauptantrags. Aufgrund dieser überraschenden Entwicklung sei die Patentinhaberin/Beschwerdeführerin in eine nachteilige Lage versetzt worden. Ihr rechtliches Gehör sei dadurch verletzt worden.
2.3.2 Die Kammer kann sich dieser Auffassung nicht anschließen. Weder aus der Niederschrift der ersten mündlichen Verhandlung, noch aus der Mitteilung der Einspruchsabteilung im Anhang der Ladung zur zweiten mündlichen Verhandlung geht hervor, dass die Erörterung in Bezug auf das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit des während der ersten mündlichen Verhandlung vorliegenden Hauptantrags abschließend war. Vielmehr verwies die Einspruchsabteilung im Anhang der Ladung zur zweiten mündlichen Verhandlung unter Punkt "7.1. Hauptantrag" explizit darauf, dass gegebenenfalls erfinderische Tätigkeit zu diskutieren sein werde. Da der während der zweiten Verhandlung diskutierte vierte Hilfsantrag einen unabhängigen Anspruch 1 enthielt, der im Wortlaut mit dem unabhängigen Anspruch 2 des während der ersten Verhandlung besprochenen, und von der Beschwerdeführerin noch verfolgten, Hauptantrags identisch war, hatte die Beschwerdeführerin damit rechnen müssen, dass erfinderische Tätigkeit im Zusammenhang mit diesem Anspruch zur Erörterung kommt. Zudem ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin bereits zum Zeitpunkt der ersten mündlichen Verhandlung darauf vorbereitet war, erfinderische Tätigkeit umfassend zu erörtern. Inwiefern eine Verschiebung eines Teils dieser Erörterung auf einen späteren Zeitpunkt die Partei in eine nachteilige Position versetzen würde, die eine weitere Verlängerung des Verfahrens rechtfertigen würde, ist der Kammer nicht ersichtlich.
2.4 Die Kammer sieht deshalb in keinem der im Zusammenhang mit der Wahrung des rechtlichen Gehörs vorgebrachten Punkte einen wesentlichen Verfahrensfehler der Einspruchsabteilung, der eine Rückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung und die Zurückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigt. Diese Anträge der Beschwerdeführerin werden deshalb abgelehnt.
3. Änderungen (Artikel 123(2) und 76(1) EPÜ)
Hauptantrag
3.1 Die Einspruchsabteilung hatte in ihrer Entscheidung argumentiert, dass sich zwar in den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen eine Basis für die in den Anspruch 1 aufgenommenen Merkmale als solche finde, eine Basis für die Kombination der Merkmale jedoch nicht gegeben sei. Dies gelte ebenso in Bezug auf die ausgehend von der Stammanmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Form durchgeführten Änderungen. Somit seien weder die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ, noch die des Artikels 76(1) EPÜ, erfüllt.
3.2 Auch die Beschwerdegegnerin stützte ihre Argumentation insbesondere darauf, dass der geänderte Anspruchsgegenstand durch mehrfache Auswahl von Merkmalen und deren Kombination zu einer neuen technischen Lehre führe.
3.3 Die Beschwerdeführerin argumentierte, der Gegenstand des geänderten Anspruchs 1 des Hauptantrags ergebe sich ausgehend von den Ansprüchen 1 und 11, bzw. der auf Seite 9, Zeilen 4 bis 35 der Beschreibung angegebenen Ausführungsform a), unter Berücksichtigung des Anspruchs 15, sowie der auf Seite 23, Zeile 26 bis Seite 24, Zeile 30 der Beschreibung offenbarten Ausführungsform p) sowie der auf Seite 34, Zeilen 17 bis 20 der Beschreibung offenbarten Passagen. Die herangezogenen Passagen fänden sich sowohl in der ursprünglich eingereichten Fassung des Streitpatents selbst, als auch in der ursprünglichen Fassung der ihr zugrunde liegenden Stammanmeldung.
3.4 Die Kammer kann weder in den von der Beschwerdeführerin herangezogenen Passagen, noch im verbleibenden Teil der ursprünglich eingereichten Unterlagen, eine Basis für die durchgeführten Änderungen des Anspruchs 1 erkennen. Die Gründe hierfür sind folgende:
3.4.1 Der geänderte Anspruch 1 ist auf ein flüssigkristallines Medium auf der Basis eines Gemisches gerichtet, welches "... ein oder mehrere Biphenyle ..." der im Anspruch angegebenen Strukturformeln, "... und Verbindungen der Formel IB und der Formel II ... enthält, ..." (Hervorhebung durch die Kammer). Das beanspruchte Medium enthält somit neben wenigstens einem der durch ihre Strukturformeln angegebenen Biphenyle zwingend wenigstens eine Verbindung der Formel IB sowie zwingend wenigstens eine Verbindung der Formel II.
3.4.2 Als Basis für die Anwesenheit von Verbindungen der Formel IB und der Formel II im beanspruchten flüssigkristallinen Medium wurde von der Beschwerdeführerin Anspruch 11 und Seite 9 der Beschreibung, und zwar sowohl in der ursprünglich eingereichten Fassung des Streitpatents als auch in dessen Stammanmeldung, angegeben.
3.4.3 Die besagten Passagen offenbaren als bevorzugte Ausführungsform ein flüssigkristallines Medium a), "welches mindestens zwei Verbindungen der Formeln IA, IB und/oder II enthält" (Seite 9, Zeilen 1 bis 5; Anspruch 11).
3.4.4 Falls ein ursprünglich offenbartes, streitpatentgemäßes Medium mindestens zwei Verbindungen der Formeln IA, IB, und/oder II enthält, müssen diese gemäß den genannten ursprünglich offenbarten Passagen ausgewählt werden. Dabei wird jedoch offen gelassen, welche zwei der Verbindungen letztendlich zusammen vorliegen. Der Fachmann kann aus den angegebenen Strukturen eine beliebige erste Verbindung auswählen, und diese mit einer daraus ebenfalls beliebig ausgewählten zweiten Verbindung kombinieren.
3.4.5 Die geänderte Fassung des Anspruchs 1 nimmt es dem Fachmann jedoch ab, eine diesbezügliche Entscheidung zu treffen. Es wird nun vorgeschrieben, dass mindestens eine Verbindung der Formel IB zu verwenden ist. Hierfür ist eine erste Auswahl nötig. Ebenso wird vorgeschrieben, dass die zweite Verbindung der Formel II entsprechen muss, zudem in einer Variante der Formel II, die zwingend ein Sauerstoffatom in der Seitenkette, zwischen dem difluorierten Phenyl und der Alkylgruppe -CvH2v+1, aufweist. Dies ist mit einer weiteren Auswahl verbunden.
3.4.6 Die durchgeführte Änderung ergibt sich somit durch Mehrfachauswahl aus einer die drei Verbindungen IA, IB und II umfassenden Liste, wobei diese Liste der angebotenen Verbindungen für jede zu tätigende Auswahl jeweils identisch ist. Die dadurch entstehende Kombination von ausgewählten Verbindungen ist mit einer neuen technischen Lehre verbunden, die dem Fachmann ursprünglich nicht offenbart wurde, nämlich damit, dass die jeweils zwingend auszuwählenden Verbindungen IB und II miteinander zu kombinieren sind, um ein beanspruchtes flüssigkristallines Medium zu erhalten.
3.5 Die Beschwerdeführerin hat vorgebracht, dass flüssigkristalline Medien, enthaltend neben den im Anspruch gelisteten Biphenylen auch Verbindungen der Formel IB und der Formel II, bereits vom ursprünglichen Anspruch 11 umfasst waren. Somit werde der Fachmann nicht mit einer neuen technischen Lehre konfrontiert. Dieses Argument vermag jedoch nicht zu überzeugen. Bei der Untersuchung der Zulässigkeit von Änderungen ist nicht ausschlaggebend, ob eine bestimmte Ausführungsform von der ursprünglichen Lehre umfasst wird, sondern ob sie sich dem Fachmann unmittelbar und eindeutig aus dem Gesamtinhalt der Anmeldeunterlagen ergibt. Dies trifft aus den vorstehend genannten Gründen im vorliegenden Fall jedoch nicht zu.
3.6 Die Beschwerdeführerin hat auch in der Passage der Seite 34, Zeilen 17 bis 20 der Beschreibung eine Basis für die durchgeführte Änderung gesehen. Auch dieses Vorbringen kann die Kammer jedoch nicht überzeugen. Zwar heißt es and der besagten Stelle, dass die Flüssigkristallphasen vorzugsweise "Verbindungen der Formeln IA und/oder IB, II und optional III" enthalten, jedoch wird dies nur im Zusammenhang damit offenbart, dass "4 bis 15, insbesondere 5 bis 12" dieser Verbindungen enthalten sind. Diese zusätzliche Bedingung ist jedoch im geänderten Anspruch 1 nicht enthalten. Ausgehend von der genannten Stelle der Beschreibung ergibt sich somit eine unzulässige Änderung durch eine ursprünglich nicht-offenbarte Zwischenverallgemeinerung.
3.7 Da die Beschreibung der ursprünglich eingereichten Anmeldung mit der ursprünglich eingereichten Beschreibung der ihr zugrunde liegende Stammanmeldung identisch ist, und auch die relevanten Anspruchsgegenstände übereinstimmen, wurde der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag über den Offenbarungsgehalt dieser ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen hinaus geändert. Die durchgeführten Änderungen sind daher nicht im Einklang mit den Erfordernissen der Artikel 123(2) und 76(1) EPÜ.
3.8 Bereits aus diesen Gründen ist der Hauptantrag nicht gewährbar. Ob weitere Merkmale, wie von der Beschwerdegegnerin vorgebracht, zu zusätzlichen unzulässigen Änderungen führen, kann somit unberücksichtigt bleiben.
Hilfsanträge
3.9 Hilfsanträge 1, 2 und 6
Diese Anträge enthalten einen unabhängigen Anspruch 1, der im Wortlaut identisch ist mit Anspruch 1 des Hauptantrags. Aus den unter Punkt 3.1 bis Punkt 3.7 der vorliegenden Entscheidung angeführten Gründen sind diese Anträge daher ebenfalls nicht gewährbar.
3.10 Hilfsanträge 3 bis 5 und 7
Anspruch 1 dieser Anträge unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags zunächst dadurch, dass die Definition von Verbindungen der Formel II eine Gruppe -(O)CvH2v+1 enthält, statt einer Gruppe -O-CvH2v+1 wie in Formel II gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags. Die Anwesenheit eines Sauerstoffatoms ist somit optional, und die Formel II entspricht damit der Formel II im ursprünglichen Anspruch 11 sowie der entsprechenden Stelle auf Seite 9, Zeile 18, der Beschreibung. Ein weiterer Unterschied gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags besteht darin, dass auch der Anteil an Verbindungen der Formel B-4 im Gesamtgemisch mindestens 10 Gew.-% beträgt.
Die unterschiedliche Definition der Struktur der Verbindung der Formel II ändert jedoch nichts an der Beurteilung der Nicht-Gewährbarkeit der durchgeführten Änderungen. Auch im Anspruch 1 dieser Anträge stellt die zwingend erforderliche Kombination einer Verbindung der Formel IB mit einer Verbindung der Formel II eine ursprünglich nicht offenbarte Kombination zweier ausgewählter Verbindungen dar, die den Fachmann mit einer neuen technischen Lehre konfrontieren. Diese Anträge sind somit bereits aus den hinsichtlich des Hauptantrags angeführten Gründen ebenfalls nicht gewährbar.
3.11 Hilfsantrag 8
3.11.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 8 ist im Wortlaut identisch mit Anspruch 2 des Hauptantrags, sowie mit Anspruch 1 des der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden zweiten Hilfsantrags des Einspruchsverfahrens. Für diesen Antrag hatte die Einspruchsabteilung die Erfordernisse der Artikel 123(2) und 76(1) EPÜ als erfüllt angesehen. Die Beschwerdegegnerin hat dieser Auffassung widersprochen.
3.11.2 Der Anspruch ist gerichtet auf ein flüssigkristallines Medium auf der Basis eines Gemisches, welches unter anderem "ein oder mehrere Biphenyle der Formel B-1 ... enthält".
3.11.3 Die Ansichten der Parteien stimmten dahingehend überein, dass sich in der ursprünglich eingereichten Beschreibung der Anmeldung sowie der ihr zugrunde liegenden Stammanmeldung eine Basis für die im Anspruch definierte Verbindung der Formel B-1 findet. Auch die Kammer sieht in den jeweiligen Beschreibungen, insbesondere auf Seite 23, Zeile 30, sowie auf Seite 24, Zeilen 15 und 16, eine Basis für die Verbindung der Formel B-1 als solche.
3.11.4 Anspruchsgemäß kann das flüssigkristalline Medium jedoch auch "mehrere Biphenyle der Formel B-1" enthalten (Hervorhebung durch die Kammer). Somit ergibt sich eine zu Anspruch 1 des Hauptantrags vergleichbare Sachlage. Für den Fall, dass im Medium mehr als ein Biphenyl enthalten ist, müssen alle diese Biphenyle eine Struktur aufweisen, die unter die Definition der Formel B-1 fällt.
3.11.5 Während es die Definition der bevorzugten Ausführungsform "p)" auf Seite 23, Zeile 26 bis Seite 24, Zeile 30 der Beschreibung im Falle mehrerer Verbindungen offen lässt, welche Verbindungen der Formeln B-1 bis B-4, oder der ebenfalls bevorzugten Biphenyle der Seite 24, Zeilen 19 bis 30, miteinander kombiniert werden können, wird dem Fachmann gemäß geändertem Anspruch vorgeschrieben, dass lediglich Verbindungen der Formel B-1 auszuwählen und miteinander zu kombinieren sind. Für den Fall, dass im beanspruchten Medium mehrere Biphenyle enthalten sind, ergibt sich der beanspruchte Gegenstand somit durch eine erste Wahl einer Verbindung der Formel B-1 in Kombination mit einer zweiten - und jeder weiteren - Wahl einer Verbindung derselben Formel B-1. In den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen findet sich jedoch keine Basis für eine derartige eindeutige Kombination von durch Mehrfachauswahl erhaltenen Verbindungen der Formel B-1.
3.11.6 Die Beschwerdeführerin hat vorgebracht, dass die Aufnahme der Formel B-1 in den geänderten Anspruch gleichzusetzen sei mit der Aufnahme einer gegenüber der Offenbarung auf Seite 23 bis 24 der Beschreibung verkleinerten Liste. Die Verkleinerung einer ursprünglich offenbarten Liste von Verbindungen durch Streichung einiger der darin enthaltenen Verbindungen sei jedoch keine keine unzulässige Änderung im Sinne des Artikels 123(2) EPÜ.
Die Kammer stimmt mit der Beschwerdeführerin dahingehend überein, dass mit der Verkürzung einer ursprünglich offenbarten Liste nicht zwingend eine Änderung verbunden ist, die mit den Erfordernissen des Artikels 123(2) EPÜ unvereinbar ist. Nach Ansicht der Kammer trifft dies jedoch nicht mehr zwangsläufig zu, wenn eine Liste auf einen einzigen Vertreter verkürzt wird. Wenn zudem, wie im vorliegenden Fall, aus einer auf einen einzigen Vertreter verkürzten "Liste" mehrfach ausgewählt werden muss - im vorliegenden Fall wenigstens zwei Mal, falls das beanspruchte flüssigkristalline Medium mehrere Biphenyle enthält - handelt es sich nicht mehr um die Verkleinerung einer Liste, sondern um die Bildung einer neuen, ursprünglich nicht offenbarten Kombination einzelner spezifischer Listenmitglieder. Dadurch ergibt sich wie unter Punkt 3.4 erläutert wiederum eine ursprünglich nicht offenbarte technische Information.
3.11.7 Somit erfüllt auch Hilfsantrag 8 nicht die Erfordernisse der Artikel 123(2) und 76(1) EPÜ.
3.12 Hilfsanträge 9 und 10
Anspruch 1 des Hilfsantrags 9 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 8 durch ein zusätzliches Merkmal, das sich auf den Anteil an Verbindungen der Formel IB im Gesamtgemisch bezieht. Das beanspruchte flüssigkristalline Medium ist jedoch auch, wie im Hilfsantrag 8, dadurch gekennzeichnet, dass es "ein oder mehrere Biphenyle der Formel B-1 ... enthält". Daher kommt die Kammer auch für diesen Antrag zu der Auffassung, das der Antrag die Erfordernisse der Artikel 123(2) und 76(1) EPÜ nicht erfüllt.
Für Hilfsantrag 10 ergibt sich eine Hilfsantrag 9 entsprechende Sachlage. Anspruch 1 dieses Antrags ist ebenfalls gerichtet auf ein flüssigkristallines Medium. Dieses enthält eine Verbindung der Formel B-1, deren in der Formel links stehende Phenylgruppe im Unterschied zu Formel B-1 der Hilfsanträge 8 und 9 mit einer Methylgruppe (H3C-) statt einer Alkylgruppe (Alkyl-) substituiert ist. Diese Verbindung wird als solche zwar ebenfalls in der ursprünglich eingereichten Beschreibung als bevorzugtes Biphenyl offenbart (Seite 24, Zeile 21), der Sachverhalt ändert sich dadurch im Vergleich zu Hilfsantrag 8 jedoch nicht. Der Antrag steht somit ebenfalls nicht im Einklang mit den Erfordernissen der Artikel 123(2) und 76 (1) EPÜ.
3.13 Hilfsantrag 11
3.13.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 11 richtet sich auf ein flüssigkristallines Medium, das ebenfalls, wie Anspruch 1 des Hilfsantrags 10, "ein oder mehrere Biphenyle der Formel B-1 ... enthält". Des Weiteren enthält es zwingend wenigstens zwei Verbindungen der Formel II. Bereits aus den wie unter Punkt 3.12 angegebenen Gründen ist auch dieser Antrag nicht gewährbar (Artikel 123(2) und 76(1) EPÜ).
3.13.2 Die Beschwerdeführerin hat als Basis für den geänderten Anspruchsgegenstand auch auf Beispiel M8 auf Seite 56 der ursprünglich eingereichten Beschreibung verwiesen.
3.13.3 Tatsächlich offenbart dieses Beispiel eine Zusammensetzung, die ein anspruchsgemäßes Biphenyl der Formel B-1 (PP-1-4) sowie zwei Verbindungen der Formel II (CPY-2-O2 und CPY-3-O2) enthält. Dieses Beispiel enthält aber gerade nicht "mehrere" Verbindungen der Formel B-1, sondern lediglich eine einzige, nämlich die Verbindung "PP-1-4". Somit kann das Beispiel nicht als Stütze für die durchgeführte Änderung herangezogen werden.
3.13.4 Die Beschwerdegegnerin beantragte, Hilfsantrag 11 nicht zum Verfahren zuzulassen. Da der Antrag aufgrund des Mangels einer Basis für die durchgeführten Änderungen nicht gewährbar ist, ist eine Entscheidung über dessen Zulässigkeit nicht entscheidungsrelevant.
4. Zulässigkeit von Hilfsantrag 12
4.1 Hilfsantrag 12 wurde von der Beschwerdeführerin im Laufe der mündlichen Verhandlung eingereicht. Die Beschwerdegegnerin hat beantragt, den Antrag nicht zum Verfahren zuzulassen.
4.2 Der Antrag auf Aufrechterhaltung des Patents basierend auf Hilfsantrag 12 ist eine Änderung des Beschwerdevorbringens der Beschwerdeführerin im Sinne des Artikels 13 VOBK. Gemäß Artikel 13(2) VOBK bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten in diesem Verfahrensstadium grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der Betreffende hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
4.3 Nach Ansicht der Kammer liegen im vorliegenden Fall keine außergewöhnlichen Umstände vor, die eine Zulassung des Antrags in diesem Verfahrensstadium rechtfertigen.
4.3.1 Die Beschwerdeführerin brachte vor, sie habe erst im Laufe der mündlichen Verhandlung Klarheit darüber erlangt, welcher Teil der Formulierung im Anspruch 1 des Hilfsantrags 8 nach Ansicht der Kammer zu einer unzulässigen Änderung des Anmeldegegenstands im Sinne der Artikel 76(1) und 123(2) EPÜ führe. Zudem habe die Kammer in ihrer in der Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK geäußerten vorläufigen Stellungnahme die Auffassung vertreten, Anspruch 2 des Hauptantrags finde eine Basis in den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen. Anspruch 1 des Hilfsantrags 8 sei aber identisch mit Anspruch 2 des Hauptantrags. Die nach Diskussion während der mündlichen Verhandlung von der Kammer vertretene Auffassung, Hilfsantrag 8 sei wegen Verstoßes gegen die Erfordernisse der Artikel 76(1) und 123(2) EPÜ nicht gewährbar, sei daher für die Beschwerdeführerin überraschend gewesen. Als Folge darauf habe sie Hilfsantrag 12 eingereicht, dessen Anspruch 1 ausgehend von Anspruch 1 des Hilfsantrags 8 geändert worden sei.
4.3.2 Die Kammer stimmt mit den Ausführungen der Beschwerdeführerin dahingehend überein, dass sie erst im Laufe der mündlichen Verhandlung die Ansicht geäußert hat, der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 8 sei gegenüber den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen unzulässig erweitert worden. Da dieser Punkt jedoch fortwährend im gesamten Verfahren vor der Kammer, wie schon bereits vor der Einspruchsabteilung, von der Beschwerdegegnerin vorgetragen und ausgiebig erörtert wurde, kann zunächst dessen Diskussion während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer für die Beschwerdeführerin nicht überraschend gewesen sein. Es kann auch nicht überraschend gewesen sein, dass die Kammer nach ausführlicher Diskussion des Sachverhalts mit den Parteien während der mündlichen Verhandlung zu einer Auffassung gelangt, die nicht mit der in der Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK geäußerten vorläufigen Stellungnahme übereinstimmt. Es liegt in der Natur einer vorläufigen Meinung, dass sie sich im Laufe des Verfahrens noch ändern kann. Der Grund für die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Beisein der Parteien liegt ja auch gerade darin, dass Sachverhalte erörtert werden können, über die Uneinigkeit zwischen den Parteien herrscht. Dadurch kann gewährleistet werden, dass bestimmte von einer Partei bereits im schriftlichen Verfahren vorgebrachten Punkte so ausgeführt und vertieft werden können, dass alle Verfahrensbeteiligten der Argumentation folgen können. Der Ausgang dieser Ausführungen muss selbstverständlich offen bleiben, bevor die Erörterungen hierzu abgeschlossen sind. Die Kammer kann daher im vorliegenden Fall kein Vorliegen außergewöhnlicher Umstände erkennen.
4.4 Die Kammer kommt deshalb zu der Überzeugung, dass die durch Einreichung von Hilfsantrag 12 hervorgerufene Änderung des Beschwerdevorbringens der Beschwerdeführerin nicht zu berücksichtigen ist. Der Antrag wird daher nicht ins Verfahren zugelassen (Artikel 13(2) RPBA).
5. Zusammenfassend ist festzustellen, dass keiner der im Verfahren befindlichen Anträge der Patentinhaberin sowohl zulässig als auch gewährbar ist. Der Widerruf des Patents durch die Einspruchsabteilung ist daher gerechtfertigt, die Beschwerde muss zurückgewiesen werden.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.