T 2315/18 24-06-2021
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PARFÜMIERTE KOSMETISCHE ZUBEREITUNG
Spät eingereichte Beweismittel - zugelassen (nein)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - unerwartete Verbesserung
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin (Einsprechende) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Europäische Patent Nr. 2 276 449 unter Artikel 101(3)(a) EPÜ in geänderter Form aufrechtzuerhalten.
II. Auf folgende von den Parteien im Laufe des Einspruchs- und Beschwerdeverfahrens eingereichte Dokumente wird in der vorliegenden Entscheidung Bezug genommen:
D1: |Mintel-Datenbank, Eintrag Nr. 769683: September 2007 |
D2: |Mintel-Datenbank, Eintrag Nr. 622867: Dezember 2006 |
D3: |EP 1 994 921 A1 |
D4: |WO 2005/123013 |
D11:|WO 2007/068339 |
D12:|WO 2008/034764 |
D13:|Versuchsbericht, eingereicht am 19.2.21 |
D14:|Mondello et al., J. Chr. Sci., 2004, 42, 410-416 |
D15:|Deng et al., Molecules, 2020, 25, 217 |
D16: |Njoroge et al., J. Agric. Food Chem., 2005, 53, 25, 9790-9794 |
D17: |Petretto et al., J. Food Process Preserv., 2016, 40, 950-957 |
D18:|Lin et al., Flavour Frag. J., 2001, 16, 457-463 |
D19: |Internetseite der Wolf Aqua-manufaktur; Produktseite zu Zitronenöl|
D20: |Internetseite der Wolf Aqua-manufaktur; Produktseite zu Zitronenöl|
III. Im Einspruchsverfahren war unter Artikel 100(a) EPÜ ein Mangel an Neuheit und erfinderischer Tätigkeit geltend gemacht worden. In der angefochtenen Entscheidung kam die Einspruchsabteilung zu dem Schluss, dass die im Laufe des Einspruchsverfahrens von der Patentinhaberin eingereichten geänderten Ansprüche die Neuheitseinwände gegenüber D1-D3 ausräumten und die beanspruchten kosmetischen Zusammensetzungen ausgehend von D4 als nächstem Stand der Technik für den Fachmann nicht nahegelegt waren.
IV. In ihrer Beschwerdebegründung brachte die Beschwerdeführerin vor, den unabhängigen Ansprüchen der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltene Fassung des Patents mangele es gegenüber den neu eingereichten Dokumenten D11 und D12 an Neuheit. Überdies seien die beanspruchten Zusammensetzungen im Gegensatz zu der von der Einspruchabteilung getroffenen Entscheidung ausgehend von D4 dem Fachmann nahegelegt. Sie beantragte daher, das Patent zu widerrufen.
V. In ihrer Beschwerdeerwiderung brachte die Beschwerdegegnerin vor, die neu eingereichten Dokumente D11 und D12 hätten bereits im Einspruchsverfahren eingereicht werden sollen und sollten daher unter Artikel 12(4) VOBK 2007 nicht ins Verfahren zugelassen werden. Im übrigen seien sie auch nicht neuheitsschädlich. Erfinderische Tätigkeit sei ausgehend von D4 gegeben, wie in der Einspruchsentscheidung festgestellt. Sie beantragte daher, die Beschwerde zurückzuweisen; hilfsweise beantragte sie, das Patent in geänderter Fassung auf Basis eines mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Anspruchssatzes aufrechtzuerhalten.
VI. Am 23. Oktober 2020 wurden die Parteien in einer Mitteilung unter Regel 100(2) EPÜ über die vorläufige Einschätzung der Sach- und Rechtslage durch die Kammer informiert. Den Parteien wurde für etwaige Antworten eine Frist von vier Monaten eingeräumt.
Die Kammer war der vorläufigen Ansicht, D11 und D12 sollten nicht ins Verfahren zugelassen werden. Neuheit und erfinderische Tätigkeit sah sie als gegeben an.
VII. Mit Schreiben vom 19. Februar 2021 reichte die Beschwerdeführerin den Versuchsbericht D13 ein. Sie brachte vor, die Ergebnisse dieses Versuchsberichts belegten, dass keine erfinderische Tätigkeit gegeben sei.
VIII. Mit Ladung vom 9. März 2021 wurde für den 24. Juni 2021 eine mündliche Verhandlung anberaumt.
IX. Mit Schreiben vom 7. April 2021 beantragte die Beschwerdegegnerin, den Versuchsbereicht D13 nicht mehr zum Beschwerdeverfahren zuzulassen.
X. Mit Schreiben vom 21. Juni 2021 reichte die Beschwerdeführerin die Dokumente D14-D20 ein. Sie brachte vor, diese Dokumente dienten der Bekräftigung des auf D11 basierenden Neuheitseinwands.
XI. Am 24. Juni 2021 fand die mündliche Verhandlung statt.
In der mündlichen Verhandlung wurden die Fragen der Zulassung der Dokumente D11-D20, der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit behandelt.
Am Schluss der Verhandlung wurde die Entscheidung verkündet.
XII. Die Schlussanträge der Parteien waren:
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 2276449.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde und somit die Aufrechterhaltung des Patents in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung (Hauptantrag) oder hilfsweise die Aufrechterhaltung gemäß Hilfsantrag 1, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung. Sie beantragte zudem, die Dokumente D11-D20 nicht ins Verfahren zuzulassen.
XIII. Die wesentlichen Argumente der Parteien sind in den Entscheidungsgründen aufgeführt und abgehandelt.
XIV. Der unabhängige Anspruch des Patents in der von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Fassung lautet:
Kosmetische Zubereitung in Form einer Emulsion oder Dispersion enthaltend
a) 2-(4'-Diethylamino-2'-hydroxybenzoyl)-benzoesäurehexylester sowie
b) eine oder mehrere Parfümstoffe aus der Gruppe der Verbindungen Linaool, Hexylcinnamal, Benzylsalicylat und
c) einen oder mehrere weitere UV-Filter gewählt aus Gruppen der Verbindungen (...) [Anmerkung der Kammer: Es folgt eine längere Liste möglicher UV-Filter]
wobei die Gesamtkonzentration an Parfümstoffen in der Zubereitung von 0,00001 bis 1%, bezogen auf das Gewicht der Zubereitung, beträgt.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Sie ist aber nicht erfolgreich, wie im folgenden begründet wird.
2. Zulassung der Dokumente D11-D20 ins Beschwerdeverfahren
D11 und D12 wurden mit der Beschwerdebegründung eingereicht, um mangelnde Neuheit zu belegen. D14-D20 wurden im weiteren Verlauf des Verfahrens eingereicht, um den auf D11 gestützten Neuheitseinwand zu bekräftigen. D13 ist ein Versuchsbericht und soll mangelnde erfinderische Tätigkeit belegen.
2.1 D11 und D12
2.1.1 Da D11 und D12 mit der Beschwerdebegründung eingereicht wurden, und zwar vor dem Inkrafttreten der Verfahrensordnung der Beschwerdekammer (VOBK) aus 2020, regelt sich die Zulassung dieser Dokumente nach Artikel 12(4) der VOBK 2007. Dies ist in den Übergangsbestimmungen in Artikel 25(2) VOBK 2020 so festgelegt.
Gemäß Artikel 12(4) VOBK 2007 steht es im Ermessen der Kammer, Tatsachen, Beweismittel oder Anträge nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht werden hätten können oder dort nicht zugelassen wurden.
2.1.2 Die geänderten Ansprüche, auf Basis derer das Patent aufrechterhalten wurde, wurden von der Patentinhaberin mit der Antwort auf die Einspruchsschrift am 1. Dezember 2017 eingereicht, d. h. zehn Monate vor dem geplanten Datum der mündlichen Verhandlung im Einspruchsverfahren, die dann nach Rücknahme des Antrags auf mündliche Verhandlung durch die Einsprechende und jetzige Beschwerdeführerin abgesagt wurde. Im Anhang zur Ladung zur mündlichen Verhandlung hatte die Einspruchsabteilung dargelegt, weshalb das Patent auf Basis dieser geänderten Ansprüche aufrechterhalten werden könne. Eine Reaktion auf diese Einschätzung seitens der Beschwerdeführerin erfolgte nicht.
2.1.3 Die Kammer ist der Ansicht, dass D11 und D12 als zusätzliche Dokumente, die nach Ansicht der Beschwerdeführerin die Neuheit der schlussendlich im Einspruchsverfahren aufrechterhaltenen Ansprüche in Frage stellen, im vorliegenden Fall nicht nur bereits im Einspruchsverfahren eingereicht hätten werden können, sondern auch dort eingereicht hätten werden müssen.
Dies wäre spätestens als Reaktion auf die Ladung der Einspruchsabteilung zur mündlichen Verhandlung statthaft gewesen, die ja die Aufrechterhaltung des Patents auf Basis der geänderten Unterlagen in Aussicht gestellt hatte. Als Reaktion darauf brachte die Beschwerdeführerin keine weiteren Einwände vor sondern zog den Antrag auf mündliche Verhandlung zurück. Weitere substanzielle Eingaben erfolgten nicht, auch nicht auf die Mitteilungen der Einspruchsabteilung betreffend die Anpassung der Beschreibung an die für gewährbar gehaltenen Ansprüche.
Die Kammer sieht daher im vorliegenden Fall keine Rechtfertigung, zusätzliche vermeintlich neuheitsschädliche Dokumente erst im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens einzuführen.
2.1.4 Die Beschwerdeführerin hat als Rechtfertigung für die Einreichung erst im Beschwerdeverfahren angeführt, diese Dokumente seien prima facie relevant und sollten daher ins Verfahren zugelassen werden, um nicht sehenden Auges ein nicht rechtsbeständiges Patent aufrechtzuerhalten.
2.1.5 Die Kammer kann sich dieser Ansicht nicht anschließen. Selbst unter der Annahme dass, was hier nicht weiter diskutiert werden muss, prima facie-Relevanz als Kriterium für die Zulassung von Dokumenten unter Artikel 12(4) VOBK 2007 entscheidend wäre, so kann die Kammer eine solche nicht erkennen.
Aus der Beschwerdeschrift wird klar (siehe Punkte 4.1 und 4.2), dass die einzelnen Merkmale des unabhängigen Anspruchs der aufrechterhaltenen Fassung in D11 und D12 nur durch deren Herausgreifen aus an verschiedenen Stellen der Beschreibung offenbarten Listen zusammengestellt werden können. Auf eine konkrete Offenbarung neuheitsschädlicher Zusammensetzungen wird nicht verwiesen. Die Tagescremes auf Seiten 84 und 85 der D11 werden zur Illustration typischer Konzentrationsbereiche von Parfümstoffen angeführt, nicht als neuheitsschädliche Beispiele an sich.
Es ist daher für die Kammer nicht erkennbar, dass diese Dokumente prima facie, d. h. auf den ersten Blick, neuheitsschädlich wären.
2.1.6 Gegen diesen Standpunkt der Kammer hat die Beschwerdeführerin wiederum vorgebracht, die (noch später) eingereichten Dokumente D14-D20 belegten durch die nähere Betrachtung der in D11 verwendeten Parfümstoffe, dass die Tagescremes auf Seiten 84/85 der D11 für die aufrechterhaltenen Ansprüche neuheitsschädlich seien.
2.1.7 Unbeschadet verschiedener von der Beschwerdegegnerin aufgeworfener Fragen zum Inhalt der Dokumente D14-D20, von deren Zulassung ins Verfahren und auch davon, dass einige dieser Dokumente nicht vorpubliziert sind, ist für die Kammer alleine schon die Tatsache, dass Sekundärdokumente für eine womöglich neuheitsschädliche Interpretation der D11 vonnöten sind, ein weiteres Anzeichen dafür, dass D11 eben gerade nicht prima facie relevant ist.
2.1.8 D11 und D12 werden daher nicht ins Beschwerdeverfahren zugelassen.
2.2 D14-D20
2.2.1 Diese Dokumente wurden am 21. Juni 2021, d. h. drei Tage vor der mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer eingereicht.
Ihre Zulassung richtet sich daher nach Artikel 13(2) VOBK 2020. Gemäß dieser Bestimmung bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens einer Partei nach Erlass einer Mitteilung unter Regel 100(2) EPÜ oder nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt. Ausnahmen bedürfen stichhaltiger Gründe für das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände.
Im vorliegenden Fall wurden diese Dokumente nach Erlass einer Mitteilung unter Regel 100(2) EPÜ, nach Ablauf der Frist zur Antwort auf diese Mitteilung, und nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung eingereicht.
2.2.2 Die Beschwerdeführerin hat vorgebracht, diese Dokumente seien von ihr erstmals am 17. Juni 2021, d. h. eine Woche vor dem Datum der mündlichen Verhandlung, identifiziert worden. Sie belegten durch nähere Betrachtung von Parfümstoffen eindeutig, dass die Beispiele auf Seiten 84/85 der D11 neuheitsschädlich seien. Eine bewusste taktische oder rechtsmissbräuchliche Motivation der Beschwerdeführerin liege daher nicht vor.
Letzteres möchte die Kammer nicht bestreiten. Artikel 13(2) VOBK 2020verlangt aber das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände für Änderungen des Beschwerdevorbringens in einem so späten Stadium. Solche Umstände wurden von der Beschwerdeführerin nicht stichhaltig dargelegt. Eine Recherche nach derartigen Dokumenten hätte auch früher durchgeführt werden können. Die Tatsache, dass die Kammer in ihrem Bescheid unter Regel 100(2) EPÜ D11 und D12 weder ins Verfahren zuzulassen gedachte noch die darauf gestützten Einwände als überzeugend ansah, ist ebenfalls kein außergewöhnlicher Umstand unter Artikel 13(2) VOBK 2020, zumal ja nicht einmal die in dieser Mitteilung gesetzte viermonatige Antwortfrist eingehalten wurde.
Auch der Verweis der Beschwerdeführerin auf eine prima facie-Relevanz geht ins Leere. Selbst wenn, was hier nicht zu entscheiden ist, dieses Kriterium gegenüber den Bedingungen des Artikels 13(2) VOBK 2020 vorrangig wäre, so ist doch im vorliegenden Fall eine solche Relevanz nicht gegeben. Diese Dokumente wären ja ohnehin nur in Kombination mit D11 für die Neuheitsfrage relevant, nicht für sich alleine. Zudem enthalten sie keinen Bezug auf dieses Dokument, so dass gar nicht klar ist, ob identische Inhaltsstoffe untersucht wurden. Eine prima facie-Relevanz in dem Sinne, dass diese Dokumente schon bei oberflächlicher Betrachtung zum Widerruf des Patents führen würden, besteht jedenfalls nicht.
2.2.3 D14-D20 werden daher unter Artikel 13(2) VOBK 2020 nicht ins Verfahren zugelassen.
2.3 D13
2.3.1 D13 wurde mit der Antwort auf den Bescheid der Kammer unter Regel 100(2) EPÜ eingereicht. Es gelten daher ebenfalls die Kriterien des Artikels 13(2) VOBK 2020.
D13 enthält Vergleichsversuche, die die erfinderische Tätigkeit der Ansprüche in Zweifel ziehen sollen.
2.3.2 Die Beschwerdeführerin hat zur Rechtfertigung des Einreichens dieser Versuch zu diesem späten Zeitpunkt vorgebracht, es handle sich auf eine Reaktion auf die Mitteilung der Kammer unter Regel 100(2) EPÜ. Es lägen auch außergewöhnliche Umstände vor, denn diese Versuche zeigten das Gegenteil von dem, was bisher im Verfahren angenommen wurde. Das Patent müsse aufgrund dieser neuen Sachlage widerrufen werden.
2.3.3 Die Kammer kann keinerlei außergewöhnliche Umstände erkennen, die die Einreichung von D13 in diesem Verfahrensstadium rechtfertigen würden.
Erfinderische Tätigkeit wurde in der Einspruchsentscheidung ausgehend von D4 unter Verweis auf den im Streitpatent enthaltenen Vergleichsversuch (Absatz [0075]) anerkannt. Diese Frage war schon im Einspruchsverfahren ausführlich diskutiert worden. Bereits in der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung hatte diese angemerkt, dass für die von der Beschwerdeführerin erhobene Behauptung keine Beweise vorlägen (siehe Punkt 12.9.1 der Ladung vom 2. März 2018). Diese vorläufige Meinung wurde, da die Beschwerdeführerin im Einspruchsverfahren nichts weiteres vorbrachte, in der Entscheidung übernommen (Punkt 6.2.1 der Entscheidungsgründe). Die Einreichung von D13 ist daher keine Reaktion auf einen etwaigen neuen Einwand der Beschwerdekammer, sondern bezieht sich auf einen seit dem Einspruchsverfahren strittigen Sachverhalt.
2.3.4 Als außergewöhnlicher Umstand im Sinne des Artikels 13(2) VOBK 2020 kann hier auch nicht gelten, dass nach Ansicht der Beschwerdeführerin das Patent aufgrund der Daten in D13 widerrufen werden müsste, weil diese das Gegenteil der im Verfahren befindlichen Daten zeigten.
Zum einen gälte eine solche Begründung ja für jede verspätete Eingabe einer Einsprechenden im Beschwerdeverfahren, was die Vorschriften des Artikels 114(2) EPÜ und der Verfahrenordnung der Beschwerdekammern im wesentlichen gegenstandslos machen würde.
Zum anderen ist es auch nicht so, dass die Versuche eindeutig das Gegenteil von den im Streitpatent durchgeführten Versuchen zeigen würden. Die Beschwerdegegnerin hat zu Recht darauf hingewiesen, dass die Versuche in D13 kürzere Lagerzeiten betreffen, keine Daten zur Lichtbeständigkeit enthalten und die Rezepturen der Zusammensetzungen durch die mehrmalige Angabe von "qs" für einzelne Komponenten unklar scheinen. Selbst wenn man annähme, dass die Daten tatsächlich widersprüchlich wären, so unterläge die Interpretation derartiger Versuchsergebnisse der Parteien und deren Auswirkung auf die Patentierbarkeitserfordernisse unter dem EPÜ immer noch der Beweiswürdigung der Beschwerdekammer. Von einer eindeutigen Situation kann daher nicht gesprochen werden.
2.3.5 D13 wird daher unter Artikel 13(2) VOBK 2020 nicht ins Beschwerdeverfahren zugelassen.
Hauptantrag
3. Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
3.1 Die Einspruchsabteilung hat Neuheit der geänderten Ansprüche gegenüber den im Einspruchverfahren zitierten Dokumenten D1-D3 anerkannt, siehe Punkt 2 der angefochtenen Entscheidung.
Diese Feststellung wurde von der Beschwerdeführerin nicht angegriffen und die Kammer sieht keinen Grund, diese Entscheidung der Einspruchsabteilung ihrerseits in Zweifel zu ziehen.
3.2 Die weiteren von der Beschwerdeführerin zitierten Dokumente D11, D12 und D14-D20 befinden sich nicht im Verfahren, wie oben ausgeführt.
3.3 Neuheit ist daher gegeben.
4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
4.1 Die Ansprüche richten sich auf kosmetische Zubereitungen in Form einer Emulsion oder Dispersion. Insbesondere enthalten diese Zusammensetzungen den Stoff 2-(4'-Diethylamino-2'-hydroxybenzoyl)-benzoesäureethylester (Komponente (a) des Anspruchs 1), der dazu führen kann, dass ihn enthaltende kosmetische Zusammensetzungen vorzeitig ihren Duft verlieren, siehe Absatz [0004] des Streitpatents. Diesem Geruchsverlust soll dadurch entgegengewirkt werden, dass die Zusammensetzung neben einem oder mehreren weiteren UV-Filtern (Komponente (c) des Anspruchs 1) einen oder mehrere Parfümstoffe aus der Gruppe Linalool, Hexylcinnamat, oder Benzylsalicylat enthält (Komponente (b) des Anspruchs 1). Das Patent enthält einen Vergleichsversuch in Absatz [0075], in dem ein geruchsstabilisierender Effekt dieser Parfümstoffe insbesondere bei 40°C Lagerungstemperatur oder bei Lichteinfluss gezeigt wird.
4.2 Nächster Stand der Technik
Als nächster Stand der Technik wurde übereinstimmend D4 angesehen, wie auch in der angefochtenen Entscheidung (siehe Punkt 4 dort). Das Streitpatent unterscheidet sich von den in D4 offenbarten Zusammensetzungen dadurch, dass die beanspruchten Zubereitungen einen oder mehrere Parfümstoffe aus der Gruppe Linalool, Hexylcinnamat, oder Benzylsalicylat enthält (Komponente (b) des Anspruchs 1). Dies war unstrittig und muss daher nicht weiter ausgeführt werden.
4.3 Aufgabe und Lösung
4.3.1 Ausgehend von den Zusammensetzungen aus D4 bestand die technische Aufgabe darin, kosmetische Zusammensetzungen enthaltend 2-(4'-Diethylamino-2'-hydroxybenzoyl)-benzoesäureethylester (Komponente (a) des Anspruchs 1) herzustellen, die bei Lagerung geruchsstabiler sind.
Die beanspruchte Lösung der Aufgabe sind Zusammensetzungen gemäß Anspruch 1, die sich dadurch auszeichnen, dass sie einen oder mehrere Parfümstoffe aus der Gruppe Linalool, Hexylcinnamat, oder Benzylsalicylat enthalten.
Strittig war, ob diese Aufgabe durch die beanspruchten Zusammensetzungen tatsächlich gelöst wurde.
4.3.2 Die Beschwerdegegnerin berief sich auf den Vergleichsversuch in Absatz [0075] des Patents. In diesem Versuch wird eine Zusammensetzung enthaltend Komponente (a), weitere UV-Filter (unter anderem Titandioxid und Phenylbenzimidazolsulfonsäure) sowie Linalool, Hexylcinnamat, und Benzylsalicylat mit einer Zusammensetzung ohne die letzteren Komponenten verglichen. Es stellt sich heraus, dass unter verschiedenen Lagerungsbedingungen, vor allem bei 40°C Lagertemperatur sowie unter Lichteinfluss, die erfindungsgemäße Zusammensetzung weniger Geruch verliert, als die Vergleichszusammensetzung. Ihrer Ansicht nach wurde daher die gestellte Aufgabe gelöst. Die Einspruchsabteilung war in ihrer Entscheidung ebenso zu dieser Ansicht gekommen (siehe Punkt 6 der Entscheidungsgründe).
4.3.3 Demgegenüber vertrat die Beschwerdeführerin die Ansicht, die gestellte Aufgabe sei nicht gelöst worden, zumindest nicht über die gesamte Breite des Anspruchs.
Sie brachte vor, der Vergleichstest belege höchstens, dass eine Kombination aller drei Komponenten (b) des Anspruchs zu einer verbesserten Geruchsstabilität führe, nicht jedoch, dass jede einzelne dieser Komponenten für sich einen geruchsstabilisierenden Effekt habe.
Sie brachte weiterhin vor, es sei nicht gezeigt worden, dass ein geruchsstabilisierender Effekt bei der getesteten Zusammensetzung auf andere Zusammensetzungen übertragbar ist, die sich in der Wahl der UV-Filter unterscheiden. In Komponente (c) des Anspruchs sei eine Vielzahl strukturell unterschiedlicher UV-Filter aufgeführt.
4.3.4 Die Kammer hält die Argumente der Beschwerdeführerin nicht für überzeugend.
Ein geruchsstabilisierender Effekt der drei Komponenten Linalool, Hexylcinnamat, oder Benzylsalicylat ist durch den Vergleichsversuch im Patent nachgewiesen. Es ist zwar richtig, dass aus dem durchgeführten Vergleich der individuelle Beitrag der einzelnen Komponenten nicht bestimmt werden kann. Es ist aber andererseits auch nicht belegt, dass eine oder mehrere dieser Komponenten individuell keinen Effekt zeigen. Es wurden dahingehend keine technischen Argumente vorgebracht; die Beschwerdeführerin hat nur in allgemeiner Weise ihre Zweifel geäußert. Der von der Beschwerdeführerin monierte Vergleichsversuch war bereits bei der in der veröffentlichten Patentanmeldung vorhanden und ist Bestandteil des erteilten Patents. Es stand der Beschwerdeführerin frei, im Rahmen des Einspruchsverfahrens durch eigene Versuche die Aussagekraft dieses Versuchs zu erschüttern. Dies ist nicht geschehen.
Das Vorbringen der Beschwerdeführerin in Bezug auf die Vielzahl der möglichen UV-Filter ist ebenfalls unbelegt. Die im Vergleichsversuch verwendeten Zusammensetzungen enthalten strukturell durchaus verschiedene UV-Filter, wie unter anderem Titandioxid, Ethylhexylsalicylat und Phenylbenzimidazolsulfonsäure. Ein Einfluss der Struktur der UV-Filter ist daher nicht auf Anhieb erkennbar und ohne entsprechende Untermauerung mit Daten nicht überzeugend dargelegt.
4.3.5 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass die beanspruchten Zusammensetzungen ausgehend von D4 eine Lösung der technischen Aufgabe darstellen, kosmetische Zusammensetzungen mit erhöhter Geruchsstabilität zu finden. Der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung, es sei höchstens die technische Aufgabe gelöst worden, alternative kosmetische Zusammensetzungen aufzufinden, folgt die Kammer nicht.
4.4 Naheliegen der Lösung
Ein geruchsstabilisierender Effekt von Linalool, Hexylcinnamat, oder Benzylsalicylat auf Zusammensetzungen, die Komponente (a) enthalten, ist in keinem der zitierten Dokumente vorbeschrieben.
Die Beschwerdeführerin hat vorgebracht, Linalool, Hexylcinnamat oder Benzylsalicylat seien gängige Parfümstoffe und würden in vielerlei Zusammensetzungen verwendet. Dies wurde von der Beschwerdegegnerin auch nicht bestritten und die Kammer ist der gleichen Auffassung. Der Fachmann hatte aber ausgehend von D4 keinerlei Veranlassung, zur Lösung der gestellten Aufgabe den dort beschriebenen Zusammensetzungen eine der drei Verbindungen Linalool, Hexylcinnamat, oder Benzylsalicylat zuzusetzen. Die Eigenschaft dieser Verbindungen, den Geruch von 2-(4'-Diethylamino-2'-hydroxybenzoyl)-benzoesäurehexylester enthaltenden Zusammensetzungen zu stabilisieren, war ihm schließlich unbekannt.
4.5 Erfinderische Tätigkeit ist daher gegeben.
5. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent in geänderter Fassung aufrechtzuerhalten, nicht erschüttern kann.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.