T 2100/19 (Farbglanzmittel/Henkel) 29-04-2022
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FARBGLANZMITTEL MIT SPEZIELLEN KATIONISCHEN FARBSTOFFEN, TENSIDEN UND POLYMEREN
Erfinderische Tätigkeit - unerwartete Verbesserung
Spät eingereichte Beweismittel - zugelassen (ja)
Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent Nr. 2 925 284 (nachfolgend: das Patent) wurde mit elf Ansprüchen erteilt.
Der unabhängige Anspruch 1 des erteilten Patents lautet:
"Mittel zum Färben von keratinischen Fasern, insbesondere menschlichen Haaren, enthaltend in einem kosmetischen Träger
(a) mindestens ein kationisches Anthrachinonderivat der Formel (I)
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
worin R1, R2, R3 unabhängig voneinander für eine C1-C6-Alkylgruppe stehen, n für eine ganze Zahl von 2 bis 8 steht und A**(-) für ein physiologisch verträgliches Anion steht,
(b) mindestens einen weiteren kationischen direktziehenden Farbstoff, der von Formel (I) verschieden ist,
(c) mindestens ein amphoteres und/oder zwitterionisches Tensid und
(d) mindestens ein kationisches Polymer."
II. Gegen die Erteilung des Patents wurde Einspruch eingelegt. Als Einspruchsgründe wurden fehlende Neuheit und fehlende erfinderische Tätigkeit angeführt.
Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch zurückzuweisen.
III. Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem die folgenden Beweismittel eingereicht:
D3 : US 2006/100114 A1
D4 : US 5 891 200 A
D5 : US 8 709 102 B2
D6 : CA 2 613 049 A1
D7 : DE 10144881 A1
D9 : EP 0 852 136 A1
D10: US 2004/034945 A1
D11: US 5 520 707 A
D12: J. COSMET. SCI., Bd. 55, 2004, Seiten 423-436
D14: Technischer Versuchsbericht, eingereicht mit Schreiben der Patentinhaberin vom 28. März 2019.
IV. Die Einspruchsabteilung kam zu folgendem Ergebnis:
a) Der beanspruchte Gegenstand des erteilten Patents war neu gegenüber dem vorhandenen Stand der Technik.
b) Das Patent richtete sich auf die Bereitstellung von Haarbehandlungsmitteln, die gleichzeitig intensiv Färben und Glanz erzeugen. Nächstliegender Stand der Technik war Dokument D3, insbesondere die Beispiele 1, 4 und 8, weil es sich ebenfalls mit Haarfärbemitteln, die den Glanz verbessern, befasste.
Der Unterschied zu diesem Stand der Technik betraf die Zugabe des kationischen direktziehenden Farbstoffs der Formel (I).
Aus den im Patent und in Dokument D14 berichteten Versuchsergebnissen ging hervor, dass mit dem Zusatz des Farbstoffs der Formel (I) deutlich erhöhte Glanzwerte erzielt werden konnten. Die gelöste Aufgabe war somit die Bereitstellung hinsichtlich der Glanzwerte verbesserter Haarfärbemittel.
Der Fachmann hätte zur Lösung dieser Aufgabe keines der Dokumente D4, D6, D7, D9, D10 oder D11 herangezogen, weil diese Dokumente keinen Bezug zu Glanz im Sinne einer Reflexion herstellten. Dokument D5 konnte nicht zum Anspruchsgegenstand führen, weil es keinen Farbstoff der Formel (I) offenbarte. Im Hinblick auf die Vielzahl vorbekannter blauer direktziehender Farbstoffe war es auch in Anbetracht der aus Dokument D12 bekannten Haarglanz-befördernden Wirkung von insbesondere blauen direktziehenden Farbstoffen nicht naheliegend, gerade Farbstoffe der Formel (I) auszuwählen.
Der Anspruchsgegenstand beruhte somit auch auf erfinderischer Tätigkeit.
V. Mit ihrer Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin das folgende neue Beweismittel ein:
D15: Vergleichsversuche der Einsprechenden
VI. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beanstandete in ihrer Beschwerdeerwiderung die Zulassung des Dokuments D15.
VII. Mit der Ladung vom 3. Mai 2021 lud die Kammer die Beteiligten zu einer mündlichen Verhandlung.
In ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK 2020 vom 18. Mai 2021 teilte die Kammer ihre vorläufige Einschätzung mit, dass die in Dokument D14 berichteten Versuchsergebnisse auf eine erhöhte haarglanzverbessernde Wirkung der anspruchsgemäßen Zusammensetzung gegenüber dem Beispiel 1 des Dokuments D3 schließen lässt und dass die in Dokument D15 berichteten Versuchsergebnisse diese Annahme nicht beeinträchtigen.
Die mündliche Verhandlung wurde am 29. April 2022 als Videokonferenz durchgeführt.
VIII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Zulassung des Dokuments D15
Die Eingabe des Dokuments D15 mit der Beschwerdebegründung sei eine angemessene Reaktion auf die Berücksichtigung in der angefochtenen Entscheidung des erst spät im Einspruchsverfahren eingereichten Dokuments D14.
b) Erfinderische Tätigkeit
Beispiel 4 des Dokuments D3 stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar, weil dieses Beispiel sich ebenfalls auf ein Mittel zur Verbesserung des Haarglanzes aus einer Kombination eines kationischen blauen Farbstoffes, Basic Blue 99, mit einem weiteren kationischen Farbstoff beziehe.
Die im Patent und Dokument D14 berichteten Versuchsergebnisse seien nicht geeignet, eine besondere Erhöhung der Glanzwerte durch den Zusatz eines Farbstoffs der Formel (I) zu belegen.
Die Versuchsergebnisse des Dokuments D15 zeigten, dass der Austausch des Basic Blue 99 im Beispiel 4 des Dokuments D3 durch einen Farbstoff der Formel (I), HC Blue 16 (auch bekannt als Bluequat B), keine signifikant bessere Glanzerhöhung bei Anwendung der Zusammensetzung bewirke (siehe Dokument D15, Seite 4, "Résultats" für Zusammensetzungen A2/B2). Auch der Zusatz von HC Blue 16 im Mittel des Beispiels 1 des Dokuments D3 führe nicht zu einer Verbesserung der Glanzwirkung (siehe Dokument D15, Seite 2, "Résultats" für Zusammensetzungen A1/B1). Zudem beinhalte der Versuch gemäß Dokument D14 keinen Vergleich zu Beispiel 1 des Dokuments D3, weil die getesteten Zusammensetzungen nicht den in diesem Beispiel erwähnten Duftstoff enthalten würden.
Die gelöste Aufgabe betreffe somit lediglich die Bereitstellung alternativer haarfärbender Mittel. Weil Verbindungen der Formel (I) aus den Dokumenten D4, D6, D7, D9, D10 und D11 hinreichend als blau-farbige kationische Farbstoffe bekannt gewesen seien, hätte deren Verwendung zur Lösung dieser Aufgabe für den Fachmann nahegelegen.
Falls dennoch von einer verbesserten Wirkung auf den Haarglanz gegenüber dem Mittel des Beispiels 1 des Dokuments D3 auszugehen sei, hätte die verbesserte Glanzwirkung nach dem Austausch eines roten Farbstoffs durch einen blauen Farbstoff für den Fachmann nahegelegen, weil Dokument D12 bereits auf eine besondere Glanzwirkung durch Zusatz von blauen Farbstoffen in Haarpflegemittel hinweise.
IX. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Zulassung des Dokuments D15
Die in Dokument D15 beschriebenen Versuche hätten bereits im erstinstanzlichen Verfahren durchführt werden können. Das Beschwerdevorbringen sollte sich gemäß Artikel 12 (2) VOBK auf die Anträge, Tatsachen, Einwände, Argumente und Beweismittel richten, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde lagen. Dokument D15 sei deswegen nicht zuzulassen.
b) Erfinderische Tätigkeit
Das Patent beziehe sich auf Mittel die das Haar intensiv färben und ihm einen starken Glanz verleihen. Beispiel 1 des Dokuments D3 stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar, weil dieses Beispiel im Hinblick auf den Farbstoffgehalt ebenfalls auf eine deutliche Färbung des Haars gerichtet sei und die Wirkung auf den Haarglanz mit experimentellen Ergebnissen belege. Beispiel 4 des Dokuments D3 betreffe dahingegen ein Shampoo mit nur sehr geringem Farbstoffgehalt und berichte im übrigen allenfalls ähnliche Eigenschaften wie in Beispiel 1.
Die in Dokument D14 berichteten Ergebnisse würden zeigen, dass der Ersatz eines Farbstoffes in Bespiel 1 des Dokuments D3 durch eine gleiche Menge des patentgemäßen Bluequat B mit einer Verstärkung des Haarglanzes einhergehe. Die Experimente gemäß den Dokumenten D14 und D15 würden sich im Versuchsaufbau unterscheiden. Die Ergebnisse in Dokument D15 würde dennoch den Effekt gegenüber Beispiel 1 des Dokuments D3 bestätigen. Die weiteren Ergebnisse des Dokuments D15 seien unbeachtlich, weil diese keinen Vergleich zu der Zusammensetzung des Beispiels 4 des Dokuments D3 beträfen, sondern zu einer wesentlich abgeänderten Zusammensetzung. Die haarglanzerhöhende Wirkung durch den zusätzlichen Einsatz von Bluequat B sei außerdem aus den im Patent berichteten Versuchsergebnissen ersichtlich. Die Glanzwirkung werde dabei nicht durch einen Farbeffekt bedingt.
Gegenüber Dokument D3 sei die Aufgabe somit in der Bereitstellung von Mitteln mit verbesserter Wirkung in Bezug auf den Haarglanz zu sehen. Aus den Dokumenten D4, D6, D7, D9, D10 und D11 ergebe sich kein Hinweis auf die besondere Glanzwirkung durch den Zusatz von Verbindungen der Formel (I). Dokument D12 beziehe sich auf einen durch blaue Farbe bedingten Glanzeindruck und lasse nicht auf die von der Endfarbe unabhängige Glanzwirkung der Verbindungen der Formel (I) schließen.
X. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
XI. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde. Darüber hinaus beantragte sie, das Dokument D15 nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen
Entscheidungsgründe
1. Zulassung des Dokuments D15
Dokument D15 präsentiert Ergebnisse von seitens der Beschwerdeführerin durchgeführten Vergleichsversuchen bezüglich der Beispiele 1 und 4 des Dokuments D3.
In der angefochtenen Entscheidung wurden die Bedenken der Beschwerdeführerin gegen die in Dokument D14 berichteten Versuchsergebnisse abgewiesen und im Hinblick auf diese Ergebnisse die erhöhten Glanzwerte gegenüber Beispiel 1 des Dokuments D3 durch den Einsatz eines Farbstoffs der Formel (I) angenommen (siehe Einscheidungsgründe Abschnitt 12.3). Das Dokument D14 wurde von der Beschwerdegegnerin zwar innerhalb der gemäß Regel 116 gesetzten Frist, aber dennoch im späten Stadium des Einspruchsverfahrens eingereicht.
Vor diesem Hintergrund betrachtet die Kammer die Eingabe des Dokuments D15 mit der Beschwerdebegründung als eine berechtigte Reaktion auf die angefochtene Entscheidung und sieht somit keine Veranlassung, die Zulassung des Dokuments D15 unter Artikel 12 (4) VOBK 2007 zu verweigern.
2. Neuheit
Die Feststellungen der Einspruchsabteilung bezüglich der Neuheit sind seitens der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren nicht angefochten worden und werden somit als unstrittig betrachtet.
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1 Nächstliegender Stand der Technik
3.1.1 Die Parteien stimmten der angefochtenen Entscheidung zu, dass von Dokument D3 als nächstliegendem Stand der Technik auszugehen ist.
3.1.2 Dokument D3 beschreibt Haarpflegemittel die eine sowohl farbverstärkende als auch reinigende Wirkung aufweisen und dabei den Glanz, die Handhabbarkeit und Geschmeidigkeit der Haare verbessern. Diese Mittel enthalten unter anderem mindestens einen direktziehenden kationischen Farbstoff (siehe D3, Absätze [0005] und [0006] sowie Anspruch 1). Das Dokument erwähnt in diesem Zusammenhang exemplarisch eine Reihe von kationischen Farbstoffen, einschließlich Basic Blue 99, Basic Violet 2, und Basic Red 76 (siehe D3, Absatz [0013]) sowie bevorzugt Basic Red 51 (siehe D3, Absätze [0014] und [0015], Formel I mit R**(1)-R**(4) als Methyl und Y als Chlor). Es handelt sich bei diesen Farbstoffen um patentgemäß weitere direktziehende kationische Farbstoffe (b), die von Formel (I) verschieden sind (siehe das Patent, Absatz [0043]).
Dokument D3 beschreibt in Beispiel 1 ein Shampoo enthaltend 0,09% Basic red 76 und 0,06% Basic red 51 sowie 5,0% des Tensids Cocoamidopropyl Betain und 0,1% des kationischen Polymers Polyquaternium-7. Es wird unter anderem eine zahlenmäßig bewertete Verbesserung des Haarglanzes bei andauernder Anwendung durch Probanden berichtet (siehe D3, Absätze [0077] bis [0080]).
Beispiel 4 des Dokuments D3 bezieht sich auf ein Shampoo enthaltend 0,0001% Basic Blue 99 und 0,000045% Basic Violet 2 sowie 8,0% Cocoamidopropyl Betain und 0,2% des kationischen Polymers Polyquaternium-10. Es wird pauschal berichtet, dass dieses Shampoo, das farblich ein scheinendes Silber ergibt, sonst dem Beispiel 1 entsprechende Eigenschaften aufweist (siehe D3, Absätze [0087] bis [0089]).
3.1.3 Die patentgemäß beanspruchten Mittel unterscheiden sich von diesem Stand der Technik durch den Einsatz eines Farbstoffs der Formel (I).
3.2 Formulierung der gelösten technischen Aufgabe
3.2.1 Das Patent präsentiert im experimentellen Teil eine Versuchsreihe mit anspruchsgemäßen Mitteln (E1-E4), die verschiedene Mengen einer Verbindung der Formel (I) (Bluequat B / HC Blue 16) mit weiteren kationischen Farbstoffen (b) unterschiedlicher Farbe enthalten, und zum Vergleich Mittel (V1-V4), die nur solche weiteren kationischen Farbstoffe (b) enthalten (siehe das Patent, Absätze [0149] und [0153]). Die berichteten Ergebnisse beziehen sich auf die Glanzwirkung dieser Mittel auf blondierte Haarsträhnen und zeigen für die patentgemäßen Mittel eine 7- bis 8-fache Erhöhung des Glanzes zu absoluten Werten von zwischen 0,0140 und 0,0174 gegenüber eine 1- bis 4,6-fache Erhöhung zu absoluten Werten von zwischen 0,0018 und 0,0092 für die Mittel, in denen die Verbindung der Formel (I) nicht eingesetzt wurde.
Das Dokument D14 zeigt ergänzend, dass bei entsprechendem Versuchsaufbau ein Mittel mit ähnlicher Zusammensetzung wie Beispiel 1 des Dokuments D3 ("Vergleich V") eine etwa 3,5-fache Glanzerhöhung auf den Wert von 0,0067 erzeugt, während eine patentgemäße Zusammensetzung ("Erfindung E"), in der lediglich das Basic Red 76 durch einen gleichen Gewichtsanteil an Bluequat B (HC Blue 16) ausgetauscht worden ist, eine etwa 7-fache Erhöhung auf den Wert von 0,0134 bewirkt (siehe D14, Tabellen auf Seiten 1 und 2).
Nach Ansicht der Kammer wird durch diese Ergebnisse hinreichend belegt, dass der patentgemäße Einsatz einer Verbindung der Formel (I) eine gegenüber dem Stand der Technik besonders ausgeprägte Erhöhung des Haarglanzes ermöglicht.
3.2.2 Die Versuchsergebnisse des Dokuments D15 lassen dabei aus folgenden Gründen keinen Zweifel an diesem Effekt aufkommen.
Dokument D15 beschreibt einen Vergleich zwischen einem Mittel mit ähnlicher Zusammensetzung wie Beispiel 1 des Dokuments D3 ("Composition A1") und einem Mittel, in dem zusätzlich zu den Farbstoffen Basic Red 76 und Basic Red 51 der anspruchsgemäßen Farbstoff HC Blue 16 (Bluequat B) in einem Gewichtsanteil von 0.1% enthalten ist ("Composition B1"). Die in Dokument D15 berichteten Ergebnisse beziehen sich auf die Glanzwirkung der Mittel auf natürliche Haarsträhnen ("cheveux naturels à 90% blancs") und zeigen für "Composition A1" eine 1,13-fache Glanzerhöhung auf einen Wert von 0,18 gegenüber einer 1,31-fachen Erhöhung auf einen Wert von 0,21 für "Composition B1" (siehe D15, Tabellen auf Seiten 1 und 2). Die Unterschiede werden als statistisch nicht-signifikant bezeichnet.
Die Kammer stellt jedoch fest, dass die Ergebnisse des Dokuments D15 dennoch höhere Glanzwerte für das mit dem patentgemäßen Mittel behandelte Haar aufweisen. Die fehlende statistische Signifikanz der Daten aus Dokument D15 stellt dabei die im Patent und D14 aufgezeigte besonders ausgeprägte Glanzwirkung durch den Einsatz einer Verbindung der Formel (I) nicht in Frage.
Dokument D15 beschreibt außerdem einen Vergleich zwischen einem Mittel ("Composition A2"), das die in Beispiel 4 des Dokuments D3 verwendeten Farbstoffe Basic Blue 99 und Basic Violet 2 in Gewichtsanteilen von 0.1% und 0,000045% enthält, und einem entsprechenden patentgemäßen Mittel ("Composition B2"), das 0,1% HC Blue 16 (Bluequat B) statt Basic Blue 99 enthält. Für "Composition A2" wird eine 1,25-fache Glanzerhöhung auf einen Wert von 0,20 gegenüber einer 1,19-fachen Erhöhung auf einen Wert von 0,19 für "Composition B1" berichtet (siehe D15, Tabellen auf Seiten 3 und 4). Die Unterschieden werden ebenfalls als statistisch nicht-signifikant bezeichnet.
Die Kammer stimmt der Beschwerdegegnerin jedoch zu, dass die "Composition A2" sich durch einen 1000-fach größeren Anteil an Basic Blue 99 vom Beispiel 4 des Dokuments D3 unterscheidet. Der betreffende Versuch des Dokuments D15 zeigt somit nicht, dass kein Effekt gegenüber dem tatsächlich in Dokument D3 beschriebenen Stand der Technik vorliegt.
Zudem merkt die Kammer an, dass die in Dokument D15 aufgezeichneten absoluten Glanzwerte der Haarstränen vor der Behandlung (0,16) sich etwa um das 80-fache von den im Patent und Dokument D14 berichteten absoluten Glanzwerten (0,002) der unbehandelten Haare unterscheiden. Dies stellt in Frage, ob die Experimente des Dokuments D15 einerseits und die Experimente des Patents und des Dokuments D14 andererseits einen vergleichbaren Versuchsaufbau betreffen. Auch deswegen wird die Annahme der erhöhten glanzverbessernden Wirkung durch den anspruchsgemäßen Einsatz eines Farbstoffs der Formel (I) nicht beeinträchtigt.
3.2.3 Das Argument der Beschwerdeführerin, dass es sich bei Verbindungen der Formel (I) um blaue Farbstoffe handele und demgegenüber Beispiel 4 des Dokuments D3 wegen des enthaltenen blauen kationischen Farbstoffes Basic Blue 99 einen näherliegenden Stand der Technik als das nur die roten Farbstoffe Basic Red 76 und Basic Red 51 enthaltende Beispiel 3 darstelle, überzeugt die Kammer nicht.
Das Patent (siehe Absatz [0043]) beschreibt für die betreffenden Farbstoffe die folgenden Strukturen:
FORMEL/TABELLE/GRAPHIKFORMEL/TABELLE/GRAPHIK FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Basic Blue 99 Basic Red 76 Basic Red 51.
Alle relevante Farbstoffe der Beispiele 1 und 4 des Dokuments D3 weisen somit in Vergleich zu Formel (I) wesentlich unterschiedliche Strukturen auf. Außerdem wird patentgemäß die Verbindung der Formel (I) zusammen mit einem beliebigen weiteren kationischen Farbstoff eingesetzt. Es handelt sich somit bei der im Patent und in Dokument D14 aufgezeichneten Glanzerhöhung offensichtlich nicht um einen farblich bedingten Effekt. Die blaue Farbe und die Struktur des in Beispiel 4 des Dokuments D3 eingesetzten Basic Blue 99 stellen somit für die Bestimmung des nächstliegenden Ausgangspunkts keine entscheidenden Anhaltungspunkte dar.
Darüber hinaus beschreibt Dokument D3 die vorteilhaften Eigenschaften des Beispiels 1, mitsamt der glanzerhöhenden Wirkung des Beispiels 1, an vorrangiger Stelle und belegt diese Eigenschaften durch quantitativen Angaben (siehe D3, Absätze [0077] bis [0080]). Dahingegen erwähnt Dokument D3 für die nachfolgenden Beispiele, einschließlich des Beispiels 4, lediglich dem Beispiel 1 ähnliche beziehungsweise entsprechende Ergebnisse (siehe D3, Absätze [0081] und [0089]). Vor diesem Hintergrund hat die Kammer keinen Anlass zu bezweifeln, dass die im Vergleich zu Beispiel 1 des Dokuments D3 gezeigte verbesserte Glanzwirkung der patentgemäßen Zusammensetzung sich auch im Vergleich zu Beispiel 4 des Dokuments D3 ergibt.
3.2.4 Das weitere Argument der Beschwerdeführerin, dass Dokument D14 keinen Vergleich des Anspruchsgegenstands mit dem Stand der Technik darstelle, weil für die Zusammensetzung des Beispiels 1 in Dokument D3 ein Duftstoff verwendet wurde, während die gemäß Dokument D14 getesteten Zusammensetzungen keinen Duftstoff enthalten, kann die Kammer auch nicht überzeugen.
Dokument D3 deutet in keiner Weise darauf hin, dass der im Beispiel 1 enthaltene Duftstoff zu der Glanzwirkung beiträgt. Es ist auch sonst kein Anlass ersichtlich für die Annahme, dass das Fehlen des Duftstoffes den Vergleich bezüglich der Glanzwerte in Dokument D14 wesentlich beeinträchtigt.
3.2.5 Im Hinblick auf den gegenüber dem Stand der Technik gezeigten besonderen Effekt, der von dem patentgemäßen Einsatz einer Verbindung der Formel (I) ausgeht, stimmt die Kammer der angefochtenen Entscheidung zu, dass die gelöste technischen Aufgabe in der Bereitstellung von hinsichtlich der objektiv gemessenen Glanzwerte verbesserten Haarfärbemitteln zu sehen ist.
3.3 Beurteilung der Lösung
Die verbesserte Glanzerhöhung durch den patentgemäßen Einsatz einer Verbindung der Formel (I) geht nach Ansicht der Kammer nicht auf naheliegender Weise aus dem vorhandenen Stand der Technik hervor.
Die zitierten Dokumente D4, D6, D7, D9, D10 und D11 beschreiben zwar Verbindungen der Formel (I) als blaue Farbstoffe, die sich zum Färben von Haar eignen, jedoch weisen diese Dokumente in keiner Weise auf eine besondere glanzerhöhende Wirkung dieser Verbindungen hin.
Das Dokument D12 erwähnt zwar, dass der Einsatz von geringen Mengen blauer Farbstoffe in Haarpflegemitteln augenscheinlich den Haarglanz erhöht (siehe D12, Seite 435, Zeilen 15-16). Diese augenscheinliche Glanzerhöhung geht laut des Dokuments D12 (siehe D12 Seite 435, Zeilen 6-14) jedoch auf die Farbempfindlichkeit des Auges zurück und weist somit nicht auf die durch den patentgemäßen Einsatz einer Verbindung der Formel (I) zu erzielende objektive Erhöhung des Haarglanzes, die nicht durch die erzeugte Farbe bedingt ist, hin.
Dementsprechend gelangt die Kammer zu dem Schluss, dass das erteilte Patent auch das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit erfüllt.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.