T 1982/20 08-03-2022
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VERFAHREN ZUR ÜBERWACHUNG EINES ÜBERWACHUNGSBEREICHES AUF VERLETZUNG
Entscheidung im schriftlichen Verfahren - (ja)
Klarheit - (ja)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Sachverhalt und Anträge
I. Die Anmelderin (Beschwerdeführerin) hat gegen die Entscheidung über die Zurückweisung der Anmeldung
Nr. 18 181 257.9 form- und fristgerecht Beschwerde eingelegt.
II. In der vorliegenden Entscheidung werden die folgenden Entgegenhaltungen erwähnt:
D1: DE 10 2007 031 157 A1;
D2: DE 44 07 757 A1;
D3: DE 10 2010 007 520 B3.
III. Die Prüfungsabteilung war der Auffassung, dass Anspruch 1 gemäß Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 und 2 die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht erfülle, und dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht neu und erfinderisch im Sinne vom Artikel 54 und 56 EPÜ sei.
IV. Die Beschwerdeführerin beantragte
die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und
die Erteilung eines Patents auf der Basis des der Entscheidung zugrunde liegenden Hauptantrags oder hilfsweise auf der Basis einer der Hilfsanträge 1 und 2.
V. Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag lautet:
"Verfahren zur Überwachung eines Überwachungsbereiches (50) auf Verletzung des Überwachungsbereiches (50) mit folgenden Schritten:
a) Überwachung des Überwachungsbereiches (50) auf seine Verletzung durch ein Objekt mit einem ersten Sensor (52), der ein erstes Detektionsverfahren verwendet,
b) Prüfen der aktuellen Detektionsfähigkeit eines zweiten Sensors (56), wenn der erste Sensor (52) ein Signal erzeugt, das eine Verletzung des Überwachungsbereiches (50) anzeigt, wobei der zweite Sensor (56) derart angeordnet und ausgestaltet ist, zumindest einen Teil des durch den ersten Sensor (52) überwachten Überwachungsbereiches (50) zu überwachen, wobei der Schritt zur Prüfung der Detektionsfähigkeit des zweiten Sensors (56) umfasst, die Detektionsfähigkeit des zweiten Sensors (56) zumindest für den Teil des Überwachungsbereiches (50) zu prüfen, in dem von dem ersten Sensor (52) eine Verletzung des Überwachungsbereiches (50) angezeigt wird,
c) Prüfen, ob der zweite Sensor (56) ein Signal erzeugt, dass eine Verletzung zumindest desjenigen Teiles des Überwachungsbereiches (50) anzeigt, in dem der erste Sensor (52) eine Verletzung anzeigt, wenn die Detektionsfähigkeit des zweiten Sensors (56) in dem Teil des Überwachungsbereiches (50) in Schritt b) als ausreichend klassifiziert wird, in dem der erste Sensor (52) einen Verletzung anzeigt, und
d) Annehmen einer Verletzung des Überwachungsbereiches (50) dann, wenn der erste und der zweite Sensor (52, 56) jeweils ein Signal erzeugen, das eine Verletzung anzeigt, und die Detektionsfähigkeit des zweiten Sensors (56) in dem Teil des Überwachungsbereiches (50) in Schritt b) als ausreichend klassifiziert wird, in dem der erste Sensor (52) eine Verletzung anzeigt".
VI. Der Wortlaut von Ansprüchen der Hilfsanträge ist angesichts der getroffenen Entscheidung nicht relevant.
VII. Die Argumentation der Beschwerdeführerin, die sich gegen die die Zurückweisung begründeten Feststellungen der Prüfungsabteilung wendet, wird in den Entscheidungsgründen im Detail abgehandelt.
Entscheidungsgründe
1. Die vorliegende Entscheidung ergeht im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung gemäß Artikel 12 (8) VOBK 2020.
Die Beschwerdesache ist auf der Grundlage der zu überprüfenden angefochtenen Entscheidung und des umfänglichen schriftsätzlichen Vorbringens der Beschwerdeführerin unter Wahrung deren Rechte gemäß Artikel 113 und 116 EPÜ entscheidungsreif.
Der von der Beschwerdeführerin hilfsweise gestellte Antrag auf mündliche Verhandlung kommt angesichts des Ausspruches dieser Entscheidung in Form der Stattgabe der Beschwerde auf der Basis der in der Beschwerdebegründung angegebenen Unterlagen nicht zum Tragen.
2. Hauptantrag - Klarheit (Artikel 84 EPÜ)
2.1 Die Kammer kann sich der Auffassung der Prüfungsabteilung nicht anschließen, dass die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht erfüllt seien, da das Schutzbegehren des Anspruchs 1 nicht klar definiert sei.
2.2 Die Prüfungsabteilung stellte fest,dass der Anspruch 1 nicht die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ erfülle,
- weil es nicht klar sei, mit welcher technischen Merkmale die Detektionsfähigkeit des zweiten Sensors geprüft werden kann (siehe Seite 5, erster Absatz, letzter Satz der angefochtenen Entscheidung),
- weil es unklar sei, auf welche Weise der Überwachungsbereich mittels des ersten oder zweiten Sensors überwacht werden soll, weil die Sensoren im Anspruch nicht definiert seien (siehe Seite 5, zweiter Absatz der angefochtenen Entscheidung),
- weil es versucht werde, den Gegenstand durch das zu erreichende Ergebnis zu definieren, ohne die dazu notwendige Merkmale zu bieten (siehe Seite 5, dritter Absatz der angefochtenen Entscheidung).
2.3 Wie von der Beschwerdeführerin richtig vorgetragen (siehe Punkt I.1 der Beschwerdebegründung), betrifft die Erfindung ein Verfahren zur Überwachung eines Überwachungsbereiches auf eine mögliche Verletzung, wobei zwei Sensoren eingesetzt werden.
Eine Verletzung des Überwachungsbereiches wird dann angenommen, wenn der erste und der zweite Sensor jeweils ein Signal erzeugen, das eine Verletzung anzeigt, wobei zuerst die Detektionsfähigkeit des zweiten Sensors geprüft wird.
Es sei daher weder eine dauerhafte Überwachung durch beide Sensoren gleichzeitig notwendig, noch muss der zweite Sensor als "sicherer" Sensor ausgestattet sein, weil seine Detektionsfähigkeit aktuell überprüft wird.
Damit sollte die Aufgabe der Erfindung gelöst werden, ein Verfahren anzugeben, mit dem eine sichere Überwachung eines Überwachungsbereichs auf Verletzung durchgeführt werden kann und dennoch eine gute Verfügbarkeit vorliegt (siehe Seite 3, Absatz 3 und Seite 5, Absatz 1 und 2 der ursprünglichen Beschreibung).
Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass die Tatsache, dass im Anspruch 1 gemäß Hauptantrag weder der Sensortyp noch die Art der Detektionsfähigkeit des Sensors definiert wird, im vorliegenden Fall keinen Einfluss auf die Klarheit des Anspruchs habe. Dem Fachmann seien ohne Zweifel Sensoren sowie Verfahren zum Prüfen der Sensordetektionsfähigkeit bekannt. Dass dies nicht der Fall sei, kann nur als eine unbewiesene Behauptung angesehen werden.
Die entsprechende Festlegung der Prüfungsabteilung sei daher nicht überzeugend und ein Klarheitsmangel sei diesbezüglich nicht erkennbar.
2.4 Die Kammer schließt sich der Argumentation der Beschwerdeführerin an, dass die fehlende Angabe des Sensortyps und der Art der Prüfung dessen Detektionsfähigkeit im Anspruch 1 nicht zu einem Mangel an Klarheit führt.
Die beanspruchte Erfindung ist durch die Schritte der beanspruchten Verfahren definiert, die die Lösung der der Erfindung zugrunde liegenden Aufgabe (siehe Punkt 2.3 oben) erlauben sollen.
Eine Beschränkung des Anspruchs auf eine bestimmte Art von Sensoren und auf bestimmte Verfahren zum Prüfen der Sensordetektionsfähigkeit a priori, d.h. ohne Berücksichtigung der vorhandenen Dokumente des Standes der Technik, würde den gewährten Schutz in unangemessener Weise einschränken.
Die Kammer ist ebenfalls von der entscheidungstragenden Argumentation der Prüfungsabteilung nicht überzeugt, dass von der Beschwerdeführerin versucht werde, den Gegenstand durch das zu erreichende Ergebnis zu definieren, ohne die dazu notwendigen Merkmale anzubieten.
Die in der Patentanmeldung definierte Aufgabe ist nicht Teil des Anspruchsgegenstandes und wird von den Verfahrensschritten des Anspruchs 1 auf nachvollziehbare Weise gelöst (siehe Punkt 2.3 oben).
Die Kammer ist daher von der Argumentation der Beschwerdeführerin überzeugt, dass der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ erfüllt.
3. Hauptantrag - Neuheit und erfinderische Tätigkeit des Gegenstandes des Anspruchs 1 (Artikel 54 und 56 EPÜ)
Die Kammer kann der Schlussfolgerung der Prüfungsabteilung nicht folgen, dass nach dem Wortlaut des Anspruchs 1 nicht ausgeschlossen sei, dass, auch wenn der erste Sensor kein Signal erzeugt, das eine Verletzung des Überwachungsbereichs anzeigt, die Detektionsfähigkeit des zweiten Sensors geprüft werde (siehe Seite 5, letzter Absatz der angefochtenen Entscheidung).
Die Kammer schließt sich der Beschwerdeführerin an, dass dem Schritt b) des Anspruchs 1, der lautet:
"Prüfen der aktuellen Detektionsfähigkeit eines zweiten Sensors, wenn der erste Sensor ein Signal erzeugt, das eine Verletzung des Überwachungsbereichs anzeigt,"
der Fachmann eindeutig und unmittelbar entnimmt, dass der Prüfschritt nur stattfindet, wenn der erste Sensor ein Signal erzeugt, das eine Verletzung des Überwachungsbereich anzeigt, und dass dieser konditionelle Schritt aus dem von der Prüfungsabteilung vorgelegten Stand der Technik nicht zu entnehmen ist (siehe die überbrückende Passage zwischen Seiten 6 und 7 der Beschwerdebegründung).
Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdeführerin (siehe insbesondere Seite 8, letzter Absatz der Beschwerdebegründung), dass eine Prüfung der Detektionsfähigkeit des zweiten Sensors, die stattfindet, wenn der erste Sensor ein Verletzungssignal ausgibt, aus der D1 und insbesondere aus den von der Prüfungsabteilung angegebenen Textstellen, d.h. Absätze [0022], [0055], [0062] und [0066] (siehe Seite 6, achten und neunten Absatz der angefochtenen Entscheidung) nicht eindeutig und unmittelbar zu entnehmen ist.
Die Kammer schließt sich ferner den Argumenten der Beschwerdeführerin an (siehe Seite 9, erster Absatz und Seite 10, zweiter bis letzter Absatz der Beschwerdebegründung) und ist von der bloßen pauschalen Behauptung der Prüfungsabteilung in Punkt 8.7 der Gründe der angefochtenen Entscheidung,
"... dass der Gegenstand von Anspruch 1 ebenfalls in D2 (DE 44 07 757) (siehe Abbildung 11, Spalte 10, Zeilen 35 - Spalte 12, Zeile 35) offenbart zu sein scheint oder allenfalls in Kombination mit D3 (siehe Para. [0009]) triviale Unterschiede zu D2 enthalten scheint."
nicht überzeugt, weil aus keiner der angegebenen Fundstellen der D2 oder D3 der Schritt b) des Verfahrensanspruchs 1 eindeutig und unmittelbar zu entnehmen ist.
4. Die Beschwerdeführerin hat daher in überzeugender Weise die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung dargelegt, so dass diese aufzuheben ist.
Da weitere Einwände zur Patentierbarkeit der Anmeldung weder von der Prüfungsabteilung vorgebracht wurden noch der Kammer ersichtlich sind, kann ein Patent auf der Grundlage der Unterlagen gemäß Hauptantrag erteilt werden.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung mit der
Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:
Beschreibung, Seiten
1, 2 und 4 bis 12 wie ursprünglich eingereicht
3, 3a eingereicht mit Schriftsatz
vom 11. September 2019
Ansprüche
1 eingereicht mit Schriftsatz
vom 3. März 2020 (Hauptantrag)
2 bis 14 wie ursprünglich eingereicht
Zeichnungen, Blätter
1/2, 2/2 eingereicht mit Schriftsatz
vom 27. Juli 2018