T 0423/91 05-10-1992
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Schlepp-Gleitschleifen und Vorrichtung zu seiner Durchführung
Erfinderische Tätigkeit (nein)
Inventive step
Novelty - public prior use (no)
Sachverhalt und Anträge
I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 84 106 316.7 ist das europäische Patent Nr. 0 131 141 mit einem Anspruch erteilt worden. Gegen das erteilte europäische Patent ist Einspruch eingelegt worden. Dieser Einspruch ist auf den Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ im Hinblick auf druckschriftlich dokumentierten Stand der Technik und - nach Ablauf der Einspruchsfrist - zusätzlich noch im Hinblick auf einen angeblich offenkundig vorbenutzten Stand der Technik gestützt worden.
II. Die Einspruchsabteilung hat das europäische Patent widerrufen, mit der Begründung, daß der Gegenstand des Anspruchs im Hinblick auf den druckschriftlich dokumentierten Stand der Technik auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhe.
III. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung Beschwerde eingelegt.
IV. Am 5. Oktober 1992 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden, während welcher von den im Verfahren befindlichen Druckschriften nur noch die folgenden als entscheidungserheblich in Betracht gezogen worden sind:
D1: US-A-4 240 229
D1': CH-A-633 988
D2: H.E. Hinz, "Gleitschleifen", Expert-Verlag, Grafenau 1980, insbesondere Seiten 77 bis 87 und 245 ff.
D3: US-A-3 623 278
D4: US-A-3 885 354
D5: DE-B-1 507 646
D7: DE-C-965 191
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents, wie erteilt (Hauptantrag).
Hilfsweise beantragte sie die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang gemäß vier Hilfsanträgen.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
V. Der Anspruch gemäß dem Hauptantrag der Beschwerdeführerin lautet wie folgt:
"Verwendung von kantigen, kunststoff- oder keramik- gebundenen Gleitschleifkörpern mit Kantenlängen von ca. 5 bis 40 mm in Tauch-Läppmaschinen mit ruhendem Arbeitsbehälter und einer Schleppgeschwindigkeit von ca. 0,8 bis 3 m/s."
Der Anspruch gemäß dem Hilfsantrag 1 lautet wie folgt:
"Verwendung von kantigen, kunststoff- oder keramik- gebundenen Gleitschleifkörpern mit Kantenlängen von ca. 5 bis 40 mm als Gemisch dieser Größen in Tauch-Läppmaschinen mit ruhendem Arbeitsbehälter und einer Schleppgeschwindigkeit von ca. 0,8 bis 3 m/s derart, daß die Schleppbahn (B) einen Abstand von der Behälterwand hat, der etwa die vierfache Kantenlänge der jeweils verwendeten Gleitschleifkörper nicht unterschreitet und etwa das Dreißig- fache der Kantenlänge der größten jeweiligen Gleitschleifkörper nicht überschreitet."
Der Anspruch gemäß dem Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Anspruch gemäß Hilfsantrag 1 dadurch, daß hinter dem Wort "Gleitschleifkörpern" in der zweiten Zeile der Ausdruck "in Form von Pyramiden" eingefügt ist.
Der Anspruch gemäß dem Hilfsantrag 3 unterscheidet sich von dem Anspruch gemäß Hilfsantrag 1 dadurch, daß hinter dem Wort "Arbeitsbehälter" in der dritten Zeile der Ausdruck "unter Zugabe einer Behandlungsflüssigkeit" eingefügt ist.
Der Anspruch gemäß dem Hilfsantrag 4 unterscheidet sich vom Anspruch gemäß Hilfsantrag 2 dadurch, daß hinter dem Wort "Arbeitsbehälter" in der dritten Zeile der Ausdruck "unter Zugabe einer Behandlungsflüssigkeit" eingefügt ist.
VI. Die Beschwerdeführerin hat im wesentlichen folgendes vorgetragen:
Die behauptete Vorbenutzung sei nicht offenkundig gewesen, wie die Erklärung von Herrn Werner Stoll vom 6. März 1991 beweise. Zudem sei die behauptete offenkundige Vorbenutzung verspätet vorgebracht worden und daher nicht zu berücksichtigen.
Die Druckschrift D1 beschreibe ein Spin-Finish-Verfahren mit ruhendem Arbeitsbehälter, in welchem als Schleifmittel u. a. auch "Chips" eingefüllt seien. Die Bezeichnung "Chips" sei eine gängige Bezeichnung für sämtliche in Gleitschleifmaschinen, Tauchschleifmaschinen, Rommeln usw. benutzte Bearbeitungskörper. Der Fachmann würde von dem in der Druckschrift D1 gebrauchten Ausdruck "Chips" nicht auf kantige, kunststoff- oder keramik-gebundene Gleitschleifkörper schließen, weil das Verfahren gemäß Druckschrift D1 kein Gleitschleifverfahren sei und weil der Fachmann die in Tauch-Läpp-Maschinen einerseits und Gleitschleif-Maschinen andererseits verwendeten Schleifmaterialien nicht ohne weiteres als gegenseitig austauschbar ansehe. Überdies werde in dem deutschsprachigen Parallelpatent zu D1, nämlich in der Druckschrift D1', der in der Druckschrift D1 verwendete Begriff "Chips" nicht gebraucht, sondern sei mit "Schleifgranulat" übersetzt, was von der Erfindung wegführe.
Der Fachmann könne daher der Druckschrift D1 keinen Hinweis auf die gemäß dem angefochtenen Patent beanspruchte Verwendung entnehmen.
Gegenüber dem in Betracht gezogenen Stand der Technik stelle die beanspruchte Verwendung eine nicht naheliegende Auswahlerfindung dar, weil nur die beanspruchte Auswahl aus einer Vielzahl von möglichen Formen, Größen und Schleppgeschwindigkeiten zu dem überraschenden technischen Erfolg der Erfindung führe. Dies gelte insbesondere für die in den Hilfsanträgen beanspruchten Verwendungen, da dem Stand der Technik kein Hinweis auf die Bedeutung und vorteilhafte Wirkung der zusätzlichen Merkmale "Abstand der Schleppbahn von der Behälterwand" und "als Gemisch dieser Größen" entnommen werden könne.
Für das Vorliegen von erfinderischer Tätigkeit sprächen auch folgende Indizien:
Die beanspruchten Gleitschleifkörper seien seit mehreren Jahrzehnten vor dem Prioritätsdatum des angefochtenen Patents bekannt gewesen, ohne daß ein Fachmann die beanspruchte Verwendung realisiert hätte.
Durch die Erfindung sei eine überraschende Leistungssteigerung gegenüber dem sogenannten Gleitschleifen, bei welchem die Werkstücke lose in das in Vibrationsbewegung befindliche Schleifmedium eingebettet seien, erzielbar.
Gegenüber dem üblichem Gleitschleifen im Vibrationsbehälter werde der überraschende Vorteil erzielt, daß die Schleifkörper während des gesamten Schleifvorganges ihre geometrische Gestalt beibehielten und immer als Gemisch unterschiedlicher Größen vorlägen, wodurch der Schleifvorgang begünstigt werde.
VII. Die Beschwerdegegnerin hat im wesentlichen folgendes vorgetragen:
Die im angefochtenen Patent beanspruchte Verwendung sei nicht mehr neu, sondern durch eine offenkundige Vorbenutzung vor dem Prioritätstag bekannt geworden, wie es die eidesstattlichen Erklärungen der Herren Hubert Bauer vom 10. Dezember 1990 und Willi Eigemeier vom 10. Dezember 1990 bewiesen und wie die Einvernahme dieser Herren als Zeugen bestätigen könnte.
Das Dokument D1 offenbare ein Tauch-Läpp-Verfahren mit ruhendem Arbeitsbehälter, in welchem bereits Gleitschleifkörper als Schleifmittel zum Polieren von Werkstückoberflächen verwendet werden. Das Wort "Chips" in Spalte 1, Zeile 49 dieser Druckschrift interpretiere der Fachmann als "Gleitschleifkörper" im Sinne des Anspruchs des Patents, wie insbesondere aus der Druckschrift D2 ersichtlich sei. Aufgrund der Lehre der Druckschrift D1 und des allgemeinen Fachwissens gemäß der Druckschrift D2 sei die Verwendung gemäß dem Anspruch des angefochtenen Patents naheliegend.
Auch der Stand der Technik gemäß den Druckschriften D3, D4, D5 und D7 lege die beanspruchte Verwendung nahe.
Die Gegenstände der Ansprüche gemäß den Hilfsanträgen beruhten im Hinblick auf den zitierten Stand und das allgemeine Fachwissen auf keiner erfinderischen Tätigkeit.
Überdies seien die Hilfsanträge 1 und 3 im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ nicht gewährbar.
Entscheidungsgründe
1. Offenkundige Vorbenutzung
Die von der Beschwerdegegnerin behauptete offenkundige Vorbenutzung ist erst nach Ablauf der Einspruchsfrist vorgetragen worden. Die diesbezüglich von der Beschwerdegegnerin vorgelegten Beweismittel sind nach Ansicht der Kammer nicht geeignet, zu belegen, daß die behauptete Vorbenutzung offenkundig war, d. h. Mitgliedern der Öffentlichkeit, die nicht zur Geheimhaltung verpflichtet waren, zugänglich war. Die in den eidesstattlichen Erklärungen der Herren Bauer und Eigemeier erwähnten Benutzungshandlungen in der Firma Eigemeier sind als "Versuche" bezeichnet. Nach der Erklärung des Herrn Stoll (früherer Betriebsleiter der Firma Eigemeier) sind diese Versuche stets als strengstens vertraulich behandelt worden. Obwohl in der Erklärung des Herrn Eigemeier ausgeführt wird, daß diese Versuche nicht der Geheimhaltung unterlegen hätten, sieht die Kammer es als eher wahrscheinlich an, daß derartige Entwicklungsversuche entsprechend allgemeiner betrieblicher Gepflogenheit nicht der Öffentlichkeit uneingeschränkt zugänglich gemacht werden. Den Zeugen Bauer, der an diesen Versuchen als "Berater" beteiligt war, betrachtet die Kammer nicht als "Mitglied der Öffentlichkeit".
Die Kammer sieht jedoch im vorliegenden Fall davon ab, die Frage der Offenkundigkeit durch zusätzliche Beweiserhebungen abschließend zu klären und übt ihr Ermessen nach Artikel 114 (2) EPÜ dahingehend aus, die verspätet vorgetragene offenkundige Vorbenutzung unberücksichtigt zu lassen.
2. Hauptantrag
2.1. Neuheit
Die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag ist von der Beschwerdegegnerin im Hinblick auf den druckschriftlich bekannten Stand der Technik nicht bestritten worden. Da auch die Kammer diesbezüglich keinen Einwand hat, erübrigen sich weitere Ausführungen hierzu.
2.2. Erfinderische Tätigkeit
2.2.1. Nächstkommender Stand der Technik
Das Verfahren gemäß der Druckschrift D1 bildet den für die Verwendung gemäß dem Anspruch des angefochtenen Patents am nächsten kommenden Stand der Technik. Diese Druckschrift beschreibt ein Tauch-Schleif-Verfahren (siehe Titel), bei welchem die zu bearbeitenden Werkstücke an einer Werkstückhalterung angeordnet sind und in das Schleifmaterial eintauchen, welches sich in einem ruhenden Arbeitsbehälter befindet. Das Schleifmaterial kann hierbei aus Honkorn, Schleifmedium oder Chips bestehen (vgl. Spalte 1, Zeilen 47 bis 50). Durch Drehen der Werkstückhalterung werden die Werkstücke auf einer bestimmten Bahn mit einer bestimmten Schleppgeschwindigkeit durch das Schleifmaterial gezogen, wobei die Werkstücke durch Gleiten und Reiben am Schleifmaterial geschliffen werden (vgl. Spalte 1, Zeile 42 bis Spalte 2, Zeile 6 und Figuren 1 bis 3).
Die Beschwerdeführerin behauptet, daß das Verfahren gemäß der Druckschrift D1 nicht in einer Tauch-Läpp-Maschine sondern in einer Spin-Finish-Maschine durchgeführt werde, weil in der Vorrichtung gemäß der Druckschrift D1 die Werkzeughalterungen mit hoher Geschwindigkeit um ihre Achse rotierten.
Dieser Ansicht kann sich die Kammer nicht anschließen. Es trifft zwar zu, daß in der in der Druckschrift D1 beschriebenen Vorrichtung die Werkzeughalterungen um ihre Achse rotieren können. Diese Rotation ist jedoch nicht zwingend vorgeschrieben, wie aus Spalte 1, Zeile 67 bis Spalte 2, Zeile 7 hervorgeht. Aus dieser Textstelle kann entnommen werden, daß die Werkstückhalterungen auf einer Schleppbahn parallel zu den Behälterwänden gezogen werden und dabei durch gleitende und reibende Relativbewegung zum Schleifmaterial geschliffen werden, und daß gegebenenfalls (vgl. Spalte 2, Zeilen 6 und 7 "if any rotation is given to the workpieces") die Werkstückhalterungen zusätzlich zu dieser Schleppbewegung noch eine Rotationsbewegung erfahren können, um den Schleifeffekt weiter zu verbessern. Auch aus den Textstellen in Spalte 2, Zeilen 30 bis 31 "particularly in the case of high-speed rotation" und Spalte 3, Zeilen 6 und 7 "can be rotated" entnimmt der Fachmann, daß die Vorrichtung gemäß der Druckschrift D1 nicht als Spin-Finish-Maschine betrieben werden muß, sondern auch wie eine Tauch-Läpp-Maschine ohne Rotation der Werkstückhalterungen um ihre Achse arbeiten kann.
Die Druckschrift D1 offenbart also die Verwendung von Gleitschleifkörpern in Form von "Chips" in Tauch-Läpp- Maschinen mit ruhendem Arbeitsbehälter und einer bestimmten Schleppgeschwindigkeit.
2.2.2. Aufgabe
Die Patentinhaberin sieht bei Tauch-Läpp-Verfahren, welche mit feinkörnigem Schleifmedium und hoher Schleppgeschwindigkeit arbeiten, als nachteilig an, daß die Werkstücke vorentgratet sein müssen und daß nur feinste Grate entfernt werden können (vgl. Spalte 1, Zeilen 19 bis 25 des angefochtenen Patents).
Daher wird die Aufgabe der Erfindung gemäß Spalte 1, Zeilen 48 bis 53 des angefochtenen Patents darin gesehen, die Arbeitsweise der Tauch-Läpp-Maschinen mit ruhendem Arbeitsbehälter auf das Abtragen auch größerer Grate abzustimmen und eine in dieser Richtung optimierte Vorrichtung dafür anzugeben.
2.2.3. Lösung
Diese Aufgabe wird bei der Verwendung gemäß dem Anspruch nach dem Hauptantrag dadurch gelöst, daß die Gleitschleifkörper
(a) kantig sind,
(b) kunststoff- bzw. keramik-gebunden sind,
(c) Kantenlängen von ca. 5 bis 40 mm aufweisen, und
(d) daß die Schleppgeschwindigkeit ca. 0,8 bis 3 m/s beträgt.
2.2.4. Diese Lösung ist für den Fachmann aus folgenden Gründen naheliegend.
Nachdem die Druckschrift D1 lehrt (vgl. Spalte 1, Zeilen 47 bis 50), daß in Abhängigkeit von den zu bearbeitenden Werkstücken unterschiedliche Schleifmaterialien verwendet werden können, wobei neben Honkorn und Schleifmedium auch Chips angesprochen sind, liegt es für den Fachmann auf der Hand, dann grobkörnige Chips anstelle von feinkörnigem Honkorn oder Schleifmedium einzusetzen, wenn er am Werkstück größere Grate abtragen will.
Wie bereits oben ausgeführt worden ist, findet beim Verfahren gemäß der Druckschrift D1 ein Gleitschleifen der Werkstückoberflächen statt (vgl. Spalte 2, Zeile 5 "ground by the friction and sliding flow" und Spalte 4, Zeilen 1 bis 3 "the grinding materials slide and flow about the workpieces"), so daß der Fachmann sofort mit dem in Spalte 1, Zeile 49 erwähnten Begriff "Chips" solche Chips assoziiert, wie sie im Gleitschleifverfahren verwendet werden. Unter dem Ausdruck "Chips" versteht der im Gleitschleifen versierte Fachmann kantige, kunstoff- oder keramikgebundene Gleitschleifkörper, wie aus dem einschlägigen Fachbuch D2, insbesondere aus dem Kapitel "Chips" auf den Seiten 77, 78, 84, 85 und 87 hervorgeht. Daher wird der Fachmann derartige "Chips" bei dem Verfahren gemäß der Druckschrift D1 verwenden, wenn er mit Honkorn oder Schleifmedium größere Grate nicht abtragen kann.
Auch die Tatsache, daß in dem schweizerischen Parallelpatent D1' zur Druckschrift D1 anstelle des Ausdruckes "Chips" der allgemeinere Ausdruck "Schleifgranulat" verwendet wird, hält den Fachmann nicht davon ab, als Spezialform des allgemeinen Begriffs "Schleifgranulat" gemäß der Lehre der Druckschrift D1 solche "Chips" in Betracht zu ziehen, wie sie in der Druckschrift D2 unter dem Kapitel "Chips" beschrieben sind. Daß in dem schweizerischen Parallelpatent D1' der Ausdruck "Chips" nicht vorkommt, sondern dafür der Begriff "Schleifgranulat" erscheint, ist kein Beweis dafür, daß der Ausdruck "Chips" in der Druckschrift D1 nur als "Schleifgranulat" verstanden werden dürfte, sondern zeigt lediglich, daß der Übersetzer des schweizerischen Patents D1' den einschränkenden Begriff "Chips" durch den allgemeineren Begriff "Schleifgranulat" ersetzt hat.
Die im Anspruch erwähnten Kantenlängen liegen im üblichen Bereich (vgl. hierzu das Buch D2, insbesondere Seiten 245 und 248 bis 251), so daß sich die Wahl des anspruchsgemäßen Bereichs von 4 bis 40 mm Kantenlänge dem Fachmann ohne weiteres anbietet.
Auch die Wahl der anspruchsgemäßen Größe der Schleppgeschwindigkeit von ca. 0,8 bis 3 m/s liegt im üblichen Tätigkeitsrahmen des Fachmannes. Denn die Druckschrift D1 lehrt auf Spalte 3, Zeilen 1 bis 6 bereits, daß die Drehgeschwindigkeit der die Werkstückhalterungen tragenden Platte - also die Schleppgeschwindigkeit der Werkstücke durch das Schleifmaterial - in Abhängigkeit von dem zu bearbeitenden Werkstück hoch, niedrig oder normal sein kann. Geleitet durch diesen Hinweis wird der Fachmann Optimierungsversuche durchführen, um in Abhängigkeit von der Beschaffenheit des eingesetzten Schleifmaterials und von der Art der zu schleifenden Werkstücke denjenigen Bereich der Schleppgeschwindigkeit festzulegen, bei welchem im Sinne der Aufgabenstellung das gewünschte Abtragen größerer Grate möglich ist. Dabei ergibt sich für den Fachmann selbstverständlich eine untere Grenze der Schleppgeschwindigkeit, unterhalb derer ein rentables Arbeiten nicht mehr möglich ist, und eine obere Grenze für die Schleppgeschwindigkeit, oberhalb derer die Stoßwirkung zwischen dem Werkstück und den Schleifkörpern zu groß und das Schleifergebnis unbefriedigend wird.
Die Kammer kann in der beanspruchten Verwendung auch keine auf erfinderischer Tätigkeit beruhende Auswahlerfindung sehen. Um zu der beanspruchten Lösung zu gelangen, mußte der Fachmann im Rahmen der Lehre der Druckschrift D1 zwar eine gewisse Auswahl aus verschiedenen Parametern, wie Größe und geometrische Form der Schleifkörper sowie Schleppgeschwindigkeit, treffen und hierzu eine Mehrzahl von Versuchen durchführen, um zu einem optimalen Schleifergebnis im Sinne der Aufgabenstellung zu gelangen. Dieses Vorgehen liegt jedoch im üblichen Tätigkeitsbereich des Fachmannes und hat im vorliegenden Fall nicht zu einem Ergebnis geführt, welches angesichts des nächsten Standes der Technik gemäß der Druckschrift D1 als überraschend oder unvorhersehbar angesehen werden könnte. Jedenfalls hat die Beschwerdeführerin ein derartiges überraschendes Ergebnis gegenüber dem Verfahren gemäß der Druckschrift D1 nicht nachweisen können. Die von der Beschwerdeführerin behaupteten überraschenden Ergebnisse der Erfindung beziehen sich alle auf das Gleitschliff-Verfahren, bei dem die Werkstücke lose in das Schleifmaterial eingebettet sind und durch Rüttelbewegungen in diesem einer Schleifbehandlung unterworfen werden, also auf ein Verfahren, das verschieden ist von dem Verfahren gemäß dem nächstkommenden Stand der Technik der Druckschrift D1.
Das von der Beschwerdeführerin als Indiz für das Vorhandensein von erfinderischer Tätigkeit vorgebrachte "Zeitargument" kann im vorliegenden Fall nicht durchgreifen, weil bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit von der Druckschrift D1 als nächstkommendem Stand der Technik auszugehen ist (vgl. obigen Punkt 2.2.1), welches Dokument Ende 1980, also erst zweieinhalb Jahre vor dem Prioritätstag des angefochtenen Patents veröffentlicht worden ist, und weil der Fachmann erst durch dieses Dokument dazu angeregt worden ist, die - zugegebenermaßen - schon lange bekannten Gleitschleif- Chips in einem Tauch-Läpp-Verfahren einzusetzen. Der potentielle Entwicklungszeitraum der vorliegenden Erfindung von zweieinhalb Jahren liegt im normalen Rahmen.
Was das behauptete unerwartete technische Ergebnis der Erfindung bezüglich Leistungssteigerung und Form und Verteilung der Gleitschleifkörper gegenüber dem von der Beschwerdeführerin in Betracht gezogenen Gleitschleifverfahren im Vibrationsbehälter anbelangt, so kann dieses im vorliegenden Fall nicht als Indiz für das Vorhandensein von erfinderischer Tätigkeit gewertet werden, weil - wie vorstehend bereits ausgeführt worden ist - das Verfahren gemäß der Druckschrift D1 als der nächstkommende Stand der Technik anzusehen ist und die Patentinhaberin diesen Stand der Technik gegenüber kein unerwartetes technisches Ergebnis geltend machen konnte.
2.2.5. Der Gegenstand des Anspruchs gemäß Hauptantrag beruht daher auf keiner erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ.
3. Hilfsanträge
3.1. Hilfsanträge 1 und 3
Die Ansprüche gemäß den Hilfsanträgen 1 und 3 können im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ nicht gewährt werden.
Das Merkmal "als Gemisch dieser Größen" ist in der ursprünglich eingereichten Beschreibung nur auf der Seite 9, Zeilen 27 bis 30 erwähnt, und zwar nur in Zusammenhang mit Gleitschleifkörpern "in Form von Pyramiden" offenbart. Nachdem im Anspruch gemäß Hilfsantrag 1 bzw. Hilfsantrag 3 jedoch die Gestalt der Gleitschleifkörper nicht auf Pyramiden beschränkt ist, gehen die Gegenstände dieser Ansprüche in unzulässiger Weise über den Inhalt in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.
3.2. Hilfsantrag 2
3.2.1. Die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs gemäß Hilfsantrag 2 ist unbestritten.
3.2.2. Der Anspruch nach dem Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Anspruch gemäß Hauptantrag dadurch, daß er die folgenden zusätzlichen Merkmale aufweist:
(e) die Gleitschleifkörper weisen die Form von Pyramiden auf,
(f) die Gleitschleifkörper liegen als Gemisch der Größen von Kantenlängen im Bereich von ca. 5 bis 40 mm vor, und
(g) die Schleppbahn (B) hat einen Abstand von der Behälterwand, der etwa die vierfache Kantenlänge der jeweils verwendeten Gleitschleifkörper nicht unterschreitet und etwa das Dreißigfache der Kantenlänge der größten jeweiligen Gleitschleifkörper nicht überschreitet.
Die Gleitschleifkörper gemäß Merkmal (e) in Form von Pyramiden auszubilden, ist in der Patentschrift als bevorzugte Ausführungsform der Erfindung erwähnt (vgl. das einzige Beispiel in Spalte 4). Eine besonders vorteilhafte oder überraschende Wirkung wird jedoch in der Patentschrift diesem Merkmal nicht zugeschrieben. In der Wahl der Form "Pyramide" kann die Kammer nichts Erfinderisches sehen, weil dem Fachmann durch das Buch D2 (vgl. insbesondere die Seiten 82, 85, 87 und 248) Pyramiden als eine der bevorzugten Chip-Formen empfohlen werden.
Die Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, daß sich das Merkmal (f) bei der Verwendung gemäß Hauptantrag nach einer bestimmten Betriebszeit von selbst einstellt und daß dieses Merkmal einen wesentlichen Unterschied zum Stand der Technik gemäß dem sog. Gleit- schliff-Verfahren in einem Vibrationsbehälter darstelle.
Demnach beschreibt also das Merkmal (f) lediglich einen Zustand bzw. eine Wirkung, die bei der Verwendung gemäß dem Hauptanspruch implizit vorhanden ist, so daß die Hinzufügung dieses Merkmals den Gegenstand des Hauptantrages substantiell nicht verändert und somit keine erfinderische Tätigkeit begründen kann.
Das zusätzliche Merkmal (g) stellt eine für das Funktionieren der Erfindung notwendige Bemessungsvorschrift dar und bewirkt, daß während des Schleifvorganges die Werkstücke einerseits genügend weit von der Behälterwand entfernt bewegt werden, so daß die Schleifkörper nicht zwischen dem Werkstück und der Behälterwand eingeklemmt werden, und andererseits nicht so weit von der Behälterwand entfernt bewegt werden, daß nicht zu viele Schleifkörper nicht am Schleifvorgang beteiligt sind. Diese Überlegungen liegen im Bereich des Fachmannes und führen ihn ohne des Aufwands einer erfinderischen Tätigkeit zu dem Abstandsbereich gemäß dem Merkmal (g). Denn ein Fachmann wird die zu bearbeitenden Werkstücke nicht derart eng benachbart der Behälterwand durch den Behälter bewegen, daß sich ständig Klemmeffekte und damit Beschädigungen des Werkstücks ergeben. Er wird vielmehr den Abstand so wählen, daß diese Klemmeffekte vermieden werden. Der Fachmann wird auch den Abstand mit Sicherheit nicht größer als das Dreißigfache der Kantenlänge der jeweiligen Gleitschleifkörper wählen, da sonst eine technisch völlig unvernünftige Konstruktion entstehen würde, d. h. eine Konstruktion, die zu unvernünftig großen Abmessungen des Behälters führen würde und die zur Folge hätte, daß ein Großteil der sich zwischen dem ringförmigen Träger (Schleppbahn B) und der Wand befindlichen Schleifkörper nutzlos im Behälter liegen und an der Bearbeitung nicht teilnehmen würde.
Es ist auch nicht erkennbar, daß die Merkmale (e), (f) und (g) in Kombination untereinander und mit den Merkmalen des Anspruchs gemäß Hauptantrag eine über die Summe der Einzelwirkungen aller Merkmale hinausgehende synergetische Gesamtwirkung hervorrufen.
Das Hinzufügen der Merkmale (e), (f) und (g) zu den Merkmalen des Anspruchs gemäß Hauptantrag ist daher für den Fachmann naheliegend, so daß der Gegenstand des Anspruchs gemäß Hilfsantrag 2 auf keiner erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ beruht.
3.3. Hilfsantrag 4
3.3.1. Die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs gemäß Hilfsantrag 4 ist unbestritten.
3.3.2. Der Anspruch gemäß Hilfsantrag 4 unterscheidet sich vom Anspruch gemäß Hilfsantrag 2 durch das zusätzliche Merkmal (h) "unter Zugabe einer Behandlungsflüssigkeit".
In dem angefochtenen Patent (Spalte 3, Zeilen 49 und 50) und in den ursprünglich eingereichten Unterlagen (Seite 7, Zeilen 31 und 32) wird nur einmal auf dieses Merkmal Bezug genommen und dieses dabei nur als "gegebenenfalls" erforderlich erwähnt, wobei eine besondere Bedeutung oder Wirkung diesem Merkmal nicht beigemessen wird. Die im Schreiben der Beschwerdeführerin vom 8. September 1992 erstmals geltend gemachten angeblichen überraschenden Effekte hinsichtlich Flüssigkeits-Menge bzw. Füllstand sind in der ursprünglich eingereichten Fassung der Patentanmeldung nicht offenbart und müssen daher bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit außer Betracht bleiben.
Im übrigen ist es sowohl in Tauch-Läpp-Maschinen als auch in Gleitschliff-Anlagen allgemein üblich, eine gewisse Menge an Behandlungsflüssigkeit zuzugeben (vgl. hierzu die Ausführungen der Beschwerdeführerin in dem angefochtenen Patent in Spalte 1, Zeilen 15 und 16 und Zeilen 37 bis 39).
Daher ist es für den Fachmann naheliegend, auch bei den Verfahren gemäß der Druckschrift D1 dem Schleifmedium "Chips" eine Behandlungsflüssigkeit zuzugeben, wenn das trockene Schleifmedium allein nicht den gewünschten Schleifeffekt erbringt.
Das Hinzufügen dieses naheliegenden Merkmals (h) zu den Merkmalen des Anspruchs gemäß Hilfsantrag 2 hatkeine synergetische Wirkung zur Folge und kann daher eine erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs gemäß Hilfsantrag 4 im Sinne des Artikels 56 EPÜ nicht begründen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.