T 0706/00 15-05-2003
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Isolierkörper und Verfahren zur Herstellung derselben
Erfinderische Tätigkeit - naheliegende Kombination bekannter Merkmale
Rückzahlung der Beschwerdegebühr (verneint)
Sachverhalt und Anträge
I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 93 101 699.2 wurde das europäische Patent Nr. 0 563 536 mit zehn Ansprüchen erteilt.
II. Die unabhängigen erteilten Ansprüche 1 (Verfahren) und 7 (Einrichtung) haben nachfolgende Wortlaute:
"1. Verfahren zur Herstellung von Isolierkörpern aus Recyclingstoffen in Form eines aufgefaserten und zerkleinerten Zellulosematerials wie Papier- und/oder Holzabfälle, wobei das Zellulosematerial mit einem Bindemittel besprüht und zu einem plattenförmigen Isolierkörper zusammengepresst wird, dadurch gekennzeichnet, dass das Zellulosematerial (3) vor dem Besprühen mit dem Bindemittel in einer Salzlösung, vorzugsweise in einer Borsalzlösung feuerhemmend imprägniert, anschliessend getrocknet und danach mit dem aus Leim oder Wasserglas hergestellten Bindemittel besprüht wird, wobei das derart vorbehandelte Zellulosematerial (4;4') in Form einer breiigen Masse vor dem Zusammenpressen auf ein vorbestimmtes Mass komprimiert und anschliessend unter Druck und/oder Erwärmung auf die vorbestimmte Dicke des Isolierkörpers (5) zusammengepresst wird."
"7. Einrichtung zum Behandeln von Recyclingstoffen in Form von aufgefaserten und zerkleinerten Zellulosematerialien wie Papier- und/oder Holzabfälle, mit einem Vorratsbehälter (10), einem Waschbehälter (20) und einem mit Düsen versehenen Mischbehälter (35), von welchem das mit Bindemittel besprühte Zellulosematerial (4,4') zum Zusammenpressen einer mit einem Förderband (56) versehenen Bearbeitungsstation (75) zuführbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass dem Mischbehälter (35) ein zum Trocknen und Auflockern des vom Waschbehälter (20) zugeführten Zellulosematerials mit mindestens einem Gebläse (32, 32') versehener Aufbereitungsbehälter (30) vorgeschaltet ist, und dass die dem Mischbehälter (35) nachgeschaltete Bearbeitungsstation (75) mindestens ein mit dem Förderband (56) in Verbindung stehendes und als Druck- und Gegendruckwalze wirkendes erstes Walzenpaar (52,57) sowie mindestens eine in Transportrichtung dem ersten Walzenpaar (52, 57) nachgeschaltete Heiz- und Pressvorrichtung (60) aufweist, welche mit einem Heizelement sowie mit einem Druck- und Gegendruckelement (61, 62) versehenen ist."
III. Der Einspruch gegen das vorgenannte europäische Patent führte zum Widerruf desselben und zwar in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vom 3. Februar 2000; die schriftliche Entscheidung erging am 8. Mai 2000.
Die Widerrufsentscheidung wurde mit mangelnder erfinderischer Tätigkeit im Hinblick auf den Gegenstand des Anspruchs 1 begründet und stützte sich auf
(E2) DE-A-3 545 001 und
(E3) DE-A-3 624 164, wobei
(E10) DE-B-1 089 540
zum Verfahren zugelassen wurde, um das Wissen des Fachmanns zu belegen.
IV. Gegen vorgenannte Entscheidung der Einspruchsabteilung haben die Patentinhaber - nachfolgend Beschwerdeführer- am 7. Juli 2000 Beschwerde eingelegt und die Gebühr am 12. Juli 2000 gezahlt; die Beschwerdebegründung wurde am 4. September 2000 eingereicht zusammen mit vier Hilfsanträgen.
V. Die unabhängigen Ansprüche der Hilfsanträge 1 bis 4 lauten wie folgt (Unterstreichungen zur Hervorhebung belassen!):
a) erster Hilfsantrag:
"1. Verfahren zur Herstellung von Isolierkörpern aus Recyclingstoffen in Form eines aufgefaserten und zerkleinerten Zellulosematerials wie Papier- und/oder Holzabfälle, wobei das Zellulosematerial mit einem Bindemittel besprüht und zu einem plattenförmigen Isolierkörper zusammengepresst wird, dadurch gekennzeichnet, dass das Zellulosematerial (3) vor dem Besprühen mit dem Bindemittel in einer Salzlösung, vorzugsweise in einer Borsalzlösung, feuerhemmend imprägniert, anschliessend getrocknet und danach mit dem aus Leim oder Wasserglas hergestellten Bindemittel besprüht wird, wobei das derart vorbehandelte Zellulosematerial (4;4') in Form einer breiigen Masse - vor dem Zusammenpressen - mittels einem als Druck- und Gegendruckwalze wirkenden ersten Walzenpaar - auf ein vorbestimmtes Mass vorkomprimiert und anschliessend unter Druck und/oder Erwärmung auf die vorbestimmte Dicke des Isolierkörpers zusammengepresst wird."
"7. Einrichtung zum Behandeln von Recyclingstoffen in Form von aufgefaserten und zerkleinerten Zellulosematerialien wie Papier- und/oder Holzabfälle, mit einem Vorratsbehälter (10), einem Waschbehälter (20) und einem mit Düsen versehenen Mischbehälter (35) von welchem das mit Bindemittel besprühte Zellulosematerial (4,4') zum Zusammenpressen einer mit einem Förderband (56) versehenen Bearbeitungsstation (75) zuführbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass dem Mischbehälter (35) zum Besprühen des Zellulosematerials mit einem Bindemittel ein zum Trocknen und Auflockern des vom Waschbehälter (20) zum Imprägnieren des Zellulosematerials mit einem Brandschutzmittel zugeführten Zellulosematerials mit mindestens einem Gebläse (32,32') versehener Aufbereitungsbehälter (30) vorgeschaltet ist, und dass die dem Mischbehälter (35) nachgeschaltete Bearbeitungsstation (75) mindestens ein mit dem Förderband (56) in Verbindung stehendes und als Druck- und Gegendruckwalze wirkendes erstes Walzenpaar (52,57) zum Vorkomprimieren des breiförmigen Zellulosematerials auf ein vorbestimmtes Mass sowie mindestens eine in Transportrichtung dem ersten Walzenpaar (52,57) nachgeschaltete Heiz- und Pressvorrichtung (60) aufweist, welche mit einem Heizelement sowie mit einem Druck- und Gegendruckelement (61,62) versehen ist."
b) zweiter Hilfsantrag:
"1. Verfahren zur Herstellung von Isolierkörpern aus Recyclingstoffen in Form eines aufgefaserten und zerkleinerten Zellulosematerials wie Papier- und/oder Holzabfälle, wobei das Zellulosematerial mit einem Bindemittel besprüht und zu einem plattenförmigen Isolierkörper zusammengepresst wird, dadurch gekennzeichnet, dass das Zellulosematerial (3) vor dem Besprühen mit dem Bindemittel in einer Borsalzlösung, feuerhemmend imprägniert, anschliessend getrocknet und danach mit dem aus Wasserglas hergestellten Bindemittel besprüht wird, wobei das derart vorbehandelte Zellulosematerial (4;4') in Form einer breiigen Masse - vor dem zusammenpressen - mittels einem als Druck- und Gegendruckwalze wirkenden ersten Walzenpaar - auf ein vorbestimmtes Mass vorkomprimiert und anschliessend unter Druck und Erwärmung auf die vorbestimmte Dicke des Isolierkörpers zusammengepresst wird."
c) dritter Hilfsantrag:
"1. Verfahren zur Herstellung von Isolierkörpern aus Recyclingstoffen in Form eines aufgefaserten und zerkleinerten Zellulosematerials wie Papier- und/oder Holzabfälle, wobei das Zellulosematerial mit einem Bindemittel besprüht und zu einem plattenförmigen Isolierkörper zusammengepresst wird, dadurch gekennzeichnet, dass das Zellulosematerial(3) vor dem Besprühen mit dem Bindemittel in Borsalzlösung, feuerhemmend imprägniert, anschliessend getrocknet und danach mit dem aus Leim hergestellten Bindemittel besprüht wird, wobei das derart vorbehandelte Zellulosematerial (4;4') in Form einer breiigen Masse - vor dem Zusammenpressen - mittels einem als Druck- und Gegendruckwalze wirkenden ersten Walzenpaar - auf ein vorbestimmtes Mass vorkomprimiert und anschliessend unter Druck und Erwärmung auf die vorbestimmte Dicke des Isolierkörpers zusammengepresst wird."
d) vierter Hilfsantrag:
"1. Verfahren zur Herstellung von Isolierkörpern aus Recyclingstoffen in Form eines aufgefaserten und zerkleinerten Zellulosematerials wie Papier- und/oder Holzabfälle, wobei das Zellulosematerial mit einem Bindemittel besprüht und zu einem plattenförmigen Isolierkörper zusammengepresst wird, dadurch gekennzeichnet, dass das Zellulosematerial (3) vor dem Besprühen mit dem Bindemittel in einer Borsalzlösung, feuerhemmend imprägniert, anschliessend getrocknet und danach mit dem aus Leim hergestellten Bindemittel besprüht wird, wobei das derart vorbehandelte Zellulosematerial (4;4') in Form einer breiigen Masse - vor dem Zusammenpressen - mittels einem als Druck- und Gegendruckwalze wirkenden ersten Walzenpaar - auf ein vorbestimmtes Mass vorkomprimiert und anschliessend unter Druck und Erwärmung auf die vorbestimmte Dicke des Isolierkörpers zusammengepresst wird."
VI. Auf die Mitteilung gemäß Artikel 11 (2) VOBK, in der die Kammer ihre vorläufige Beurteilung der Sachlage den Parteien kundtat, haben die Beschwerdeführer mit Eingabe vom 25. April 2003, eingegangen am 28. April 2003, ihren Hilfsantrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen, so daß diese seitens der Kammer aufgehoben wurde. Zur Mitteilung der Kammer wurde seitens der Beschwerdeführer sachlich nicht Stellung genommen.
VII. Die schriftlich vorgebrachten Argumente der Beschwerdeführer und der Einsprechenden -nachfolgend Beschwerdegegnerin- lassen sich im wesentlichen wie folgt zusammenfassen:
a) Beschwerdeführer
- das Verfahren vor der Einspruchsabteilung sei mit zwei wesentlichen Verfahrensmängeln behaftet. Zum einen habe die Einspruchsabteilung das Patent widerrufen ohne ihren Widerruf auch im Hinblick auf den unabhängigen Anspruch 7 zu begründen. Dies verstoße gegen ein tragendes Prinzip des EPÜ, wozu auf die Entscheidungen T 0292/90 und T 0740/93 verwiesen werde.
Zum zweiten habe die Einspruchsabteilung die erstmals in der mündlichen Verhandlung, an der sie, die Beschwerdeführer nicht teilgenommen hätten, präsentierte (E10) zum Verfahren zugelassen und ihre Entscheidung darauf gegründet. Dies verstoße gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs gemäß Artikel 113 (1) EPÜ und widerspreche der Entscheidung G 0004/92 (ABl., EPA 1994, 149), wonach eine Entscheidung zu Ungunsten eines der mündlichen Verhandlung ferngebliebenen Beteiligten nicht auf erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Tatsachen gestützt werden dürfe.
Diese beiden wesentlichen Verfahrensmängel allein rechtfertigten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.
- nächstkommender Stand der Technik sei (E3), der gegenüber sich die Aufgabe stelle, den herzustellenden Isolierkörper nicht entflammbar zu machen und eine hohe mechanische Festigkeit/Steifigkeit zu erzielen und dies bei einfacher Bearbeitbarkeit und Recyclingfähigkeit;
- die Lösung der gestellten Aufgabe sei weder einzeln noch in Kombination betrachtet durch (E3), (E2) und (E4) d. h. Database WPIL , Week 78 41, Derwent Publications Ltd., London - GB; AN 78-73 599 A, nahegelegt, so daß die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben könne;
b) Beschwerdegegnerin
- selbst unter Zulassung der (E10) zum Verfahren liege kein Verfahrensfehler vor und auch kein Verstoß gegen das rechtliche Gehör;
- das allgemeine Fachwissen sei nicht nur über (E10), sondern auch über (E6) d. h. Ullmanns Encyklopädie der technischen Chemie, Band 12, Fungizide bis Holzwerkstoffe, Verlag Chemie GmbH, Weinheim, 1976, Seiten 720 bis 724, bestimmt worden;
- da die Recyclingfähigkeit der hergestellten Isolierkörper nicht ursprungsgedeckt sei, sei sie bei der Formulierung der objektiven Aufgabe irrelevant, was auch für die Beurteilung der Patentfähigkeit des Beanspruchten gelte, dergestalt, daß im Hinblick auf (E2) bis (E4) das Beanspruchte nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe;
- dies gelte gleichermaßen für den Haupt- und die Hilfsanträge.
VIII. Die Beschwerdeführer beantragten
a) Aufhebung der angefochtenen Entscheidung;
b) Aufrechterhaltung des Streitpatents in seiner erteilten Fassung (Hauptantrag);
c) hilfsweise auf der Basis von Anspruchssätzen gemäß Hilfsanträgen 1 bis 4 gemäß Eingabe vom 4. September 2000;
d) Nichtzulassung der (E10) zum Verfahren;
e) Rückzahlung der Beschwerdegebühr.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Verfahrensfehler
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführer hat sich die Einspruchsabteilung keinen Verfahrensfehler zu Schulden kommen lassen.
2.1. Gemäß Artikel 113 (2) EPÜ hat sich das Europäische Patentamt an die vom Patentinhaber vorgelegte oder gebilligte Fassung zu halten.
Diese Bestimmung ist Ausfluß des allgemein anerkannten Grundsatzes "ne ultra petita", wonach einer Partei nicht etwas zugesprochen werden kann, was sie nicht beantragt hat. Daher kann das Patentamt nicht von einem gestellten Antrag abweichen. Es kann nur dem Antrag entsprechen oder ihn zurückweisen, nicht aber mehr, weniger oder gar ein aliud zusprechen. Wird nicht, zumindest hilfsweise, auch eine gewährbare Fassung vorgelegt, kann nur der Antrag insgesamt zurückgewiesen werden (vgl. T 0186/83, Punkt 8 der Entscheidungsgründe; G 0009/92 und G 0004/93, Punkt 7 der Entscheidungsgründe, ABl. EPA 94, 875).
Im vorliegenden Fall war es so, daß der Einspruchsabteilung nur ein Antrag der Beschwerdeführer vorlag, nämlich den Einspruch zurückzuweisen, was der Aufrechterhaltung des Streitpatents entspricht. Da die Einspruchsabteilung den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 nicht für erfinderisch hielt, hatte sie nach der Bestimmung des Artikels 113 (2) EPÜ keine andere Möglichkeit als das Patent insgesamt zu widerrufen. Für die Prüfung des Anspruchs 7 auf seinen Bestand war somit kein Bedarf. Dieser Prüfung hätte es nur bedurft, wenn die Beschwerdeführer hilfsweise einen auf Anspruch 7 basierenden Anspruchssatz vorgelegt hätten.
Die von den Beschwerdeführern zitierten Entscheidungen T 0292/90 und T 0740/93 sind nicht einschlägig, da sie sich auf die nicht ausreichende Begründung einer Entscheidung beziehen, die aber hier nicht vorliegt.
2.2. Auch eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (Artikel 113 (1) EPÜ) kann die Kammer nicht erkennen. Zwar hat die Einspruchsabteilung die Entgegenhaltung (E10) zum Verfahren zugelassen, wie sich aus dem Protokoll der mündlichen Verhandlung ergibt, jedoch hat sie ihre Entscheidung nicht hierauf gestützt, sondern auf die mögliche Kombination von (E2), (E3), und (E4). Die in G 0004/92 getroffenen Feststellungen können daher hier gar nicht zum Tragen kommen. Insofern kann es auch offen bleiben, ob die Einführung einer weiteren Druckschrift zum Beleg des Fachwissens als "Vorbringen neuer Tatsachen" einzustufen ist oder eher als weiteres Argument. Ganz abgesehen davon ist darauf hinzuweisen, daß nach der neuen Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VerfOBK), in Kraft getreten am 1. Mai 2003 (ABl. EPA 2003, 89) gemäß Artikel 11 (3) die Kammer nicht verpflichtet ist, einen Verfahrensschritt einschließlich ihrer Entscheidung aufzuschieben, nur weil ein ordnungsgemäß geladener Beteiligter in der mündlichen Verhandlung nicht anwesend ist; dieser kann dann so behandelt werden, als stütze er sich lediglich auf sein schriftliches Vorbringen. Dies bedeutet, daß die Erwägungen der G 0004/92 durch diese Bestimmung der VerfOBK überholt sind.
Hauptantrag
3. Erteilter Anspruch 1
3.1. Sein kenzeichnendes Merkmal "und/oder" im Hinblick auf die Verfahrensparameter Anwendung von Druck/Erwärmung zum Zusammenpressen auf die vorbestimmte Dicke des Isolierkörpers beansprucht drei Alternativen, nämlich
a) Anwendung nur von Druck
b) Anwendung von Druck und Erwärmung und schließlich
c) Anwendung nur von Erwärmung.
Es liegt auf der Hand, daß mit der Alternative c) kein Zusammenpressen auf die vorbestimmte Dicke des Isolierkörpers möglich ist.
4. Stand der Technik
4.1. Bezüglich (E10) ist seitens der Kammer darauf zu verweisen, daß die Einspruchsabteilung diese Druckschrift richtigerweise zum Verfahren zugelassen hat, d. h. den ihr mit Artikel 114 (1) EPÜ eingeräumten Ermessensspielraum zutreffend ausgeschöpft hat und zwar aus folgenden Überlegungen heraus:
4.2. (E10) betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Matten, bei dem von aufgefasertem bzw. zerkleinertem Zellulosematerial ausgegangen wird, wobei dieses mit Bindemittel versetzt und im Rohr "32" getrocknet (vgl. Spalte 5, Zeilen 17 bis 26) wird, vgl. Spalte 4, Zeilen 41 bis 49 oder Spalte 6, Zeilen 55 bis 61 und Figuren 1/2, bevor es zur Matte geformt (Sieb "90") und in den Stufen Vorkomprimieren mittels Walzen "108, 110" und Fertigpressen in der Presse "130" unter Druck und Wärme zur fertigen Matte verarbeitet wird.
4.3. Da die Merkmale Bindemittelzugabe, Trocknen, Vorkomprimieren, Fertigpressen unter Druck- und Wärmeanwendung eine entscheidende Rolle im Zusammenhang mit der Frage der erfinderischen Tätigkeit spielen, ist die Relevanz von (E10) gegeben und diese Druckschrift entgegen dem Antrag der Beschwerdeführer zum Verfahren zuzulassen, Artikel 114 (1) EPÜ.
4.4. Der Beschwerdegegnerin ist darin zuzustimmen, daß das allgemeine Fachwissen von ihr nicht allein durch (E10) bestimmt worden ist, sondern auch durch die schon im Einspruchsschriftsatz genannte (E6), vgl. insbesondere Seite 720, Abschnitte 5. und 5.1 jeweils Absatz 1 bzw. Absatz 1 und 2, sowie Seite 722 rechte Spalte "Leimen" und Seite 723, Abschnitt "Heißpressen und Trocknen".
5. Die Frage der Neuheit ist nicht strittig zwischen den Parteien und auch nach Beurteilung der Kammer gegeben, so daß die entscheidungswesentliche Frage die des Vorliegens/Nichtvorliegens erfinderischer Tätigkeit ist:
Hauptantrag
5.1. Zunächst ist der Ausgangspunkt der Erfindung zu klären, da sowohl (E3) als auch (E10) hierfür in Frage kommen. Für (E3) spricht der Hinweis auf Recyclingstoffe (Spalte 2, Zeilen 51 bis 53) als Verfahrensgrundlage. Für (E10) spricht eine dem Beanspruchten näherkommende Technologie vor allem in den Endstufen des Verfahrens, nämlich Mattenbildung durch Vorkomprimieren und Fertigpressen unter Anwendung von Druck und Wärme. Vorstehende Überlegungen abwägend, kommt die Kammer zu dem Ergebnis daß (E3) als nächstkommender Stand der Technik anzusehen ist.
5.2. Die gegenüber (E3) objektiv verbleibende, von der Erfindung zu lösende Aufgabe liegt darin
a) die Mattenbildung und
b) die Brandschutzanforderungen an die Matte zu verbessern.
5.3. Der Aufgabenaspekt a) wird durch die Merkmale des erteilten Anspruchs 1 Vorkomprimieren, Fertigpressen unter Druck/Wärmeanwendung gelöst und der Aufgabenaspekt b) durch das feuerhemmende Imprägnieren des Zellulosematerials mit einer Salzlösung (Borsalzlösung) und zwar vor der Bindemittelanwendung.
5.4. Die beiden vorgenannten Merkmalsgruppen des erteilten Anspruchs 1 stehen erkennbar in keinem kombinatorischen Zusammenhang, sondern aggregativ nebeneinander.
5.5. Bei diesem Sachverhalt ist es angezeigt, diese Merkmalsgruppen getrennt am Stand der Technik zu messen, wobei sich folgende Beurteilung ergibt:
5.6. Die Kombination von (E3) und (E10) legt die Merkmalsgruppe zur Teilaufgabe a) nahe, weil (E10) aus den vorgenannten Gründen eine unmittelbar übernehmbare Mattenbildungs-Technologie offenbart, vgl. ihre Verfahrensschritte Vorverdichten und Fertigpressen mit Druck/Wärme.
5.7. Die Kombination von (E3) und (E2), vgl. Ansprüche 1 (feuerhemmende Komponente im Zusammenhang mit Zellulosematerial), 3 (Bindemittel in Form eines Klebers/Leims), 4 (Salzlösung - Borsalzlösung - als Imprägniermittel zur Steigerung der feuerhemmenden Eigenschaften) und 7 in Verbindung mit Seiten 4 und 5 erste beiden Absätze, mit den Verfahrensschritten Auffasern/Zerkleinern von Zellulosematerial, feuerhemmendes Imprägnieren, Bindemittelzugabe, Vorverdichten zu Plattenform, Verdichten auf Nennstärke unter Anwendung von Druck/Wärme zum Erhalt eines Isolierkörpers aus recyceltem Zellulosematerial (Zeitungen ...), legt die Merkmalsgruppe zur Teilaufgabe b) nahe.
5.8. In der Zusammenfassung vorstehender Ausführungen ist der erteilte Anspruch 1 nicht mehr rechtsbeständig und der Hauptantrag als Ganzes zurückzuweisen. Der unabhängige Vorrichtungsanspruch (Anspruch 7) ist auf Merkmale gerichtet, die im vorliegenden Fachgebiet bekannt sind, nämlich Mischbehälter, Auflockerungsgebläse, Förderband, Druckwalzenpaar, sowie Heiz- und Preßvorrichtung mit einem Druck- und Gegendruckelement, vgl. (E3), Bezugszeichen "6" und "10" (Mischkammer, Gebläse) bzw. Förderband "12" in der Verdichtungszone "12, 13, 14" bzw. (E10), vgl. Druckwalzenpaar "108, 110", Heiz- und Preßvorrichtung "130" mit Druck- und Gegendruckelement. Somit ist auch der Gegenstand des erteilten Anspruchs 7 nicht erfinderisch und dieser Anspruch nicht rechtsbeständig.
6. Hilfsanträge
6.1. Der erste Hilfsantrag präzisiert im Anspruch 1 die Vorkomprimiervorrichtung als Walzenpaar, vgl. (E10), Figur 2 Bezugszeichen "108, 110".
Zu Anspruch 7 ist wiederum auf (E2) zu verweisen, aus der die Schritte bzw. Vorrichtungsmittel zum Imprägnieren und Beleimen bekannt sind, vgl. Anspruch 7 der (E2).
6.2. Der zweite Hilfsantrag ist gemäß Anspruch 1 gekennzeichnet durch eine Klarstellung, indem das "oder" aus der und/oder-Verknüpfung gestrichen ist. Ansonsten ist wiederum auf (E10) zu verweisen, Figur 2.
6.3. Anspruch 1 des dritten Hilfsantrages ist durch die Streichung "oder Wasserglas" modifiziert, was insofern unbeachtlich ist als das Alternativmerkmal "Leim" aus der (E2) bekannt ist, vgl. Anspruch 3.
6.4. Die Beschränkung des Anspruchs 1 gemäß viertem Hilfsantrag auf Borsalz ist ebenfalls nicht dazu angetan, dessen Gegenstand erfinderisch zu machen, weil das Imprägnieren mit Borsalzlösung aus (E2) bekannt ist, vgl. deren Ansprüche 4 und 5.
6.5. Zusammenfassend sind auch die Hilfsanträge aus den Gründen des Artikels 56 EPÜ zurückzuweisen.
7. Rückzahlung der Beschwerdegebühr
Wie unter Ziffer 2 dargelegt, liegt seitens der Einspruchsabteilung ein wesentlicher Verfahrensmangel nicht vor, so daß der Antrag der Beschwerdeführer auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr schon aus diesem Grunde zurückzuweisen ist. Im übrigen setzt die Anordnung, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen, einen Erfolg der Beschwerde voraus (Regel 67 EPÜ).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.