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T 2335/10 (Reaktor für Ethylenoxid/DR HEISEL) 14-10-2013
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VERFAHREN UND REAKTOR ZUR HERSTELLUNG VON ETHYLENOXID
Hauptantrag gewährbar
Neuer Einspruchsgrund (nicht zugelassen)
Änderungen (ja)
Klarheit (ja)
Neuheit (ja)
Neuheit - verspäteter Einwand nicht zugelassen
Erfinderische Tätigkeit (ja)
Erfinderische Tätigkeit - nicht naheliegende Alternative
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 0 983 252 in geändertem Umfang auf der Grundlage des während der mündlichen Verhandlung vom 8. Juli 2010 eingereichten Hilfsantrags.
II. Von den im Einspruchsverfahren und im anschließenden Beschwerdeverfahren zitierten Dokumenten sind die folgenden für diese Entscheidung von Bedeutung:
(3) US 3 796 547
(9) EP-A-0 532 325
(16) GB 1 116 345
(17) WO 95/01834
III. Der Einspruch wurde auf die Gründe der mangelnden Neuheit und erfinderischen Tätigkeit gestützt (Artikel 100(a) EPÜ). In der angefochtenen Entscheidung war die Einspruchsabteilung der Auffassung, dass das Dokument (16) für den Hauptantrag (Ansprüche wie erteilt) neuheitsschädlich sei. Dagegen erfülle der während der mündlichen Verhandlung vom 8. Juli 2010 eingereichte Hilfsantrag die Erfordernisse des Artikels 54(1) EPÜ; seitens der Einsprechenden seien diesbezüglich keine Neuheitseinwände erhoben worden. Der beanspruchte Gegenstand sei auch als erfinderisch anzusehen. Ausgehend von dem Dokument (16) sei die zu lösende Aufgabe darin zu sehen, ein alternatives Verfahren zur Herstellung von Ethylenoxid durch Oxidation von Ethylen, bzw. einen alternativen Reaktor für dieses Verfahren, zur Verfügung zu stellen. Die beanspruchte Anordnung der verwendeten Kühlplatten in mehreren Paketen und der modulare Aufbau dieser Pakete im Reaktor sei durch den Stand der Technik nicht nahegelegt worden.
IV. Mit der Beschwerdebegründung erhob die Beschwerdeführerin (Einsprechende) Einwände nach Artikel 123(2), 83, 84 und 56 EPÜ gegen den von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Hilfsantrag.
V. Mit seiner Erwiderung vom 6. Mai 2011 reichte der Beschwerdegegner (Patentinhaber) einen Hauptantrag und zwei Hilfsanträge ein.
Die unabhängigen Ansprüchen 1 und 6 des Hauptantrags unterscheiden sich von denen im von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Hilfsantrag durch die Korrektur eines Tippfehlers und das Einfügen eines Kommas in der vorletzten Zeile vor "und". Diese Ansprüche lauten wie folgt:
"1. Verfahren zur Herstellung von Ethylenoxid aus einem gasförmigen Einsatz - in einer gekühlten, exothermen, katalytischen Reaktion von Ethylen und Sauerstoff aus diesen Einsatzgasen in parallel durchströmten Reaktionszonen, dadurch gekennzeichnet, dass die Reaktionszonen von gekühlten Trennwänden begrenzt werden und die Kühlung durch ein innerhalb der Trennwände strömendes Fluid bewerkstelligt wird, wobei die gekühlten Trennwände mit Hilfe von Metallplatten gebildet werden und zur Kühlung in den Metallplatten Hohlräume in Form von Kanälen zur Aufnahme und zum Durchleiten eines Kühlmediums angewandt sind, wobei jeweils mehrere Metallplatten senkrecht, mit Abstand voneinander zu einem Metallplattenpaket zusammengefügt werden und so einen Freiraum bilden, in den die Katalysatorpartikel geschüttet werden und die Metallplattenpakete aus ebenen, parallel angeordneten Platten gebildet werden und mehrere Metallplattenpakete so nebeneinander im Reaktorbehälter angeordnet werden, dass sie ein Modul aus Plattenpaketen bilden, in dem die Plattenpakete parallel vom Einsatzgas durchströmt werden, wobei mehrere Module im gleichen Reaktorbehälter vorhanden sind, die vorzugsweise übereinander angeordnet sind, und nacheinander vom Einsatzgas durchströmt werden.
6. Reaktor zur Herstellung von Ethylenoxid nach einem der Verfahren 1 bis 5 mit Katalysatorpartikeln zwischen gekühlten Trennwänden in mindestens einem Reaktorbehälter, dadurch gekennzeichnet, dass die gekühlten Trennwände mit Hilfe von Metallplatten gebildet werden und zur Kühlung in den Metallplatten Hohlräume in Form von Kanälen zur Aufnahme und zum Durchleiten eines Kühlmediums angewandt sind, wobei jeweils mehrere Metallplatten senkrecht, mit Abstand voneinander zu einem Metallplattenpaket zusammengefügt werden und so einen Freiraum bilden, in den die Katalysatorpartikel geschüttet werden und die Metallplattenpakete aus ebenen, parallel angeordneten Platten gebildet werden und mehrere Metallplattenpakete so nebeneinander im Reaktorbehälter angeordnet werden, dass sie ein Modul aus Plattenpaketen bilden, in dem die Plattenpakete parallel vom Einsatzgas durchströmt werden, wobei mehrere Module im gleichen Reaktorbehälter vorhanden sind, die vorzugsweise übereinander angeordnet sind, und nacheinander vom Einsatzgas durchströmt werden."
Mit Schreiben vom 11. August 2011 bekräftigte die Beschwerdeführerin ihre Argumente basierend auf den Artikeln 84 und 56 EPÜ. | |
VII. Am 14. Oktober 2013 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Während des Verlaufs erhob die Beschwerdeführerin erstmals einen Neuheitseinwand gegen den Anspruch 6 des Hauptantrags, im Hinblick auf das Dokument (3).
VIII. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Beschwerdeführerin bezüglich des Hauptantrags kann wie folgt zusammengefasst werden:
Die Beschwerdeführerin machte geltend, dass die unabhängigen Ansprüche 1 und 6 des Hauptantrags erst aufgrund der vorgenommenen Zusammenfassung mit den Merkmalen von abhängigen Ansprüchen unklar geworden seien. So sei es unklar, was mit den Begriffen "Paket" und "Modul" gemeint sei. Insbesondere sei nicht näher definiert, auf welche Weise die Metallplatten zu Paketen und die Pakete zu Modulen zu verbinden seien. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die Grenzen zwischen diesen Einheiten festgestellt werden sollten. Auch fehle ein Bezug für die Angabe "senkrecht". Bezüglich Anspruch 6 stelle sich zudem die Frage, wie das Merkmal "einen Freiraum bilden, in den die Katalysatorpartikel geschüttet werden" zu verstehen sei, da der Katalysator offensichtlich nicht Teil des beanspruchten Reaktors sein könne. Die Figur des Streitpatents sei sehr schematisch, und daraus sei keine brauchbare Information zur Klärung dieser Mängel zu entnehmen.
Die unklare Definition des beanspruchten Gegenstandes führe sogar dazu, dass die technische Lehre des Streitpatents insgesamt unausführbar werde. Somit liege auch ein Verstoß gegen das Erfordernis des Artikels 83 EPÜ vor.
Der Neuheitseinwand solle in das Verfahren zugelassen werden, da dieser keinen neuen Einspruchsgrund darstelle. Zudem wurde das Dokument (3) schon während des Verfahrens vor der ersten Instanz eingeführt, und der Beschwerdegegner müsste folglich mit dessen Inhalt vertraut sein. Dokument (3) sei auch prima facie für die Beurteilung der Neuheit relevant. Darin werden alle Anspruchsmerkmale des Anspruchs 6 gemäß dem Hauptantrag offenbart. Dabei verwies die Beschwerdeführerin insbesondere auf die Figuren 1 bis 4 und 6 und auf die entsprechenden Stellen in der Beschreibung. Der in dem Dokument (3) offenbarte Reaktor sei auch für die Herstellung von Ethylenoxid geeignet, da die vorgesehenen Reaktionsbedingungen (d.h. Druck und Temperatur) im vergleichbaren Bereich wie die für die Reaktion von Ethylen und Sauerstoff lägen.
Dokument (16) stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar. Dieses Dokument betreffe die Herstellung von Ethylenoxid und offenbare das Stapeln von Kühlplatten zu Paketen, wobei zwischen den Kühlplatten Katalysatorpartikel geschichtet werden. Gegenüber diesem Stand der Technik liege die Aufgabe darin, ein alternatives Verfahren zur Herstellung von Ethylenoxid durch Oxidation von Ethylen, beziehungsweise einen alternativen Reaktor für dieses Verfahren zur Verfügung zu stellen. Der Fachmann wisse, dass die Größe der einzelnen Kühlplatten technisch bedingt beschränkt sei. Alleine aufgrund von bekannten technischen Überlegungen sei bei größeren Reaktoren ein modularer Aufbau der Pakete daher naheliegend und die dadurch erzielbaren Effekte seien bekannt. So werden durch das Nebeneinanderstellen von Paketen größere Flächen und Volumenströme und durch das Nacheinanderstellen eine bessere Kühlung erzielt. Eine senkrechte statt waagrechte Ausrichtung der Platten liege auch im Rahmen der normalen Gestaltungsfreiheit des Fachmanns.
Des Weiteren erhob die Beschwerdeführerin einen Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit im Hinblick auf das Dokument (17). Darin werde zwar die Herstellung von Ethylenoxid nicht explizit erwähnt, jedoch befasse sich dieses Dokument allgemein mit Druckreaktoren zur Durchführung verschiedenster Reaktionen. Wie insbesondere aus den Figuren hervorgehe, werde gemäß diesem Dokument eine effektive Temperatursteuerung durch einen modularen Aufbau von Kühlplattenpaketen erzielt. Der Einsatz von gewellten Platten gemäß Dokument (17) sei nicht als wesentliches Merkmal, sondern als eine gleichwertige Alternative zu der Verwendung von ebenen Platten zu sehen. Der Fachmann würde daher ausgehend von dem Dokument (16) in Kombination mit der Lehre des Dokuments (17) in naheliegender Weise zum Erfindungsgegenstand kommen.
IX. Der Beschwerdegegner hat diesen Ausführungen widersprochen und im Wesentlichen folgendes vorgetragen:
Die Klarheit der Ansprüche 1 und 6 des Hauptantrags könne nicht in Frage gestellt werden, weil die von der Beschwerdeführerin als unklar angesehenen Merkmale bereits in den erteilten Ansprüchen vorhanden gewesen seien und Artikel 84 EPÜ keinen Einspruchsgrund darstelle. Außerdem fehle dieser Beanstandung jegliche Grundlage. Aus dem Wortlaut der Ansprüche gehe klar hervor, wie die Begriffe "Metallplattenpaket" und "Modul" zu verstehen seien, und wie deren Anordnung im Reaktorbehälter auszusehen habe. Es sei auch klar, dass das Adjektiv "senkrecht" im Sinne von "vertikal" verwendet werde.
Die Frage der mangelnden Offenbarung stelle einen neuen Einspruchsgrund dar, für dessen Einführung im Beschwerdeverfahren kein Einverständnis gegeben werde.
Der Neuheitseinwand hinsichtlich des Dokuments (3) sei ohne Grund zu einem äußerst späten Zeitpunkt erhoben worden und sollte daher nicht in das Verfahren zugelassen werden.
Der Gegenstand der Ansprüche sei erfinderisch. In dem Dokument (16) werde ein einziger Stapel von alternierenden Kühlplatten und Katalysatorschichten vorgeschlagen. Es finde sich darin kein Hinweis auf eine in irgendeiner Form anders gestaltete Anordnung. Bei einer Zusammenschau mit dem übrigen zitierten Stand der Technik würde der Fachmann auch nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand der Ansprüche gelangen. Der in dem Dokument (9) beschriebene Röhrenreaktor für die Herstellung von Ethylenoxid unterscheide sich deutlich von dem Reaktor gemäß dem vorliegenden Anspruch 6. Wie aus dem Dokument (9) hervorgehe, sei die Umsetzung von Ethylen mit Sauerstoff zu Ethylenoxid eine sehr anspruchsvolle Reaktion, die vor allem einer starken und gleichmäßigen Kühlung bedürfe. Das Dokument (17) lehre einen völlig anderen Reaktor, der eine andere Problemstellung betreffe. Daher hätte der Fachmann keinen Anlass gehabt, dessen Lehre heranzuziehen, und selbst wenn er dies täte, würde er nicht zum beanspruchten Gegenstand gelangen.
X. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 983 252.
Der Beschwerdegegner (Patentinhaber) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patentes auf der Grundlage des Hauptantrags oder eines der Hilfsanträge 1 oder 2, jeweils eingereicht mit dem Schreiben vom 6. Mai 2011.
XI. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Hauptantrag
2. Änderungen (Artikel 123 EPÜ)
Die geltenden Ansprüche 1 und 6 wurden gegenüber den entsprechenden Ansprüchen gemäß dem von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Hilfsantrag geringfügig geändert (vgl. obigen Punkt V, 2. Absatz). Durch Hinzufügung eines Kommas in den Ansprüchen 1 und 6 wurde klargestellt, dass das Merkmal "und nacheinander vom Einsatzgas durchströmt werden" nicht fakultativ ist.
Die Kammer hat sich davon überzeugt, dass der Hauptantrag die Vorschriften des Artikels 123 EPÜ erfüllt. Da diesbezüglich seitens der Beschwerdeführerin keine Einwände mehr erhoben worden sind, bedarf dies keiner näheren Begründung.
3. Klarheit (Artikel 84 EPÜ)
3.1 Prüfungsbefugnis der Beschwerdekammer
Artikel 84 EPÜ stellt selbst keinen Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 EPÜ dar. Dennoch sind Einwände unter Artikel 84 EPÜ zulässig, die auf eine vorgenommene Änderung des Patents zurückgehen. Nach Rechtsprechung der Beschwerdekammern trifft dies auch zu, wenn durch die Kombination von erteilten Ansprüchen die Erfindung unter einem neuen Blickwinkel erscheint (siehe z.B. T 420/00, T 1324/09).
Im vorliegenden Fall wurden die Ansprüche 1 und 6 durch das Hinzufügen von Merkmalen aus den erteilten Ansprüchen 7 bis 10 geändert. Durch die vorgenommenen Änderungen bekam die Wechselwirkung zwischen einer Vielzahl von Elementen des Reaktors, die zuvor keine entscheidende Rolle gespielt hat, plötzlich eine signifikante Bedeutung.
Daher sieht sich die Kammer befugt, zu prüfen, ob die Ansprüche die Erfordernisse des Artikel 84 EPÜ erfüllen.
3.2 Aus dem Oberbegriff gemäß dem Anspruch 6 geht klar hervor, dass der beanspruchte Reaktor zur Herstellung von Ethylenoxid aus den Einsatzgasen Ethylen und Sauerstoff geeignet sein muss.
In dem kennzeichnenden Teil wird angegeben, dass gekühlte Trennwände vorhanden sind, die durch Metallplatten gebildet werden. Die Metallplatten sind eben und werden in senkrechter und paralleler Anordnung zu Metallplattenpaketen zusammengefügt. In dem Freiraum zwischen den gekühlten Metallplatten wird Katalysator geschüttet. Mehrere dieser Metallplattenpakete werden so nebeneinander angeordnet, dass sie ein Modul bilden, in dem die Plattenpakete parallel vom Einsatzgas durchströmt werden. Ein derartiges Modul 15 aus Plattenpaketen 16 wird in der Figur des Streitpatents schematisch dargestellt (siehe auch Absatz [0020]). Mehrere dieser Module werden dann in einem Reaktorbehälter angeordnet und nacheinander vom Einsatzgas durchströmt.
Nach Auffassung der Kammer ist aus diesen Angaben in dem Anspruch 6 für den Fachmann klar zu verstehen, wie die Metallplatten im Reaktorbehälter anzuordnen sind.
Die Argumentation der Beschwerdeführerin konnte die Kammer nicht überzeugen:
Die vorgebrachten Einwände richten sich im Kern gegen die Breite der Ansprüche. Tatsächlich wird in den unabhängigen Ansprüchen beispielsweise offen gelassen, wie die Platten miteinander verbunden werden, und wie die Zu- und Ableitungen für das Kühlmedium verlaufen. Allerdings ist die Breite eines Anspruchs nicht mit einem Mangel an Klarheit gleichzusetzen. Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin nicht substantiell untermauert, warum die Angaben in den Ansprüchen für den Fachmann keine technisch sinnvolle und verständliche Bedeutung haben.
Zu der Frage der Auslegung des Begriffs "senkrecht" stellt die Kammer fest, dass in Abwesenheit von Angaben zu einer Bezugsfläche dieser offensichtlich nicht im Sinne von "einen rechten Winkel bildend" verwendet wird. Auch wird in den Ansprüchen 1 und 6 angegeben, dass die Katalysatorpartikel in den Freiraum geschüttet werden. Aus diesem Zusammenhang wird klar, dass "senkrecht" gleichbedeutend mit "vertikal" verwendet wird.
Auch der Umstand, dass der Anspruch 6 den Verfahrensschritt "in den die Katalysatorpartikel geschüttet werden" enthält, kann den beanspruchten Gegenstand nicht unter Artikel 84 EPÜ in Frage stellen, da damit funktionell klar zum Ausdruck gebracht wird, wie der Freiraum zur Durchführung dieses Verfahrensschrittes aufgebaut sein muss.
Somit sind die vorliegenden Verfahrens- und Vorrichtungsansprüche 1 und 6 als klar anzusehen, und die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ sind daher erfüllt.
4. Ausführbarkeit (Artikel 100(b) EPÜ)
Der Einwand der mangelnden Ausführbarkeit stellt einen neuen Einspruchsgrund dar. Eine Zustimmung des Beschwerdegegners zur Prüfung dieses Einspruchsgrunds durch die Kammer wurde nicht erteilt (siehe obigen Punkt IX). Dieser Einwand muss daher gemäß der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 10/91 unberücksichtigt bleiben (ABl. EPA 1993, 420; Leitsatz Nr. 3).
5. Neuheit (Artikel 52(1) und 54 EPÜ)
5.1 Zulässigkeit des in der mündlichen Verhandlung erhobenen Neuheitseinwands
Die Beschwerdeführerin hat in einem sehr späten Stadium des Beschwerdeverfahrens, nämlich während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, erstmals einen Neuheitseinwand gegenüber dem Gegenstand des Hauptantrags erhoben.
Gemäß Artikel 13(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) liegt die Zulassung von Änderungen des Vorbringens nach Einreichung der Beschwerdebegründung und der Erwiderung ausdrücklich in dem Ermessen der Kammer. Die Ausübung dieses Ermessens setzt eine Abwägung der Gesamtumstände des Falles voraus. Es ist unter anderem zu berücksichtigen, ob ein früheres Vorbringen möglich gewesen wäre und, wenn ja, ob ein triftiger Grund für das späte Einreichen vorliegt. Ferner kann auch die Relevanz des Vorbringens eine Rolle spielen.
Im vorliegenden Fall bezieht sich der Neuheitseinwand auf einen Anspruch des Hauptantrages, der vom Beschwerdegegner mit Schreiben vom 6. Mai 2011 eingereicht wurde. Ein im wesentlichen identischer Antrag lag auch der angefochtenen Entscheidung als Hilfsantrag zugrunde (vgl. obigen Punkt V, 2. Absatz). Die Beschwerdeführerin hätte daher den Neuheitseinwand bereits mit der Beschwerdebegründung einreichen können und müssen, wenn sie ihn für relevant erachtete, aber auf jeden Fall spätestens in ihrem Schreiben vom 11. August 2011 (vgl. obigen Punkt VI). Die Beschwerdeführerin hat keinen Grund dafür genannt, warum der Einwand erst während der mündlichen Verhandlung erhoben wurde.
Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumente konnten die Kammer auch nicht von der prima facie Relevanz des Neuheitseinwands basierend auf dem Dokument (3) überzeugen. Bereits aus den Figuren 2 bis 4 geht hervor, dass die Metallplattenpakete rechtwinklig zueinander angeordnet sind und nicht nebeneinander, wie im Anspruch 6 des Hauptantrags verlangt wird. Damit ist auch die Eignung des Reaktors für die Herstellung von Ethylenoxid in Frage zu stellen, die im erstinstanzlichen Verfahren thematisiert wurde (siehe z.B. Erwiderung des Patentinhabers auf die Einspruchsbegründung vom 26. März 2009, Punkt 3.3).
Die Kammer hat daher entschieden, den Neuheitseinwand gegenüber dem Dokument (3) nicht in das Verfahren zuzulassen (Artikel 13(1) und (3) VOBK).
5.2 In der angefochtenen Entscheidung wurde festgehalten, dass bezüglich des mit Schreiben vom 8. Juli 2010 eingereichten Hilfsantrags die Einsprechende keine Neuheitseinwände hatte (vgl. obigen Punkt III). Da die Beschwerdeführerin auch im schriftlichen Beschwerdeverfahren keine Neuheitseinwände gegen den jetzigen Hauptantrag mehr erhoben hat, sieht die Kammer keine Veranlassung, die Neuheit des beanspruchten Gegenstands in Zweifel zu ziehen.
6. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 52(1) und 56 EPÜ)
6.1 Die Ansprüche des Hauptantrags betreffen einen Reaktor zur Herstellung von Ethylenoxid und ein entsprechendes Verfahren unter Verwendung dieses Reaktors (siehe unabhängige Ansprüche 1 und 6).
6.2 Die Kammer betrachtet im Einklang mit der Einspruchsabteilung, der Beschwerdeführerin und dem Beschwerdegegner das Dokument (16) als nächstliegenden Stand der Technik.
Dieses Dokument offenbart ebenfalls einen Reaktor für die Produktion von Ethylenoxid durch Oxidation von Ethylen (Seite 1, Zeilen 23 bis 25). Es wird weiter ausgeführt, dass diese Reaktion exotherm ist und dass eine gleichmäßige Temperatur und Durchströmung sichergestellt werden müssen, damit das hergestellte Ethylenoxid nicht weiter zu Kohlendioxid und Dampf oxidiert wird (siehe Seite 1, Zeilen 25 bis 31 und 65 bis 72; vgl. auch Dokument (9), Seite 2, Zeilen 11 bis 17).
In dem Dokument (16) wird ein Reaktor vorgeschlagen, der in Form einer Mehrlagenkonstruktion aufgebaut ist. Dabei werden Platten gestapelt, die in einem Abstand voneinander fixiert sind und so Freiräume ("chambers") bilden, die teilweise Katalysator enthalten und teilweise zum Durchleiten des Wärmetauschermediums verwendet werden (Seite 1, Zeile 65 bis Seite 2, Zeile 11). Die Platten werden vorzugsweise solange aufeinander gestapelt bis eine Einheit ("block") mit der erwünschten Größe erhalten wird (Seite 2, Zeilen 36 bis 39). Bei einer Reaktion unter hohem Druck kann dieser Stapel in einem zylindrischen Metallbehälter untergebracht werden (Seite 3, Zeilen 110 bis 115).
Gemäß einer speziellen Ausführungsform (siehe insbesondere Figur 1) wird beim Aufbau des Reaktors zunächst auf einer gekühlten Trennwand 11 eine Lage des Katalysators 16 verteilt. Trennwände und Lagen von Katalysator werden abwechselnd aufeinandergelegt, bis die gewünschte Querschnittsfläche ("flow area") oder das gewünschte Katalysatorvolumen erreicht werden. Dann wird der Stapel mittels Klammern fixiert (Seite 2, Zeilen 81 bis 94).
6.3 Ausgehend von diesem Stand der Technik kann die zu lösende Aufgabe darin gesehen werden, ein alternatives Verfahren zur Herstellung von Ethylenoxid durch Oxidation von Ethylen, beziehungsweise einen alternativen Reaktor für dieses Verfahren bereitzustellen.
Zur Lösung dieser Aufgabe wird der Reaktor gemäß Anspruch 6 sowie ein entsprechendes Verfahren unter Verwendung dieses Reaktors gemäß Anspruch 1 vorgeschlagen (vgl. obigen Punkt V), wobei der Reaktor durch die senkrechte Anordnung der Platten in Paketen und durch den beanspruchten modularen Aufbau von mehreren solchen Paketen im Reaktorbehälter gekennzeichnet ist.
Es ist glaubhaft, dass ein auf diese Weise ausgestalteter Reaktor wie beansprucht betrieben werden kann. Daher wird die gestellte Aufgabe als erfolgreich gelöst angesehen.
6.4 Es bleibt nun zu untersuchen, ob sich die anspruchsgemäße Lösung in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.
6.4.1 Wie bereits im obigen Punkt 6.2 ausgeführt wurde, beschreibt das Dokument (16) lediglich eine Stapelung von Platten im Reaktorbehälter, bis die erwünschte Größe erreicht wird. Dokument (16) selbst gibt keinerlei Anregung zu einer anderen Anordnung der Platten und kann demnach für sich allein die anspruchsgemäße Lösung nicht nahelegen.
6.4.2 Das von der Beschwerdeführerin angeführte Dokument (17) betrifft indirekte Wärmeaustauschreaktoren, die für die Durchführung von katalytischen Umwandlungsprozessen mit hohen Reaktionswärmen, beispielsweise Kohlenwasserstoffumwandlungsprozessen wie Aromatisierung, Reformieren, Dehydrierung und Alkylierung von Kohlenwasserstoffen verwendet werden (siehe Seite 1, Zeilen 3, 4; Seite 6, Zeilen 22 bis 29; Seite 19, Zeile 5 bis Seite 23, Zeile 13). Diese spezifisch genannten Reaktionen unterscheiden sich deutlich von dem beanspruchten Verfahren. In Anbetracht der oben beschriebenen besonderen Anforderungen, die notwendig sind, um eine selektive Oxidation von Ethylen zu Ethylenoxid sicherzustellen (vgl. obigen Punk 6.2, 2. Absatz), ist die Kammer nicht überzeugt, dass der Fachmann das Dokument (17) bei seiner Suche nach einer Lösung der besagten Aufgabe überhaupt in Betracht gezogen hätte.
Ferner ist es selbst bei einer Berücksichtigung des Dokuments (17) nicht ersichtlich, dass der beanspruchte Reaktor nahegelegt wird.
Zum einem sind gemäß Dokument (17) die Plattenpakete im Reaktor kreisförmig angeordnet (siehe z.B. Figuren 5 bis 7), wobei die Platten senkrecht zu dem Radius des Reaktionsbehälters aufgestellt sind und horizontal von den Reaktanten durchströmt werden (siehe Figuren 8 und 9, sowie Seite 15, Zeilen 10 bis 16; Pfeile A bezeichnen den Reaktantenstrom). Dagegen wird in dem vorliegenden Anspruch 6 verlangt, dass die Metallplattenpakete in einem Modul nebeneinander angeordnet und parallel vom Einsatzgas durchströmt werden.
Darüber hinaus sind gemäß dem Dokument (17) die verwendeten Platten gewellt (siehe z.B. Seite 3, Zeile 27 bis Seite 4, Zeile 4; Figur 2; Ansprüche). Die Beschwerdeführerin hat in diesem Kontext darauf hingewiesen, dass in einem Absatz des Dokuments (17) ebene Platten erwähnt werden (siehe Seite 10, Zeilen 1 bis 5). Allerdings handelt sich hier um eine Beschreibung von geeigneten Platten aus der die gewellten Platten geformt werden können. Die Kammer stellt daher fest, dass die Wellung der Platten in Dokument (17) als wesentliches Merkmal anzusehen ist. Dagegen werden im Reaktor gemäß dem vorliegenden Anspruch 6 ebene Platten verwendet. Nach den Angaben des Beschwerdegegners dient dieses Merkmal dazu, eine gleichmäßige Durchströmung zu gewährleisten und lokale Überhitzung zu vermeiden.
Schließlich hat die Beschwerdeführerin vorgebracht, insbesondere mit Verweis auf die Figur 3, dass der Fachmann aus dem Dokument (17) die allgemeine Lehre entnehmen würde, einen modularen Aufbau anzuwenden. Allerdings ist es der Kammer nicht ersichtlich, warum der Fachmann aus der schematischen Darstellung in Figur 3 das Merkmal der Modularität herausgreifen sollte, ohne zugleich die weiteren offenbarten Merkmale zu übernehmen, wie beispielweise die horizontale Durchströmung der Pakete in den jeweiligen Reihen (Pfeile A) und die Wellung der Platten, die in der Figur 3 vorhanden ist aber einfachheitshalber nicht gezeigt wird (vgl. Seite 11, Zeilen 10 bis 17). Wie bereits oben ausgeführt wurde, unterscheiden sich diese weiteren Merkmale von denen gemäß dem vorliegenden Anspruch 6.
6.4.3 Das ferner zitierte Dokument (9) schlägt zur Herstellung von Ethylenoxid einen Röhrenreaktor vor, der einen vollständig anderen Aufbau als im Streitpatent beansprucht aufweist (vgl. Streitpatent, Absatz [0002]). Die Kombination von dem Dokument (16) mit dem Dokument (9) kann daher auch nicht den anspruchsgemäßen Reaktor nahelegen.
6.4.4 Schließlich kann das Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach der Fachmann ausgehend von dem Dokument (16) aufgrund technischer Überlegungen zwangsläufig zu einem Reaktor gemäß Anspruch 6 gelangt wäre, die Kammer nicht überzeugen. Nach Auffassung der Kammer beruht diese Argumentationslinie auf einer rückschauenden Betrachtungsweise in Kenntnis des Streitpatents. Wie unter Punkt 6.4.1 bereits dargelegt wurde, bietet das Dokument (16) selbst für den beanspruchten modularen Aufbau keine Anhaltspunkte. Zudem gibt keines der zitierten Dokumente irgendeinen Hinweis auf eine solche Anordnung, insbesondere nicht auf dem Gebiet der Ethylenoxidsynthese.
6.4.5 Aus den obengenannten Gründen kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass der Stand der Technik dem Fachmann keine Anregung zur beanspruchten Lösung der bestehenden Aufgabe bot.
6.5 Der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 6 sowie der abhängigen Ansprüche 2 bis 5 des Hauptantrags beruht demnach auf einer erfinderischen Tätigkeit.
7. Bei dieser Sachlage erübrigt sich ein Eingehen auf die Hilfsanträge des Beschwerdegegners.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. De Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit den Patentansprüchen (Ansprüche 1-6) gemäß Hauptantrag, eingereicht mit Schreiben vom 6. Mai 2011, und einer gegebenenfalls noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.