T 0288/95 14-11-1996
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Blockiergeschützte Bremsanlage mit Giermomentbegrenzung
Verspätet vorgebrachte Beweismittel - Zulässigkeit des Dokuments (verneint)
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
Late submission - evidence - not admitted
Inventive step (yes)
Sachverhalt und Anträge
I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 90 100 876.3, die am 17. Januar 1990 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Anmeldung DE 3903585 vom 7. Februar 1989 angemeldet worden war, ist am 28. Oktober 1992 das europäische Patent Nr. 0 381 957 erteilt worden.
Der Anspruch 1 des Patents lautet wie folgt:
"1. Blockiergeschützte Bremsanlage mit Giermomentbegrenzung, bei der die Differenz der Bremsdrücke in den Radbremszylindern von linkem und rechtem Vorderrad auf einen vorgegebenen Maximalwert ( Pmax) begrenzt ist, dadurch gekennzeichnet, daß ein erster Funktionsgenerator (1) vorgesehen ist, dessem Eingang ein Signal (0, 1, 2) zugeführt wird, das die Stellung der die überwachten Radbremszylinder steuernden Ventile repräsentiert, wobei der Funktionsgenerator (1) aus dem zeitlichen Verlauf dieses Signals nach einer vorgegebenen Funktion dem Bremsdruck in den jeweiligen Radbremszylindern entsprechende Ausgangssignale (P1, P2) erzeugt, welche zum Zwecke der Giermomentbegrenzung einer Auswahlschaltung (3) zugeführt werden, die ermittelt, welches der beiden überwachten Räder mit dem höheren (Phigh) und welches mit dem niedrigeren (Plow) Bremsdruck beaufschlagt ist, und die weiterhin den Differenzwert ( Pist) zwischen dem höheren und dem niedrigeren Bremsdruck ermittelt, wobei dieser Differenzwert einem zweiten Funktionsgenerator (2) zugeführt wird, der nach einer weiteren vorgegebenen Funktion einen Wert der zulässigen Differenz der Bremsdrücke in den Radbremszylindern bestimmt, wobei die Auswahlschaltung (3) das Ausgangssignal des zweiten Funktionsgenerators (2) nur zu dem Ventil desjenigen Rades durchläßt, das den höheren der beiden Bremsdrücke führt."
II. Gegen das erteilte Patent hat die Einsprechende (Beschwerdeführerin) Einspruch eingelegt und den Widerruf des Patent wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit beantragt. Zur Stützung ihres Vorbringens hat sie auf folgende Dokumente verwiesen:
D1: EP-A-0 122 670
D2: EP-A-0 235 515
D3: DE-A-2 826 295
D4: DE-A-2 851 107
D5: DE-C-2 333 127
D6: DE-C-2 826 295
D7: US-A-3 953 083
D8: WO-A- 87/02948
III. Mit einer in der mündlichen Verhandlung vom 30. November 1994 verkündeten und in schriftlich begründeter Form am 16. Januar 1995 zur Post gegebenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung den Einspruch zurückgewiesen.
Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß ausgehend von dem nächstkommenden Stand der Technik nach der D5 es nicht nahegelegen habe, die bekannte mechanische Druckdifferenzschaltung zur Begrenzung der Bremsdruckdifferenz zwischen den Rädern einer Fahrzeugachse durch zwei Funktionsgeneratoren zu ersetzen.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 22. März 1995 unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. In der am 18. Mai 1995 eingereichten Beschwerdebegründung wurde noch auf die Druckschrift
D9: DE-C-2 460 309
verwiesen.
V. In einer der Ladung zu einer mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung hat die Kammer die vorläufige Auffassung vertreten, daß im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumente der Anspruch 1 des angefochtenen Patents in bezug auf die Bedeutung der zweiten vorgegebenen Funktion und hinsichtlich der Art und Weise, wie das Ausgangssignal des zweiten Funktionsgenerators die Bremsdrücke beeinflußt, einer Auslegung nach Artikel 69 EPÜ bedürfe. Der Fachmann könne dem Gesamtinhalt des Patents ausreichend deutlich entnehmen, daß es sich bei der zweiten vorgegebenen Funktion um eine zeitlich veränderliche zulässige Differenz der Bremsdrücke handle und daß diese veränderliche Differenz dazu verwendet werde, den höheren der beiden Bremsdrücke zu begrenzen, damit der hinsichtlich des Giermoments erlaubte veränderliche Differenzwert nicht überschritten wird.
VI. Auf diese Mitteilung hin hat die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 11. Oktober 1996 ein weiteres Dokument zum Stand der Technik genannt, und zwar:
D10: DE-A-3 626 753.
Die Beschwerdegegnerin hat mit Eingabe vom 14. Oktober 1996 einen Hilfsantrag I eingereicht, bei dem im Patentanspruch 1 die Worte "nach einer weiteren vorgegebenen Funktion" durch die Formulierung "nach einer weiteren vorgegebenen zeitlichen Funktion" ersetzt wurden.
VII. Es wurde am 14. November 1996 mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin beantragte, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise das Patent auf Grund des Hilfsantrags von 14. Oktober 1996 aufrechtzuerhalten.
VIII. Die Ausführungen der Beschwerdeführerin zur Stützung ihres Antrags lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Anspruch 1 des angefochtenen Patents bedürfe keiner Auslegung seiner Merkmale, denn dieser Anspruch sei in sich selbst klar verständlich, auch bezüglich des zweiten Funktionsgenerators.
Der nächstkommende Stand der Technik nach der D5 offenbare neben den Merkmalen aus dem Oberbegriff des Anspruchs 1 zusätzlich auch eine dem anspruchsgemäßen zweiten Funktionsgenerator entsprechende Einrichtung, denn der vom Differenzdruckschalter bestimmte und die zulässige Differenz der Bremsdrücke in den Radzylindern verkörpernde Wert stelle eine Sprungfunktion dar, die ebenfalls von Anspruchswortlaut umfaßt werde.
Ein Vergleich zwischen den Merkmalen gemäß dem erteilten Anspruch 1 und dem Inhalt der D5 ergebe, daß im Anspruch 1 eine Simulation der einzelnen Radbremsdrücke stattfinden, während in der D5 der Differenzdruck direkt über einen Differenzdruckschalter erfaßt werde. Die Lehre nach der D9 sei derjenigen nach der D5 ähnlich, nur würden hier die einzelnen Radbremsdrücke gemessen und die ermittelten Druckdifferenzen mit Sollwerten verglichen.
Sei der Fachmann nun vor die Aufgabe gestellt, eine zuverlässige und ohne unnötige mechanische Teile arbeitende blockiergeschützte Bremsanlage mit Giermomentabschwächung zu schaffen, so gelange er ausgehend von der D5 (direkte Nutzung der Druckdifferenz) oder D9 (Messen der einzelnen Radbremsdrücke) sofort und ohne erfinderisch tätig werden zu müssen dazu, die Ist-Radbremsdrücke zum Zwecke der Giermomentabschwächung durch die aus D6 bekannte Simulation der Bremsdrücke zu erfassen, und komme somit in naheliegender Weise zum beanspruchten Gegenstand.
Desweiteren enthalte die D9 auch schon einen Hinweis auf eine Veränderung des Werts des zulässigen Differenzdrucks, denn dieser Wert sei mittels eines Potentiometers einstellbar, und es werde im Anspruch 2 von mehreren vorgegebenen "Differenzen des Drucks" gesprochen, was den Fachmann ebenfalls anrege, den Druckdifferenzwert den Umständen entsprechend zu verändern.
IX. Die Beschwerdegegnerin hat dem Vorbringen der Beschwerdeführerin widersprochen und dabei im wesentlichen folgendes geltend gemacht:
Bei der Auslegung der Merkmale des zweiten Funktionsgenerators gemäß Anspruch 1 werde der Fachmann ohne weiteres die vorgegebene Funktion als eine zeitveränderliche Funktion bezüglich des Werts der zulässigen Bremsdruckdifferenz interpretieren, wie dies auch unmittelbar aus der Beschreibung in Spalte 3, Zeilen 28 bis 32 hervorgehe. Ein fester Differenzwert, wie er in der D5 verwendet werde, sei damit ausgeschlossen.
Da weiter keines der entgegengehaltenen Dokumente eine blockiergeschützte Bremsanlage offenbare und auch keine Anlage nahelege, bei der die Giermomentbegrenzung nach einem zeitlich veränderlichen Bremsdruck-Differenzwert geregelt werde, sei die beanspruchte Bremsanlage nach Anspruchs 1 des angefochtenen Patents schon aus diesem Grund erfinderisch. Der von der Beschwerdeführerin vertretenen Meinung, daß die D9 schon einen Hinweis auf einen veränderlichen Bremsdruckdifferenzwert enthalte, könne nicht gefolgt werden, da die D9 eindeutig und ausschließlich von einem fest eingestellten, vorgegebenen Schwellwert spreche, dessen Größe zwar eingestellt werden könne, der sich jedoch bei der Giermomentbegrenzungs-Regelung nicht ändere. Der Hinweis auf "vorgegebene Differenzen" im Anspruch 2 der D9 beziehe sich auf die jeweilige Ermittlung des Differenzwerts bei den Druckdifferenzverstärkern 37 und 38.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
HAUPTANTRAG
2. Interpretation des Anspruchs 1
2.1. Die Beschwerdeführerin war der Meinung, daß es sich bei der zweiten im Anspruch 1 genannten vorgegeben Funktion, die einen Wert der zulässigen Differenz der Bremsdrücke in den Radbremszylindern bestimmt, auch um eine einfache Sprungfunktion, also eine Funktion, bei der ein bestimmter fester Wert als zulässiger Differenzwert bestimmt wird, handeln könne. Eine solche Möglichkeit werde vom Wortlaut des Anspruchs nicht ausgeschlossen und es bedürfe auch keiner Auslegung nach Artikel 69 EPÜ, da keine Unklarheit des Anspruchs bezüglich dieses Merkmals vorliege.
2.2. In diesem Zusammenhang ist jedoch zu beachten, daß nach dem Protokoll über die Auslegung des Artikels 69 (EPÜ) der Schutzbereich des europäischen Patents nicht ausschließlich vom genauen Wortlaut der Patentansprüche bestimmt wird, und die Beschreibung und Zeichnungen nicht nur zur Behebung etwaiger Unklarheiten in den Patentansprüchen heranzuziehen sind.
Nach Auffassung der Kammer wird der zuständige Fachmann beim Lesen des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents sich zumindest überlegen müssen, was im Zusammenhang mit dem beanspruchten Gegenstand mit dem Merkmal "Funktionsgenerator" gemeint ist und welche Art von vorgegebener Funktion in Frage kommt. Er wird sich hierbei selbstverständlich am übrigen Inhalt des Streitpatents und insbesondere an dem gelösten Problem orientieren.
Die im Patent offenbarte Giermomentbegrenzung steuert den Bremsdruck des Rades auf einen guten Haftwert nach einer Funktion, die den zeitlichen Verlauf der Differenz der Bremszylinderdrücke vorgibt (siehe Spalte 3, Zeilen 28 bis 32), so daß nach Angaben der Beschwerdegegnerin plötzliche Lenkstöße beim Bremsen mit unterschiedlichen Haftwertbedingungen für das linke und rechte Fahrzeugrad einer Achse vermieden werden und dem Fahrer Zeit gegeben wird gegenzulenken (siehe auch die D5, Spalte 2, Zeilen 17 bis 27).
Bei sinngemäßer Auslegung des Anspruchs 1 kommt der Fachmann zu dem Schluß, daß der Funktionsgenerator eine Funktion erzeugt, die autonom ist - was das Wort "Funktionsgenerator" schon impliziert - und einen zeitlich veränderlichen Wert der Differenz der Bremszylinderdrücke vorgibt.
Eine Auslegung des betreffenden Merkmals im Sinne einer Sprungfunktion, derzufolge ein fester Schwellwert die zulässige Differenz der Bremsdrücke in den Radbremszylindern bestimmt, ist somit ausgeschlossen.
3. Im Beschwerdeverfahren zitierter Stand der Technik
3.1. Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin verspätet weitere Dokumente (D9 und D10) zum Stand der Technik genannt und es stellt sich im Hinblick auf das Ermessen nach Artikel 114 (2) EPÜ die Frage, ob diese bei der Prüfung des Patents auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit berücksichtigt werden sollen.
3.2. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern wird das in Artikel 114 (2) EPÜ eingeräumte Ermessen durch eine Relevanzprüfung der verspätet genannten Dokumente konkretisiert. Nur wenn sie für den Ausgang des Falles entscheidend sind, werden sie berücksichtigt (siehe T 156/84, ABl. 1988, 372 und T 1016/93).
Wird festgestellt, daß die verspätet genannten Dokumente ohne Auswirkung auf die Entscheidung sind, so können sie ohne ausführliche Begründung unberücksichtigt bleiben.
Als Kriterien für eine Berücksichtigung verspätet eingereichter Beweismittel oder dafür, ob die Nennung des Beweismittels als verspätet gilt, können auch der Grad der Verspätung und ein triftiger Grund für die späte Nennung berücksichtigt werden.
3.3. Die Kammer stellt fest, daß die erstmalige Zitierung der D9 in der Beschwerdebegründung im wesentlichen durch einen Hinweis in der angefochtenen Entscheidung auf ein fehlendes Glied in die Argumentationskette der Einsprechenden initiiert wurde und tatsächlich geeignet ist, diesem Einwand der Einspruchsabteilung zu begegnen. Sie kommt dem Gegenstand des Anspruchs 1 im übrigen etwas näher als die D5 und wird aus den genannten Gründen bei der weiteren Prüfung auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit berücksichtigt.
3.4. Die D10 wurde erst mit der Eingabe vom 11. Oktober 1996, also fast eineinhalb Jahre nach Einreichung der Beschwerdebegründung zum ersten Mal genannt und betrifft eine deutsche Offenlegenschrift aus dem Hause der Beschwerdeführerin selbst. Sie gehört darüber hinaus zu demselben technischen Fachgebiet wie das angefochtene Patent, nämlich dem der Bremsanlagen mit Giermomentbegrenzung.
Die Beschwerdeführerin machte zwar geltend, daß sie erst mit der Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung auf den veränderlichen Druckdifferenzwert bezüglich des zweiten Funktionsgenerator nach Anspruch 1 des angefochtenen Patents aufmerksam gemacht wurde. Diese Argumentation kann die Kammer jedoch nicht überzeugen, denn soweit dieser Unterschied gegenüber dem Stand der Technik nicht schon der angefochtenen Entscheidung und dem Inhalt der Streitpatentschrift entnehmbar ist, hat die Beschwerdegegnerin in ihrer Eingabe vom 9. Oktober 1995 (siehe Absatz 2.2) schon explizit auf diesen Punkt hingewiesen.
Eine Überprüfung des Inhalts der D10 durch die Kammer hat im übrigen ergeben, daß in dieser Druckschrift keine Regelung offenbart ist, bei der die Giermomentbegrenzung der blockiergeschützten Bremsanlage auf einem zeitlich veränderlichen Bremsdruckdifferenzwert als Regelgröße basiert, weshalb dieses verspätet zitierte Dokument auch wegen fehlender Relevanz im Sinne der Rechtsprechung der Kammern im Beschwerdeverfahren nicht zu berücksichtigen ist.
4. Neuheit
Die Neuheit der blockiergeschützten Bremsanlage nach Anspruch 1 des angefochten Patents folgt schon daraus, daß keines der entgegengehaltenen Dokumente des Standes der Technik eine blockiergeschützte Bremsanlage mit Giermomentbegrenzung offenbart, in der die zulässige Differenz der Bremsdrücke in den Radbremszylindern von linkem und rechtem Vorderrad von einer zeitlich veränderlichen Funktion, die durch eine Funktionsgenerator vorgegeben ist, bestimmt wird.
Da die Neuheit auch nicht bestritten wurde, erübrigen sich weitere Ausführungen hierzu.
5. Erfinderische Tätigkeit
5.1. Der den Ausgangspunkt bildende Stand der Technik wird nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten und der Kammer von der D9 bzw. der D5 gebildet, die unstrittig die Kombination der Merkmale gemäß Oberbegriff des Anspruchs 1 offenbaren.
In dem in der D5 offenbarten Blockierschutzregelsystem kann bei Überschreiten eines bestimmten Bremsdruckdifferenzwerts der höhere Bremsdruck langsamer aufgebaut, gehalten oder gesenkt werden, um einen übermäßigen Bremskraftunterschied der beiden Räder einer Achse zu vermeiden (siehe Spalte 2, Zeilen 9 bis 15).
Der vorbestimmte Druckdifferenzwert kann derart gewählt werden, daß der Fahrer das Fahrzeug durch geringe Lenkkorrekturen richtungsstabil halten kann (Spalte 2, Zeilen 24 bis 27).
Nach den Ausführungbeispielen der D5 wird dies im wesentlichen dadurch erreicht, daß ein elektropneumatischer Differenzdruckschalter verwendet wird, der beim Überschreiten eines bestimmten Druckdifferenzwerts zwischen den Bremsdrücken der Räder einer Achse eine Regelung des höheren Bremsdrucks im obigen Sinne bewirkt.
5.2. Die Begrenzung der Druckdifferenz setzt voraus, daß man die tatsächlich in den Bremszylindern herrschenden Drücke ermittelt, wozu in D5 der elektropneumatische Differenzdruckschalter verwendet wird.
Eine solche mechanische Lösung ist jedoch nicht unter allen Umständen zuverlässig, und es kann durch den fest eingestellten Wert der maximal zulässigen Druckdifferenz nicht verhindert werden, daß unter ungünstigen Umständen ein zu hohes Giermoment entsteht oder, bei sehr niedrig eingestelltem Wert, der Bremsweg zu lange wird.
In der Anordnung nach der D9 wird der Schwellwert der zulässige Bremsdruckdifferenz mittels eines Potentiometers 43 fest eingestellt (Spalte 5, Zeilen 13 bis 25 der D9).
Mit den im Anspruch 2 der D9 erwähnten vorgegebenen Differenzen des Drucks wird nicht, wie von der Beschwerdeführerin behauptet wurde, ein Hinweis auf mehrere unterschiedliche Druckdifferenzen gegeben, sondern es wird lediglich auf die doppelt ausgeführte Druckdifferenzbestimmung mit den Druckdifferenzverstärkern 37 und 38 nach der Ausführungsform gemäß Figur 3 dieser Entgegenhaltung verwiesen.
5.3. Ausgehend von den aus der D5 bzw. D9 bekannten blockiergeschützten Bremsanlagen mit Giermomentbegrenzung liegt dem angefochtenen Patent die Aufgabe zugrunde, eine zuverlässig arbeitende blockiergeschützte Bremsanlage mit Giermomentbegrenzung zu schaffen, bei der bei Abbremsen auf Fahrbahnen mit unterschiedlichen Reibwerten für das linke und rechte Rad Schläge im Lenkrad vermieden werden und dennoch ein kleinstmöglicher Bremsweg beibehalten wird.
Diese Aufgabe wird gemäß den Merkmalen im kennzeichnenden Teil des Anspruchs 1 des angefochtenen Patents in wesentlichen durch die folgenden zwei Aspekte der Regelung gelöst:
- Zum einen durch eine Abschätzung der Bremsdrücke in den Radbremszylindern auf der Vorderachse, wozu ein erster Funktionsgenerator vorgesehen ist, und
- Zum anderen durch einen Vergleich der Bremsdruck-Differenzwerte in den Radbremszylindern der Vorderachse mit Werten, die nach einer weiteren vorgegebenen Funktion zeitlich veränderlich sind und die zulässige Differenz der Bremsdrücke von linkem und rechtem Vorderrad zu bestimmen.
5.4. Der erste Aspekt der beanspruchten Lösung ist aus der D6 an sich bekannt, was auch in der Beschreibung des angefochtenen Patents (siehe Spalte 2, Zeilen 18 bis 34) eingeräumt wird.
Der zweite Aspekt, also eine Giermomentregelung, die auf einem entsprechend einer vorgegebenen Funktion zeitlich veränderlichen maximal zulässigen Bremsdruckdifferenzwert basiert, ist jedoch weder in einem der entgegengehaltenen Dokumente des Standes der Technik offenbart, noch in irgendeiner anderen Weise nahegelegt.
5.5. Der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung, daß die D5 und die D9 jeweils einen Hinweis zu einer veränderlichen Bremsdruckdifferenzwert als Basis für eine Regelung enthalten, kann somit nicht gefolgt werden.
Die D5 zeigt eindeutig, daß die Regelung erst ab einem bestimmten festen Bremsdruckdifferenzwert aktiv wird und den höheren Bremsdruck in bestimmter Weise regelt(siehe Spalte 3, Zeilen 49 bis 66), während die betreffenden Passagen in der D9 - wie bereits unter Punkt 5.2 ausgeführt - sich auf die Einstellbarkeit eines vorbestimmten Schwellwerts bzw. auf die doppelt ausgeführte Druckdifferenzbestimmung beziehen.
5.6. Zusammenfassend kommt die Kammer zu dem Ergebnis, daß zumindest der im zweiten Aspekt des Anspruchs 1 enthaltene Lösungsgedanke sich nicht in naheliegender Weise aus dem zitierten Stand der Technik oder aus dem allgemeinen Wissen des zuständigen Fachmanns herleiten läßt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht somit schon aus diesem Grund auf einer erfinderische Tätigkeit, weshalb das Patent auf der Basis des erteilten Anspruchs 1 Bestand hat.
Bestandsfähig sind auch die abhängigen Ansprüche 2 bis 7, die vorteilhafte Ausgestaltungen des Gegenstandes des Anspruchs 1 beinhalten (Regel 29 (3) EPÜ).
HILFSANTRAG
6. Da dem Hauptantrag der Beschwerdegegnerin stattzugeben war, erübrigt es sich, auf ihren Hilfsantrag einzugehen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesem Gründe wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.