T 0015/97 (Bohrspülungen I/COGNIS) 08-11-2000
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Verwendung ausgewählter Esteröle in Bohrspülungen insbesondere zur off-shore-Erschliessung von Erdöl bzw. Erdgasvorkommen (1)
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die am 24. Juni 1996 verkündete und am 25. Oktober 1996 schriftlich begründete Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent insbesondere wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegenüber den Lehren der Dokumente
(7) US-A-4 631 136;
(37) Mineral oil free oil-based drilling fluids - Developments and Outlook - C.-P. Herold, H. Müller, Dr. von Tapavicza from the laboratories of Henkel KGaA. Düsseldorf und
(40) Speciality Chemicals in the Oil Industry - General Aspects and some Recent Developments, Dr. C.-P. Herold, Henkel KGaA, West Germany, Presentation to the NIF Course - Oil Field Chemicals - Fargernes, March 1987
zu widerrufen.
II. Vor der Beschwerdekammer fand am 7. und 8. November 2000 eine mündliche Verhandlung statt, in der die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) einen Satz von 14 Ansprüchen einreichte. Die unabhängigen Ansprüche lauteten:
"1. Verwendung ausgewählter, im Temperaturbereich von 0. bis 5°C fließ- und pumpfähiger Ester aus monofunktionellen Alkoholen mit 2 bis 12 C-Atomen und olefinisch ein- und/oder mehrfach ungesättigten Monocarbonsäuren mit 16 bis 24 C-Atomen als Ölphase oder wenigstens überwiegender Anteil der Ölphase von Invert-Bohrspülschlämmen, die für die umweltschonende off-shore-Erschließung von Erdöl- bzw. Erdgasvorkommen geeignet sind und in einer geschlossenen Ölphase eine disperse wäßrige Phase sowie Emulgatoren, Beschwerungsmittel, fluid-loss-Additive, Viskositätsbildner und gewünschtenfalls weitere übliche Zusatzstoffe zusammen mit Kalk als Alkalireserve mit der Maßgabe enthalten, daß auf die Mitverwendung starker hydrophiler Basen wie Alkalihydroxid und/oder Diethanolamin verzichtet wird, der Kalkzusatz auf den Höchstbetrag von etwa 2 lb/bbl Ölspülung begrenzt ist und die Bohrspülungen eine Plastische Viskosität (PV) im Bereich von 10 bis 60 mPas und eine Fließgrenze (Yield Point YP) im Bereich von 5 bis 40 lb/100ft2 - jeweils bestimmt bei 50 C - aufweisen."
"11. Mineralölfreie Invert-Bohrspülungen, die für die offshore-Erschließung von Erdöl- bzw. Erdgasvorkommen geeignet sind und in einer geschlossenen Ölphase auf Basis Esteröle eine disperse wäßrige Phase zusammen mit Emulgatoren, Verdickern, Beschwerungsmitteln, fluid-loss-Additiven und gewünschtenfalls weiteren üblichen Zusatzstoffen enthalten, dadurch gekennzeichnet, daß die Ölphase zum wenigstens überwiegenden Anteil aus Estern monofunktioneller Alkohole mit 2 bis 12 C-Atomen und olefinisch 1- und/oder mehrfach ungesättigten Monocarbonsäuren mit 16 bis 24 C-Atomen gebildet ist, daß weiterhin die W/O-Emulsion schwach alkalisch konditioniert ist durch Kalkzusatz, der Mengen von etwa 2 lb/bbl (Kalk/Ölspülung) nicht überschreitet, bevorzugt jedoch leicht darunter liegt, und daß die Bohrspülungen eine Plastische Viskosität (PV) im Bereich von 10 bis 60 mPas und eine Fließgrenze (Yield Point YP) im Bereich von 5 bis 40 lb/100ft2 - jeweils bestimmt bei 50 C - aufweisen."
III. Die Beschwerdeführerin hat zwar zugestanden, daß aus jedem der Dokumente (37) und (40) hervorgeht, daß die getestete Ölphase, auf Basis von Isobutyl-Oleat, hydrolyse-stabil und damit praktisch brauchbar ist, hat aber dem entgegengehalten, daß die Lehren beider Dokumente sachlich falsch seien und erst das spätere Erkennen dieses Irrtums zur Lehre des Streitpatents geführt hat (siehe Schreiben vom 17.02.97, Kapitel IV, Punkt 2.4 auf Seite 11). Als Folge der im geschlossenen System stattfindenden Hydrolyse behalte das entstandene Isobutanol seine Verdünnungswirkung, während in der Praxis, d. h. in einem offenen System, Isobutanol abdunste und die Verdünnungswirkung des Isobutanols verloren gehe. Durch die eindickende Wirkung der nicht flüchtigen, durch Hydrolyse gebildeten Fettsäuresalze werde das System unbrauchbar.
Das Wesentliche der beanspruchten Erfindung liege in der Feststellung, daß die Hydrolyse im praktischen Einsatz durch Steuerung der Konzentration des Kalkes als Alkalireserve in Grenzen gehalten werde. Dies werde durch den Stand der Technik nicht nahegelegt.
IV. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) argumentierte, daß die Verwendung von Isobutyl-Oleat als Ölphase von Invert-Bohrspülschlämmen aus den Dokumenten (37) und (40) bekannt war. Da der Kalkzusatz auf den in den Ansprüchen festgelegten Höchstbetrag von etwa 2 lb/bbl für die Schlammeigenschaften nicht kritisch sei, seien die beanspruchte Verwendung und die beanspruchten Invert-Bohrspülungen durch die Lehren dieser Dokumente nahegelegt.
V. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf Basis der in der mündlichen Verhandlung überreichten Ansprüche 1 bis 14 und die Berichtigung der Patentschrift auf Seite 9, Zeile 48 in "1,9 g".
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Artikel 123 (2) und (3) EPÜ
Die Kammer hat sich davon überzeugt, daß die geltenden Ansprüche durch die Offenbarung in den ursprünglichen Unterlagen gestützt werden und ihr Schutzbereich nicht über den der Ansprüche des erteilten Patents hinausgeht. Somit sind keine Einwände nach Artikel 123 (2) oder (3) EPÜ zu erheben. Da dies nicht bestritten wird und die Kammer zum Ergebnis gekommen ist, daß der beanspruchte Gegenstand nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (siehe unten), braucht hierauf nicht näher eingegangen werden.
3. Neuheit
Da nach Feststellung der Kammer die beanspruchten mineralölfreien Invert-Bohrspülungen und die beanspruchte Verwendung der anspruchsgemäßen Ester als Ölphase von Invert-Bohrspülschlämmen nirgendwo vorbeschrieben sind und somit nicht als Stand der Technik i. S. von Art. 54 EPÜ sind, ist der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 14 als neu anzusehen. Auch dies wurde von der Beschwerdegegnerin nicht in Frage gestellt.
4. Erfinderische Tätigkeit
4.1. Obwohl im Streitpatent die Verwendung von Triglyceriden oder gereinigten Isooctyl-Monoalkohol-Ester hochreiner Tallölfettsäuren als Stand der Technik gewürdigt wurde (Seite 2, Zeile 57 bis Seite 3, Zeile 11), war unbestritten, daß das Dokument (40) und vor allem das detailliertere Dokument (37), in denen die Verwendung eines aus überwiegend Isobutyl-Oleat enthaltenden Esteröls (OMC 233) als Ölphase in Invert-Bohrspülschlämmen in Form von Zusammensetzungen auf Grammbasis beschrieben ist, den nächstliegenden Stand der Technik darstellt (siehe Dokument (37), Seite 4, zweiter Absatz und Dokument (40), Seite 6, Zeilen 26 bis 28 und die letzten drei Zeilen).
4.2. Aus dem Dokument (37) geht ebenso unbestritten hervor, daß die in den Tabellen 3 bis 6 beschriebenen Invert-Bohrspülschlämme, die Isobutyl-Oleat und 3.38 bis 3.65. lb/bbl Ölspülung Kalk enthalten, vor Alterung eine plastische Viskosität von 34 bis 40 mPa.s und eine Fließgrenze von 25 bis 43 lb/100ft2 und nach Alterung während 16 Stunden bei 177 C (roller oven) eine plastische Viskosität von 43 bis 51 mPa.s und eine Fließgrenze von 12 bis 18 lb/100ft2 haben (siehe die auf den Seiten 6 bis 9 beschriebenen Ergebnisse). Weiterhin ist den beiden letzten Absätzen der Seite 4 und der Seite 13 zu entnehmen, daß Fettsäureester als Ölphase in Invert-Bohrspülschlämmen insbesondere eine gute thermische Stabilität aufweisen, umweltverträglich sind und eine einfach beherrschbare Rheologie besitzen.
Das Dokument (40), das einen Vortrag eines der Autoren des Dokumentes (37) wiedergibt, enthält keine darüber hinausgehende entscheidungserheblichen Aussagen.
4.3. Wie aus dem Streitpatent und dem Vortrag der Beschwerdeführerin hervorgeht, gilt auch für Ester bzw. Esteröle, daß im praktischen Einsatz stabile Fließeigenschaften ein wesentliches Erfordernis jeder Bohrspülung ist. Wichtig ist dabei, daß die Fließfähigkeit der Bohrspülung im Kreislauf kontinuierlich erhalten bleibt, dies trotz Druck- und Temperatur, die mit zunehmender Bohrlochtiefe auf das Mehrphasensystem einwirken, sowie weiterer möglichen Störquellen, wie Luftsauerstoff (Oxidationsinstabilität), Wasserzuflüsse, Anreicherung von kolloiden Mineralstoffen und/oder Gaseinbrüchen (CO2 und/oder H2S). Für die Erhaltung der Fließ- und Pumpfähigkeit der Bohrspülung ist wesentlich, daß nur Invert-Bohrspülungen eingesetzt werden, bei denen keine überproportionale Verdickung im praktisch bedeutsamen Bereich eintritt. Der angeführte rein theoretische Vorschlag einer Invert-Bohrspülung mit einem natürlichen Esterölzusatz erhellt nicht, wie das Problem der Verdickung der Bohrspülung im praktischen Einsatz zu vermeiden ist.
4.4. Ausgehend von der Lehre des Dokumentes (37) oder (40) besteht somit die Aufgabe darin, Invert-Bohrspülungen auf Basis von Fettsäureestern zur Verfügung zu stellen, die unter den Bedingungen des großtechnischen Arbeitens in der Praxis nicht derart eindicken, daß sie unbrauchbar werden.
4.5. Zur Lösung dieser Aufgabe werden gemäß Streitpatent Invert-Bohrspülungen vorgeschlagen, in denen die Ölphase zum wenigstens überwiegenden Anteil aus Estern monofunktioneller Alkanole mit 2 bis 12 C-Atomen und olefinisch ein- und/oder mehrfach ungesättigten Monocarbonsäuren mit 16 bis 24 C-Atomen zusammengesetzt ist.
4.6. Da die Beschwerdeführerin die Auffassung vertrat, daß das im Stand der Technik in Invert-Bohrspülungen eingesetzte Esteröl mit der Bezeichnung "OMC 233", gebildet durch Umsetzung von iso-Butanol mit ungesättigten Fettsären der Kettenlänge C16-24, zwar ein Esteröl im Sinne der Lehre des Streitpatents darstellt (siehe Schreiben der Beschwerdeführerin vom 17.02.97, Kapitel IV, Punkt 2 auf Seite 7 und folgenden), die Aussage der Dokumente (37) und (40) aber sachlich falsch sei (siehe Punkt III), hat sie die folgende Rechtsfrage aufgeworfen:
"Ist es für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit rechtlich zulässig, die sachliche/technische Offenbarung einer Veröffentlichung zur technischen Lösung eines bestehenden technischen Problems auch dann mit weiterführenden Überlegungen zum allgemeinen Fachwissen zu verbinden, wenn die betroffene Veröffentlichung
1. von der zu lösenden technischen Aufgabe ausgeht,
2. aufgrund fachtechnisch anerkannter Versuchspraxis angibt und glaubhaft macht, die technische Lösung der bestehenden Aufgabe gefunden zu haben,
3. die Richtigkeit dieser Aussagen nicht nur glaubhaft ist, sondern zusätzlich auch im vorveröffentlichten Stand der Technik in keiner Weise in Frage gestellt wird und
4. erst durch die Offenbarung der Lehre des Streitpatents und späterer Versuche die Fehlerhaftigkeit der Vorveröffentlichung und ihrer Versuche offensichtlich werden."
Bei der Auslegung des Standes der Technik ist ein Fachmann an der technischen Realität interessiert, wobei er nicht nur isoliert die Lehre eines Dokumentes in Betracht zieht, sondern den gesamten einschlägigen Stand der Technik, unter Einbeziehung seines allgemeinen Fachwissens. So sind die Beschwerdekammern des EPA in einigen Entscheidungen zum Schluß gekommen, daß der Fachmann einen fehlerhaften Inhalt eines Dokumentes nicht in Betracht ziehen würde. Dies war beispielsweise der Fall in T 77/87 (ABl. EPA 1990, 280), wo eine Zusammenfassung den Inhalt des Originaldokuments nicht korrekt wiedergab; die befaßte Kammer entschied, daß die Offenbarung des Originaldokuments vorgehe (siehe Punkt 4.1.4). In T 591/90 vom 12. November 1991 (nicht im ABl. EPA veröffentlicht) kam die Kammer zum Ergebnis, daß in dem dort vorliegenden Fall der Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens und durch Konsultation der Hinweisliteratur ohne weiteres erkennen konnte, daß eine strittige Angabe nicht zutreffe (siehe Punkt 4.2.2). In T 412/91 befand die Kammer, daß eine offensichtlich falsche Behauptung nicht zum Stand der Technik gehört, wenn sie an sich durch einen Widerspruch unwahrscheinlich ist oder wenn sich aus anderen Quellen ergibt, daß sie falsch ist (siehe Punkt 4.7).
Bei der Bewertung der Offenbarung der Dokumente (37) und (40) hatte ein Fachmann jedoch objektiv gesehen keinen Anhaltspunkt für eine Fehlerhaftigkeit der Lehre dieser beiden Dokumente. Im Gegenteil - und das wird auch von der Beschwerdeführerin nicht verkannt - werden in den Dokumenten (37) und (40) an Hand fachtechnisch anerkannter Versuchspraxis Invert-Bohrspülungen für den praktischen Einsatz glaubhaft vorgestellt. Da dies im vorveröffentlichten Stand der Technik in keiner Weise in Frage gestellt wird, hatte ein Fachmann keinen Grund die Richtigkeit der Lehren dieser beiden Dokumente (37) und (40) in Zweifel zu ziehen und sie deshalb bei der Suche nach einer Lösung für die in Punkt 4.4 angegebenen Aufgabe als Stand der Technik zu ignorieren.
4.7. Als Nachweis dafür, daß die rheologischen und hydrolytischen Eigenschaften der anspruchsgemäßen Invert-Bohrspülungen durch den Zusatz von Kalk nur wenig beeinflußt werden solange der Kalkzusatz auf den Höchstbetrag von etwa 2 lb/bbl Ölspülung beschränkt ist, während eine stärkere Beeinflussung bei Kalkzusätzen von mehr als 2 lb/bbl Ölspülung auftritt, hat die Beschwerdeführerin während des Einspruchs- und des Beschwerdeverfahrens rheologische und hydrolytische Daten von anspruchsgemäße Ester enthaltenden Invert-Bohrspülschlämmen mit unterschiedlichen Kalkzusätzen eingereicht. Die Beschwerdegegnerin hat ihrerseits als Nachweis, daß der Kalkzusatz von 2 lb/bbl Ölspülung nicht kritisch ist, rheologische Daten von anspruchsgemäße Ester enthaltenden Invert-Bohrspülungen mit unterschiedlichen Kalkzusätzen eingereicht.
Die von der Beschwerdeführerin und der Beschwerdegegnerin eingereichten rheologischen Daten sind jedoch das Testergebnis von Versuchen, in denen die Alterung im geschlossenen System durchgeführt wurde. Da gemäß dem eigenen Vortrag der Beschwerdeführerin, Versuche im geschlossenen System mit den Bedingungen des großtechnischen Arbeitens in der Praxis nicht zu vergleichen sind (siehe Punkt III) und dies von der Beschwerdegegnerin nicht widerlegt wurde, sind diese Daten mangels Beweiskraft im vorliegenden Fall nicht zu berücksichtigen.
4.8. Weiterhin hat die Beschwerdeführerin geltend gemacht, die bei der Alterung eintretende Esterhydrolyse sei ein entscheidender Parameter für die praktische Brauchbarkeit der Esterspülung. Als Nachweis, daß die Hydrolyse bis zu einem Kalkzusatz von 2 lb/bbl Ölspülung niedrig bleibt, während die Hydrolyse mit Kalkmengen über 2 lb/bbl Ölspülung stark ansteigt, hat sie mit Schreiben vom 17.07.97 Hydrolyse-Daten für Isobutyl-Oleat enthaltende Zusammensetzungen mit unterschiedlichen Kalkzusätzen eingereicht. Zur Ermittlung der bei der Alterung eingetretenen Esterhydrolyse wird im gealterten Material die Menge an freigesetzten Alkohol bestimmt.
Auch die vorgelegten Hydrolyse-Daten wurden jedoch nach Alterung der Isobutyl-Oleat enthaltenden Zusammensetzungen in einem geschlossenen System erhalten. Während in einem geschlossenen System die Esterhydrolyse in einem Isobutyl-Oleat und Wasser enthaltenden Zusammensetzung nur bis Erreichung eines Gleichgewichts fortschreitet, kann in einem offenen System abgespaltenes Isobutanol verdunsten, wobei die Hydrolyse bis zur vollständigen Umsetzung des Esters weitergehen kann. Da Hydrolyseversuche im geschlossenen System mit den Bedingungen des großtechnischen Arbeitens in der Praxis nicht zu vergleichen sind (siehe Punkt III), sind auch die von der Beschwerdeführerin eingereichten Hydrolyse-Daten im vorliegenden Fall nicht aussagekräftig.
4.9. Aus alldem ergibt sich, daß nicht glaubhaft gemacht wurde, die rheologischen und hydrolytischen Eigenschaften der anspruchsgemäßen Invert-Bohrspülungen würden durch Zusatz von Kalk nur wenig beeinflußt solange der Kalkzusatz auf den Höchstbetrag von etwa 2. lb/bbl Ölspülung beschränkt bleibt, während bei Kalkzusätzen von mehr als 2 lb/bbl Ölspülung eine stärkere Beeinflussung aufträte. Da nicht nachgewiesen wurde, daß der Zusatz an Kalk ab einer bestimmten Menge kritisch ist, fehlt auch jeglicher Beleg dafür, daß der genannte Grenzwert ein erfindungswesentliches Merkmal darstellt.
Folglich werden durch die während des Einspruchs- und Beschwerdeverfahrens eingereichten Versuche weder eine Fehlerhaftigkeit der Lehre der Dokumente (37) und (40) noch der dort beschriebenen Versuche offensichtlich. Somit ist die durch die Beschwerdeführerin aufgeworfene Rechtsfrage für den vorliegenden Fall ohne Bedeutung.
Vielmehr hätte der Fachmann aufgrund der Angaben vor allem in Dokument (37) (siehe Punkt 4.2 oben) trotz der Grammangaben nicht daran gezweifelt, daß es sich bei den beschriebenen Invert-Bohrspülungen um Zusammensetzungen für den praktischen Einsatz handelt und diese daher für die Lösung der gestellten Aufgabe in Frage kommen.
4.10. Bleibt noch zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen bot, die gestellte Aufgabe derart zu lösen, daß den Invert-Bohrspülzusammensetzung auf Basis von Isobutyl-Oleat ein Höchstbetrag von etwa 2 lb/bbl Ölspülung Kalk als Alkalireserve zugesetzt wird. Da die Höhe des Kalkzusatzes als nicht kritisch angesehen werden kann, ist der angegebenen Grenzwert von etwa 2. lb/bbl Ölphase als willkürlich festgesetzte Grenze anzusehen bei der es sich folglich nicht um ein erfindungswesentliches Merkmal, das zur Lösung der der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe beiträgt, handeln kann.
Gemäß der Rechtsprechung der Beschwerdekammern bleibt ein Merkmal, das nicht erfindungswesentlich ist im Sinne, daß es zur Lösung der gestellten Aufgabe beiträgt, bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit außer Betracht (vgl. T 37/82 ABl. EPA 1984, 71, Entscheidungsgrund 3).
Im übrigen, findet sich weder in Dokument (37) noch in Dokument (40) einen Hinweis, daß bei den Bedingungen des großtechnischen Arbeitens in der Praxis Invert-Bohrschlämmen auf Basis von Isobutyl-Oleat als Ölphase Kalk als Alkalireserve enthalten müssen, geschweige denn, in welche Mengen Kalk zugesetzt werden sollte. In den Tabellen 3 bis 6 des Dokumentes (37) und der Figur 12 des Dokumentes (40) sind lediglich als Beispiel spezifische Invert-Bohrschlämme offenbart, die 3.38. oder 3.65 lb/bbl Ölspülung Kalk enthalten. Nirgendwo ist den beiden Dokumenten jedoch einen Hinweis zu entnehmen, daß sich durch den Einsatz von kleineren oder größeren Mengen Kalk die Eigenschaften der Invert-Bohrspülungen wesentlich ändern würden und diese dadurch möglicherweise für den praktischen Einsatz unbrauchbar wären.
4.11. Die Beschwerdeführerin hat schließlich noch argumentiert, die vorgeschlagene Lösung sei deshalb nicht trivial, weil ein Fachmann erwarten konnte, daß bei der Verwendung von ungesättigten Monocarbonsäuren Oxidation oder Polymerisation auftreten könnte. Dem Dokument (7), in Spalte 4, dritten Absatz, sei diesbezüglich zu entnehmen, daß das Esteröl den Emulgator beeinflußt und daß die ungesättigten Monocarbonsäuren einen O/W statt einen W/O Emulgator bilden, wodurch die Ölphase zersetzt wird.
Dieser Argumentation kann die Kammer jedoch nicht folgen. Dokument (37) betrifft gerade W/O Emulsionen (siehe Seite 2, dritter Absatz) und schlägt zumindest die Verwendung von Isobutyl-Oleat, d. h. ein Ester einer ungesättigten Fettsäure, in W/O Emulsionen in Form von Invert-Bohrspülschlämmen vor. Somit konnte ein Fachmann erwarten, daß mit den anspruchsgemäßen Estern, insbesondere Isobutyl-Oleat, die Oxidation und die Polymerisation im Griff zu halten sind.
4.12. Als Ergebnis kommt die Kammer zum Schluß, daß die mineralölfreien Invert-Bohrspülungen gemäß dem unabhängigen Anspruch 11 durch den Stand der Technik nahegelegt sind. Dem Antrag der Beschwerdeführerin kann schon aus diesem Grund nicht stattgegeben werden. Weiterer Ausführungen zum unabhängigen Verwendungsanspruch 1 sowie den von Anspruch 1 bzw. Anspruch 11 abhängigen Ansprüche 2 bis 10 und 12 bis 14 bedarf es daher nicht.
5. Bei dieser Sachlage erübrigt es sich auch, auf den Antrag auf Berichtigung der Patentschrift einzugehen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.