J 0004/09 (Form von Zeichnungen/MACPHARMAZIE) 28-07-2009
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Verfahren und Vorrichtung zum Einlagern von Arzneimittelpackungen
Eingangsprüfung - Form von Zeichnungen, die die elektronische Vervielfältigung ermöglicht
Verstoß gegen die Begründungspflicht als wesentlicher Verfahrensmangel
Rückzahlung der Beschwerdegebühr (nein)
Sachverhalt und Anträge
I. Die Anmelderin/Beschwerdeführerin hat am 12. Februar 2008 einen Antrag auf Erteilung eines europäischen Patents gestellt und hierfür sieben Seiten Beschreibung, acht Patentansprüche und drei Zeichnungen (Figuren 1-3) eingereicht. Für diese Patentanmeldung wird die Priorität der deutschen Patentanmeldung DE 10 2007 007 411.7 in Anspruch genommen.
II. Am 24. April 2008 hat der Formalsachbearbeiter der Eingangsstelle mit einer Formularmitteilung (EPA Form 1150 12.07) auf einen Mangel betreffend die Form der Anmeldungsunterlagen (Regel 57 i) EPÜ) durch Ankreuzen des Punktes b) hingewiesen und ausgeführt:
"Das Schriftstück eignet sich nicht für die elektronische und unmittelbare Vervielfältigung."
Er hat hinzugefügt: "(Fig. 1+2)".
Für die Beseitigung der Mängel wurde eine Frist von zwei Monaten gesetzt. Innerhalb dieser Frist ist keine Stellungnahme der Anmelderin eingegangen.
III. Mit Formularentscheidung (EPA Form 1088 12.07) vom 1. Oktober 2008 hat die Eingangsstelle die europäische Patentanmeldung zurückgewiesen, weil die festgestellten Mängel nicht behoben wurden.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 1. Dezember 2008 Beschwerde eingelegt, diese gleichzeitig begründet und die vorgeschriebene Beschwerdegebühr bezahlt.
V. Sie beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Patentanmeldung mit den vorliegenden Unterlagen weiterzuführen, oder die Patentanmeldung mit einer beigefügten neuen Figur 1 weiterzubehandeln oder die Patentanmeldung mit beigefügten neuen Figuren 1 und 2 weiterzuführen.
VI. Zur Begründung führt sie aus, dass die Figuren 1 und 2 entgegen der Auffassung der Eingangsstelle sehr wohl für die elektronische und unmittelbare Vervielfältigung geeignet seien, was auch der Prioritätsanmeldung entnommen werden könne, bei der es offenbar keine entsprechenden Schwierigkeiten gegeben habe. Bei der neuen Figur 1 des Hilfsantrags 1 seien die störenden Grautöne, sowie die Kopier- und Korrekturspuren entfernt worden. Die Figuren des Hilfsantrags 2 sollten nach Auffassung der Anmelderin den Vorstellungen der Eingangsstelle auf jeden Fall genügen, wobei jedoch die geänderte Figur 2 die Erfindung nicht mehr in allen Aspekten verdeutliche.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Grundlage der Entscheidung der Eingangsstelle ist Artikel 90 (5) EPÜ. Nach dieser Vorschrift prüft das Europäische Patentamt - wenn der europäischen Patentanmeldung ein Anmeldetag zuerkannt worden ist - nach Maßgabe der Ausführungsordnung unter anderem, ob den in der Ausführungsordnung festgelegten Erfordernissen entsprochen ist, und weist die Anmeldung zurück, wenn ein bei dieser Prüfung festgestellter Mangel nicht beseitigt wird. Nach Regel 57 i) EPÜ ist Gegenstand der Prüfung, ob die Anmeldung den in Regel 46 und Regel 49 Absätze 1 bis 9 und 12 EPÜ vorgeschriebenen Erfordernissen entspricht. Als Mangel wurde angesehen, dass die Anmeldung den Erfordernissen deshalb nicht entspricht, weil das Schriftstück, soweit es die Figuren 1 und 2 betrifft, sich nicht für die elektronische und unmittelbare Vervielfältigung eignet. Offensichtlich bezieht sich dies auf Regel 49 (2) EPÜ. Diese Vorschrift bestimmt, dass die Unterlagen der Anmeldung in einer Form einzureichen sind, die die elektronische und unmittelbare Vervielfältigung ermöglicht. Die Formularmitteilung und die sich darauf gründende Formularentscheidung lassen offen, warum die Eingangsstelle der Auffassung ist, dass die Figuren 1 und 2 in einer Form eingereicht sind, die sich für die elektronische und unmittelbare Vervielfältigung nicht eignet. Gegen die Auffassung der Eingangsstelle spricht zunächst, dass die Zeichnungen Inhalt der elektronischen Akte des Europäischen Patentamts geworden sind und dass ein augenfälliger Unterschied im Vergleich zur eingereichten Fassung nicht feststellbar ist. Etwaige Mängel, die zum Beispiel einem eindeutigen Ergebnis durch das Scannen selbst entgegenstehen könnten, wurden von der Eingangsstelle nicht konkret benannt. Es ist natürlich anerkennenswert und wichtig, dass sich die Eingangsstelle bemüht, Unklarheiten der Offenbarung in der zu veröffentlichenden Fassung, die durch eine ungenaue Wiedergabe der Anmeldung verursacht sind, durch das Bestehen auf der Einreichung von Zeichnungen in einer geeigneten Form in dem ihr insbesondere durch die Regeln 46 und 49 Absätze 1 bis 9 und 12 EPÜ zugewiesenen Rahmen (unter Beachtung der Verwaltungsanweisungen, wie zum Beispiel den Prüfungsrichtlinien Teil A Kapitel X) zu beseitigen.
Ein mögliches Vorgehen ist die Wiederholung des Scan-Vorgangs zum Ausschluss eines technischen Fehlers des Europäischen Patentamts und, wenn das nicht zum Erfolg führt, die Anforderung von Zeichnungen in einer Form, die die Erkennbarkeit der ursprünglichen Details nach deren Vervielfältigung verbessert. Ziel ist die Optimierung des technischen Vorgangs und nicht die des Inhalts der Anmeldung.
Die Frage, was genau den Zeichnungen entnommen werden kann, ist nicht Gegenstand der Formalprüfung. Vielmehr bestimmt der Anmelder durch die Auswahl und die Fassung der Anmeldungsunterlagen den Umfang der Offenbarung. Die Aussagekraft der eingereichten Zeichnungen liegt deshalb in seinem Verantwortungsbereich. Eine Überprüfung über die für die Eingangsprüfung vorgesehenen Fragen in den Regeln 46 und 49 Absätze 1 bis 9 und 12 EPÜ hinaus kann nicht erfolgen, insbesondere dürfen verbesserte Zeichnungen nicht zu einer in der ursprünglichen Version nicht enthaltenen Offenbarung führen oder der Anmelder gezwungen werden, durch die Änderung der Zeichnungen auf eine nach seiner Auffassung nur auf diese Weise mögliche Offenbarung zu verzichten. Für eventuelle Änderungen im Prüfungsverfahren gelten für Zeichnungen die allgemeinen Regeln.
3. Verstoß gegen die Begründungspflicht - wesentlicher Verfahrensmangel
Regel 111 (2) EPÜ bestimmt unter anderem, dass die Entscheidungen des europäischen Patentamts, die mit der Beschwerde angefochten werden können, zu begründen sind. Dieses Begründungserfordernis verlangt, es dem Beschwerdeführer und der Kammer zu ermöglichen, es zu verstehen, ob die Entscheidung gerechtfertigt ist (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 5. Auflage, VII.D.15.4.4). Dies ist hier nicht der Fall, weil nicht erkennbar ist, weshalb das die Figuren 1 und 2 enthaltende Schriftstück die elektronische Vervielfältigung nicht ermöglicht. Das Fehlen einer ausreichenden Begründung ist als wesentlicher Verfahrensmangel anzusehen, da die Begründungspflicht als ein Verfahrensrecht von grundlegender Bedeutung anzusehen ist.
4. Keine Rückzahlung der Beschwerdegebühr
Regel 103 (1) (a) EPÜ stellt für die Rückzahlung der Beschwerdegebühr auf die Frage ab, ob diese bei einer erfolgreichen Beschwerde wegen eines Verfahrensmangels der Billigkeit entspricht. Das ist dann nicht der Fall, wenn die Rückzahlung der Beschwerdegebühr aufgrund des Verhaltens des Anmelders gleichwohl unbillig erscheint (siehe hierzu: Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 5. Auflage, VII.D.15.3.2). Regelmäßig wird dies dann anzunehmen sein, wenn - wie hier - die Beteiligungsmöglichkeiten im Ausgangsverfahren nicht wahrgenommen werden. Die Anmelderin hat auf die Mitteilung der Eingangsstelle vom 24. April 2008 nicht Stellung genommen, sondern erst in der Beschwerdebegründung auf den offensichtlichen Widerspruch zwischen der Behauptung der mangelnden Eignung zur elektronischen Vervielfältigung und der Tatsache hingewiesen, dass eine solche bereits tatsächlich erfolgt war und somit die Eingangsstelle nicht mit der Argumentation, die zum Erfolg der Beschwerde geführt hat, konfrontiert, was jedoch ohne Weiteres zumutbar gewesen wäre.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Eingangsstelle zur Fortsetzung des Verfahrens zurückverwiesen.