T 0877/01 (IC-Baustein/GIESECKE & DEVRIENT) 24-06-2005
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Baustein mit integrierten Schaltkreisen
Nicht weiterverfolgter Einspruchsgrund - Prüfungsbefugnis (bejaht)
Unzulässige Änderung - Hauptantrag und 1. Hilfsantrag (bejaht)
Erweiterung des Schutzbereichs - 2. Hilfsantrag (bejaht)
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, nach der das europäische Patent 0 554 916 in geänderter Form den Erfordernissen des Übereinkommens genügt.
II. Der Einspruch war mit der Begründung der unzulässigen Erweiterung und der fehlenden erfinderischen Tätigkeit eingelegt worden (Artikel 100 a) und c) EPÜ). Die Einspruchsabteilung befand, dass Anspruch 1 des Patents wie erteilt zwar nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung, jedoch über den Inhalt der Stammanmeldung EP-A-0 268 830 hinausgehe (Artikel 100 c) mit 76 (1) EPÜ). Eine eingeschränkte Fassung gemäß Hilfsantrag der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) wurde als gewährbar angesehen.
III. Am 27. Juli 2001 legte die Einsprechende Beschwerde ein und entrichtete die Beschwerdegebühr. In ihrer am 1. Oktober 2001 eingereichten Beschwerdebegründung trug sie vor, dass der Gegenstand des aufrechterhaltenen Patents nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
IV. Die Kammer erläuterte in einem Bescheid vom 19. Januar 2005 ihre vorläufige Meinung zu der Beschwerde. Demnach könnte das Merkmal "so dass der Abstand jedes der Anschlusspunkte zur Mitte der Grundfläche geringer als zum Rand der Grundfläche ist" im Patentanspruch 1 eine unzulässige Erweiterung des Inhaltes der ursprünglich eingereichten Anmeldung darstellen. Es handle sich hierbei um einen schon gegen den erteilten Patentanspruch 1 vorgebrachten Einspruchsgrund, der sich aber auch gegen den geänderten Patentanspruch 1 richte. Es wurde ferner bemerkt, dass in den geänderten Anspruch 1 nicht alle Merkmale des erteilten Anspruchs 1 übernommen worden seien. Dies könnte einen Verstoß gegen Artikel 123 (3) EPÜ zur Folge haben.
V. Mit Schreiben vom 18. Mai 2005 reichte die Beschwerdegegnerin als Hilfsantrag eine neue Anspruchsfassung ein. Der einzige Anspruch lautete:
"1. Trägerelement zum Einbau in Datenträger, bestehend aus einem Substratfilm, der einen IC-Baustein mit integriertem Schaltkreis, Leiterbahnen und Anschlußpunkten trägt, die mit Hilfe geeigneter Verbindungstechniken mit weiterführenden Leiterbahnen zur Kommunikation mit dem Schaltkreis verbunden werden, dadurch gekennzeichnet, dass alle Anschlußpunkte (43) des Bausteins (3) in wenigstens einer Gruppe zusammengefasst in einem inneren Bereich der kontakttragenden Grundfläche des Bausteins (3) angeordnet sind, sodass der Abstand jeder [sic] der Anschlußpunkte zur Mitte der Grundfläche geringer als zum Rand der Grundfläche ist."
VI. Mit Hinweis darauf, dass in der Beschwerdebegründung der Einspruchsgrund der unzulässigen Erweiterung von der Einsprechenden/Beschwerdeführerin nicht mehr erwähnt worden war, stellte die Beschwerdegegnerin in Frage, ob die Kammer in Ausübung ihres Ermessens diesen Einspruchsgrund nach Artikel 123 (2) EPÜ ohne entsprechenden Antrag der Beschwerdeführerin und ohne Zustimmung der Beschwerdegegnerin im Beschwerdeverfahren wieder aufnehmen könne.
VII. Am 24. Juni 2005 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt. Die Beschwerdegegnerin legte hilfsweise zwei neue Anspruchsfassungen vor, und der am 18. Mai 2005 eingereichte Hilfsantrag trat an die Stelle des vorhergehenden Hauptantrages.
VIII. Gemäß Hilfsantrag 1 wird das Merkmal "mit Hilfe geeigneter Verbindungstechniken" durch das Merkmal "durch Löten, Schweißen oder Bonden" ersetzt.
Gemäß Hilfsantrag 2 wird das letzte Merkmal des Anspruchs nach Hilfsantrag 1, "sodass der Abstand jeder [sic] der Anschlusspunkte zur Mitte der Grundfläche geringer als zum Rand der Grundfläche ist", gestrichen.
IX. Die Beschwerdegegnerin führte zu dem Einwand nach Artikel 100 c) EPÜ und den vorgenommenen Änderungen des Patentanspruchs folgendes aus:
Die Kammer habe keine Befugnis, einen von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung formal zurückgenommenen Einwand wieder aufzugreifen. Die ausreichende Stützung des Merkmals "sodass der Abstand jedes der Anschlusspunkte zur Mitte der Grundfläche geringer als zum Rand der Grundfläche ist" sei von der Einspruchsabteilung anerkannt und in der Beschwerdebegründung nicht weiter diskutiert worden. Nach der Entscheidung T 274/95 (ABl. EPA 1997, 099) sei zwar ein Einspruchsgrund, der in der Einspruchsschrift substantiiert, aber anschließend vor der Einspruchsabteilung nicht aufrechterhalten wird, für den Fall, dass er im Beschwerdeverfahren wiedereingeführt werden soll, kein "neuer Einspruchsgrund" im Sinne der Stellungnahme G 10/91 (ABl. EPA 1993, 420) und könne folglich in Ausübung des Ermessens einer Beschwerdekammer ohne das Einverständnis des Patentinhabers in das Beschwerdeverfahren wieder eingeführt werden. In der Sache T 274/95 habe jedoch die beschwerdeführende Einsprechende selbst den Einspruchsgrund wieder eingeführt, nicht, wie im vorliegenden Fall, die Beschwerdekammer. Im Übrigen sei das Merkmal nur eine Folge der vorhergehenden Merkmale, was insbesondere aus dem einleitenden Wort "sodass" hervorgehe. Es schränke somit den Gegenstand nicht weiter ein und könne gestrichen werden, wie dies nach Hilfsantrag 2 erfolgt sei.
Die Beschwerdeführerin entgegnete, dass sie den Einspruchsgrund der unzulässigen Erweiterung nie zurückgenommen habe. Sie habe ihn lediglich in Bezug auf das genannte Merkmal nicht weiterverfolgt, da die Einspruchsabteilung bei der Verhandlung zu erkennen gegeben habe, sie halte dieses Merkmal für ausreichend gestützt. Unter diesen Umständen sei es damals zweckmäßig gewesen, sofort zu der Frage der erfinderischen Tätigkeit überzugehen. Die Beschwerdeführerin sei jedoch nach wie vor der Auffassung, dass das Merkmal umfassender sei als die Angaben in den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen. Darin sei lediglich von einem "Zentrum" die Rede, was eine verhältnismäßig kleine Fläche bezeichne. Nur diese enge Auslegung sei in Einklang mit den Figuren des Patents.
X. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
XI. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage von:
- Anspruch 1, eingereicht mit Schreiben vom 18. Mai 2005 (Hauptantrag), oder hilfsweise von
- Anspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung als Hilfsantrag 1, oder hilfsweise von
- Anspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung als Hilfsantrag 2.
XII. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete die Kammer ihre Entscheidung.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit der Beschwerde
Die Beschwerde genügt den in der Regel 65 (1) EPÜ aufgeführten Bestimmungen und ist daher zulässig.
2. In Bezug auf den in der Einspruchsschrift erhobenen Einspruchsgrund der unzulässigen Erweiterung gemäß Artikel 100 c) EPÜ hat die Einspruchsabteilung entschieden, dass das Anspruchsmerkmal "sodass der Abstand jedes der Anschlusspunkte zur Mitte der Grundfläche geringer als zum Rand der Grundfläche ist" keine unzulässige Erweiterung darstelle. Ein diesbezüglicher Einwand von der Einsprechenden sei zu Beginn der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung zurückgezogen worden (Entscheidung, Punkt 2). Der Anspruch in der erteilten Fassung gemäß dem damaligen Hauptantrag der Beschwerdegegnerin wurde dennoch als gegen Artikel 76 (1) EPÜ verstoßend angesehen, weil er aus anderen Gründen über den Inhalt der der Patentanmeldung zu Grunde liegenden Stammanmeldung hinausgehe.
In einer von der Beschwerdegegnerin ergänzend angeführten Stelle (Seite 1, Punkt I)) des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor der 1. Instanz stellt die Einspruchsabteilung fest, dass das betreffende Merkmal "wohl doch offenbart sei" und der Einspruchsgrund der unzulässigen Erweiterung deshalb von der Einsprechenden nicht weiter aufrecht erhalten werde.
3. In ihrer Beschwerdebegründung ist die Beschwerdeführerin lediglich auf den Einspruchsgrund der fehlenden erfinderischen Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ) eingegangen. Die Kammer griff in ihrem Bescheid von Amts wegen die Frage der unzulässigen Erweiterung im Hinblick auf die von der Einspruchsabteilung gebilligte Fassung des Anspruchs wieder auf und stellte in Frage, ob das oben genannte Merkmal aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen herleitbar sei. Daraufhin hat die Beschwerdegegnerin erklärt, die Kammer habe hierzu keine Befugnis, da der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 c) EPÜ in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung von der Einsprechenden nicht aufrechterhalten und in der Beschwerdebegründung nicht wieder eingeführt worden sei. Um diesen Einspruchsgrund in das Beschwerdeverfahren einzubringen, bedürfe es der Zustimmung der Beschwerdegegnerin.
4. Die Kammer vermag aus den folgenden Gründen dem Vortrag der Beschwerdegegnerin nicht zu folgen:
Es entspricht dem allgemeinen Verfahrensprinzip des Verfügungsgrundsatzes, dass eine Partei schon vorgenommene Verfahrenshandlungen zurücknehmen kann. Als Beispiel sei die Rücknahme des Einspruchs oder der Beschwerde genannt. Solche Rücknahmen sind für die Beschwerdekammern grundsätzlich verbindlich. So hat z. B. die Große Beschwerdekammer entschieden, dass eine Beschwerdekammer das Einspruchsbeschwerdeverfahren nicht fortsetzen kann, nachdem der einzige Beschwerdeführer, der in erster Instanz Einsprechender war, seine Beschwerde zurückgenommen hat (G 7/91, ABl. EPA 1993, 346).
Die Heranziehung eines Einspruchsgrundes ist jedoch keine Verfahrenshandlung. Ein Einspruchsgrund bildet die Grundlage für die Argumentation des Einsprechenden und ist Teil seines Vorbringens. Die Große Beschwerdekammer hat in der Sache G 10/91 (supra) entschieden, dass die in der Einspruchsschrift enthaltene Erklärung nach Regel 55 c) EPÜ den rechtlichen und faktischen Rahmen festlegt, innerhalb dessen die materiellrechtliche Prüfung des Einspruchs grundsätzlich durchzuführen ist. Ein neuer Einspruchsgrund, der von der Erklärung nach Regel 55 c) EPÜ nicht umfasst wird, würde diesen Rahmen erweitern und dürfte deshalb in der Beschwerdephase nicht ohne Zustimmung des Patentinhabers in das Verfahren eingeführt werden. Diese Einschränkung des in Artikel 114 (1) EPÜ verankerten Amtsermittlungsgrundsatzes gilt jedoch nur für neue Einspruchsgründe. Ein Grund, der schon in der Erklärung nach Regel 55 c) EPÜ enthalten war, kann definitionsgemäß nicht außerhalb des rechtlichen und faktischen Prüfungsrahmens liegen und kann daher nicht neu sein. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Einsprechende den Einspruchsgrund vor der Einspruchsabteilung möglicherweise nicht aufrechterhalten oder weiter verfolgt hat.
Ob in einem solchen Fall der Einspruchsgrund im Beschwerdeverfahren ohne Zustimmung des Patentinhabers wiederaufgenommen werden darf, wurde in der Entscheidung T 520/01 vom 29. Oktober 2003 (nicht im ABl. EPA veröffentlicht) von der weitergehenden Forderung abhängig gemacht, dass die Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung zu diesem Einspruchsgrund Stellung genommen hat. Im vorliegenden Fall enthält die angefochtene Entscheidung in Punkt 2 der Gründe eine entsprechende Stellungnahme, sodass auch gemäß der Entscheidung T 520/01 einer Wiedereinführung des fraglichen Einspruchsgrunds nichts im Wege steht.
Weiterhin ist es unerheblich, ob ein von der Beschwerdekammer wieder aufgegriffener Einspruchsgrund in der Beschwerdebegründung erwähnt worden ist oder nicht. Denn auch hier greift der Amtsermittlungsgrundsatz: Das Europäische Patentamt ist weder auf das Vorbringen noch auf die Anträge (Englisch: "facts, evidence and arguments") der Beteiligten beschränkt (Artikel 114 (1) EPÜ).
Nichts anderes besagt die von der Beschwerdegegnerin zitierte Entscheidung T 274/95 (supra). In diesem Fall befand die Kammer, dass sie ohne das Einverständnis des Patentinhabers in Ausübung ihres Ermessens einen Einspruchsgrund, der nicht neu war, prüfen und darüber befinden konnte. Weitere Bedingungen wurden nicht gestellt. Insbesondere die Frage, ob der Einsprechende oder die Beschwerdekammer den Einspruchsgrund wieder aufgreift, spielt in der Sache T 274/95 keine Rolle.
Im vorliegenden Fall kann die Kammer somit auch ohne Einwilligung der Beschwerdegegnerin auf den Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 c) EPÜ sachlich eingehen.
5. Der Vollständigkeit halber soll erwähnt werden, dass nach Ansicht der Kammer die Beschwerdeführerin auch nie auf den Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ verzichten wollte. Die Beschwerdegegnerin hat sich vor allem auf den folgenden Absatz in der Entscheidung (Punkt 2) gestützt, in dem das Merkmal "sodass der Abstand jedes der Anschlusspunkte zur Mitte der Grundfläche geringer als zum Rand der Grundfläche ist" behandelt wird:
"Eine unzulässige Erweiterung liegt also wegen dieses Merkmals nicht vor. Ein diesbezüglicher Einwand wurde auch von der Einsprechenden zu Beginn der mündlichen Verhandlung am 16.03.2001 zurückgezogen".
Es geht hier offensichtlich um einen Einwand nur gegen dieses Merkmal. Nichts deutet darauf, dass der Einspruchsgrund der unzulässigen Erweiterung als solcher zurückgezogen werden sollte. So hat die Einspruchsabteilung die Erklärung der Beschwerdeführerin offensichtlich auch nicht verstanden, denn sonst hätte sie die Frage der Stützung dieses Merkmals nicht entscheiden müssen. Außerdem hat sie den damaligen Hauptantrag auf Grund einer unzulässigen Erweiterung des Patentgegenstandes (bezüglich eines anderen Merkmals) zurückgewiesen (Entscheidung, Punkt 3). Auch die zitierte Protokollpassage scheint eher anzudeuten, dass die Einsprechende mangels Erfolgsaussicht bei der Einspruchsabteilung den Schwerpunkt ihrer Argumentation auf das Bestreiten der erfinderischen Tätigkeit verlagert hat.
6. Es bleibt somit zu prüfen, ob der Gegenstand des Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht.
Sowohl der Hauptantrag als auch der erste Hilfsantrag der Beschwerdegegnerin enthält das Merkmal "sodass der Abstand jedes der Anschlusspunkte zur Mitte der Grundfläche geringer als zum Rand der Grundfläche ist". Ursprünglich offenbart ist es in dieser Form nicht. In den ursprünglich eingereichten Unterlagen wird lediglich ausgeführt, dass die Anschlusspunkte "in einem inneren Bereich der Fläche" (Anspruch 1) oder "im Zentrum der Schaltkreisfläche" angeordnet sind (Spalte 8, Zeilen 48 bis 53). Der "Randbereich der Chipfläche" ist explizit ausgeschlossen (Spalte 8, Zeilen 41 bis 47). In den einschlägigen Figuren (11 und 12) liegen die Anschlusspunkte sehr zentral auf der Fläche.
Gemeinsam für diese in der Anmeldung gemachten Angaben ist, dass sie einen ungenauen Bereich definieren. Der Anspruch des erteilten Patents dagegen enthält eine geometrisch exakte Festlegung dieses Bereichs. Die dafür gewählte Formulierung mag ein Versuch zur Umschreibung des Begriffs "Zentrum" sein. Dennoch ist sie den ursprünglichen Anmeldeunterlagen nicht zu entnehmen. Insbesondere ergibt sich ein Trägerelement mit einem IC-Baustein, dessen Anschlusspunkte gleich weit entfernt von der Mitte und dem Rand der Grundfläche liegen, gemäß dem erteilten Patentanspruch als Grenzfall; von der Patentanmeldung wäre dieser Fall jedoch nicht neuheitsschädlich vorweggenommen. Die Änderung besteht somit nicht den so genannten "Neuheitstest".
Die Beschwerdegegnerin hat mit Hinweis auf die Beschreibung geltend gemacht, dass der Fachmann unter Berücksichtigung der dort erwähnten Aufgaben und Vorteile verstehen würde, wie das Wort "Zentrum" gemeint sei. Die Beschwerdeführerin argumentiert dagegen, dass die im erteilten Patentanspruch präzisierte Anordnung der Anschlusspunkte eine nicht offenbarte "Auswahl" darstelle. Die Kammer muss hier der Beschwerdeführerin Recht geben. Der Fachmann entnimmt der Beschreibung lediglich, dass eine allgemein zentrale Anordnung der Anschlusspunkte vorteilhaft sei. Wie zentral genau, bleibt dort offen. Somit kann die ursprüngliche Offenbarung den Fachmann nicht unmittelbar und zweifelsfrei zu dem beanspruchten präzisen Lagebereich der Anschlusspunkte führen.
Der Hauptantrag und der erste Hilfsantrag der Beschwerdegegnerin sind daher wegen unzulässiger Erweiterung des Patentgegenstandes nicht gewährbar (Artikel 100 c) EPÜ).
7. Gemäß dem zweiten Hilfsantrag der Beschwerdegegnerin ist das fragliche Merkmal gestrichen. Die Beschwerdegegnerin hat dazu vorgetragen, der Schutzbereich werde dadurch nicht erweitert, da das Merkmal durch das Wort "sodass" eingeführt werde und deshalb lediglich eine Folge der vorausgehenden Merkmale darstelle.
Die Kammer vermag sich dieser Ansicht nicht anzuschließen. Es ist zwar richtig, dass gemäß den verbleibenden Merkmalen des Anspruchs die Anschlusspunkte "in einem inneren Bereich" der Fläche liegen sollen. Damit bleibt wohl der in der Beschreibung erwähnte Randbereich nach wie vor ausgeschlossen. Jedoch gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der "innere Bereich" sich genau bis zur Mitte der Grundfläche erstreckt. Es wäre z. B. durchaus denkbar, dass der genannte Ausdruck die ganze Fläche außer dem in der Beschreibung erwähnten "Randbereich" bezeichnen soll. Die Streichung des Merkmals führt also zu einer Erweiterung des Schutzbereiches gegenüber dem erteilten Anspruch und damit zu einem Verstoß gegen Artikel 123 (3) EPÜ.
Es ergibt sich somit, dass auch der zweite und letzte Hilfsantrag der Beschwerdegegnerin nicht gewährbar ist (Artikel 123 (3) EPÜ).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.