T 0762/04 (Monomere und Stabilisatoren enthaltende Mischungen/CHEMTURA) 15-11-2007
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Mischungen, enthaltend Monomere und Stabilisatoren
Neuheit (ja) - Kombination nicht offenbart - mehrfache Auswahl - Beweislast für Neuheitsschädlichkeit beim Einsprechenden
Undeutlichkeit (nicht zugelassen) - gerügte Merkmale in den erteilten Ansprüchen enthalten
Ausführbarkeit (ja) - funktionelles Merkmal einer wirksamen Menge erfordert keinen unzumutbaren Aufwand - Patentschrift enthält ausreichend konkrete technische Lehre
Sachverhalt und Anträge
I. Die am 4. Juni 2004 eingegangene Beschwerde des Beschwerdeführers (Patentinhaber) richtet sich gegen die am 25. März 2004 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit welcher das europäische Patent Nr. 906 257 widerrufen wurde.
II. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung war das Streitpatent in seinem gesamten Umfang wegen mangelnder Neuheit und erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 (a) EPÜ) und mangelnder Ausführbarkeit (Artikel 100 (b) EPÜ) angegriffen worden. Im Einspruchsverfahren wurden unter anderem die folgenden Druckschriften angezogen:
(1) US-A-5 254 760,
(2) EP-A-0 581 737,
(3) EP-B-0 581 737 und
(14) WO-A-96 29 311.
III. Die Einspruchsabteilung stellte in der angefochtenen Entscheidung fest, dass der Hauptantrag nicht ausführbar sei. Der Hilfsantrag sei zwar ausführbar, jedoch gegenüber der Druckschrift (14), die einen Stand der Technik nach Artikel 54 (3) und (4) EPÜ darstelle, nicht neu. Die Druckschrift (14) offenbare auf Seite 10, Zeile 14 bis Seite 11, Zeile 2 und auf Seite 13, Zeilen 1 bis 9 Mischungen enthaltend 0,0999 bis 99,98 Gew.-%, bezogen auf die Stabilisatormischung, einer N-Oxyl-Verbindung der Formeln (Ia) oder (Ib) und 99,990 bis 0,19 Gew.-%, bezogen auf die Stabilisatormischung, einer aromatischen Nitroverbindung der allgemeinen Formel (III), die sich in vorteilhafter Weise zur Stabilisierung von radikalisch polymerisierenden Monomeren, wie beispielsweise Styrol, eigneten. Somit nehme die Druckschrift (14) die Neuheit des Gegenstandes des Hilfsantrages vorweg.
IV. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 15. November 2007 reichte der Beschwerdeführer einen neuen Hauptantrag ein. Er begehrte die Aufrechterhaltung des Patentes auf dieser Grundlage oder auf Grundlage der am 6. November 2007 eingereichten Anträge, die in Hilfsanträge 1 bis 3 umbenannt wurden. Anspruch 1 des Hauptantrages lautete:
"1. Stoffmischungen enthaltend
(a) vinylgruppenhaltige Monomere,
(b) eine wirksame Menge einer, die vorzeitige Polymerisation der vinylgruppenhaltigen Monomeren während deren Reinigung oder Destillation inhibierende Mischung, enthaltend,
i) 0,05 bis 4,5 Gew.-%, bezogen auf die Gesamtmischung (b), mindestens einer N-Oxyl-Verbindung eines sekundären Amins, welches keine Wasserstoffatome an den alpha-C-Atomen trägt, sowie
(ii) 99,95 bis 95,5 Gew.-%, bezogen auf die Gesamtmischung (b), mindestens eine aromatische Nitroverbindung der Formel (III)
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
worin R**(l6), R**(l7), R**(18) und R**(19) unabhängig voneinander jeweils Wasserstoff,C1-C6-Alkyl, Halogen oder einen Rest der Formel CN, SCN, NCO, OH, NO2, COOH, CHO, SO2H oder SO3H bedeuten, mit der Maßgabe, dass mindestens einer der Reste R**(16), R**(17), R**(18) und R**(19) jeweils eine Nitrogruppe, eine Hydroxygruppe und eine C1-C6-Alkylgruppe ist, und der aromatische Ring zusätzlich noch benzoanelliert sein kann."
V. Der Beschwerdeführer trug vor, dass der Hauptantrag zwar formell verspätet sei, gleichwohl seien die vorgenommenen Änderungen lediglich eine Folge der Diskussion in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gehe nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus, da er durch die ursprünglichen Ansprüche 1, 7 und 8 gestützt sei.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei neu gegenüber der Offenbarung der Druckschrift (14), da diese Druckschrift nicht alle beanspruchten Merkmale in Kombination offenbare. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei auch neu gegenüber der Offenbarung der Druckschriften (1) bis (3), da die in diesen Druckschriften beschriebenen Stabilisatormischungen mit 5 bis 95 Gew.-% bzw. 95 bis 5 Gew.-% höhere Anteile an N-Oxyl- bzw. niedrigere Anteile an Nitroverbindungen enthielten. Diese Mengen seien unterscheidbar, z.B. durch chromatographische Methoden wie Gaschromatographie oder Massenspektrometrie. Der Beschwerdeführer trug zusätzlich vor, dass nicht er als Patentinhaber die Beweislast für die Neuheit des Patentgegenstandes trage, sondern vielmehr der beschwerdegegnerische Einsprechende für die Neuheitsschädlichkeit der Druckschriften (1) bis (3) beweispflichtig sei.
Da die vom Beschwerdegegner gerügten Unklarheiten nicht auf die im Einspruch(beschwerde)verfahren vorgenommenen Änderungen zurückgingen, sollte auf die Erfordernisse des Artikels 84 EPU in diesem Verfahren nicht eingegangen werden, da Artikel 84 EPÜ kein Einspruchsgrund nach Artikel 100 EPÜ darstelle. Die Ansprüche seien sowieso deutlich, da es keinen Widerspruch zwischen den Begriffen "vinylgruppenhaltig" und "sekundäres Amin" gemäß Anspruch 1 einerseits und den Formeln Ia und II gemäß den Ansprüchen 3 bzw. 5 andererseits gäbe.
Die Erfindung sei im gesamten beanspruchten Bereich ausführbar. Die "wirksame Menge" der inhibierenden Mischung könne vom Fachmann routinemässig ermittelt werden, insbesondere in Anbetracht der auf Seite 10, Zeilen 56 bis 57 der vorliegenden Patentschrift angegebenen Konzentrationsangaben.
VI. Der Beschwerdegegner (Einsprechender) argumentierte, dass der Hauptantrag verspätet sei und nicht zugelassen werden sollte.
Der Anspruch 1 erfülle die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ nicht, da die Kombination der Gegenstände der Ansprüchen 7 und 8 ursprünglich nicht offenbart sei. Vor allem sei der ursprüngliche Anspruch 8 nur vom Anspruch 1 abhängig und Anspruch 1 enthalte keine allgemeine Formel (III).
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht neu gegenüber der Offenbarung der Druckschrift (14), da diese Druckschrift Mischungen enthaltend 0,0999 bis 99,98 Gew.-%, bezogen auf die Stabilisatormischung, einer N-Oxyl-Verbindung der Formel (Ia) oder (Ib) und 99,990 bis 0,19 Gew.-%, bezogen auf die Stabilisatormischung, einer aromatischen Nitro- oder Nitrosoverbindung oder einem substituiertem Phenol als Costabilisator zur Stabilisierung von radikalisch polymerisierenden Monomeren offenbare (siehe Seite 13, Zeilen 1 bis 9). Die N-Oxyl-Verbindungen der Formel (Ia) und (Ib) seien N-Oxyl-Verbindungen eines sekundären Amins gemäß geltenden Anspruch 1. Die vier Nitro-/Hydroxy-/Alkyl-substituierten Verbindungen auf Seite 11, Zeilen 8 bis 11 seien Verbindungen der Formel (III) gemäß geltenden Anspruch 1 und könnten als Costabilisator eingesetzt werden. Styrol oder Acrylsäure aus den Beispielen 6 bzw. 7 seien vinylgruppenhaltige Monomere gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 und könnten als Monomer eingesetzt werden.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei gegenüber der Offenbarung der Druckschriften (1) bis (3) nicht neu, da die im Anspruch 1 angegebenen Gewichtsangaben von 4,5 und 95,5% der Komponenten (i) bzw. (ii) in der Praxis nicht von den Angaben 5 bzw. 95% gemäß den Druckschriften (1) bis (3) unterscheidbar seien.
Die Ansprüche erfüllten die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht, da es Widersprüche zwischen den Begriffen "vinylgruppenhaltig" und "sekundäres Amin" gemäß Anspruch 1 einerseits und den Formeln Ia und II gemäß den Ansprüchen 3 bzw. 5 andererseits gäbe.
Die Erfindung sei nicht ausführbar, da das Merkmal "eine wirksame Menge" den Fachmann vor einen unzumutbaren Aufwand stelle. Darüber hinaus gäbe es Zweifel an der Ausführbarkeit der Erfindung im gesamten beanspruchten Bereich, da die Erfindung lediglich mit einer N-Oxyl-Verbindung eines Piperidins und mit Styrol konkret ausgeführt worden sei, wohingegen der Anspruch 1 Mischungen enthaltend eine N-Oxyl-Verbindung eines beliebigen sekundären Amins und der Anspruch 3 Monomere, die nach üblichem Nomenklaturgebrauch keine vinylhaltigen Verbindungen seien, umfasse.
VII. Der Beschwerdegegner beantragte am 31. Oktober 2007 die Namensänderung der Firma Crompton Corporation, die den Einspruch eingereicht hatte, in Chemtura Corporation und reichte gleichzeitig eine Urkunde vom 1. Juli 2005 ein, aus der diese Namensänderung hervorgeht. Durch Mitteilung vom 13. November 2007 des Europäischen Patentamtes wurden die Parteien von der vorgenommene Namensänderung in Kenntnis gesetzt.
VIII. Der Beschwerdeführer beantragte, die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patentes auf Basis des während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten Hauptantrages oder auf Basis der am 6. November 2007 eingereichten Anträge, die als Hilfsanträge 1 bis 3 beibehalten wurden.
Der Beschwerdegegner beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen.
IX. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Hauptantrag
2. Zulässigkeit
2.1 Der Beschwerdeführer reichte den Hauptantrag während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ein. Die vorgenommenen Änderungen tragen lediglich der in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer geführten Diskussion Rechnung.
2.2 Die Stellung dieses Antrages in diesem späten Verfahrensstadium wird von der Kammer weder als verfahrensmissbräuchlich noch sonst als unangemessen verspätet erachtet, da es sich erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer ergab, dass der Neuheitseinwand des Beschwerdegegners wohl nicht durchgreift und damit der Disclaimer in Anspruch 1 der bis dahin geltenden Anträge gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstößt (siehe Punkte 3 und 4 unten). Darüber hinaus wurde der geltende Hauptantrag bereits als Hilfsantrag vor der Einspruchsabteilung vorgelegt. Somit kann dem beschwerdegegnerischen Einsprechenden eine Stellungnahme zu diesem Antrag auch in diesem späten Verfahrensstadium zugemutet werden, da dieser mit diesem Antrag vertraut ist, so dass für ihn hierdurch keine überraschend neuartige Sachlage entsteht. Aus diesen Gründen übt die Kammer ihr Ermessen pflichtgemäß dahingehend aus, den Hauptantrag in das Verfahren zuzulassen.
3. Änderungen (Artikel 123 EPÜ)
3.1 Die in den erteilten Anspruch 1 eingeführte allgemeine Formel (III) mit den Definitionen der Substituenten R**(l6), R**(l7), R**(18) und R**(19) finden ihre Stütze in den Ansprüchen 7 und 8 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung. Im ursprünglichen Anspruch 7 werden Stoffmischungen nach den Ansprüchen 1 bis 6 beansprucht, welche als Komponente (ii) mindestens eine Nitroverbindung der allgemeinen Formel (III) mit den Substituenten R**(l6), R**(l7), R**(18) und R**(19) enthalten. Im ursprünglichen Anspruch 8 werden Stoffmischungen nach dem Anspruch 1 beansprucht, welche mindestens eine Nitroverbindung der allgemeinen Formel (III), worin mindestens einer der Reste R**(16), R**(17), R**(18) und R**(19) jeweils eine Nitrogruppe, eine Hydroxygruppe und eine C1-C6-Alkylgruppe ist, enthalten. Der erteilte Anspruch 1 bezieht sich auf Stoffmischungen enthaltend mindestens eine Nitroverbindung, ohne die allgemeine Formel (III) anzugeben.
3.2 Zwar enthält Anspruch 8 formell lediglich einen Rückbezug auf Anspruch 1 und nicht auf Anspruch 7, jedoch bezieht er sich gleichwohl allein auf Nitroverbindungen der Formel (III) und deren Substituenten R**(l6), R**(l7), R**(18) und R**(19). Da die Formel (III) und die Substituenten R**(l6), R**(l7), R**(18) und R**(19) in den ursprünglichen Ansprüchen ausschließlich in Anspruch 7 definiert werden, kann kein Zweifel daran bestehen, dass notwendigerweise eine kombinatorische Offenbarung des Inhaltes der Ansprüche 7 und 8 besteht. Aus diesen Gründen können die Rügen des Beschwerdegegners, dass die Kombination der Gegenstände der ursprünglichen Ansprüchen 7 und 8 nicht offenbart sei, nicht durchgreifen.
3.3 Die Abänderung des erteilten Anspruchs 1 beschränkt den beanspruchten Gegenstand, wodurch der Schutzbereich des Streitpatentes im Vergleich zur erteilten Fassung nicht erweitert wird.
3.4 Der geltende Anspruchssatz erfüllt demzufolge alle Voraussetzungen des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ.
4. Neuheit
4.1 Der Beschwerdeführer hat die Druckschrift (14) gegen die Neuheit des Erfindungsgegenstandes angezogen. Dass jene Druckschrift Stand der Technik gemäß Artikel 54 (3) und (4) EPÜ darstellt, ist nicht bestritten worden.
4.2 Der Offenbarungsgehalt einer Druckschrift wird durch das festgelegt, was ihr unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist. Daher können gemäß ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern zur Ermittlung des Offenbarungsgehaltes einer Druckschrift auch nicht einzelne Teile daraus miteinander kombiniert werden, welche von ihr selbst nicht direkt miteinander verknüpft sind.
4.3 Die Offenbarung auf Seite 13, Zeilen 1 bis 9 der Druckschrift (14), welche der Beschwerdegegner für seinen Neuheitseinwand angezogen hat, betrifft den Einsatz der patentgemäßen N-Oxyl-Verbindungen zur Stabilisierung im Falle der Destillation von radikalisch polymerisierbaren Monomeren, ohne die Monomere wie im Streitpatent als vinylgruppenhaltig zu kennzeichnen. Dieser Absatz der Druckschrift (14) offenbart zwei Alternativen, einerseits den alleinigen Einsatz der N-Oxyl-Verbindung als Stabilisator (Seite 13, Zeile 4) und andererseits in Kombination mit einem Costabilisator (Seite 13, Zeilen 6 bis 9). Als Costabilisatoren werden drei unterschiedliche Verbindungstypen genannt, darunter auch aromatische Nitroverbindungen wie im Streitpatent. Um zu den Mischungen des Streitpatentes zu gelangen, bedarf es zuerst der Auswahl der offenbarten Alternative der Verwendung einer Mischung aus N-Oxyl-Verbindung und Costabilisator, dann der Auswahl der Nitroverbindungen aus den angegebenen drei Alternativen für Costabilisatoren, anschließend der weiteren Auswahl von bestimmten patentgemäßen Nitroverbindungen aus der Liste auf Seite 10, Zeile 43 bis Seite 11, Zeile 11 und schließendlich der Auswahl von bestimmten vinylgruppenhaltigen Monomeren aus den auf Seite 10, Zeilen 14 bis 34 aufgezählten radikalisch polymerisierbaren Monomeren.
4.4 Die vom Beschwerdegegner als neuheitsschädlich angezogenen Stoffmischungen entspringen somit einer speziellen Merkmalskombination, die sich erst durch mehrfache Auswahl eines Merkmals aus den zahlreichen oben angegebenen Alternativen und Listen ergibt. Nachdem die Druckschrift (14) keinen Hinweis auf diese kombinatorische Auswahl der Merkmale enthält, erschließt sich dem Fachmann nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern diese spezielle Merkmalskombination nicht unmittelbar und eindeutig aus dem Offenbarungsgehalt dieser Druckschrift. Folglich sind diese bestimmten Stoffmischungen, mit der die Neuheit des Patentgegenstandes angegriffen wird, in Druckschrift (14) nicht differenziert offenbart.
4.5 Vollständigkeitshalber stellt die Kammer fest, dass auch die Offenbarung des Beispiels 6 der Druckschrift (14) nicht die Neuheit des geltenden Anspruchsgegenstandes vorwegnimmt. Dieses Beispiel offenbart zwar eine Mischung aus Styrol, 120 ppm eine N-Oxyl-Verbindung eines sekundären Amins und 240 ppm 2,4-Dinitro-sec-butylphenol, die Menge der letzteren beiden Komponenten beträgt jedoch 33,33 bzw. 66,66 Gew.-%. Dieses Mengenverhältnis fällt nicht unter den Bereich von 0,05 bis 4,5 bzw. 99,95 bis 95,5 Gew.-% gemäß Anspruch 1 des Streitpatentes.
4.6 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass die Druckschrift (14) dem Streitpatent nicht neuheitsschädlich entgegensteht.
4.7 Der Beschwerdegegner hat des weiteren die Druckschriften (1) bis (3) gegen die Neuheit des Erfindungsgegenstandes angezogen. Diese drei Druckschriften enthalten die gleiche Offenbarung hinsichtlich des Gewichtsverhältnisses der N-Oxyl-Verbindung zur Nitroverbindung.
Diese Druckschriften offenbaren Zusammensetzungen, umfassend eine vinylaromatische Verbindung und ein Gemisch einer Nitroxylverbindung, die den N-Oxyl-Verbindungen eines sekundären Amins des vorliegenden Anspruchs 1 entsprechen, und aromatischer Nitroverbindungen (siehe z.B. Druckschrift (1), Ansprüche 1 und 9).
Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist neu gegenüber der Offenbarung der Druckschriften (1) bis (3), da die in diesen Druckschriften beschriebenen Stabilisatorgemische höhere Anteile an N-Oxyl-Verbindungen und niedrigere Anteile an Nitroverbindungen als die Mischungen gemäß Streitpatent enthalten, nämlich 5 bis 95 bzw. 95 bis 5 Gew.-% anstatt 0,05 bis 4,5 bzw. 99,95 bis 95,5 Gew.-%.
4.8 Der Beschwerdegegner behauptete, dass in der Praxis die beanspruchten Grenzgewichtsangaben von 4,5 und 95,5% nicht von den Grenzgewichtsangaben 5 bzw. 95% der Druckschriften (1) bis (3) unterscheidbar seien, da im ppm-Bereich diese Gewichtsunterschiede nicht messbar seien. Der Beschwerdeführer bestritt diese Behauptung und entgegnete, dass diese Gewichtsangaben sehr wohl messtechnisch unterscheidbar seien, z.B. durch Gaschromatographie oder Massenspektrometrie.
Beide Parteien haben im Beschwerdeverfahren divergierende Auffassungen zu der entscheidungserheblichen Frage vertreten, wer von beiden im vorliegenden Fall die Beweislast trägt, ob die Gemische gemäß den Druckschriften (1) bis (3) nun hinsichtlich der Gewichtsverhältnisse der Komponenten (i) und (ii) unterscheidbar zu den streitgegenständlichen Mischungen seien oder nicht.
Nicht er als Patentinhaber, so der Beschwerdeführer, trage die Beweislast für die Neuheit des Patentgegenstandes, sondern der beschwerdegegnerische Einsprechende sei für die Neuheitsschädlichkeit der Druckschriften (1) bis (3) beweispflichtig. Der Beschwerdegegner sei seiner Beweispflicht jedoch nicht nachgekommen. Bei geänderten Ansprüchen, so der Beschwerdegegner, finde im vorliegenden Fall eine Beweislastumkehr zu seinen Gunsten als Einsprechender statt, so dass der beschwerdeführende Patentinhaber für die Neuheit dieser geänderten Ansprüche Beweis antreten müsse.
4.8.1 Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern reicht es in einem Einspruchs(beschwerde)verfahren nicht aus, wenn der Einsprechende ein erteiltes Patent mit einer nicht belegbaren Behauptung angreift. Stellen die Parteien entgegengesetzte Tatsachenbehauptungen auf und kann der Sachverhalt von Amts wegen nicht aufgeklärt werden, so geht es zu Lasten des angreifenden Einsprechenden, wenn er seine Behauptung, welche die Patentfähigkeit erschüttern würde, nicht zu belegen vermag. Daher kann eine solche Behauptung nur als unbewiesene Vermutung behandelt werden, die der Patentfähigkeit des erteilten Patents im Ergebnis nicht entgegenzustehen vermag. Diese Beweispflicht gilt insbesondere, wenn der Einsprechende Einwände gegen die Neuheit des Patents erhebt (siehe Entscheidungen T 219/83, Punkt 12 der Entscheidungsgründe, ABl. EPA 1986, 211; T 525/90, Punkte 3.2 und 4 der Entscheidungsgründe; T 954/93, Punkt 7.6 der Entscheidungsgründe; T 506/99, Punkte 3.5.1 der Entscheidungsgründe, letzteren drei nicht veröffentlicht im ABl. EPA).
4.8.2 Im vorliegenden Fall greift der beschwerdegegnerische Einsprechende die Neuheit des Streitpatentes mit der Behauptung der Neuheitsschädlichkeit der Druckschriften (1) bis (3) an. Er stellt dafür die Tatsachenbehauptung auf, dass die beanspruchten Grenzgewichtsangaben von 4,5 und 95,5% der Komponenten (i) bzw. (ii) in der Praxis nicht von den Grenzgewichtsangaben 5 bzw. 95% Gew.-% der Druckschriften (1) bis (3) unterscheidbar seien, so dass die Gewichtsverhältnisse gemäß den Druckschriften (1) bis (3) mit den beanspruchten Gewichtsverhältnissen des Streitpatentes überlappten. Der beschwerdeführende Patentinhaber tritt dieser Behauptung zwar mit dem Hinweis auf die Gaschromatographie und die Massenspektrometrie entgegen, der Sachverhalt kann jedoch von Amts wegen nicht aufgeklärt werden. Somit kann die Behauptung des beschwerdegegnerischen Einsprechenden, die im Anspruch 1 angegebenen Gewichtsangaben von 4,5 und 95,5% seien nicht von den Angaben 5 bzw. 95% gemäß den Druckschriften (1) bis (3) unterscheidbar, mit der Folge, dass die in dieser Entgegenhaltung offenbarte Mischungen die beanspruchten Mischungen neuheitsschädlich vorwegnehme, nur als unbewiesene Vermutung behandelt werden, welche die Neuheit des Streitpatentes nicht zu zerstören vermag.
4.8.3 Auch die Tatsache, dass im vorliegenden Fall geänderte Ansprüche vorliegen, ändert nichts an der Beweislast des beschwerdegegnerischen Einsprechenden, schon aus dem einfachen Grund, dass die angegriffenen Mengenbereiche aus dem erteilten Anspruch 1 unverändert in den geltenden Anspruch 1 übernommen sind.
Im Einspruchs(beschwerde)verfahren ist es Aufgabe des Einsprechenden seine Rügen, hier der mangelnden Neuheit, zu substantiieren und gegebenenfalls mit Beweismittel ausreichend zu belegen. Die Pflicht zur Substantiierung der Neuheitsrüge wird nicht wegen einer beliebigen Anspruchsänderung durch den Patentinhaber obsolet, erst recht nicht wenn, wie im vorliegenden Fall, die vorgenommene Einschränkung noch nicht einmal der Abgrenzung vom entgegengehaltenen Stand der Technik dient.
Aus diesen Gründen folgt die Kammer dem Vorbringen des Beschwerdegegners, im vorliegenden Fall die Beweislast von ihm als Einsprechendem auf den Patentinhaber zu verschieben, nicht.
4.9 Zusammenfassend fehlt es den Druckschriften (1) bis (3) folglich an der notwendigen zahlenmäßigen Offenbarung der Gewichtsverhältnisse der Komponenten (i) bzw. (ii) der beanspruchten Mischungen, wie sie Anspruch 1 des Streitpatentes fordert, so dass diese Druckschriften den beanspruchten Gegenstand nicht neuheitsschädlich vorwegnehmen.
4.10 Die Kammer kommt aus den oben angeführten Gründen zu dem Ergebnis, dass der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs 1 des Hauptantrages nicht zum Stand der Technik gehört und somit neu im Sinne von Artikel 52 (1) und 54 EPÜ ist.
Die weiteren Ansprüche 2 bis 11 des Hauptantrages beziehen sich auf Anspruch 1 und sind daher ebenso neu.
5. Deutlichkeit der Ansprüche (Artikel 84 EPÜ)
5.1 Der Beschwerdegegner vertrat den Standpunkt, dass die Ansprüche die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht erfüllten, da es Widersprüche zwischen den Begriffen "vinylgruppenhaltig" und "sekundäres Amin" gemäß Anspruch 1 einerseits und den Formeln Ia und II gemäß den Ansprüchen 3 bzw. 5 andererseits gäbe.
5.2 Wenn auch Artikel 84 EPÜ nicht als Einspruchsgrund im Sinne von Artikel 100 EPÜ geltend gemacht werden kann, so verlangt Artikel 102 (3) EPÜ im Falle von Änderungen am Patent im Einspruchsverfahren gleichwohl, dass das Patent und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen dieses Übereinkommens genügen. Gemäß ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern erfordert dies auch die Prüfung, ob es durch die Änderungen zu einem Verstoß gegen den Artikel 84 EPÜ kommt. Artikel 102 (3) EPU lässt jedoch keine auf Artikel 84 EPÜ gestützten Einwände zu, die nicht auf diese Änderungen zurückgehen (siehe Entscheidung T 301/87, ABl. EPA 1990, 335, Punkt 3 der Entscheidungsgründe).
5.3 Im vorliegenden Fall enthielten die erteilten Ansprüche alle gerügten Merkmale, also die Begriffe "vinylgruppenhaltig" und "sekundäres Amin" im erteilten Anspruch 1 einerseits und die Formeln Ia und II in den erteilten Ansprüchen 3 bzw. 5 andererseits.
5.4 Nachdem alle diese Merkmale bereits in den erteilten Patentansprüchen enthalten waren und die im Einspruchs(beschwerde)verfahren vorgenommenen Änderungen (siehe Punkt 3.1 oben) diese Merkmale nicht tangieren, sind diese einem Einwand nach Artikel 84 EPÜ entzogen.
6. Ausführbarkeit (Artikel 100 b) EPÜ)
6.1 Der Beschwerdegegner argumentierte, die Erfindung sei nicht ausführbar, da das Merkmal "eine wirksame Menge" den Fachmann vor einen unzumutbaren Aufwand stelle.
6.1.1 Gemäß Artikel 83 EPÜ ist die Erfindung so deutlich und vollständig zu offenbaren, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist diese Vorschrift so zu verstehen, dass der im Anspruch definierte Gegenstand anhand der Lehre der Patentschrift und unter Mithilfe des allgemeinen Fachwissens ohne unzumutbaren Aufwand, wozu auch die Durchführung üblicher Versuche gehört, vollständig ausführbar sein muss. Dies gilt auch, wenn der Gegenstand anhand funktioneller Merkmale definiert wird (siehe z.B. T 68/85, ABl. EPA 1987, 228). Im vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die Patentschrift, gegebenenfalls zusammen mit dem Fachwissen, ausreichende Informationen über das funktionelle Merkmal "eine wirksame Menge" liefern muss, nämlich über die Menge der Stabilisatorenmischung, die notwendig ist, um die vorzeitige Polymerisation der vinylgruppenhaltigen Monomere während deren Reinigung oder Destillation zu inhibieren.
6.2 Auf Seite 10, Zeilen 55 bis 57 der Streitpatentschrift werden Mengenbereiche von 0,0002 bis 5 Gew.%, bevorzugt 0,0005 bis 0,5 Gew. % angegeben, die diese "wirksame Menge" verdeutlichen. Darüber hinaus enthält die Streitpatentschrift mehrere Beispiele, die dem Fachmann detaillierte Anleitung geben, wie die Erfindung auszuführen ist. Die Streitpatentschrift enthält daher ausreichende Angaben, anhand derer der Fachmann die Erfindung ohne unzumutbaren Aufwand im gesamten Bereich ausführen kann. Außerdem ist die Ermittlung einer wirksamen polymerisations-inhibierenden Menge für den Fachmann lediglich die Frage von Routineversuchen. Der Beschwerdegegner hat nicht substantiiert, weshalb der Fachmann dabei auf ernsthafte Schwierigkeiten stoßen sollte, geschweige denn, dass ein unzumutbarer Aufwand damit verbunden wäre. Aus diesen Gründen kann das Vorbringen des Beschwerdegegners die Kammer nicht überzeugen.
6.3 Der Beschwerdegegner rügte weiterhin, dass wegen angeblicher Unklarheiten, die aus Widersprüchen zwischen dem Anspruch 1 einerseits und den Ansprüchen 3 und 5 andererseits entstünden, die Erfindung nicht im gesamten Bereich ausführbar sei.
Diese Rüge ist jedoch tatsächlich ein Einwand unter Artikel 84 EPÜ - Deutlichkeit - , der nicht zulässig ist (siehe Punkt 5 oben).
6.4 Der Beschwerdegegner war auch der Auffassung, dass es Zweifel an der Ausführbarkeit der Erfindung im gesamten beanspruchten Bereich gebe, da die Erfindung lediglich mit einer N-Oxyl-Verbindung eines Piperidins und mit Styrol konkret ausgeführt worden sei, wohingegen der Anspruch 1 Stoffmischungen enthaltend eine N-Oxyl-Verbindung eines beliebigen sekundären Amins und der Anspruch 3 Stoffmischungen enthaltend Monomere, die nach üblichem Nomenklaturgebrauch keine vinylhaltige Verbindungen seien, umfasse.
6.4.1 Für diese Behauptung ist indessen der Beschwerdegegner beweispflichtig (siehe Punkt 4.8.1 oben). Er brachte jedoch weder Tatsachen noch Beweismittel hierfür vor, mit der Konsequenz, dass seine Behauptung, die Erfindung sei nicht im gesamten beanspruchten Bereich ausführbar, nur als unbewiesene Vermutung angesehen werden kann.
6.5 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Einspruchsgrund der mangelnden Ausführbarkeit der Erfindung gemäß Artikel 100 b) EPÜ nicht durchgreift.
7. Zurückverweisung (Artikel 111 EPÜ)
Da das Streitpatent in der Fassung gemäß geltendem Hauptantrag von der Einspruchsabteilung als damaliger Hilfsantrag einzig wegen mangelnder Neuheit gegenüber der Druckschrift (14) widerrufen worden ist, die Kammer indessen die Neuheit des Patentgegenstandes gegenüber dieser Entgegenhaltung festgestellt hat, war die angefochtene Entscheidung aufzuheben. Gleichwohl hat die Kammer keine Entscheidung in der ganzen Angelegenheit getroffen, da die Einspruchsabteilung zu der Frage der erfinderischen Tätigkeit noch keine beschwerdefähige Entscheidung getroffen hat. Hierzu steht eine abschließende Prüfung der ersten Instanz noch aus. Die Kammer hält es daher nicht für angezeigt, an deren Statt diese Fragen zu entscheiden, um auch diesbezüglich den Parteien die Möglichkeit auf eine Beschwerde vor der zweiten Instanz zu erhalten. Unter diesen Umständen verweist die Kammer in Ausübung ihrer Befugnisse gemäß Artikel 111 (1) EPÜ die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz zurück. Durch diese Zurückverweisung wird weder dem Beschwerdeführer noch dem Beschwerdegegner die Möglichkeit eröffnet, vor der ersten Instanz auf bereits von der Kammer entschiedene Fragen erneut zurückzukommen, da die Einspruchsabteilung bei unverändertem Tatbestand an die rechtliche Beurteilung durch die Kammer gemäß Artikel 111 (2) EPÜ gebunden ist.
Hilfsanträge 1 bis 3
8. Nachdem dem Hauptantrag des Beschwerdeführers stattgegeben wird, war auf seine nachrangigen Hilfsanträge 1 bis 3 nicht weiter einzugehen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird zur weiteren Behandlung auf Basis des Hauptantrages an die erste Instanz zurückverwiesen.