T 0850/06 13-02-2008
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Automatisiertes Verfahren and Vorrichtung zum Herstellen eines geblasenen Glaskörpers
Neuheit (ja)
Erfinderische Fähigkeit (nein) Fachmann berücksichtigt bei Automatisierung eines manuellen Verfahres die Vorteile der Automatisisierung und modifiziert sodann die Verfahrensschritte des manuellen Verfahrens
Sachverhalt und Anträge
I. Die Anmelderin (nunmehr Beschwerdeführerin) hat gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung Nr. 02006331.9 zurückzuweisen, Beschwerde eingelegt.
II. In der angefochtenen Entscheidung wird auf folgenden, auch in dem vorliegenden Beschwerdeverfahren berücksichtigten, Stand der Technik Bezug genommen:
D5: US-A-2 346 470.
Weiter wurde im Verlauf der mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren die Vorgehensweise nach dem in der Streitanmeldung als Stand der Technik gewürdigten manuellen Verfahren zum Herstellen eines Glaskörpers (Spalte 1, Zeilen 15 - 30, wobei hier wie im folgenden auf die veröffentlichte Patentanmeldung Bezug genommen wird) angesprochen.
III. Nach der angefochtenen Entscheidung beruhen die Ansprüche 1 gemäß Hauptantrag, eingereicht mit Eingabe vom 31. August 2005, gemäß 1. Hilfsantrag, eingereicht in der mündlichen Verhandlung im Prüfungsverfahren vom 13. Oktober 2005 und gemäß 2. Hilfsantrag, eingereicht im Rahmen eines 3. Hilfsantrags mit Eingabe vom 31. August 2005, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
IV. Mit der Beschwerdebegründung wurde die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und eine Patenterteilung auf der Grundlage der der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Anspruchssätze beantragt.
Hilfsweise wurde weiter Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.
V. In dem Ladungsbescheid der Kammer wurde auf die wesentlichen Verfahrensschritte der automatisierten Verfahren nach den Ansprüchen 1 sämtlicher Anträge, in Gegenüberstellung mit entsprechenden Verfahrensschritten des manuellen Verfahrens nach D5, eingegangen.
VI. In Erwiderung des Ladungsbescheids wurden mit Eingabe vom 11. Januar 2008 geänderte Anspruchssätze mit Ansprüchen 1 - 5 als Hauptantrag und mit Ansprüchen 1 - 4 als Hilfsantrag eingereicht.
Nach der Beschwerdeführerin sei mit dem geänderten Anspruch 1 des Haupt- und Hilfsantrags der Verfahrensschritt klargestellt worden, nach dem das Tauchrohr um eine vorbestimmte Eintauchtiefe h (gemessen vom Scheitelpunkt des Meniskus) in die Glasschmelze eingetaucht wird (siehe für den entsprechenden Teil des Anspruchs Punkt VII, unten).
Hinsichtlich der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit sei nach der Beschwerdeführerin von D5 als nächstkommenden Stand der Technik auszugehen. Nach der dort offenbarten Vorgehensweise sei das dem Tauchrohr nach der Anmeldung entsprechende Trägerrohr unmittelbar nach der Benetzung zurückzuziehen, also dann, wenn sich das freie Ende des Trägerrohrs auf dem Niveau der Flüssigkeitsoberfläche der Glasschmelze befinde. Ein weiteres, hinsichtlich der Eintauchtiefe bei einem manuellen Verfahren nicht überprüfbares, Absenken des Trägerrohres würde bei dem Verfahren nach D5 zu einer nicht kontrollierbaren Erhöhung der aufgenommenen Glasmenge und damit zu zu großen Ungenauigkeiten hinsichtlich der jeweils aufgenommenen Glasmenge führen. Die Lehre der D5 sei folglich darauf gerichtet, zur Aufnahme größerer Mengen geschmolzenen Glases die dort beschriebene, mit "dip" bezeichnete, Vorgehensweise, so oft wie dies aufgrund der aufzunehmenden Glasmenge erforderlich sei, zu wiederholen.
Nach Auffassung der Beschwerdeführerin handele es sich bei dem Verfahren nach D5 hinsichtlich des Aufnehmens der zum Glasblasen jeweils erforderlichen Glasmenge um ein "gequanteltes", auf wiederholten Benetzungen beruhendes Verfahren. Eine ausgehend von dem Verfahren nach D5 vorgenommene Automatisierung würde entsprechend der offenbarten manuellen Vorgehensweise eine wiederholte automatische Absenkung des freien Endes des Trägerrohres bis auf das Niveau der Flüssigkeitsoberfläche der Glasschmelze umfassen. Damit gebe D5 keine Anregung betreffend die Vorgehensweise nach dem Anspruch 1 jedes der vorliegenden Anträge, nach der das Trägerrohr in die Glasschmelze zu einer gewissen Eintauchtiefe eingetaucht werde.
VII. Am 13. Februar 2008 fand die mündliche Verhandlung im Beschwerdeverfahren statt.
Zu Beginn dieser Verhandlung ersetzte die Beschwerdeführerin ihre bisherigen Anträge durch einen vier Ansprüche umfassenden Anspruchssatz gemäß Hauptantrag und einen drei Ansprüche umfassenden Anspruchssatz gemäß Hilfsantrag.
Sie beantragte nunmehr, die Zurückweisung aufzuheben und ein Patent auf der Basis der Anspruchssätze gemäß Hauptantrag und 1. Hilfsantrag zu erteilen.
Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet:
"1. Automatisiertes Verfahren zum Herstellen eines geblasenen Glaskörpers, wobei ein luft- oder gasdurchströmbares Tauchrohr (10) mittels einer Stelleinrichtung in eine Glasschmelze (8) eingetaucht und anschließend wieder herausgezogen wird, um eine Menge geschmolzenen Glases aus der Glasschmelze zu entnehmen, wobei das entnommene Glas mittels durch das Tauchrohr (10) strömender Luft oder Gas in die Form des herzustellenden Glaskörpers geblasen wird, und wobei das Tauchrohr (10) zusammen mit dem angeblasenen Glaskörper als Wandung, Gehäusekomponente oder Baugruppe eines elektrochemischen Sensors hergestellt wird, mit folgenden Merkmalen:
Ermitteln der Position der Oberfläche (42) der Glasschmelze (8) in Stellrichtung des Tauchrohrs (10),
Ansteuern der Stelleinrichtung (18), dass das Tauchrohr (10) zunächst um eine solche Strecke abgesenkt wird, dass sich sein freies Ende auf dem ermittelten Niveau der Flüssigkeitsoberfläche (42) befindet; und dann darüber hinaus um eine vorbestimmte Eintauchtiefe h (gemessen vom Scheitelpunkt des Miniskus) in die Glasschmelze (8) eingetaucht wird;
Herausziehen des Tauchrohrs nach einer in einem Rechner (24) hinterlegten Verweilzeit mittels der Stelleinrichtung (18) mit vorbestimmten Geschwindigkeitsprofil aus der Glasschmelze (8), so dass an dem freien Ende des Tauchrohrs (10) eine vorbestimmte Menge zähflüssiger Glasschmelze haftet;
Beaufschlagen des Tauchrohrs (10) mit Blasdruck, der einer in dem Rechner (24) abgelegten Blasdruckkurve (p(t)) folgt, um dadurch die Form des herzustellenden Glaskörpers zu blasen."
Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag weist gegenüber demjenigen gemäß Hauptantrag die sich an den Anspruch 1 gemäß Hauptantrag anschließenden zusätzlichen Merkmale auf
"wobei die herzustellende Körpergeometrie (Soll-Zustand) des Glaskörpers über vorgegebene Referenzpunkte in dem Rechner gespeichert ist,
während des Blasens des Glaskörpers die Entwicklung der tatsächlichen Körpergeometrie (Ist-Zustand) über eine Kamera (52) aufgenommen und mittels einer Bildverarbeitungseinrichtung und eines Rechenprogramms mit den gespeicherten Soll-Daten verglichen wird, und
in Abhängigkeit des Soll/Ist-Vergleichs Steuervorgänge des Blasens vorgenommen werden."
VIII. Die Beschwerdeführerin ergänzte ihr Vorbringen in der mündlichen Verhandlung wie folgt.
a) Hinsichtlich des aus D5 bekannten manuellen Verfahrens, wie auch des in der Beschreibung der Streitanmeldung gewürdigten manuellen Verfahrens, sei zu berücksichtigen, dass bei einer manuellen Aufnahme einer vorbestimmten Menge zähflüssiger Glasschmelze, die an dem freien Ende eines Trägerrohres oder Tauchrohrs anhaftet, als Referenz für eine kontrollierte Entnahme einer Glasmenge nur der Kontakt des freien Endes des Tauchrohres mit der Flüssigkeitsoberfläche der Glasschmelze in Betracht käme. Nur ausgehend von einem derartigen Oberflächenkontakt, der bei einer manuellen Vorgehensweise visuell wahrnehmbar und damit in ausreichendem Masse überwachbar bzw. steuerbar sei, könne der Glasschmelze in reproduzierbarer Weise eine vorbestimmte Menge der zähflüssigen Glasschmelze entnommen werden.
b) Ein über diesen Oberflächenkontakt hinausgehendes Eintauchen des freien Endes des Tauchrohres in die Glasschmelze sei hinsichtlich der Eintauchtiefe bei einem auf visuelle Wahrnehmung angewiesenen manuellen Verfahren nicht mehr zu überwachen und würde folglich zu großen Abweichungen hinsichtlich der entnommenen Menge geschmolzenen Glases führen. Derartige Abweichungen seien der Qualität hinsichtlich der Abmessungen des herzustellenden Glaskörpers abträglich, weil sie zu zu großen Toleranzen hinsichtlich der Form und Abmessungen, bspw. auch betreffend die Wandstärke des Glaskörpers, führen können.
c) Ausgehend von dem aus D5 bekannten manuellen Verfahren würde der Fachmann in seinem Bestreben das Verfahren zu automatisieren, um sowohl die Produktionsrate zu erhöhen als auch die Qualität der hergestellten Glaskörper betreffend deren Maßhaltigkeit zu verbessern, die bekannte Vorgehensweise übernehmen und die Aufnahme einer vorbestimmten Menge zähflüssiger Glasschmelze ausgehend von nur dem Kontakt des freien Endes des Tauchrohres mit der Flüssigkeitsoberfläche der Glasschmelze überwachen bzw. steuern. Falls die damit entnehmbare Glasmenge sich als nicht ausreichend erweisen sollte würde der Fachmann, weiterhin der Vorgehensweise nach D5 folgend, den Vorgang der Glasentnahme über einen Oberflächenkontakt des Tauchrohrs mit der Flüssigkeitsoberfläche, so oft wie dies aufgrund der zu entnehmenden Glasmenge bzw. der Abmessungen des herzustellenden Glaskörpers erforderlich sei, wiederholen.
d) Eine Anregung für die Vorgehensweise nach dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ergebe sich dabei aufgrund der, infolge des Eintauchens des Tauchrohrs in die Glasschmelze, grundsätzlich andersartigen Vorgehensweise, für die es keine Entsprechung bei den bekannten manuellen Verfahren gebe, nicht.
e) Entsprechendes gelte hinsichtlich des Verfahrens nach dem Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag. Bei diesem Verfahren werde durch die die Entnahme einer vorbestimmten Menge zähflüssiger Glasschmelze entsprechend der im Anspruch 1 gemäß Hauptantrag definierten Weise die Voraussetzung für eine Qualitätsverbesserung hinsichtlich des herzustellenden Glaskörpers geschaffen, die darauf beruhe, dass die jeweils entnommene Glasmenge relativ genau eingehalten werden könne und folglich diesbezügliche Abweichungen klein gehalten werden könnten. Diese Genauigkeit hinsichtlich der entnommenen Glasmenge werde im Sinne einer Synergiewirkung durch die zusätzlichen Merkmale des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag ergänzt, nach denen während des Blasens des Glaskörpers die Entwicklung der tatsächlichen Körpergeometrie des Glaskörpers über eine Kamera aufgenommen werde und das Blasen in Abhängigkeit eines Vergleichs der aufgenommenen Istwerte mit gespeicherten Soll-Daten gesteuert werde.
Entscheidungsgründe
1. Geänderte Ansprüche
Die geänderten Ansprüche ergeben sich aus den Ansprüchen der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung. Der Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ergibt sich aus den Ansprüchen 1 - 3 und 6, 7, der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag aus den Ansprüchen 1 - 4 und 6, 7 der ursprünglichen Anmeldung.
Die geänderten Ansprüche erfüllen somit die Voraussetzung des Artikels 123(2) EPÜ.
Die geänderten Ansprüche erfüllen auch die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ.
2. Neuheit
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag ist neu im Sinne des Artikels 54 EPÜ und zwar schon deshalb, weil der vorliegende Stand der Technik gemäß D5 und gemäß dem in der Beschreibung der Streitanmeldung (Spalte 1, Zeilen 15 - 30) gewürdigten Verfahren kein automatisiertes, sondern ein manuelles Verfahren betrifft. Entsprechendes gilt hinsichtlich des gleichfalls auf ein automatisiertes Verfahren gerichteten Anspruchs 1 nach dem Hilfsantrag.
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1 Nächstkommender Stand der Technik
Hinsichtlich der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit geht die Beschwerdeführerin von D5 als nächstkommenden Stand der Technik aus. Wie im Folgenden dargelegt, beruhen gegenüber dieser Entgegenhaltung weder das Verfahren nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag noch dasjenige nach Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne des Artikels 56 EPÜ. Es kann folglich dahingestellt bleiben ob das in der Beschreibung der Streitanmeldung gewürdigte Verfahren dem Anmeldungsgegenstand aufgrund der Angabe, dass "das ... Tauchrohr ..., in eine Glasschmelze eingetaucht wird, um beim anschließendem Herausziehen des Tauchrohrs eine in etwa bestimmte Menge flüssigen Glases aufzunehmen" (Spalte 1, Zeilen 15 - 23) dem Anmeldungsgegenstand näher kommt als das in D5 offenbarte manuelle Verfahren zum Herstellen eines geblasenen Glaskörpers.
3.2 Offenbarung der D5
Hinsichtlich der Offenbarung der Entgegenhaltung D5 ist unstreitig, dass D5 im Hinblick auf die Merkmale des Anspruchs 1 (im folgenden gemäß Hauptantrag) ein Verfahren zum Herstellen eines geblasenen Glaskörpers offenbart, wobei über ein luft- oder gasdurchströmbares Tauchrohr eine Menge geschmolzenen Glases aus der Glasschmelze entnommen wird, und wobei das entnommene Glas mittels durch das Tauchrohr strömender Luft oder Gas in die Form des herzustellenden Glaskörpers geblasen wird, und wobei das Tauchrohr zusammen mit dem angeblasenen Glaskörper als Wandung, Gehäusekomponente oder Baugruppe eines elektrochemischen Sensors hergestellt wird (vgl. Anspruch 1; Seite 1, linke Spalte, Zeilen 1 - 19; Seite 3, linke Spalte, Zeilen 3 - 49) offenbart.
Es ist weiter unstreitig dass bei dem manuellen Verfahren nach D5 übereinstimmend mit einem Merkmal des Anspruchs 1
a) die Position der Oberfläche der Glasschmelze in Stellrichtung des Tauchrohrs ermittelt wird (D5, Seite 3, linke Spalte, Zeilen 27 - 33), und
b) das Tauchrohr mit Blasdruck beaufschlagt wird ... um dadurch die Form des herzustellenden Glaskörpers zu blasen." (Seite 3, linke Spalte, Zeilen 44 - 49).
3.2.1 Im Hinblick auf den Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltung D5 betreffend die Entnahme einer vorbestimmten Menge zähflüssiger Schmelze kann dahingestellt bleiben ob das mit "dip" bezeichnete Einwirken des freien Endes des Tauchrohres mit der Oberfläche der Glasschmelze (vgl. D5, Seite 2, linke Spalte, Zeilen 4 - 12; Zeilen 30 - 35; Seite 2, rechte Spalte, Zeile 41 - Seite 3, linke Spalte, Zeile 20; Seite 3, linke Spalte, Zeilen 27 - 33 und 65 - 70) dem Eintauchen dieses Endes des Tauchrohrs über eine vorbestimmte Eintauchtiefe nach dem im folgenden mit d2) bezeichneten Merkmal des Anspruchs 1 (siehe Punkt 3.3) entspricht.
Die Kammer geht diesbezüglich entsprechend der Beurteilung der Offenbarung von D5 durch die Beschwerdeführerin nämlich davon aus, dass der Fachmann hinsichtlich der Entnahme einer vorbestimmten Menge zähflüssiger Glasschmelze für das manuell durchzuführende Verfahren der Entgegenhaltung D5 entnimmt, dass entsprechend dem o.g. Merkmal a) die Position der Oberfläche der Glasschmelze in Stellrichtung des Tauchrohrs ermittelt wird (D5, Seite 3, linke Spalte, Zeilen 27 - 33), und dass sich nach D5 allein über eine gleichmäßige Kontaktierung dieser Oberfläche durch das freie Ende des Tauchrohrs aufgrund von Adhäsion die Voraussetzung für das Anhaften einer vorbestimmten Menge zähflüssiger Glasschmelze ergibt (vgl. Seite 3, linke Spalte, Zeilen 27 - 33).
Dieser Beurteilung des Offenbarungsgehaltes der Entgegenhaltung D5 liegt die von der Kammer als zutreffend erachtete Auffassung der Beschwerdeführerin zugrunde, nach der eine zuverlässige Referenz hinsichtlich der Flüssigkeitsoberfläche der Glasschmelze Voraussetzung für eine im wesentlichen genaue und reproduzierbare Entnahme einer vorbestimmten Menge geschmolzenen Glases ist, und dass aufgrund des Wahrnehmungsvermögens eines Glasbläsers bei einem manuellen Verfahren als Referenz das visuell wahrnehmbare Niveau der Flüssigkeitsoberfläche der Glasschmelze in Betracht kommt.
Die Kammer folgt weiter der Auffassung der Beschwerdeführerin, dass die Offenbarung von D5 trotz der Angabe "dipped into ..." (vgl. Seite 2, linke Spalte, Zeilen 41 - 52) nicht abweichend von dem oben angesprochenen Verständnis des Fachmanns betreffend die in D5 offenbarte Vorgehensweise zur Aufnahme einer Glasmenge so zu verstehen ist, dass ausgehend von der Flüssigkeitsoberfläche als Referenz, der Glasbläser bei einem manuellen Verfahren das Tauchrohr weiter in die Glasschmelze eintaucht. In diesem Fall wäre nämlich, aufgrund einer fehlenden visuellen oder anderweitigen Überwachungsmöglichkeit bezüglich der Eintauchtiefe, die Entnahme einer relativ genauen und reproduzierbaren Glasmenge nicht mehr gewährleistet.
Die Kammer geht weiter, übereinstimmend mit der Auffassung der Beschwerdeführerin, davon aus, dass die Offenbarung der D5 über die bereits angesprochene Vorgehensweise zur Entnahme einer Flüssigkeitsmenge den Hinweis umfasst die genannte Vorgehensweise der Entnahme einer Glasmenge durch Benetzen des freien Endes des Tauchrohrs unter gegebenen Umständen (Glaszusammensetzung, Temperatur und dadurch bedingt: Viskosität und Oberflächenspannung der Glasschmelze) so oft zu wiederholen, bis eine etwaig angestrebte Vergrößerung der Menge der entnehmbaren Glasschmelze erreicht ist (vgl. Seite 3, linke Spalte, Zeilen 55 - 70).
3.3 Das Verfahren nach dem Anspruch 1 unterscheidet sich, ausgehend von dem oben genannten Offenbarungsgehalt, von dem manuellen Verfahren nach der Entgegenhaltung D5 zunächst generell dadurch, dass der Anspruch 1
c) ein automatisiertes Verfahren betrifft
und zum anderen durch die folgenden, der Automatisierung zugrundeliegenden Verfahrensschritte:
d) Ansteuern der Stelleinrichtung, dass das Tauchrohr
d1) zunächst um eine solche Strecke abgesenkt wird,
dass sich sein freies Ende auf dem ermittelten
Niveau der Flüssigkeitsoberfläche befindet; und
d2) dann darüber hinaus um eine vorbestimmte Ein-
tauchtiefe h (gemessen vom Scheitelpunkt des Mi-
niskus) in die Glasschmelze eingetaucht wird;
e) Herausziehen des Tauchrohrs nach einer in einem Rech-
ner hinterlegten Verweilzeit mittels der Stellein-
richtung mit vorbestimmten Geschwindigkeitsprofil aus
der Glasschmelze, so dass an dem freien Ende des
Tauchrohrs eine vorbestimmte Menge zähflüssiger Glas
schmelze haftet;
f) Beaufschlagen des Tauchrohrs mit Blasdruck, der einer
in dem Rechner abgelegten Blasdruckkurve (p(t)) folgt.
3.4 Aufgabe
Die sich bei dem Verfahren nach dem Anspruch 1 aufgrund der o.g. Unterscheidungsmerkmale ergebende Wirkung führt zu einem automatisierten Verfahren und damit zu der der Streitanmeldung zugrunde liegende Aufgabe ein automatisiertes Verfahren zu schaffen (Spalte 1, Zeilen 31, 32). Die Kammer folgt der zu einer Ergänzung dieser Aufgabe führenden Ausführung der Beschwerdeführerin, dass mit der Automatisierung einhergehend die Genauigkeit des herzustellenden Glaskörpers erhöht wird.
Nach Auffassung der Kammer liegt die Aufgabe der Automatisierung in dem allgemeinen Entwicklungstrend manuelle Verfahren, vorliegend das manuelle Verfahren zum Herstellen eines geblasenen Glaskörpers, zu automatisieren um bspw. Arbeitsbedingungen zu verbessern, die Produktivität zu erhöhen, Produktionskosten zu senken und, wie von der Beschwerdeführerin ausgeführt, die Genauigkeit der hergestellten Erzeugnisse durch Beseitigung von Mängeln manueller Verfahren zu steigern.
3.5 Naheliegen
3.5.1 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin sei die generelle Automatisierung des manuellen Verfahrens nach D5 zwar naheliegend, doch gelte dies nur soweit das automatisierte Verfahren sämtliche Schritte des den Ausgangspunkt der Automatisierung bildenden manuellen Verfahrens gemäß D5, und keine darüber hinausgehenden Schritte, umfasse.
Die Grenzen einer naheliegenden Automatisierung eines manuellen Verfahrens werden nach Auffassung der Beschwerdeführerin dann überschritten, wenn ein bestimmtes automatisiertes Verfahren, wie dies vorliegend betreffend die Merkmale d), d2) und e) der Fall sei, Verfahrensschritte umfasse, die dem manuellen Verfahren fremd seien.
3.5.2 Diese Auffassung der Beschwerdeführerin geht ersichtlich davon aus, dass bei einer als naheliegend zu erachtenden Umstellung eines manuellen Verfahrens auf eine automatisierte Vorgehensweise vorauszusetzen sei, dass sämtliche Verfahrensschritte des manuellen Verfahrens von dem Fachmann unmodifiziert bei einer Automatisierung des Verfahrens übernommen werden. Bei dieser Betrachtungsweise wird nach Auffassung der Kammer übersehen, dass der Fachmann bei der Entwicklung eines automatisierten Verfahrens, ausgehend von einem bekannten manuellen Verfahren, über die bloße Automatisierung der einzelnen Verfahrensschritte des manuellen Verfahrens hinausgehend auch die Möglichkeiten, die eine Automatisierung bspw. hinsichtlich der Überwachung, Steuerung und Regelung der einzelnen Verfahrensschritte bietet, soweit sie im Rahmen handwerklichen Könnens liegen, einbeziehen wird.
3.5.3 Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeutet dies, dass der Fachmann bei der Umstellung des aus D5 bekannten manuellen Verfahrens auf ein automatisiertes Verfahren zunächst ausgehend von der bisherigen visuellen Wahrnehmung der Position der Flüssigkeitsoberfläche der Glasschmelze die Position dieser Oberfläche entsprechend den Merkmalen a) und c) automatisiert ermittelt.
Daran anschließend wird das Tauchrohr übereinstimmend mit der manuellen Vorgehensweise nach D5 entsprechend den Merkmalen c) und d1) mittels einer Stelleinrichtung soweit abgesenkt, bis sich sein freies Ende auf dem ermittelten Niveau der Flüssigkeitsoberfläche befindet.
3.5.4 Insoweit entsprechen die o.g. Verfahrensschritte des automatisierten Verfahrens nach dem Anspruch 1 den entsprechenden Schritten des manuellen Verfahrens nach der Entgegenhaltung D5. Betreffend diese Merkmale des Verfahrens nach dem Anspruch 1 ist unstreitig, dass sie, wie auch das Merkmal b), auf einer naheliegenden Übertragung der bekannten, manuellen Vorgehensweise nach der D5 beruhen.
3.5.5 Es bleibt somit zu prüfen ob die Merkmale d), d2) und f), die keine Entsprechung in dem bekannten manuellen Verfahren haben, für sich oder in Kombination mit den übrigen Merkmalen des Anspruchs 1 als zu einem auf erfinderischer Tätigkeit beruhenden Verfahren führend zu erachten sind.
3.5.6 Es liegt im Rahmen fachüblichen Handelns, dass der Fachmann vorrichtungsseitige Mittel, deren er zur Übertragung manueller Verfahrensschritte eines bekannten manuellen Verfahrens bedarf, was vorliegend auf die Stelleinrichtung für das Tauchrohr zur Durchführung des Verfahrensschrittes nach den Merkmalen d) und d1) zutrifft, auch zur Durchführung eines weiteren, über das manuelle Verfahren hinausgehenden, Verfahrensschrittes einsetzen wird, sofern dieser Verfahrensschritt gleichfalls als im Rahmen fachüblichen Handelns liegend anzusehen ist.
Die Kammer erachtet dies als für das Eintauchen des Tauchrohres über die Flüssigkeitsoberfläche hinaus und dessen anschließendes Herausziehen entsprechend den Merkmalen d), d2) und e) gegeben an.
3.5.7 Die Kammer geht dabei davon aus, dass der Zusammenhang zwischen der Größe der Kontaktfläche des Tauchrohres mit der Glasschmelze, und damit bspw. der Eintauchtiefe einerseits und der Größe der entnehmbaren Glasmenge andererseits dem Fachmann aufgrund seines allgemeinen Fachwissens geläufig ist.
Der Vollständigkeit wegen sei angemerkt, dass sich dieser Zusammenhang auch aus den Angaben der D5 hinsichtlich der über das freie Ende des Tauchrohrs entnehmbaren Glasmenge (vgl. Seite 2, rechte Spalte, Zeilen 68 - 70) ergibt, nach denen der Durchmesser des Randes des freien Endes des Tauchrohres hierfür eine bestimmende Größe ist. Anhand der weiter in D5 angegebenen diesbezüglichen Einflussgrößen, wie der Viskosität der Glasschmelze und der Oberflächenspannung (Seite 3, linke Spalte, Zeilen 27 - 33) erkennt der Fachmann unmittelbar, dass die, für eine gegebene Glasschmelze, bestimmende Größe hinsichtlich der nach D5 durch Benetzen des freien Endes des Tauchrohrs entnehmbaren Glasmenge die Größe der mit der Glasschmelze in Berührung kommenden Fläche des freien Endes des Tauchrohrs ist.
Als Maß für diese Fläche wird für das manuelle Verfahren in D5 nur auf den Durchmesser des Tauchrohres Bezug genommen. Dies dürfte ersichtlich darauf zurückzuführen sein dass, entsprechend den obigen Ausführungen, die Möglichkeit der Überwachung des Zusammenwirkens von Tauchrohr und Glasschmelze auf eine visuelle Wahrnehmung, und damit den Kontakt des freien Endes des Glasrohres mit der Flüssigkeitsoberfläche beschränkt ist.
Es ist offensichtlich dass dann, wenn im Zuge der o.g. automatisierten Durchführung des manuellen Verfahrens nach D5 einerseits die Beschränkung auf eine visuelle Überwachung des Zusammenwirkens von Tauchrohr und Flüssigkeitsoberfläche entfällt und gleichzeitig andererseits eine Stelleinrichtung zur Automatisierung des bekannten manuellen Verfahrensschrittes des Absenkens des Tauchrohrs aufgrund der Merkmale d) und d1) zur Verfügung steht, der Fachmann diese Möglichkeit auch ausnützen wird um das freie Ende des Tauchrohres nicht nur entsprechend dem Merkmal d1) auf das Niveau der Flüssigkeitsoberfläche abzusenken sondern es, in Verlängerung dieses Absenkens, bedarfsweise, entsprechend dem Merkmal d2), um eine vorbestimmte Eintauchtiefe in die Glasschmelze einzutauchen um damit bedarfsweise, über das Ausmaß der Eintauchtiefe und das Herausziehen des Tauchrohrs entsprechend dem Merkmal e), die Menge der jeweils entnommenen Glasschmelze auf eine Weise zu bestimmen, die genauer ist als die auf visueller Wahrnehmung beruhende, und gegebenenfalls wiederholt auszuführende, Vorgehensweise nach der Entgegenhaltung D5.
3.5.8 Damit beruhen die Verfahrensschritte nach den Merkmalen d) und d2) auf einer Abwandlung von Verfahrensschritten des manuellen Verfahrens nach D5, die sich in naheliegender Weise aus dem Einsatz der durch die Automatisierung ohnedies vorhandenen vorrichtungsseitigen Mittel, nämlich der Stelleinrichtung für das Tauchrohr, ergibt.
3.5.9 Betreffend das Merkmal f) des Anspruchs 1, das den weiteren Verfahrensschritt umfasst, nach dem das Tauchrohr mit Blasdruck beaufschlagt wird, der einer in dem Rechner abgelegten Blasdruckkurve folgt, wurde durch die Beschwerdeführerin nicht bestritten, dass es sich dabei um eine automatisierte Form des aus D5 bekannten Verfahrensschrittes handelt, gemäß dem das Tauchrohr über ein Rohr vom Glasbläser mit Blasdruck beaufschlagt wird (Seite 2, linke Spalte, Zeilen 35 - 42; Figuren 2, 3).
Es beruht folglich auf einer naheliegenden Maßnahme den aus D5 bekannten Verfahrensschritt unter Verwendung des aufgrund der Automatisierung ohnedies vorhandenen Rechners durchzuführen. Dies gilt entsprechend betreffend die Kombination dieses den Blasvorgang betreffenden Merkmals f) mit den angesprochenen Merkmalen d), d1), d2) und e) betreffend die Entnahme einer Menge geschmolzenen Glases über das Tragrohr.
3.5.10 Das Verfahren nach dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag beruht somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
3.5.11 Dies gilt auch unter Berücksichtigung des weiteren Arguments der Beschwerdeführerin, nach dem davon ausgegangen wird, dass die Merkmale nach dem Anspruch 1 zwar jeweils für sich alleine betrachtet auf für den Fachmann denkbaren Verfahrensschritten beruhen, dem Stand der Technik mit seiner Vielzahl von diesbezüglichen Möglichkeiten aber keine Anregung betreffend gerade die im Anspruch 1 beanspruchte Merkmalskombination entnommen werden könne.
Nach Auffassung der Kammer ist es vorliegend nämlich unerheblich inwieweit dem Fachmann für die im Anspruch 1 beanspruchten Verfahrensschritte alternative Möglichkeiten zur Verfügung stehen, da, wie oben dargelegt, die im Anspruch 1 definierten Verfahrensschritte, wie auch deren Kombination, auf gegenüber dem Verfahren nach D5 naheliegenden Maßnahmen beruhen.
4. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag
4.1 Der Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag weist gegenüber dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag die zusätzlichen Merkmale auf
"wobei die herzustellende Körpergeometrie (Soll-Zustand) des Glaskörpers über vorgegebene Referenzpunkte in dem Rechner gespeichert ist,
während des Blasens des Glaskörpers die Entwicklung der tatsächlichen Körpergeometrie (Ist-Zustand) über eine Kamera (52) aufgenommen und mittels einer Bildverarbeitungseinrichtung und eines Rechenprogramms mit den gespeicherten Soll-Daten verglichen wird, und
in Abhängigkeit des Soll/Ist-Vergleichs Steuervorgänge des Blasens vorgenommen werden."
4.2 Soweit die Merkmale des Anspruchs 1 mit denjenigen des Anspruchs 1 übereinstimmen ist das Verfahren aus den o.g., den Anspruch 1 gemäß Hauptantrag betreffenden, Gründen naheliegend.
4.3 Hinsichtlich der zusätzlichen Merkmale folgt die Kammer der Auffassung der Beschwerdeführerin, nach der sich die Merkmale des Anspruchs 1 betreffend die Entnahme einer Glasmenge und diejenigen betreffend die Überwachung der Steuervorgänge des Blasens dahingehend ergänzen, dass sich ein Synergieeffekt im Sinne einer Genauigkeitssteigerung bezüglich der Form und der Abmessungen des herzustellenden Glaskörpers ergibt.
4.4 Danach liegt dem Anspruch 1 die Aufgabe zugrunde das Verfahren nach D5 so weiterzubilden, dass die Genauigkeit hinsichtlich der Form und Abmessungen des herzustellenden Glaskörpers verbessert wird.
4.5 Nach Auffassung der Kammer ist es naheliegend, und infolge der Steigerung der Genauigkeit bei der Entnahme der Glasmenge (vgl. die diesbezüglichen Ausführungen zum anspruch 1 gemäß Hauptantrag) regelrecht geboten, diese Genauigkeitssteigerung auch bei der anschließenden Weiterbearbeitung zu erzielen.
Es ist diesbezüglich unstreitig, dass auch bei dem manuellen Verfahren nach D5 beim Herstellen des Glaskörpers eine gewünschte Größe angestrebt wird (Seite 3, linke Spalte, Zeilen 44 - 49). Es ist weiter unbestritten, dass bei der Weiterbehandlung der entnommenen Glasmenge, nach der ein Glaskörper geblasen wird, der Fachmann in naheliegender Weise von den Möglichkeiten Gebrauch machen wird, die durch ein automatisiertes Verfahren zur Entnahme der durch Blasen weiterzuverarbeitenden Glasmenge geboten werden.
Es ist somit als naheliegend anzusehen, den zur Überwachung und Steuerung der Entnahme einer vorbestimmten Glasmenge entsprechend den Merkmalen d), d1), d2) und e) eingesetzten Rechner, zusammen mit einer Kamera zur Aufnahme der tatsächlichen Körpergeometrie des Glaskörpers, auch dafür einzusetzen, die im Verlaufe des Blasvorganges fortschreitende Ausbildung des Glaskörpers über einen Vergleich zwischen den aufgenommenen Ist-Daten mit in dem Rechner abgespeicherten Soll-Daten, zu überwachen bzw. zu steuern.
Somit sind auch die zusätzlichen Verfahrensschritte des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag, in Verbindung mit den Verfahrensschritten nach dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, als sich in naheliegender Weise bei der Umstellung des manuellen Verfahrens nach D5 in ein automatisiertes Verfahren ergebend zu erachten.
Die Merkmalskombination des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag beruht somit nicht auf erfinderischer Tätigkeit. (Artikel 56 EPÜ).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.