T 0369/15 02-10-2019
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Verfahren zum Herstellen eines flächigen, bedruckten Bauteils
Parador GmbH
Flooring Industries Limited, SARL
Spät vorgebrachte Argumente - zugelassen (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Spät eingereichter Antrag - Hilfsantrag 1
Spät eingereichter Antrag - zugelassen (ja, siehe Punkt 3.1)
Änderungen - Hilfsantrag 1
Änderungen - unzulässige Erweiterung (nein)
Zurückverweisung an die erste Instanz - (ja)
Rüge nach Regel 106 EPÜ - (zurückgewiesen, siehe Punkt 4)
Sachverhalt und Anträge
I. Die Einsprechende hat gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, wonach das europäische Patent Nr. 2 132 043 (nachfolgend als "das Patent" bezeichnet) in geänderter Fassung gemäß Hilfsantrag 1 den Erfordernissen des Europäischen Patentüberkommens genügt, Beschwerde eingelegt.
II. Der Einspruch war gegen das Patent in vollem Umfang eingelegt worden und mit den Einspruchsgründen nach Artikel 100 a) und 56 EPÜ (fehlende erfinderische Tätigkeit) und nach Artikel 100 b) EPÜ begründet worden.
III. In Reaktion auf die Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) vom 14. Juni 2019 haben die Beschwerdegegnerinnen mit Schreiben vom 1. August 2019 ihre bisherigen Hilfsanträge durch die neuen Hilfsanträge 1 bis 4 ersetzt.
Die Beschwerdeführerin hat erstmals mit ihrem Schreiben vom 1. Oktober 2019 auf die Mitteilung der Kammer reagiert, ohne jedoch zu der Frage der Zulassung der Hilfsanträge der Beschwerdegegnerinnen oder deren Gewährbarkeit Stellung zu nehmen.
IV. Am 2. Oktober 2019 hat eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer stattgefunden.
V. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents. Weiter beantragte sie, dass sämtliche Hilfsanträge der Beschwerdegegnerinnen nicht in das Beschwerdeverfahren zugelassen werden und dass die Angelegenheit nicht an die erste Instanz zurückverwiesen werde.
Die Beschwerdegegnerinnen (Patentinhaberinnen) beantragten die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag) und hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des europäischen Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche einer der Hilfsanträge 1 bis 4, eingereicht mit Schreiben vom 1. August 2019. Weiter hilfsweise beantragten sie die Zurückverweisung an die erste Instanz.
VI. Im Beschwerdeverfahren wurde unter anderem auf folgende Dokumente Bezug genommen:
D1 |EP 1 749 676 A1; |
D2 |EP 1 580 010 A2; |
D3 |DE 199 16 546 C2; |
D4 |"Verbesserung der Druckqualität vonMehrzweck-Druckpapieren durch Oberflächenleimung", Eckl et al, IPW, Science and Technology, Das Papier, 3/2006;|
D6 |"Operation Manual - Color Inkjet Printer JV5-130S, JV5-160S", Mimaki Engineering Co., Ltd, 2006; |
D6a|"Mimaki Debuts JV5 Series", Internetauszug, May 2006; |
D7 |"Tinten für Ink-Jet Verfahren", Vortrag, Dr. E. Kuckert, 26 May 1999; |
D7a|Email von Dr. E. Kuckert, 21. April 2015; |
D8 |"Direct Desktop Printed-Circuits-on-Paper Flexible Electronics", Zheng et al, Scientific Reports 3 : 1786, 9 May 2013.|
VII. Die unabhängigen Ansprüche gemäß dem vorliegenden (und dem der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hilfsantrag 1 entsprechenden) Hauptantrag lauten wie folgt (die von der Kammer verwendete Merkmalsgliederung ist in eckigen Klammern eingefügt):
"1. [a] Verfahren zum Herstellen eines flächigen, bedruckten Bauteils (9), insbesondere für Boden-, Wand-, Decken-, und/oder Möbelanwendungen, [b] wobei auf einen flächigen Grundkörper (10) des Bauteils (9) eine beharzte, mit einer Farbschicht bedruckbare oder bedruckte Papierschicht (1) unter Druck- und Hitzeeinfluß aufgebracht wird, dadurch gekennzeichnet, [c] daß die aufgebrachte Farbschicht (8) während und/oder nach dem Drucken mittels wenigstens einer Heizeinrichtung getrocknet wird und [d] daß die Heiztemperatur zwischen 30°C und 150°C liegt, so daß sich eine unmittelbare Trocknung von aufgebrachter Tinte ergibt."
"12. [A] Papierschicht (1) zur Verwendung bei einem Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche, [B] wobei die Papierschicht (1) über ihre Dicke nur teilbeharzt ist, [C] wobei die Oberseite (2) der Papierschicht (1) zumindest teilweise, vorzugsweise im wesentlichen harzfrei ist, [D] wobei auf die Oberseite (2) der Papierschicht (1) eine separate Farbaufnahmeschicht (6) zur Aufnahme der Farbschicht (8) aufgebracht ist, [E] wobei zumindest oberseitig in der Faserstruktur der Papierschicht eine Farbaufnahmemasse der Farbaufnahmeschicht vorgesehen ist, die die Fasern der Faserstruktur im oberseitigen Bereich der Faserstruktur zumindest im wesentlichen ummantelt, und [F] wobei an der Oberseite der Papierschicht offene Zwischenräume der ummantelten Faserstruktur verbleiben."
VIII. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag durch die Streichung von "und/oder nach" im Merkmal c und durch die Aufnahme der Merkmale
"[e] wobei die Tinte wasserhaltig ist und [f] die Heizeinrichtung eine Infrarot-, insbesondere NIR-, und/oder eine Mikrowellenheizeinrichtung ist, [g] und daß die Papierschicht (1) im Kurztaktpressverfahren mit dem Grundkörper (10) und einer Schutzschicht (12), die ebenfalls beharzt und auf die Farbschicht (8) aufgebracht ist, verpresst wird, [h] wobei die Temperatur beim Verpressen zwischen 140°C und 200°C liegt."
am Ende des kennzeichnenden Teils.
Anspruch 12 ist wortgleich mit Anspruch 12 gemäß Hauptantrag.
IX. In der mündlichen Verhandlung brachte die Beschwerdeführerin eine Rüge nach Regel 106 i.V.m. Artikel 112a (2) c) EPÜ vor.
Der Wortlaut dieser Rüge ist wie folgt:
"Die Beschwerdeführerin erhebt hiermit eine Rüge gemäß Regel 106 EPÜ i.V.m. Artikel 112a(2)c) EPÜ.
Aus Sicht der Beschwerdeführerin stellt die Entscheidung, den Fall zur Verhandlung über die Neuheit und erfinderische Tätigkeit des Gegenstands von Hilfsantrag 1 an die Einspruchsabteilung zurück zu verweisen einen Verstoß gegen das rechtliche Gehör gem. 113 EPÜ dar, der einen Überprüfungsantrag nach Artikel 112a(2)c) EPÜ rechtfertigt.
Der Verstoß liegt darin, dass über den Zurückverweisungsantrag entschieden wurde, ohne über die Neuheit und erfinderischen Tätigkeit des unabhängigen Anspruchs 12 zu verhandeln. Dieser Anspruch ist wortgleich mit dem Anspruch 12 gemäß Hauptantrag. Bei der Diskussion des Hauptantrags wurde die Diskussion zu Anspruch 12 vom Vorsitzenden zurecht zurückgestellt, da dieser Antrag schon wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit des Anspruchs 1 nicht gewährbar war.
Wie schriftsätzlich bereits ausführlich von der Beschwerdeführerin dargelegt, bestehen gegen den Anspruch 12 des Hauptantrags (und foglich [sic] auch gegen den wortgleichen Anspruch 12 des Hilfsantrags 1) unabhängige Einwände der fehlenden Neuheit und erfinderischen Tätigkeit. Eine Zurückverweisung wäre bei Nichtgewährung des Anspruchs 12 aus den im Beschwerdeverfahren bereits diskutierten Erwägungen nicht erforderlich. Die Zurückverweisung benachteiligt die Beschwerdeführerin wesentlich durch die unnötige Verfahrensverzögerung. Eine Stellungnahme in der mündlichen Verhandlung zu Anspruch 12 wäre daher geboten gewesen um Art. 113 EPÜ im Hinblick auf den Zurückverweisungsantrag zu genügen.
Die Beschwerdeführerin behält sich daher vor, eine Überprüfungsantrag gem. Artikel 112a(2)c) EPÜ zu stellen."
X. Der Vortrag der Beschwerdeführerin war im Wesentlichen wie folgt:
Verspätetes Vorbringen
Ihr Vortrag, dass "Trocknung" ein relativer Begriff sei, sei eine direkte Reaktion darauf gewesen, dass die Beschwerdegegnerinnen zum ersten Mal in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer den absoluten Charakter des Begriffs "Trocknung", die Relevanz der Porosität der Papierschicht und die Verknüpfung zwischen der gesteuerten Entfernung eines Teils des Lösemittels und dem Fixierschritt in der Druckschrift D2 in Frage gestellt hätten.
Hauptantrag
i) Auslegung
"Trocknung" sei ein relativer Begriff, womit die Verringerung des Anteils an Lösemittel, also nicht notwendigerweise die Verdunstung des ganzen Lösemittels, gemeint sei. Aus Absatz [0024] der Patentschrift, wonach die Beheizung "im besten Falle" zu einer unmittelbaren Trocknung führe, folge, dass "unmittelbar" breiter als "sobald die Tinte vom Druckkopf abgegeben wird" auszulegen sei. Auf den Wortlaut des Merkmals c, insbesondere "während und/oder nach" werde in diesem Zusammenhang verwiesen.
ii) Erfinderische Tätigkeit
Über die Qualität des Papiers sei in Anspruch 1 nichts enthalten. Das Papier könne sowohl porös als auch synthetisch, d.h. nicht porös, sein. Darüber hinaus erfordere Anspruch 1 keinen Imprägnierungsschritt, sondern lediglich eine Beharzung, die beispielsweise durch die Anbringung einer zusätzlichen Harzschicht verwirklicht werden könne.
Laut Absatz [0024] der Druckschrift D1, die den nächstliegenden Stand der Technik bilde, werde die Tinte vor dem Trocknen bevorzugt teilweise von der Papierschicht aufgesaugt. Das Trocknen sei somit bereits aus der Druckschrift D1 bekannt. Der technische Effekt der Unterscheidungsmerkmale liege in der Verbesserung der Druckqualität. Zwischen der Trocknung und dem Löschblatteffekt bestehe kein Zusammenhang. Gemäß Absatz [0016] der Druckschrift D1 sei das bekannte Verfahren nämlich auch für gestrichenes Papier geeignet, bei dem kein Löschblatteffekt auftrete. Die objektive technische Aufgabe sei folglich darin zu sehen, ein Verfahren bereit zu stellen, mit dem sich das Druckergebnis verbessern lasse.
Die Druckschrift D1 unterstreiche bereits die Bedeutung einer hohen Druckqualität, so dass der Fachmann grundsätzlich bestrebt sei, nach einer Lösung der objektiven technischen Aufgabe zu suchen. Da die Druckschrift D1 eindeutig einen Trocknungsschritt lehre, brauche der Fachmann ausgehend von der Druckschrift D1 keinerlei Veranlassung zum Trocknen. Die Verbesserung der Druckqualität sei ein Bonuseffekt, der sich zwangsläufig einstelle, sobald die Trocknung ausgeführt werde. Da unbehandeltes Papier die Tinte vollständig aufsaugen würde, sollte der Fachmann ausgehend von der Druckschrift D1 so schnell wie möglich mit dem Trocknen anfangen. In der Beschwerdeerwiderung auf Seite 9, Absatz 2 werde ausgeführt, dass eine Heizeinrichtung zum Trocknen einer Farbschicht beim Bedrucken von Papier üblich sei.
Eine Anregung, die Druckschrift D2 hinzuzuziehen, finde der Fachmann in deren Absatz [0030], in dem die verringerte Trocknungszeit durch den Einsatz von Heizeinrichtungen beschrieben sei. Darüber hinaus erwähne Absatz [0003] der Druckschrift D2 die zunehmende Nachfrage nach einer verbesserten Druckqualität. Die Angabe in der Druckschrift D2 bezüglich des verbesserten Glanzes würde der Fachmann also nicht davon abhalten, die in der Druckschrift D2 offenbarte Lehre zu berücksichtigen. Ebenso sei der Druckschrift D2, insbesondere dem Absatz [0026], keine Einschränkung bezüglich der zu verwendenden Papierart zu entnehmen. Die Druckschrift D2 offenbare eine aktive Trocknung einer mittels Tintenstrahldrucker aufgebrachten Farbschicht. Dazu werde eine Heizeinrichtung 14 genutzt. Es wäre somit naheliegend, das aus der Druckschrift D1 bekannte Verfahren entsprechend zu gestalten. In Bezug auf den in Absatz [0030] der Druckschrift D2 erwähnten Ausdruck "hot air", lese der Fachmann eine Temperatur von größer als 30°C glatt mit. Damit ein Schmelzen der Farbpartikel vermieden werde, solle die Temperatur auch nicht zu hoch eingestellt werden. Ausweislich Absatz [0126] hätten die in der Druckschrift D2 genannten Dispersionsfarbstoffe einen Schmelzpunkt im Bereich von 40°C und 120°C, sodass der Fachmann die Heiztemperatur deutlich unterhalb von 150°C einstellen würde. Außerdem scheine der beanspruchte Temperaturbereich breit und willkürlich gewählt. Es verstehe sich für den Fachmann von selbst, dass eine möglichst schnelle Trocknung der aufgebrachten Tinte Sinn und Zweck einer Heizung in einem Tintenstrahldrucker sei. Absatz [0030] der Druckschrift D2 veranlasse den Fachmann somit, die aufgebrachte Tinte unmittelbar zu trocknen. Die Tatsache, dass die Druckschrift D2 Fixierungsmittel 16 und zusätzliche Heizungsmittel 30 einsetze, sei irrelevant, da Anspruch 1 völlig offen lasse, was nach der Trocknung ablaufe.
Hilfsantrag 1
i) Zulassung
Seitens der Beschwerdegegnerinnen liege keine Substantiierung für die bereits in der ersten Instanz eingereichten Hilfsanträge vor. Weder im erstinstanzlichen Verfahren, noch im Beschwerdeverfahren sei von den Beschwerdegegnerinnen begründet worden, warum bei diesen Hilfsanträgen Neuheit und erfinderische Tätigkeit vorliegen würde.
Eine solche Substantiierung sei auch nicht hinsichtlich des vorliegenden Hilfsantrags 1 erfolgt, der erst in Reaktion auf die Mitteilung der Kammer eingereicht worden sei. Die Beschwerdegegnerinnen hätten also nicht begründet, inwiefern die gegen den Hauptantrag vorgebrachten Einwände durch den vorliegenden Hilfsantrag ausgeräumt würden. Auf Punkt 33 der Beschwerdeerwiderung werde verwiesen, wo die Beschwerdegegnerinnen angeboten hätten, zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit bedarfsweise ergänzend vorzutragen. Die Prüfung des Hilfsantrags 1 sei jedoch ohne einen substantiierten Vortrag seitens der Beschwerdegegnerinnen weder der Beschwerdeführerin noch der Kammer zuzumuten. Der Hilfsantrag 1 solle auch deshalb nicht zugelassen werden, da die Beschwerdegegnerinnen erstmalig in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer vorgebracht hätten, warum eine erfinderische Tätigkeit vorliege, was zu einer Vertagung der mündlichen Verhandlung führen könnte. Darüber hinaus räumten die Änderungen im unabhängigen Verfahrensanspruch gemäß Hilfsantrag 1 den von der Kammer in ihrer Mitteilung erhobenen Einwand im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ nicht aus.
Die Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 9. Auflage 2019, V.A.4.12.5 werde herangezogen, wonach in etlichen Entscheidungen darauf hingewiesen werde, dass nicht substantiierte Hilfsanträge im Beschwerdeverfahren nicht zu berücksichtigen seien. Insbesondere auf die dort genannten Entscheidungen T 1732/10 und T 1890/09 werde verwiesen. Es fehle an einer gemäß Artikel 12 (2) VOBK erforderlichen Substantiierung, d.h. an einem Mindestmaß einer Aussage, warum die neuen Merkmale im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1, der auf dem mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsantrag 3 basiere, die erfinderische Tätigkeit herstellen könnten.
ii) Änderungen
Der ursprünglich eingereichte Anspruch 1 sei auf die Teilbeharzung und die Farbaufnahmeschicht gerichtet. In dem die Beschreibungsseiten 7 und 8 der ursprünglich eingereichten Anmeldung überbrückenden Absatz sei die Trocknung zwar als unabhängiges Merkmal mit eigenständiger erfinderischer Bedeutung offenbart, allerdings beziehe sich die restliche Beschreibung nur auf die Ausführungsform mit Teilbeharzung und Farbaufnahmeschicht. Dieser Absatz berechtige die Beschwerdegegnerinnen aber nicht, jegliche anderen Merkmale, insbesondere die Schutzschicht, in Verbindung mit der Trocknung in den Anspruch aufzunehmen. Die Schutzschicht werde einerseits im zweiten Absatz auf Seite 4 mit Bezug auf die Teilbeharzung, andererseits im zweiten Absatz auf Seite 15 im Zusammenhang mit der in der Figur 5 gezeigten Farbaufnahmeschicht ursprünglich offenbart. In den ursprünglich eingereichten abhängigen Ansprüchen sei die Schutzschicht gar nicht offenbart. Eine mit einer Schutzschicht versehene Papierschicht ohne Farbaufnahmeschicht sei somit nicht ursprünglich offenbart, so dass Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unzulässig erweitert sei.
iii) Zurückverweisung
Eine Zurückverweisung würde gegen die gebotene Verfahrensökonomie verstoßen, zumal die Beschwerdegegnerinnen nicht substantiiert zu der Frage der erfinderischen Tätigkeit vorgetragen hätten. Es könne jedoch von den Beschwerdegegnerinnen erwartet werden, dass sie ihre Anträge verteidigten, denn die Darlegungslast liege bei ihnen. Im Hinblick auf die Entscheidung T 217/10 bestehe für die Beschwerdegegnerinnen eine Darlegungspflicht hinsichtlich ihrer eigenen Anträge. Außerdem seien die hinzugefügten Merkmale gängig und teilweise bereits aus den im Verfahren vorhandenen Druckschriften bekannt. Bei einer Zurückverweisung entstünde eine erhebliche Rechtsunsicherheit, die angesichts der bisherigen Dauer des Verfahrens nicht gerechtfertigt sei. Es bestehe zudem kein absolutes Recht auf zwei Instanzen.
iv) Rüge nach Regel 106 EPÜ
Vor der Entscheidung über die von den Beschwerdegegnerinnen beantragte Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung sei der unabhängige Produktanspruch 12 des Hilfsantrags 1 während der mündlichen Verhandlung nicht diskutiert worden, obgleich der Wortlaut dieses Anspruchs identisch mit dem des Anspruchs 12 gemäß Hauptantrag sei. Vor einer Entscheidung über die Zurückverweisung hätte Anspruch 12 jedoch zuerst mit der Kammer diskutiert werden müssen, denn eine Zurückverweisung, die die Beschwerdeführerin wesentlich durch die unnötige Verfahrensverzögerung benachteilige, wäre bei Nichtgewährung des Anspruchs 12 aus den im Beschwerdeverfahren bereits diskutierten Erwägungen nicht erforderlich gewesen. Da während der mündlichen Verhandlung keine Gelegenheit für die Beschwerdeführerin bestanden habe, zu dem Anspruch 12 Stellung zu nehmen, sei ihr Recht auf rechtliches Gehör nach Artikel 113 EPÜ nicht beachtet worden und es sei deshalb eine Rüge nach Regel 106 EPÜ erhoben worden.
XI. Die Beschwerdegegnerinnen haben im Wesentlichen das Folgende vorgetragen:
Verspätetes Vorbringen
Dass "Trocknung" ein relativer Begriff sei, habe die Beschwerdeführerin zum ersten Mal in der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer vorgebracht. Dieses verspätete Vorbringen solle deshalb nicht in das Beschwerdeverfahren zugelassen werden.
Hauptantrag
i) Auslegung
Anspruch 1 erfordere, dass die Trocknung unmittelbar stattfinde, d.h. so schnell wie technisch möglich. Der in Absatz [0024] der Patentschrift erwähnten "unmittelbare[n] Trocknung" könne keine relative Bedeutung zugesprochen werden, sondern sie bezeichne die absolute Trocknung "sobald die Tinte vom Druckkopf abgegeben" werde.
ii) Erfinderische Tätigkeit
Das erfindungsgemäße Verfahren sei auf die Herstellung von Dekorpapier für Boden- oder Möbelbauteile ausgerichtet. Im Prioritätsjahr 2007 habe das bedeutet, dass das Harz vom Papier aufgenommen werde, was die Porosität der Papierschicht zu einem wesentlichen Element der Erfindung mache. Synthetische Harzschichten seien zu dieser Zeit nicht gängig gewesen. Andererseits bestehe bei porösen Papierschichten, insbesondere in Zusammenhang mit der Verwendung von wasserhaltigen Lösemitteln, die Gefahr, dass die Druckfarben ineinander laufen würden.
Die Druckschrift D1 erwähne in Absatz [0024], dass die Färbeflüssigkeit der Tinte auf die Porosität des Papiers abgestimmt sei, so dass vor dem Trocknen ein Teil der Tinte vom Papier absorbiert werde. Ein solcher Trocknungsvorgang sei beim Tintendruck unvermeidlich. Demgegenüber verlange Anspruch 1, dass die Tinte mittels einer Heizeinrichtung aktiv getrocknet werde. Das habe zwar den technischen Effekt, dass die Trocknung verbessert werde, allerdings bestehe dann bei der Formulierung der objektiven technischen Aufgabe die Gefahr, dass sie einen Lösungsansatz enthalten würde.
Die Unterscheidungsmerkmale von Anspruch 1 bewirkten, dass der Anteil an Tinte, der im Papier absorbiert werde, gering gehalten werde, was zu einer Verminderung der Tintenspreitung, d.h. einer Verringerung des Auftretens des sogenannten Löschblatteffekts, und zu einer besseren Druckqualität führe. Die objektive technische Aufgabe liege somit darin, ein alternatives Verfahren zum Herstellen eines flächigen, bedruckten Bauteils zu schaffen, wobei die Druckqualität verbessert werde.
Dennoch finde der Fachmann in der Druckschrift D2 keine Anregung, um diese Aufgabe zu lösen. Der Löschblatteffekt sei darin nicht erwähnt. Außerdem betreffe die Druckschrift D2 nicht die Herstellung von Dekorpapier für Boden- oder Möbelteile. Das beschriebene Papier sei nicht geeignet, Harz in der notwendigen Menge der Erfindung aufzunehmen. Vielmehr befasse sich die Druckschrift D2 mit dem Erzeugen eines Druckbilds mit einem erhöhten Oberflächenglanz, der mit dem Glanz von Silberhalid-Fotos vergleichbar sei. Es fehlten Hinweise, dass das erzeugte Druckbild bei einem Verfahren gemäß dem einleitenden Teil von Anspruch 1 verwendet werden könne. Selbst wenn der Fachmann die in der Druckschrift D2 enthaltene Lehre berücksichtigen würde, würde er durch die darin offenbarte Heizeinrichtung, die einer üblicherweise bei Tintenstrahldruckverfahren eingesetzten Heizeinrichtung zur Beschleunigung des Druckverfahrens entspreche, nicht veranlasst, eine unmittelbare Trocknung der Tinte nach dem Auftragen auf die Papierbahn mit dem Ziel der Verbesserung des Druckergebnisses anzustreben. In Figur 1 und in den Absätzen [0046] und [0047] der Druckschrift D2 finde der Fachmann ein Verfahren beschrieben, bei dem nach der gesteuerten Entfernung eines Teils des Lösungsmittels eine Flüssigkeitszugabe und ein Fixierschritt vorgesehen seien. Der Fixierschritt sorge dafür, dass eine Fixierungsflüssigkeit L die Tinte kontrolliert auf der Papierbahn P binde. Das Wort "Trocknen" werde in der Druckschrift D2 nur zweimal erwähnt, nämlich in den Absätzen [0031] und [0074]. Die Druckschrift D2 warne explizit davor, das Druckbild zu viel zu trocknen. Die Behauptung, dass die Unterscheidungsmerkmale aus der Lehre der Druckschrift D2 als implizit offenbart herauszulesen seien, beruhe auf einer unzulässigen Ex-post-facto-Betrachtung.
Hilfsantrag 1
i) Zulassung
Der Hilfsantrag 1 sei in das Beschwerdeverfahren zuzulassen, und zwar insbesondere deswegen, weil es sich bei diesem Antrag um einen "bona fide" - Versuch handele, mit den Änderungen auf den in der Mitteilung der Kammer neu erhobenen Einwand der unzulässigen Erweiterung einzugehen. Es dürfe dabei auch nicht unbeachtet bleiben, dass die Beschwerdeführerin sich im gesamten Beschwerdeverfahren, insbesondere auch nicht in Reaktion auf die Mitteilung der Kammer, zu den Hilfsanträgen geäußert habe. Deshalb hätten berechtigte Gründe zu der Annahme bestanden, dass seitens der Beschwerdeführerin keine Einwände gegen den Hilfsantrag 1 vorlägen. Auch die Einspruchsabteilung habe keinen der ihr vorliegenden Hilfsanträge beanstandet. Die Kammer habe unter Punkt 16 ihrer Mitteilung keinen Grund gesehen, die mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsanträge in Anwendung des Artikels 12 (4) VOBK nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen. Außerdem sei nicht ersichtlich, wie die Beschwerdegegnerinnen die erfinderische Tätigkeit hätten begründen sollen, da sie in der ersten Instanz obsiegt hätten. Ohne die Einwände der Beschwerdeführerin zu kennen, hätten die Beschwerdegegnerinnen von ihrer Seite kein Argument für die erfinderische Tätigkeit vortragen können. Im Übrigen hätten die Beschwerdegegnerinnen sowohl den Hilfsantrag 1 als auch die mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsanträge substantiiert, da sie jeweils eine Basis für die Änderungen angegeben hätten. Darüber hinaus würden die Beteiligten am Beschwerdeverfahren erst nach Inkrafttreten der neuen Verfahrensordnung der Beschwerdekammern am 1. Januar 2020 in der Pflicht sein, jeden Teil des Beschwerdevorbringens zu begründen.
Zu dem von der Beschwerdeführerin erstmals in der mündlichen Verhandlung zitierten Abschnitt in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern könnten sie sich nicht äußern, da er lediglich Zusammenfassungen zu einzelnen Entscheidungen enthalte, die den Beschwerdegegnerinnen jedoch nicht vollständig vorlägen. Ohne die jeweilige Entscheidung im Einzelnen zu kennen, könnten sie nicht dazu Stellung nehmen. Es handele sich in dem zitierten Abschnitt lediglich um einige Entscheidungen, die nicht die gefestigte Rechtsprechung wiedergeben würden. Dabei scheine die Entscheidung T 1732/10 irrelevant, da die Hilfsanträge dort erst spät im Beschwerdeverfahren eingereicht worden seien. Im vorliegenden Fall hingegen wären die Hilfsanträge bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens fristgerecht nach Regel 116 EPÜ eingereicht worden.
Die während der mündlichen Verhandlung seitens der Beschwerdeführerin vorgetragenen Einwände gegen die Hilfsanträge seien verspätet und dürften demnach nicht Teil der Beschwerde sein.
ii) Änderungen
- Diskussion des Einwands
Die Beschwerdeführerin habe erstmals in der mündlichen Verhandlung bezüglich Artikel 123 (2) EPÜ argumentiert. Deshalb werde ein Einwand gegen die Prüfung der Voraussetzungen von Artikel 123 (2) EPÜ im Beschwerdeverfahren erhoben. Die Angelegenheit solle ohne weitere Diskussion hinsichtlich Artikel 123 (2) EPÜ direkt an die Einspruchsabteilung zur weiteren Prüfung zurückverwiesen werden.
- Zulässigkeit der Änderungen
Im Einspruchsverfahren habe die Beschwerdeführerin den Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ nicht erhoben, obwohl das Merkmal der Trocknung bereits im erteilten Anspruch 1 vorhanden gewesen sei und die zusätzlichen Merkmale der abhängigen Ansprüche somit bereits in Verbindung mit der Trocknung beansprucht gewesen seien. Der Absatz auf den Seiten 7 und 8 der ursprünglich eingereichten Beschreibung stelle eine Stütze für die Heizeinrichtungen dar, unabhängig von der Teilbeharzung und der separaten Farbaufnahmeschicht. Die ursprüngliche Beschreibung offenbare somit zwei verschiedene Möglichkeiten, um die Farbschicht anzubringen: entweder auf eine Farbaufnahmeschicht der teilbeharzten Papierschicht oder direkt auf die Papierschicht. Alle anderen in der Beschreibung erwähnten Verfahrensmerkmale, wie das Kurztaktpressen und die Schutzschicht, würden sich deshalb auf beide Möglichkeiten beziehen. Wesentlich sei die Schutzschicht nur bei verschleißanfälligen Bodenelementen, jedoch nicht zwingend in Verbindung mit einer Farbaufnahmeschicht.
iii) Zurückverweisung
Ein Antrag auf Zurückverweisung an die erste Instanz werde auch im Hinblick auf eine Prüfung der erfinderischen Tätigkeit gestellt. Die Beschwerdeführerin lasse außer Acht, dass ein ähnlicher Antrag wie Hilfsantrag 1 schon im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegen habe, dort aber über einen höherrangigen Antrag zugunsten der Beschwerdegegnerinnen entschieden worden sei. Außerdem gebe es keine Erläuterung seitens der Beschwerdeführerin, warum der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 nicht erfinderisch sei.
iv) Rüge nach Regel 106 EPÜ
Der Wortlaut des Anspruchs 12 beziehe sich durch die Zielangabe "zur Verwendung bei einem Verfahren nach einem der vorhergehenden Ansprüche" sowohl im Hauptantrag als auch im Hilfsantrag 1 eindeutig auf den jeweils vorangehenden Verfahrensanspruch 1. Deswegen, liege, je nach Wortlaut des Anspruchs 1, ein anderer Gegenstand des Anspruchs 12 vor. Folglich könne eine Diskussion zu Anspruch 12 nicht ohne eine Diskussion zu Anspruch 1 geführt werden. Das neue Merkmal "Kurztaktpressverfahren" in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 beeinflusse wesentlich die beim Verfahren zu verwendende Papierschicht und somit den Gegenstand des Anspruchs 12 des Hilfsantrags.
Entscheidungsgründe
1. Verspätetes Vorbringen
Während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer hat die Beschwerdeführerin vorgetragen, dass "Trocknung" ein relativer Begriff sei, womit im vorliegenden Zusammenhang die Verringerung des Anteils an Lösemittel, also nicht notwendigerweise die vollständige Verdunstung des Lösemittels, gemeint sei.
Die Beschwerdegegnerinnen sahen darin eine neue Auslegung des Begriffs "Trocknung", die verspätet vorgebracht sei und deshalb nicht in das Beschwerdeverfahren zugelassen werden solle.
Die Kammer weist darauf hin, dass die Beschwerdegegnerinnen bereits im Punkt 2.3.1.4 ihres Schreibens vom 1. August 2019 darauf hingewiesen haben, dass der Begriff "Trocknung" nur erfordere, dass etwas Lösemittel entfernt werde. So wird dort im Hinblick auf Absatz [0074] der Druckschrift D2 festgestellt:
"In fact, the word "dry" is used only twice in D2. ... in [0074] where it is explained that measures are taken to prevent an ink image from being dried too much. Although D2 makes repeated reference to removing the ink solvent in an ink image, it is clear from the entire disclosure of D2 that this is a reference to removing some of the solvent."
Dadurch haben die Beschwerdegegnerinnen vorgetragen, dass eine "Trocknung" von Tinte nicht notwendigerweise erfordere, dass das ganze Lösemittel verdunste. Dies entspricht nach Ansicht der Kammer auch dem üblichen Sprachempfinden.
Daher war die seitens der Beschwerdeführerin vorgetragene Auslegung der "Trocknung" höchstens eine Verfeinerung eines seitens der Beschwerdegegnerinnen bereits schriftlich im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Arguments. Darüber hinaus stützt sich das Argument der Beschwerdeführerin auf bereits im Verfahren befindliche behauptete und durch Absatz [0074] der Druckschrift D2 gestützte Tatsachen, sodass die Kammer keinerlei Ermessensspielraum hinsichtlich der Zulassung dieses Vorbringens hatte (vgl. auch T 1914/12, Entscheidungsgründe 7.1 und 7.2). Daher ist dieses Vorbringen im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen.|
2. Hauptantrag
2.1 Auslegung des Verfahrensanspruchs 1
2.1.1 Das Merkmal b erfordert, dass "eine beharzte, mit einer Farbschicht bedruckbare oder bedruckte Papierschicht" (Hervorhebung durch die Kammer) auf einen flächigen Grundkörper des Bauteils aufgebracht wird. Demgegenüber erfordert das Merkmal c nur eine "aufgebrachte Farbschicht" (Hervorhebung durch die Kammer).
Die Aufbringung der Farbschicht und die in den Merkmalen c und d beanspruchten Verfahrensschritte können also auch erst ausgeführt werden, nachdem die Papierschicht auf den Grundkörper aufgebracht worden ist. Diese Auslegung steht im Einklang mit Anspruch 11 und mit Absatz [0018] der Patentschrift.
2.1.2 Das Merkmal d enthält die Zweckangabe "so dass sich eine unmittelbare Trocknung von aufgebrachter Tinte ergibt".
Unter "Trocknung" versteht man in der Regel das Entziehen von Feuchtigkeit. Im gegenwärtigen Kontext bedeutet das im Einklang mit der beschriebenen Verwendung im Patent (siehe insbesondere Spalte 6, Zeilen 10 und 11 der Patentschrift) das Austreiben von Wasser bzw. Lösemittel aus der Tinte. Dabei erfordert eine Trocknung in der Regel nicht, dass die gesamte Feuchtigkeit entzogen wird (siehe hierzu auch oben, Punkt 1).
Da eine Trocknung zeitgleich mit dem Aufbringen der Tinte physikalisch keinen Sinn ergibt, legt die Kammer den Begriff "unmittelbar" so aus, dass die Trocknung sich direkt an das Aufbringen der Tinte anschließt. Das bedeutet, dass die Tintentropfen aktiv getrocknet werden, sobald sie auf der Papieroberfläche aufgebracht sind.
2.2 Erfinderische Tätigkeit
2.2.1 Ausgangspunkt
Die Parteien sind sich einig, dass die Druckschrift D1 einen geeigneten Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit darstellt. Die Kammer sieht keinen Grund, hiervon abzuweichen. Die in Absatz [0004] der Patentschrift gewürdigte Druckschrift D1 befasst sich mit einem Verfahren zum Herstellen eines flächigen, bedruckten Bauteils, wobei auf einen flächigen Grundkörper 22 unter Druck- und Hitzeeinfluss eine beharzte Papierschicht 10 aufgebracht wird, die entweder vor oder nach deren Aufbringen mit einer Farbschicht 26 bedruckt wird (vgl. Figur 3 in Verbindung mit den Absätzen [0023] und [0041]).
Unstrittig ist auch, dass sich der Anspruchsgegenstand von der Offenbarung der Druckschrift D1 durch die Merkmale c und d unterscheidet. Außer einem in Absatz [0024] enthaltenen allgemeinen Verweis auf einen unbestimmten Trocknungsvorgang ist in der Druckschrift D1 nicht offenbart, wie die aufgebrachte Farbschicht 26 getrocknet wird.
2.2.2 Objektive technische Aufgabe
Die Einspruchsabteilung hat in Punkt 4.1.2 ihrer Entscheidung angegeben, dass die objektive technische Aufgabe ein Verfahren zum Herstellen eines flächigen, bedruckten Bauteils sei, wobei die Druckqualität verbessert werde und, insbesondere, der Löschblatteffekt vermieden werde.
Die Kammer sieht allerdings keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Trocknungsschritt im Merkmal c und dem Löschblatteffekt. Nach Absatz [0007] der Patentbeschreibung wird der Löschblatteffekt dadurch verursacht, dass
"es in Abhängigkeit des eingesetzten Papiermaterials und der verwendeten Tinte gerade bei hoher Farbdichte und/oder hohem Wasseranteil dazu kommen kann, daß die mit der Papierbahn in Berührung kommende Tinte im oberen, nicht oder nur geringfügig beharzten Bereich verläuft".
Um das daraus entstehende unbefriedigende Druckergebnis zu verbessern, wird in Absatz [0009] des Patents vorgeschlagen, eine Farbaufnahmeschicht gemäß dem kennzeichnenden Teil von Anspruch 1 wie ursprünglich eingereicht auf die Papierschicht anzubringen. Weiter wird in Absatz [0022] vorgeschlagen, die Druckseite der Farbaufnahmeschicht vor dem Bedrucken zu glätten, schleifen und/oder fein aufzurauhen, um ein etwaiges Verlaufen der Tinte bei hohem Farbauftrag zu vermeiden.
Ein Trocknungsschritt war in dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 weder beansprucht noch wird die Trocknung im Patent mit dem Verlaufen der Druckfarbe in Verbindung gebracht. Im Gegenteil, Absatz [0023] der Patentschrift, in dem die Trocknung zum ersten Mal beschrieben wird, fängt mit dem folgenden Satz an:
"Unabhängig von der Aufbringung der Farbaufnahmeschicht und/oder der Glättung bzw. Aufrauhung der Papierschicht bietet es sich verfahrenstechnisch an, daß die auf die Papierschicht bzw. die Farbaufnahmeschicht aufgebrachte Farbschicht beheizt bzw. getrocknet wird".
Das bedeutet jedoch nicht, dass der Löschblatteffekt durch den in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag enthaltenen Trocknungsschritt bzw. Heizvorgang vermieden werden kann.
Auch ist nicht erkennbar, wie die Verbesserung der Druckqualität mit den Unterscheidungsmerkmalen verknüpft sein soll. Der Patentschrift kann diesbezüglich kein Hinweis entnommen werden. In Absatz [0023] wird die mit den Merkmalen c und d beanspruchte Trocknung lediglich als zusätzlicher Verfahrensschritt dargestellt ("bietet sich verfahrenstechnisch an"). Außerdem wird mit dem Ausgangsverfahren bereits angestrebt, höchste Qualitätserfordernisse zu erfüllen (vgl. Absatz [0005] der Patentschrift und Absatz [0006] der Druckschrift D1).
Unter diesen Umständen ist die Neuformulierung der objektiven technischen Aufgabe erforderlich. Dabei werden die technischen Wirkungen herangezogen, welche durch die Unterscheidungsmerkmale beim nächstliegenden Stand der Technik hervorgerufen werden. Die so ermittelte Aufgabe soll so spezifisch wie möglich sein, ohne Teile der Lösung oder Lösungsansätze zu enthalten (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 9. Auflage 2019, I.D.4.3 und I.D.4.4).
Mit den Merkmalen c und d erfährt der Fachmann, wie er die Trocknung der Papierschicht der Druckschrift D1 (siehe Absatz [0024]) in geeigneter Weise bewirken kann. Somit ist die objektive technische Aufgabe darin zu sehen, dass ein geeignetes Trocknungsverfahren für das aus der Druckschrift D1 bekannte Herstellungsverfahren bereitgestellt werden soll.
Diese Aufgabe enthält keine Lösungsansätze, da eine Trocknung bereits im nächstliegenden Stand der Technik offenbart ist.
2.2.3 Naheliegen
Zwar ist es grundsätzlich möglich, ein bedrucktes Bauteil ohne aktive Wärmeeinwirkung zu trocknen. Es ist meist nur eine Frage der Zeit bis die Tinte getrocknet ist. Vor dem Prioritätstag gehörte es aber, wie auch aus dem Schreiben der Beschwerdegegnerinnen vom 15. September 2015 (Seite 9, Absatz 2) hervorgeht, zum allgemeinen Fachwissen auf dem Gebiet der Tintenstrahldruckverfahren, eine Heizeinrichtung einzusetzen, um aufgebrachte Farbschichten schneller zu trocknen (Merkmal c). Ein Beispiel dafür offenbart die Druckschrift D2, wo in Absatz [0030] das Fachwissen bezüglich der Verwendung von Heizeinrichtungen bestätigt wird.
Eine erfinderische Tätigkeit kann nach Auffassung der Kammer nicht darin gesehen werden, dass die Heiztemperatur in dem - sehr breiten - Temperaturbereich zwischen 30°C und 150°C liegt. Einerseits ist für den Fachmann naheliegend, die Heiztemperatur nach oben hin zu begrenzen, nicht nur um die Papierschicht, die Druckerkomponenten und die Farbpartikel (vgl. Absatz [0030] der Druckschrift D2: "the hot air temperature and heater temperature are set at temperatures at which the color particles forming an ink image are not molten") zu schützen, sondern auch um zu vermeiden, dass das Harz in der Papierschicht vorzeitig aushärtet und die Herstellung des Bauteils erschwert wird. Andererseits kann von dem Fachmann erwartet werden, dass er weiß, dass die Heiztemperatur abhängig von der verwendeten Tinte, aber auf jeden Fall oberhalb der Umgebungstemperatur, festgelegt werden muss, damit das Lösemittel bzw. das Wasser (im Falle von wasserhaltigen Tinten) aus der Farbschicht ausreichend schnell verdunstet. Aufgrund dieser Überlegungen liegt es für den Fachmann auf der Hand, die Farbschicht 26 in der Druckschrift D1 mittels einer Heizeinrichtung bei einer Heiztemperatur von, zum Beispiel, 50°C zu trocknen.
Dabei wird der geringe Abstand zwischen der Heizeinrichtung und der Tintenstrahldüse, ähnlich wie in dem Beispiel gemäß der schematischen Figur 2C der Druckschrift D2, dafür sorgen, dass die aktive Trocknung direkt im Anschluss an das Aufbringen der Tinte stattfindet.
Aus den vorgenannten Gründen ergibt sich der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag für den Fachmann ausgehend von Druckschrift D1 aufgrund naheliegender Überlegungen und er beruht deshalb nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
2.2.4 Die Kammer teilt nicht die Auffassung der Beschwerdegegnerinnen, wonach der Fachmann die Druckschrift D2 deshalb nicht heranziehen würde, weil das Dokument einen verbesserten Oberflächenglanz eines Druckbilds erziele und weil Hinweise fehlten, dass das nach dem Dokument erzeugte Druckbild in einem Verfahren gemäß dem einleitenden Teil von Anspruch 1 verwendet werden könne. Der Fachmann, der bestrebt ist, ein geeignetes Trocknungsverfahren für das aus der Druckschrift D1 bekannte Herstellungsverfahren zu finden, wird sich nicht auf das Gebiet der Dekorpapiere für Boden- und Möbelelemente beschränken, sondern auch den Stand der Technik, der sich allgemein mit Tintenstrahlbedruckung auf Oberflächen beschäftigt, berücksichtigen. Dazu gehört auch die Druckschrift D2. Außerdem gibt die Druckschrift D2 lediglich eine übliche, dem fachkundigen Leser bereits bekannte Lösung wieder, nämlich eine bedruckte Farbschicht mittels einer Heizeinrichtung mit technisch sinnvoller Temperatur zu trocknen.
Auch die Argumentation der Beschwerdegegnerinnen hinsichtlich der "unmittelbare[n] Trocknung" hat die Kammer nicht überzeugt. Gemäß der oben genannten Auslegung schließt sich die Trocknung direkt an das Aufbringen der Tinte an. In der schematischen Figur 2C der Druckschrift D2 durchläuft die Farbschicht direkt nach ihrer Aufbringung auf der Papierschicht (Bezugszeichen 12) einen Trocknungsschritt (Bezugszeichen 14c), bei dem Lösemittel über die gesamte Breite der Papierschicht P gleichmäßig verdunsten wird (vgl. Absatz [0029]). Die Tatsache, dass darauffolgend eine weitere Flüssigkeit L auf die Farbschicht aufgebracht wird und Heizwalzen 30 das Druckbild endgültig fixieren, wobei möglicherweise die Viskosität der Farbschicht weiter beeinflusst wird, ist für die Prüfung der erfinderischen Tätigkeit allein schon deshalb nicht von Bedeutung, da solche weiteren Verfahrensschritte durch den Wortlaut des Anspruchs 1 nicht ausgeschlossen sind. Darüber hinaus haben die Beschwerdegegnerinnen nicht überzeugend dargelegt, wieso das Entziehen eines Anteils an Lösemittel durch die "solvent removing means 14" in der Druckschrift D2 keine Trocknung im Sinne von Anspruch 1 ist. Der Ausdruck "being dried too much" in Absatz [0074] der Druckschrift D2 zeigt hingegen, dass eine Trocknung nicht vollständig sein muss und genau wie im oben genannten Sinne (siehe Punkte 1 und 2.1.2) verwendet wird.
2.3 Aus den oben genannten Gründen ist der Hauptantrag der Beschwerdegegnerinnen nicht gewährbar.
3. Hilfsantrag 1
3.1 Zulassung
3.1.1 Für die Frage der Berücksichtigung von Vorbringen der Beteiligten unterscheidet die Verfahrensordnung der Beschwerdekammern generell zwischen Vorbringen, das erstmals mit der Beschwerdebegründung bzw. Beschwerdeerwiderung eingereicht wurde (vgl. Artikel 12 (2) und (4) VOBK), und Vorbringen, das zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt (vgl. Artikel 13 VOBK).
Nach Artikel 12 (2) VOBK müssen die Beschwerdebegründung und die Erwiderung den vollständigen Sachvortrag der Beteiligten enthalten und sollen ausdrücklich und spezifisch alle Tatsachen, Argumente und Beweismittel anführen. Nach Artikel 12 (4) VOBK berücksichtigt die Kammer das gesamte Vorbringen der Beteiligten nach Artikel 12 (1) VOBK, wenn und soweit es sich auf die Beschwerdesache bezieht und die Erfordernisse des Artikels 12 (2) VOBK erfüllt sind. Artikel 12 (4) VOBK nennt jedoch auch die Befugnis der Kammer, Tatsachen, Beweismittel und Anträge nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätten vorgebracht werden können oder dort nicht zugelassen worden sind.
Die Bestimmungen von Artikel 13 VOBK sehen vor, dass Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Erwiderung nur dann im Verfahren Berücksichtigung finden, wenn sie von der Kammer in Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens zugelassen werden. Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt. Dabei werden Änderungen des Vorbringens nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung nicht zugelassen, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist.
3.1.2 Im erstinstanzlichen Verfahren hatten die Beschwerdegegnerinnen in Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung und in Reaktion auf die in der der Ladung beigefügten Mitteilung erhobenen Einwände die Hilfsanträge 1 bis 14 eingereicht. Die Einspruchsabteilung kam in der mündlichen Verhandlung zum Schluss, dass das geänderte Patent gemäß des während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags 1, der den früheren Hilfsantrag 1 ersetzte und dem vorliegenden Hauptantrag entspricht, den Erfordernissen des EPÜ genüge. Es bestand somit seitens der Einspruchsabteilung keine Veranlassung, zu den weiteren nachrangigen Hilfsanträgen 2 bis 14 Stellung zu nehmen.
Mit der Beschwerdeerwiderung reichten die Beschwerdegegnerinnen die Hilfsanträge 1 bis 6 ein, deren Verfahrensansprüche im Wesentlichen denjenigen der im Einspruchsverfahren eingereichten Hilfsanträge 9 bis 14 entsprechen. Im Vergleich mit dem Hauptantrag blieb der Wortlaut der jeweiligen Vorrichtungsansprüche unverändert.
In den Punkten 15 und 16 ihrer am 14. Juni 2019 ergangenen Mitteilung hat die Kammer festgestellt, dass die Beschwerdeführerin weder zu der Zulässigkeit noch zu der Gewährbarkeit der vorliegenden Hilfsanträge Stellung genommen habe, und mitgeteilt, dass sie angesichts der Tatsache, dass die vorliegenden Hilfsanträge den im erstinstanzlichen Verfahren eingereichten Hilfsanträgen 9 bis 14 entsprechen würden, vorläufig keinen Grund sehe, diese Anträge in Anwendung des Artikels 12 (4) VOBK nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen. Anschließend äußerte die Kammer im Abschnitt 17 ihre vorläufige Meinung zu der Gewährbarkeit der Verfahrensansprüche der Hilfsanträge und erhob im Punkt 17.3 aus folgendem Grund Bedenken, dass die Änderungen in Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 im Einklang mit Artikel 123 (2) EPÜ stehen:
"Das Merkmal "Schutzschicht (12)" im Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 ist nur in Zusammenhang mit den im zweiten Absatz auf Seite 4 bzw. im zweiten Absatz auf Seite 15 oder mit den auf Seite 17 beschriebenen Merkmalen ("ebenfalls beharzt", "auf die Farbschicht") der ursprünglich eingereichten Anmeldungsbeschreibung offenbart."
3.1.3 Der vorliegende Hilfsantrag 1 wurde nach der Beschwerdeerwiderung und nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung mit Schreiben vom 1. August 2019 eingereicht, so dass Artikel 13 (1) und (3) VOBK hier Anwendung findet.
Gegenüber dem mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsantrag 3 wurde Anspruch 1 des vorliegenden Hilfsantrags 1 folgendermaßen geändert:
"[g] und daß die Papierschicht (1) im Kurztaktpressverfahren mit dem Grundkörper (10) und einer Schutzschicht (12), die ebenfalls beharzt und auf die Farbschicht (8) aufgebracht ist, verpresst wird,".
Die Kammer ist der Auffassung, dass diese Änderungen eine in sachlicher und zeitlicher Hinsicht angemessene Reaktion auf den erstmals von der Kammer in ihrer Mitteilung erhobenen Einwand nach Artikel 123 (2) EPÜ, d.h. nachdem das Fehlen genau dieser zwei Merkmale ("ebenfalls beharzt", "auf die Farbschicht") erstmals beanstandet wurde, darstellt. Es war somit prima facie ersichtlich, dass diese Änderungen nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehen.
Da der vorliegende Hilfsantrag 1 bis auf das Merkmal g im Verfahrensanspruch 1 dem mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsantrag 3 und damit der Verfahrensanspruch 1 des Hilfsantrags 1 dem Anspruch 1 des in der ersten Instanz eingereichten Hilfsantrags 11 im Wesentlichen entspricht, ist es für die Kammer nicht ersichtlich, warum es der Beschwerdeführerin nicht zumutbar gewesen sein soll, spätestens in der mündlichen Verhandlung zu den im Vergleich zum Hauptantrag vorgenommenen Änderungen Stellung zu nehmen. Darüber hinaus kann das den Verfahrensanspruch 1 einschränkende Merkmal g gemäß dem vorliegenden Hilfsantrag 1 als geeigneter Versuch der Beschwerdegegnerinnen betrachtet werden, alle vorhandenen Einwände gegen den mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsantrag 3 auszuräumen, ohne komplexe Fragen aufzuwerfen, deren Behandlung der Kammer oder der Beschwerdeführerin ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten gewesen wären.
3.1.4 In der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer beantragte die Beschwerdeführerin erstmals, sämtliche Hilfsanträge mangels Substantiierung seitens der Beschwerdegegnerinnen nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen, und machte auch erstmals geltend, dass die Beschwerdegegnerinnen es versäumt hätten, mit der Beschwerdeerwiderung bzw. in Reaktion auf die Mitteilung der Kammer zu begründen, warum bei ihren Hilfsanträgen Neuheit und erfinderische Tätigkeit vorliegen würden und insbesondere warum die Änderungen im Anspruch 1 des vorliegenden Hilfsantrags 1 eine erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands gegenüber den im Verfahren befindlichen Beweismitteln herstellen könnten.
Die Kammer stellt fest, dass die Beschwerdeführerin sich zu keinem Zeitpunkt während des schriftlichen Beschwerdeverfahrens gegen die Zulassung der von den Beschwerdegegnerinnen eingereichten Hilfsanträge ausgesprochen hat oder Einwände gegen deren Gewährbarkeit erhoben hat, obgleich sie dazu die Gelegenheit hatte. Spätestens nach Erlass der für die Beschwerdegegnerinnen negativen Mitteilung der Kammer zum Hauptantrag und der darin angekündigten Absicht der Kammer, die mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsanträge zu berücksichtigen, hätte die Beschwerdeführerin damit rechnen müssen, dass im Falle einer Nichtgewährung des Hauptantrags in der mündlichen Verhandlung eine Diskussion über diese Hilfsanträge folgen würde und sie hätte etwaige Einwände gegen die Zulassung oder die Gewährbarkeit dieser Anträge bereits in Reaktion auf diese Mitteilung schriftlich erheben können. Hinsichtlich des vorliegenden Hilfsantrags 1, den die Beschwerdegegnerinnen mit Schreiben vom 1. August 2019 in Reaktion auf die Mitteilung der Kammer und zwei Monate vor der mündlichen Verhandlung eingereicht haben, hätte die Beschwerdeführerin ebenfalls davon ausgehen müssen, dass im Falle einer Nichtgewährung des Hauptantrags eine Diskussion über die Zulassung und ggf. die Gewährbarkeit dieses Hilfsantrags stattfinden würde und dass die Kammer über diesen Antrag dann entscheiden würde. Die Beschwerdeführerin hätte daher bereits schriftlich und vor der mündlichen Verhandlung ihre Einwände gegen den neuen Hilfsantrag 1 erheben können.
Es bestand für die Beschwerdeführerin zwar keine rechtliche Verpflichtung, zu den von den Beschwerdegegnerinnen mit ihrer Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsanträgen oder zu dem vor der mündlichen Verhandlung eingereichten neuen Hilfsantrag 1 Stellung zu nehmen. Allerdings obliegt es jedem Verfahrensbeteiligten, alle für ihn relevanten Tatsachen, Beweismittel, Argumente und auch Anträge so frühzeitig und vollständig wie möglich vorzubringen. Dies gilt vorliegend für die Beschwerdeführerin auch dann, wenn sie gemäß Artikel 13 (2) VOBK berechtigt gewesen wäre, zu dem Hilfsantrag 1 Stellung zu nehmen, wenn dieser Antrag von der Kammer nicht von Amts wegen als unzulässig erachtet worden wäre. Die Beschwerdeführerin konnte deshalb nicht ohne weiteres davon ausgehen, dass sich die Kammer ihren erst in der mündlichen Verhandlung vorgebrachten Einwänden gegen den vorliegenden Hilfsantrag 1 anschließen würde und dass sie diesen Hilfsantrag nicht zulassen würde. Auch eine möglicherweise unvollständige Substantiierung eines mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsantrags der Gegenseite kann nicht als Rechtfertigung dafür dienen, sich schriftlich zu dem zu einem späteren Verfahrensstadium eingereichten Hilfsantrag überhaupt nicht zu äußern und erst in der mündlichen Verhandlung diesen Hilfsantrag zu beanstanden.
Darüber hinaus geht der vorliegende Hilfsantrag 1 auf den mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsantrag 3 zurück, der hinsichtlich seiner Zulassung in das Beschwerdeverfahren weder von der Kammer noch von der Beschwerdeführerin beanstandet worden ist. Die Beschwerdegegnerinnen haben beim Einreichen des neuen Hilfsantrags 1 auch vorgetragen, dass die in Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen von der ursprünglich eingereichten Beschreibung gestützt würden und der Bemerkung im Punkt 17.3 der Mitteilung der Kammer Rechnung tragen würden. Insofern liegt eine Substantiierung vor, wie durch die vorgenommenen Änderungen der Einwand der Kammer gegen den bisherigen Hilfsantrag 3 ausgeräumt werden könnte.
Auch das Argument, den Hilfsantrag 1 nicht zuzulassen, da die Beschwerdegegnerinnen erstmalig in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgetragen hätten, warum eine erfinderische Tätigkeit vorliege, was zu einer Vertagung der mündlichen Verhandlung führen könnte, überzeugt die Kammer nicht. Da sich die Beschwerdeführerin entschieden hatte, bis zur mündlichen Verhandlung weder zur Zulässigkeit der Änderungen e bis h des Verfahrensanspruchs noch zur erfinderischen Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands etwas vorzutragen, war es für die Kammer bis zu diesem sehr späten Verfahrensstadium in keiner Weise ersichtlich, ob seitens der Beschwerdeführerin die Absicht bestand, den beanspruchten Gegenstand des Hilfsantrags anzugreifen. Durch diese Handlungsweise wäre auch die Frage einer eventuellen Vertagung der mündlichen Verhandlung vielmehr von den verspäteten Einwänden der Beschwerdeführerin und von der Notwendigkeit, der anderen Partei eine Gelegenheit zu geben, darauf angemessen zu reagieren, veranlasst gewesen.
3.1.5 Die Umstände des vorliegenden Falls unterscheiden sich von dem Sachverhalt, der den von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheidungen T 1732/10 und T 1890/09 zugrunde lag.
In dem Fall T 1732/10 bestand die nach Ablauf der viermonatigen Frist für die Beschwerdeerwiderung erfolgte Reaktion der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) auf die Beschwerdebegründung aus einem einzigen Satz ("With respect to the pending appeal proceedings, it is requested to reject the appeal of opponent 03 as unfounded and to maintain the patent as granted") und es waren keinerlei Argumente vorgetragen worden. Erst in Reaktion auf die Mitteilung der Kammer wurden von der Beschwerdegegnerin ein neuer geänderter Hauptantrag und neue Hilfsanträge in Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung eingereicht.
In dem Fall T 1890/09 reichte die Beschwerdegegnerin mit ihrer Beschwerdeerwiderung Hilfsanträge ein, die teilweise den erstinstanzlich bereits vorgelegten Anträgen entsprachen und deren Änderungen im Wesentlichen den abhängigen Ansprüchen des Hauptantrags entnommen waren. Die Beschwerdegegnerin hatte jedoch in ihrer Erwiderung bezüglich dieser Hilfsanträge überhaupt keine Begründung vorgebracht und auch keine Begründung zu diesen Anträgen zu einem späteren Zeitpunkt im Beschwerdeverfahren nachgereicht.
Da der Sachverhalt des vorliegenden Falls mit dem Sachverhalt der von der Beschwerdeführerin zitierten Entscheidungen aus den obigen Gründen nicht vergleichbar ist, waren diese Entscheidungen für den vorliegenden Fall nicht relevant.
3.1.6 Aus den vorgenannten Gründen hat die Kammer in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 13 VOBK entschieden, den Hilfsantrag 1 in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
3.2 Änderungen
3.2.1 Entscheidung über die Frage der unzulässigen Erweiterung (Artikel 123 (2) EPÜ) im Beschwerdeverfahren
Die Beschwerdeführerin hat in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer einen Einwand gemäß Artikel 123 (2) EPÜ gegen den Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 erhoben. Die Beschwerdegegnerinnen waren aber der Ansicht, dass die Angelegenheit ohne weitere Diskussion über die Zulässigkeit der Änderungen direkt an die Einspruchsabteilung zur weiteren Prüfung zurückverwiesen werden sollte.
Nach Artikel 111 (1) EPÜ steht es im Ermessen der Beschwerdekammer, ob sie in der Sache selbst entscheidet oder ob sie die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Instanz, die die Entscheidung erlassen hat, zurückverweist. Über die Zweckmäßigkeit einer solchen Zurückverweisung entscheiden die Beschwerdekammern nach Sachlage im Einzelfall. Nach Auffassung der Kammer musste der Beschwerdeführerin nach der Zulassung des Hilfsantrags 1 der Beschwerdegegnerinnen, der zur Ausräumung eines von der Kammer erhobenen Einwands der unzulässigen Erweiterung eingereicht wurde, die Gelegenheit gegeben werden, dazu Stellung zu nehmen. Eine Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz zur Entscheidung über den von der Kammer erhobenen Einwand gegen die Zulässigkeit der Änderungen erschien vorliegend nicht zweckmäßig, da die Mitteilung der Kammer bereits auf diesen Punkt eingegangen war.
Die Kammer beschloss daher in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 111 (1) EPÜ, dass die Frage, ob der Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 die Voraussetzungen des Artikels 123 (2) EPÜ erfüllt, in der mündlichen Verhandlung ohne weiteres diskutiert und entschieden werden konnte und deshalb eine Zurückverweisung an die erste Instanz an diesem Punkt des Beschwerdeverfahrens nicht zweckmäßig war.
3.2.2 Zulässigkeit der Änderungen
Nach der ursprünglich eingereichten Anmeldungsfassung bestand die Erfindung, ausgehend von der Druckschrift D1 und zur Vermeidung des sogenannten Löschblatteffekts, darin, die Farbschicht auf eine separate Farbaufnahmeschicht und nicht direkt auf die Papierschicht aufzubringen (vgl. Seiten 1 und 2 der ursprünglich eingereichten Beschreibung). Weiter erläutert Absatz 2 auf Seite 4, dass auf ein bedrucktes, im Bodenbereich eingesetztes Bauteil üblicherweise eine beharzte Schutzschicht aufgebracht wird, die dann mit der ebenfalls beharzten Papierschicht des Bauteils verpresst wird. In Absatz 3 auf Seite 6 wird ausgeführt, dass das Verpressen bevorzugt durch das "Kurztaktpreßverfahren" bei einer Temperatur zwischen 140°C und 200°C stattfindet. Es wird weiter in Absatz 2 auf Seite 7 angegeben, dass bevorzugt wasserhaltige Tinte verwendet wird. Schließlich gibt der die Seiten 7 und 8 überbrückende Absatz an, dass die Farbschicht während dem Bedrucken mittels Infrarot-, insbesondere NIR-Heizeinrichtungen und/oder Mikrowellenheizeinrichtungen und üblicherweise bei einer Heiztemperatur zwischen 30°C und 150°C getrocknet werden kann. Somit sind die Verfahrensmerkmale c bis h in Verbindung mit einem Verfahren nach den Merkmalen a und b ursprünglich offenbart.
Die Beschwerdeführerin sieht einen Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ darin, dass die Merkmale e bis h, und insbesondere die Schutzschicht, nur im Zusammenhang mit der Teilbeharzung der Papierschicht und mit der separaten, auf der Papierschicht aufliegenden Farbaufnahmeschicht ursprünglich offenbart seien.
Gemäß dem die Seiten 7 und 8 überbrückenden Absatz ist die Trocknung aber "[u]nabhängig von der Aufbringung der Farbaufnahmeschicht" bzw. "unabhängig von der Teilbeharzung mit separater Farbaufnahmeschicht"; der Trocknung kommt "eigenständige erfinderische Bedeutung zu" (vgl. Seite 7, Zeilen 21 - 24 und Seite 8, Zeilen
4 - 7 der ursprünglich eingereichten Beschreibung). Die Kammer schließt hieraus, dass die in den einleitenden Seiten der Beschreibung und in Anspruch 1 der ursprünglich eingereichten Anmeldung als erfindungswesentlich dargestellten Merkmale "Farbaufnahmeschicht" und "Teilbeharzung" im Zusammenhang mit der Trocknung bzw. der Beheizung der Farbschicht als fakultativ zu betrachten sind. Sobald das Herstellungsverfahren einen Trocknungsschritt enthält, sind die Aufbringung der Farbschicht auf eine separate Farbaufnahmeschicht und die Teilbeharzung der Papierschicht folglich nicht erfindungswesentlich.
Dadurch, dass die eigenständige erfinderische Bedeutung sich ausschließlich gegenüber der Teilbeharzung mit separater Farbaufnahmeschicht, nicht aber gegenüber eventuellen anderen, als bevorzugt beschriebenen Verfahrens- oder Vorrichtungsmerkmalen (so wie der Schutzschicht, dem Pressverfahren oder dem Temperaturbereich) abgrenzt, sind auch die Merkmale e bis h in Verbindung mit einer Trocknung ohne Teilbeharzung und ohne Farbaufnahmeschicht ursprünglich offenbart.
Das ergibt sich ebenfalls in der Zusammenschau der detaillierten Beschreibung der Figuren 6 und 7, die den Ablauf des Verfahrens darstellen, mit den obengenannten Stellen auf den Seiten 7 und 8. Die Abgrenzung gegenüber der Teilbeharzung und der Farbaufnahmeschicht bedeutet, dass die Trocknung der Farbschicht im Verfahrensschritt 16 bzw. 22 unabhängig von dem Verfahrensschritt 14 (Teilbeharzung) und unabhängig von der Aufbringung der Farbaufnahmeschicht vor, während oder nach dem Verfahrensschritt 14 offenbart ist. Die daran anschließende Verpressung mit der Schutzschicht im Verfahrensschritt 17 bzw. 23 (vgl. Seite 17, Absätze 2 und 3 der ursprünglich eingereichten Beschreibung) ist aber unmittelbar und eindeutig zusammen mit dem Verfahrensschritt 16 bzw. 22 offenbart.
Außerdem ist zu beachten, dass eine beharzte Schutzschicht auf ein ebenfalls beharztes, bedrucktes Bauteil zum Schutz der Farbschicht vor UV-Strahlung und insbesondere vor mechanischer Beschädigung aufgebracht wird (vgl. Seite 15, Zeilen 9 - 11 der ursprünglich eingereichten Beschreibung). Die Funktion der Schutzschicht ist unabhängig davon, auf welche Art die Papierschicht des Bauteils mit der Farbschicht bedruckt wurde (vgl. Absatz 2 auf Seite 4). Die Aufbringung der Schutzschicht und die Aufbringung der Farbaufnahmeschicht sind somit als voneinander unabhängig zu betrachten.
Folglich geht der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus und erfüllt daher die Voraussetzungen des Artikels 123 (2) EPÜ.
3.3 Zurückverweisung (Artikel 111 (1) EPÜ)
3.3.1 Die Beschwerdegegnerinnen haben hilfsweise die Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung beantragt, während sich die Beschwerdeführerin aus verschiedenen Gründen dagegen ausgesprochen hat.| | |
3.3.2 Wie oben bereits dargelegt, steht es gemäß Artikel 111 (1) EPÜ im Ermessen der Kammer, ob sie in der Sache selbst entscheidet oder ob sie den Fall an die Instanz zurückverweist, die die Entscheidung erlassen hat, wobei die Zweckmäßigkeit einer solchen Zurückverweisung nach Sachlage im Einzelfall beurteilt wird.
3.3.3 Im vorliegenden Fall stellt die Kammer fest, dass sich das erstinstanzliche Verfahren ausschließlich mit den unabhängigen Ansprüchen des damals vorliegenden Hauptantrags und des damals vorliegenden Hilfsantrags 1, und dabei insbesondere mit der Frage der Offenbarung bzw. des Naheliegens der Merkmale a bis d und A bis F in Bezug auf die Druckschriften D1 und D2, befasst hat. Der unabhängige Verfahrensanspruch 1 des vorliegenden Hilfsantrags 1 wurde um die Merkmale e bis h ergänzt, die aus der Beschreibung übernommen wurden und die nicht in den ursprünglich eingereichten Ansprüchen enthalten waren. Wie oben unter Punkt 3.1.3 dargelegt, entspricht der Anspruch 1 des vorliegenden Hilfsantrags 1 mit Ausnahme des Merkmals g im Wesentlichen dem Anspruch 1 des Hilfsantrags 11, der bereits der Einspruchsabteilung vorlag, aber über den sie nicht entschieden hat, da sie den damals vorliegenden und gegenüber den übrigen Hilfsanträgen höherrangigen Hilfsantrag 1 für gewährbar hielt. Bei dieser Sachlage ist eine Zurückverweisung an die erste Instanz zweckmäßig, damit die weitere Prüfung des vorliegenden Hilfsantrags 1 der Beschwerdegegnerinnen vor zwei Instanzen erfolgen kann.
Deshalb hält es die Kammer im Einklang mit der Rechtsprechung der Beschwerdekammern und angesichts des Antrags der Beschwerdegegnerinnen für angemessen, die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung gemäß Artikel 111 (1) EPÜ zurückzuverweisen.
3.3.4 Die Beschwerdeführerin hat entgegnet, dass eine Zurückverweisung gegen die Verfahrensökonomie sprechen würde, zumal die Beschwerdegegnerinnen nicht substantiiert zu der Frage der erfinderischen Tätigkeit vorgetragen, sondern lediglich eine "Schutzschicht" in den Anspruch 1 aufgenommen hätten.
Allerdings liegt der Kammer auch kein Vortrag seitens der Beschwerdeführerin zum Naheliegen der Merkmale e bis h vor. Die Frage, ob die hinzugefügten Merkmale naheliegend und teilweise bereits aus den im Verfahren vorhandenen Druckschriften bekannt sind, kann nicht ohne eine weitere eingängige Prüfung beantwortet werden. Auch die bloße Behauptung der Beschwerdeführerin, dass der Erfolg des Hilfsantrags von vornherein aussichtslos sei, ist kein ausreichender Grund für die Kammer, die Angelegenheit nicht an die erste Instanz zurückzuverweisen. Im vorliegenden Fall wurde während des erstinstanzlichen Verfahrens aus den oben genannten Gründen keine umfassende Beurteilung sämtlicher Anträge der Patentinhaberinnen durchgeführt. Daher überwiegt nach Ansicht der Kammer das Interesse der Beschwerdegegnerinnen auf eine eingehende Prüfung ihres Antrags von zwei Instanzen mehr als eventuelle verfahrensökonomische Vorteile, die sich für die Beschwerdeführerin daraus ergeben könnten, dass die Kammer die Sache abschließend behandelt, anstatt sie zurückzuverweisen.
3.3.5 Die Beschwerdeführerin hat auch vorgetragen, dass zunächst über die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit des unabhängigen Anspruchs 12 gemäß Hilfsantrag 1 verhandelt und entschieden werden müsse, bevor eine Entscheidung über eine Zurückverweisung getroffen werden könne. Den Grund dafür sah die Beschwerdeführerin darin, dass der Wortlaut des Anspruchs 12 des Hilfsantrags 1 identisch sei mit dem des Anspruchs 12 des vorliegenden Hauptantrags, dessen Gegenstand nach der in der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK geäußerten vorläufigen Meinung der Kammer nicht erfinderisch gewesen sei, und sich deshalb mit einer Entscheidung über den Anspruch 12 eine Zurückversweisung erübrigen würde.
Die Kammer teilt jedoch die Auffassung der Beschwerdegegnerinnen, dass eine Diskussion über den Anspruch 12 des Hilfsantrags 1 hinsichtlich der Frage der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit nicht ohne eine Diskussion über den Anspruch 1 dieses Antrags erfolgen kann. Auch wenn der Wortlaut des Anspruchs 12 gemäß dem vorliegenden Hauptantrag und dem vorliegenden Hilfsantrag 1 identisch ist, bezieht sich der Wortlaut des Anspruchs 12 in beiden Anträgen eindeutig auf den jeweils vorangehenden Anspruch 1. Der Rückbezug in Anspruch 12 auf das Verfahren des Anspruchs 1 erfordert daher zwingend, dass die Papierschicht nach Anspruch 12 zur Verwendung des Verfahrens nach Anspruch 1 geeignet sein muss. Die Aufnahme der Merkmale e bis h in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 hat somit eine Auswirkung auf den Gegenstand des Anspruchs 12, nämlich dass die Papierschicht und die Farbaufnahmeschicht für die Aufnahme von wasserhaltiger Tinte (Merkmal e) und für die Verarbeitung in einem Kurztaktpressverfahren (Merkmal g) geeignet sein müssen. Infolgedessen kann der Gegenstand des Anspruchs 12 gemäß Hilfsantrag 1 nicht mit dem Gegenstand des Anspruchs 12 gemäß Hauptantrag identisch sein. Deshalb sind die vorliegenden Einwände der mangelnden Neuheit oder der mangelnden erfinderischen Tätigkeit gegen den Anspruch 12 des Hauptantrags auch nicht ohne Weiteres auf den Anspruch 12 des Hilfsantrags 1 übertragbar.
Aus den vorgenannten Gründen wäre es nicht sachdienlich gewesen, vor einer Entscheidung über die Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung über die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit des Anspruchs 12 des Hauptantrags 1 zu diskutieren und zu entscheiden.
4. Rüge nach Regel 106 EPÜ
4.1 In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer erhob die Beschwerdeführerin "eine Rüge nach Regel 106 EPÜ in Verbindung mit Artikel 112a (2) c) EPÜ" und machte geltend, dass ein schwerwiegender Verstoß gegen Artikel 113 (1) EPÜ vorliege.
Die Beschwerdeführerin begründete den angeblichen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs damit, dass über den Zurückverweisungsantrag der Beschwerdegegnerinnen entschieden wurde, ohne vorab über die Neuheit und erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des unabhängigen Anspruchs 12 gemäß Hilfsantrag 1 zu verhandeln.
4.2 Gemäß Artikel 113 (1) EPÜ dürfen Entscheidungen in allen Verfahren vor dem Europäischen Patentamt nur auf Gründe gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
4.3 In der vorliegenden Entscheidung wird unter Punkt 3.3 oben begründet, warum die Kammer nicht selbst über die Frage der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 1 entscheidet, sondern eine Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung gemäß Artikel 111 (1) EPÜ für sachdienlich und zweckmäßig hält. Weiter wird unter Punkt 3.3.5 oben ausgeführt, aus welchen Gründen eine von dem Gegenstand des Anspruchs 1 unabhängige Diskussion über die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 12 wegen des Rückbezugs in Anspruch 12 auf das Verfahren des Anspruchs 1 nicht möglich gewesen wäre, so dass eine Entscheidung darüber vor einer Zurückverweisungsentscheidung nicht sachdienlich gewesen wäre.
In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer wurde vor der Entscheidung der Kammer über die Zurückverweisung die Frage erörtert, ob dem von den Beschwerdegegnerinnen gestellten Antrag auf Zurückverweisung stattgegeben werden soll und ob nicht zunächst über die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 12 des Hilfsantrags 1 diskutiert und entschieden werden müsse bevor die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen werde, um eine unnötige Zurückverweisung zu vermeiden. In diesem Zusammenhang wurde auch diskutiert, ob eine von dem Gegenstand des Anspruchs 1 unabhängige Diskussion über den Gegenstand des Anspruchs 12 wegen des Rückbezugs in Anspruch 12 auf das Verfahren des Anspruchs 1 möglich gewesen wäre. Damit hatten beide Beteiligten in der mündlichen Verhandlung die Gelegenheit, sich zu den oben genannten Gründen für eine Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zu äußern und das in Artikel 113 (1) EPÜ verankerte Äußerungsrecht wurde deshalb beachtet.
4.4 Nach Ansicht der Kammer kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs auch nicht darin gesehen werden, dass die Kammer entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin es für nicht sachdienlich hielt, in der mündlichen Verhandlung über die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 12 des Hilfsantrags 1 zu diskutieren und zu entscheiden bevor sie eine Entscheidung über die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung getroffen hat. Die Kammer kann ohne das rechtliche Gehör eines Beteiligten zu verletzen, zu einer anderweitigen Auffassung gelangen, solange das Äußerungsrecht der Beteiligten beachtet wurde und die anderweitige Auffassung in der Entscheidung ausreichend begründet wird. Beides ist vorliegend der Fall.
4.5 Aus den oben genannten Gründen ist es für die Kammer nicht erkennbar, dass das in Artikel 113 (1) EPÜ verankerte rechtliche Gehör verletzt wurde.
Die Rüge der Beschwerdeführerin gemäß Regel 106 EPÜ wird deshalb von der Kammer zurückgewiesen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Rüge der Beschwerdeführerin gemäß Regel 106 EPÜ wird zurückgewiesen.
2. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
3. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.