T 1525/17 23-05-2019
Download and more information:
Verfahren zum Bereitstellen einer Information über eine aktuelle Hubhöhe und hierfür geeignetes Flurförderzeug
Mangelhafte Offenbarung - (nein)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Nichtzulassung und Nichtberücksichtigung verspätet vorgebrachter Tatsachen und Beweismittel sind Synonyme.
Es ist daher in sich widersprüchlich, verspätet eingereichte Dokumente einerseits bei einer eingehenden Prüfung der Patentierbarkeitsvoraussetzungen zugrunde zu legen, damit also in der Sache zu berücksichtigen, und andererseits zu erklären, diese würden nicht in das Verfahren zugelassen (Gründe, Punkt 4).
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) legte Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, den Einspruch gegen das Streitpatent zurückzuweisen.
II. Im Einspruchsverfahren hatte die Einsprechende Artikel 100(a) EPÜ (mangelnde erfinderische Tätigkeit) und Artikel 100(b) als Einspruchsgründe angeführt.
III. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung erfinderisch gegenüber E1 in Kombination mit E3, E4, E5 oder E6, E2 in Kombination mit E3, E4, E5 oder E6 und E5 in Kombination mit E1 oder E2 sei. Die Einspruchsabteilung ließ aber die verspätet eingereichten Entgegenhaltungen E5 und E6 nicht zu, weil sich die Entscheidung durch ihre Berücksichtigung nicht ändern würde (Siehe Punkt 2.4 der Entscheidung der Einspruchsabteilung).
IV. Die vorliegende Entscheidung berücksichtigt die folgenden Entgegenhaltungen:
E1: JP 2003-063791 A
E1a: Zusammenfassung der E1 des JPO in englischer Sprache
E1b: Computerübersetzung der E1 in englischer Sprache
E2: DE 100 54 792 A1
E3: DE 695 16 250 T2
E4: DE 698 24 066 T2
E5: EP 0978659 A2
E6: CN 201245418 Y
E6a: Computerübersetzung der E6 in englischer Sprache
V. Am 23. Mai 2019 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.
VI. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage des mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsantrags.
VII. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet in der von der Einspruchsabteilung verwendeten Merkmalsgliederung wie folgt:
Ml - Verfahren zum Bereitstellen einer Information über die aktuelle Hubhöhe eines Lasttragmittels eines Flurförderzeugs mit den folgenden Schritten:
M2 - Auslesen einer beim letzten Ausschalten des Flurförderzeugs in einem nicht-flüchtigen Speicher gespeicherten Information über die Hubhöhe,
M3 - Ermitteln einer Information über die aktuelle Hubhöhe auf Grundlage
M3.1 - der ausgelesenen Information über die Hubhöhe beim letzten Ausschalten des Flurförderzeugs
M3.2 - und des Schaltzustands eines Schaltelements,
M3.2.1 - das keine seinen Schaltzustand unabhängig von einer Energieversorgung erhaltende Funktion aufweist
M3.2.2 - und so angeordnet ist, dass sich sein Schaltzustand ändert, wenn das Lasttragmittel des Flurförderzeugs eine vorgegebene Hubhöhe passiert,
dadurch gekennzeichnet, dass
M4 - das Schaltelement einen Sensor aufweist, der auf eine Annäherung eines Gegenstücks, das einen Magneten aufweist, reagiert.
VIII. Anspruch 10 gemäß Hauptantrag lautet in der von der Einspruchsabteilung verwendeten Merkmalsgliederung wie folgt:
F1 - Flurförderzeug mit einer Auswerteeinheit zum Bereitstellen einer Information über eine aktuelle Hubhöhe eines Lasttragmittels des Flurförderzeugs
F2 - und einem Schaltelement,
F2.1 - das mit der Auswerteeinheit verbunden
F2.2 - und so angeordnet ist, dass sich sein Schaltzustand ändert, wenn ein Lasttragmittel des Flurförderzeugs eine vorgegebene Hubhöhe passiert,
F3 - wobei ein nicht-flüchtiger Speicher vorhanden und die Auswerteeinheit so ausgebildet ist, dass beim Ausschalten des Flurförderzeugs eine Information über die Hubhöhe in dem nicht-flüchtigen Speicher gespeichert wird,
F2.3 - und dass das Schaltelement keine seinen Schaltzustand unabhängig von einer Energieversorgung erhaltende Funktion aufweist,
dadurch gekennzeichnet, dass
F4 - das Schaltelement einen Sensor aufweist, der auf eine Annäherung eines Gegenstücks, das einen Magneten aufweist, reagiert.
IX. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) brachte im wesentlichen die folgenden Argumente vor:
Ausführbarkeit - Artikel 100(b) EPÜ
Es sei im erteilten Anspruch 1 ein Widerspruch vorhanden zwischen dem Merkmal 3.2.2 "dass sich sein Schaltzustand ändert, wenn das Lasttragmittel des Flurförderzeugs eine vorgegebene Hubhöhe passiert" und dem Merkmal M4 "dass das Schaltelement einen Sensor aufweist, der auf eine Annäherung eines Gegenstücks, das einen Magneten aufweist, reagiert", gleiches gelte bezüglich der Merkmale F2.2 und F4 des erteilten Anspruchs 10.
Ein Schaltelement mit einem einzigen Sensor sei nicht ausführbar.
Das Ermitteln einer Information über die aktuelle Hubhöhe sei für den Fachmann nicht ausreichend offenbart.
Ausführungsformen des Gegenstands des Anspruchs 1 und des Anspruchs 10 des Streitpatents ohne Betätigungselement seien nicht ausführbar.
Erfinderische Tätigkeit - Artikel 100(a) EPÜ
Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 10 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit:
- ausgehend von der Entgegenhaltung E2 mit der Entgegenhaltung E3, E4, E5 oder E6;
- ausgehend von der Entgegenhaltung E1 mit der Entgegenhaltung E3, E4, E5 oder E6; und
- ausgehend von der Entgegenhaltung E5 mit der Entgegenhaltung E1 oder E2.
X. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) erwiderte die Argumente wie folgt:
Ausführbarkeit - Artikel 100(b) EPÜ
Das Merkmal M4 fordere lediglich, dass das Schaltelement einen Sensor aufweise und lasse offen, ob es weitere Sensoren gebe oder nicht. Absatz [0009] der Patentschrift erläutere eine einfache Möglichkeit, mit einem einzigen Sensor. Gemäß Absatz [0013] der Patentschrift sei die Verwendung von zwei Sensoren zuverlässiger. Das bedeute aber nicht, dass die Erfindung mit einem Schaltelement, das nur einen einzigen Sensor aufweise, nicht ausführbar sei.
Absatz [0009] der Patentschrift liefere beispielhaft detaillierte Angaben, wie die Information über die aktuelle Hubhöhe bei der Erfindung ermittelt werden könne. Dass unmittelbar nach der Inbetriebnahme des Fahrzeugs eine Information über die aktuelle Höhe allein anhand der aus dem nicht-flüchtigen Speicher ausgelesenen Hubhöhe abgeleitet werde, widerspreche nicht Merkmalen M3 bis M3.2.2.
Das beanspruchte Verfahren sei ohne Berücksichtigung der Stellung eines Betätigungselements ausführbar.
Erfinderische Tätigkeit - Artikel 100(a) EPÜ
Ausgehend von E2 würde der Fachmann weder den Inkrementalgeber 11 noch den Referenzschalter 14 durch einen in den Entgegenhaltungen E3-E6 offenbarten Magnetsensor oder Näherungssensor ersetzen.
Ebenso würde der Fachmann ausgehend von E1 weder der Mikroschalter ("micro-switch") noch den Drehgeber ("rotary encoder") durch einen in den Entgegenhaltungen E3-E6 offenbarten Magnetsensor oder Näherungssensor ersetzen.
Ausgehend von E5 sei auf die Argumente der Einspruchsabteilung im Abschnitt 2.3.7 der Entscheidung verwiesen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Das Patent offenbart die Erfindung so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann - Artikel 100(b).
2.1 Die Kammer folgt hinsichtlich der Beurteilung der Ausführbarkeit vollumfänglich den Ausführungen der Einspruchsabteilung.
2.2 Darüber hinaus sieht die Kammer keinen Widerspruch zwischen dem Merkmal M3.2.2 und dem Merkmal M4 von Anspruch 1, beziehungsweise zwischen den Merkmalen F2.2 und F4 des erteilten Anspruchs 10.
Das Merkmal M3.2.2 sieht vor, dass der Schaltzustand des Schaltelements sich ändert wenn das Lasttragmittel des Flurförderzeugs eine vorgegebene Hubhöhe passiert.
Das Merkmal M4 gibt die Art des Schaltelements an: ein Sensor, der auf eine Annährung eines Magnets reagiert.
Anhand Figur 1 der Patentschrift, würde der Fachmann keinen Schwierigkeiten haben, das Schaltelement (den Sensor) und den Magnet so zu positionieren, dass der Schaltzustand sich ändert, wenn das Lasttragmittel eine vorgegebene Hubhöhe passiert.
Aus dem Anspruch 1 und aus der Beschreibung (Absätze [0009] und [0012]) ist es eindeutig, dass eine Annäherung des Magnets an den Sensor zu einer Änderung des Schaltzustands des Schaltelements führt. Das heißt wenn sich der Magnet auf der gleichen Höhe wie der Sensor befindet, wechselt der Zustand des Schalters. Um das Merkmal M3.2.2 zu erfüllen, muss der Fachmann einen Magnetsensor mit ausreichender Genauigkeit verwenden.
Die gleiche Argumentation gilt für Anspruch 10.
2.3 Außerdem ist die Erfindung auch mit einem einzigen Sensor ausführbar.
Das Merkmal M4 bzw. F4: "das Schaltelement einen Sensor aufweist, der auf eine Annäherung eines Gegenstücks, das einen Magneten aufweist, reagiert" fordert, dass das Schaltelement einen Sensor aufweist und lässt offen, ob es weitere Sensoren gibt oder nicht.
Absatz [0009] der Patentschrift offenbart die Verwendung eines einzigen Sensors. Absatz [0011] offenbart weiterhin:
"Dies ist auf besonders einfache Weise mit einem einzigen Schaltelement möglich, das nur zwei Schaltzustände annehmen kann" und Absatz [0013]:
"Bei Verwendung eines einzigen Sensors kann unter Umständen nicht zuverlässig zwischen einer Annäherung des Gegenstücks in einer ersten Richtung und einer nachfolgenden Entfernung in entgegensetzter Richtung und einem tatsächlichen Vorbeibewegen des Gegenstücks am Sensor unterschieden werden. Bei Auswertung der Ausgangssignale zweier in Bewegungsrichtung des Gegenstücks voneinander beabstandeter Sensor ist dies zuverlässig möglich".
Daraus folgt, dass mit einem einzigen Sensor die Bewegungsrichtung des Gegenstücks nicht bestimmt werden kann, was lediglich die Zuverlässigkeit des Verfahrens - verglichen mit der Verwendung von zwei Sensoren - reduziert. Das erfindungsgemäße Verfahren kann jedoch, wenn diese Einschränkung in Kauf genommen wird, ohne weiteres auch mit einem einzigen Sensor durchgeführt werden.
3. Der Gegenstand der erteilten unabhängigen Ansprüche 1 und 10 beruhen auf einer erfinderischen Tätigkeit.
3.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ausgehend von der Entgegenhaltung E2 in Kombination mit E3-E6 ist für den Fachmann nicht naheliegend.
3.1.1 E2 (Figur 1) offenbart ein Flurförderzeug mit einer Vorrichtung zum erfassen der Hubhöhe mit zwei stufenlosen Messwertgebern: einem Inkrementalgeber (11) und einem Potentiometer (12). Darüber hinaus enthält das Flurförderzeug einen Referenzschalter (14), der bei Erreichen einer bestimmten Hubhöhe seine Schaltstellung ändert (E2, [0014]). Der Referenzschalter ist in der Regel als mechanischer Schalter ausgeführt.
3.1.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von E2 dadurch, dass "das Schaltelement einen Sensor aufweist, der auf eine Annäherung eines Gegenstücks, das einen Magneten aufweist, reagiert". Dies wird von den Parteien nicht bestritten.
Absatz [0023] der Patentschrift offenbart, dass magnetoresistive Sensoren, die auf ein magnetisches Feld reagieren, kostengünstig und besonders robust sind.
Die mit der vorliegenden Erfindung zu lösende Aufgabe kann somit darin gesehen werden, ein robusteres und kostengünstigeres Verfahrens zum Bereitstellen einer Information über die Aktuelle Hubhöhe eines Lasttragmittels eines Flurförderzeugs zur Verfügung zu stellen.
3.1.3 Die folgenden Entgegenhaltungen offenbaren Flurförderzeuge mit einem Magnetsensor, um die Hubhöhe zu messen:
- E3 (Figuren, Referenznummern 11-13, Anspruch 7 und Seite 10, letzter Absatz)
- E5 (Figur 4 Referenznummer 50-52 in Kombination mit Absatz [0072] und Figur 5, Referenznummer 60)
- E6 (Figur 1, "magnet 2", "reed switch 3" und Absätze [0013],[0025])
Darüber hinaus offenbart E4, (Figur 2, Höhensensor 17, Absatz [0042]) ein Flurförderzeug mit einem Näherungssensor.
3.1.4 Obwohl Magnetsensoren zur Messung der Hubhöhe und ihre zugehörigen Vorteile schon bekannt sind, würde der Fachmann weder den Inkrementalgeber noch das Potentiometer des Flurförderzeugs der Entgegenhaltung E2 durch einen Magnetsensor oder eine Reihe von Magnetsensoren ersetzen. Der Inkrementalgeber und das Potentiometer in E2 ermöglichen eine kontinuierliche Messung der Hubhöhe, was nicht mehr möglich wäre mit einem oder mehrere Magnetsensoren.
3.1.5 Angesichts der Aufgabe (ein robusteres und kostengünstigeres Verfahren zum Bereitstellen einer Information über die aktuelle Hubhöhe eines Lasttragmittels eines Flurförderzeugs zur Verfügung zu stellen), würde der Fachmann auch nicht viele benachbarten Magnetsensoren anbringen um eine nahezu kontinuierliche Messung durchzuführen, denn ein solche Annordnung wäre umständlich, nicht so präzise und teuer in Vergleich mit dem Inkrementalgeber oder dem Potentiometer der Entgegenhaltung E2.
3.1.6 Darüber hinaus lehrt E2, Absatz [0002], wo es heißt: "Aufgrund des stufenförmigen Hubhöhensignals ist es bei den bekannten Geräten nicht möglich, die sicherheitstechnisch möglichen Maximalwerte für die genannten Betriebsgrößen bei jeder Hubhöhe vollständig auszunutzen", den Fachmann weg von einer stufenförmigen Hubhöhenmessung.
3.1.7 Außerdem würde, wenn der Fachmann den Referenzschalter 14 durch einen Magnetsensor ersetzen würde, das Merkmal M3.2.2 ("dass sich sein Schaltzustand ändert, wenn das Lasttragmittel des Flurförderzeugs eine vorgegebene Hubhöhe passiert") nicht erfüllt. Das Schaltelement in E2 ändert seinen Zustand, wenn das Lasttragmittel eine vorgegebene Hubhöhe erreicht hat und nicht wenn das Lasttragmittel eine vorgegebene Hubhöhe passiert hat, da ein solches Passieren über die detektierte Endstellung hinaus bauartbedingt gar nicht mehr vorgesehen ist.
3.1.8 Die Einsprechende ist der Meinung, Anspruch 1 erfordere nicht, dass das Gegenstück 24 des Lastragmittels 12 den magnetischen Sensor 32, 34 des Schaltelements 18 vollständig passiert habe, um eine Änderung des Schaltzustandes herbeizuführen. Ihrer Meinung nach umfasse das "Passieren der vorgegebenen Hubhöhe durch das Lasttragmittel des Flurförderzeugs" gemäß Anspruch 1 des Patents auch geringe Änderungen in der Nähe der Hubhöhe, bzw. um die Hubhöhe herum, ohne dass das Lasttragmittel den magnetischen Sensor 32, 34 des Schaltelements 18 vollständig passiert habe.
Die Einsprechende ist daher der Auffassung, dass aus Figur 1 der Entgegenhaltung E2, bei einem Schalten des Referenzschalters 14 durch den Schaltnocken 15 in der unteren Stellung des Lastaufnahmemittels 7 das Lastaufnahmemittel 7 von oben nach unten bewegt worden sein müsse. Somit müsse das Lastaufnahmemittel 7 eine vorgegebene und nicht näher spezifizierte Hubhöhe gemäß dem Merkmal M3.2.2 des Anspruchs 1 des Streitpatents offensichtlich passiert haben, da sonst ein Kontakt zwischen dem Schaltnocken 15 und dem Referenzschalter 14 nicht möglich sei.
3.1.9 Dieser Argumentationslinie kann nicht gefolgt werden.
Absatz [0009] des Patents offenbart: "Der Zustand des Schaltelements ändert sich, wenn ein Lasttragmittel des Flurförderzeugs eine vorgegebene Hubhöhe passiert. Die vorgegebene Hubhöhe kann sowohl in der Richtung "von unten nach oben" als von "oben nach unten" passiert werden, indem das Lasttragmittel in eine der genannten Richtung bewegt wird". Damit wird ergänzend auch aus der Beschreibung deutlich, dass im Patent das "Passieren" im Sinne von Vorbeibewegen zu verstehen ist. Das Lasttragmittel muss diese vorgegebene Hubhöhe vollständig passieren.
3.1.10 Absatz [0014] der Entgegenhaltung E2 offenbart: "Zusätzlich kann mindestens ein Referenzschalter vorgesehen sein, der bei Erreichen einer bestimmten Hubhöhe seine Schaltstellung ändert. Der Referenzschalter ist in der Regel als mechanischer Schalter ausgeführt, der bei Erreichen von besonderen Stellungen der Hubvorrichtung betätigt wird".
In diesem Absatz entspricht die "bestimmte Hubhöhe" der "vorgegebenen Hubhöhe" des Merkmals 3.2.2 des Patents. In E2 ändert sich der Schaltzustand des Referenzschalters, wenn diese bestimmte Hubhöhe bzw. vorgegebene Hubhöhe erreicht wird und nicht wenn diese bestimmte Hubhöhe passiert wird.
Absatz [0014] der Entgegenhaltung E2 offenbart: " Beispielweise können die untere Endstellung und/oder die obere Endstellung der Hubvorrichtung mit einem Referenzschalter versehen sein, da bei diesen Positionen besondere Eingriffe in die Steuerung des Flurförderzeugs, z.B. ein automatisches Abschalten des Hubantriebs stattfinden" und Absatz [0026] der Entgegenhaltung E2 offenbart "Zusätzlich ist ein Referenzschalter 14 vorgesehen, der von einem nicht höhenverstellbaren Schaltnocken 15 betätigbar ist. Der Referenzschalter 14, der bei tiefster Stellung des Fahrerstands 4 betätigt ist, wird vor der ersten Inbetriebnahme des Flurförderzeugs zum Einjustieren der stufenlos messenden Vorrichtung zum Erfassen der Hubhöhe benötigt".
Diese "bestimmte Hubhöhe" bzw. "vorgegebene Hubhöhe" ist nicht irgendeine Hubhöhe, die man auf gedanklich auf einer beliebigen Ebene festlegen kann. In E2 liegt diese vorgegebene Hubhöhe vielmehr an der Endstellung und wird zum Einjustieren der stufenlos messenden Vorrichtung benützt.
Eine Positionierung der vorgegeben Hubhöhe über dem Schaltnocken, wie sie vom Einsprechenden betrachtet wird, stimmt daher nicht mit der Offenbarung der Entgegenhaltung E2 überein.
3.2 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ausgehend von der Entgegenhaltung E1 in Kombination mit E3-E6 ist für den Fachmann nicht naheliegend.
3.2.1 Die Problematik ausgehend von der Entgegenhaltung E1 ist ähnlich wie die ausgehend von der Entgegenhaltung E2.
3.2.2 E1 offenbart ein Flurförderzeug mit einem Inkrementalgeber (Absätze [0022]-[0023], "rotary encoder") und einem Referenzschalter (Absätze [0022]-[0023], "microswitch"), der am unteren Teil des Mastes zum Einjustieren des Inkrementalgebers positioniert ist.
3.2.3 Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheidet sich von E1 zumindest dadurch, dass das Schaltelement einen Magnetsensor aufweist.
Wie ausgehend von der Entgegenhaltung E2, kann die mit der vorliegenden Erfindung zu lösende Aufgabe somit darin gesehen werden, ein robusteres und kostengünstigeres Verfahren zum Bereitstellen einer Information über die aktuelle Hubhöhe eines Lasttragmittels eines Flurförderzeugs zur Verfügung zu stellen.
3.2.4 Aus den gleichen Gründen wie oben unter Punkte 3.1.4 und 3.1.5 ausgeführt würde der Fachmann den Inkrementalgeber ("rotary encoder") nicht durch einen oder mehreren Magnetsensoren ersetzen.
3.2.5 Darüber hinaus würde der Fachmann nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen, wenn der Referenzschalter ("microswitch") mit einem Magnetsensor ersetzen würde (Siehe oben unter Punkte 3.1.9 und 3.1.10).
3.2.6 Die Einsprechende ist der Meinung, dass E1b (englischsprachige Maschinenübersetzung der Entgegenhaltung E1 durch "Patent Translate") in den Absätzen [004], [0012] und [0024] offenbart, dass die Lastgabel den Mikroschalter passiert ("the fork passes a microswitch").
3.2.7 Diesem Argument kann nicht gefolgt werden. Obwohl das Verb "to pass" in E1b benützt wird, ist es technisch nicht sinnvoll, dass die Lastgabel die vorgegebene Hubhöhe passiert, denn der Mikroschalter ist am Unterteil des Mastes befestigt und liefert einen unteren Referenzpunkt, von dem ab der Inkrementalgeber zählt. Der Mikroschalter dient dem Einjustieren des Nullpunktes des Inkrementalgebers (Siehe Absatz [0022]). Es kann daher dahin stehen, ob "passieren" bzw. "to pass" in der Maschinenübersetzung tatsächlich die dem Japanischen Original am nächsten kommende Übersetzung darstellt.
3.3 Schriftlich hat die Beschwerdeführerin noch einen Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegenüber E5 in Kombination mit E1 oder E2 vorgebracht.
Die Kammer folgt hinsichtlich der Beurteilung der erfinderische Tätigkeit ausgehend von E5 den Ausführungen der Einspruchsabteilung. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist ausgehend von der Entgegenhaltung E5 in Kombination mit E1 oder E2 nicht nahgelegt. Insbesondere ist die vom Einsprechenden auf der Grundlage der Entgegenhaltung E5 mit E2 oder E1 durchgeführte Analyse eine Ex-post-facto Betrachtung.
3.4 Die vorstehende Argumente gelten gleichermaßen auch für den auf ein Flurförderzeug gerichteten Anspruch 10, sodass auch der Gegenstand dieses Anspruchs auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
4. Berücksichtigung der Dokumente E5 und E6
4.1 Artikel 114(2) EPÜ erlaubt es dem Europäischen Patentamt, Tatsachen und Beweismittel, die verspätet vorgebracht werden, nicht zu berücksichtigen. Dem Amt ist damit das Ermessen eingeräumt, die Prüfung der Anmeldung bzw. die Überprüfung des Patents im Einspruchsverfahren allein auf der Grundlage der sonstigen Tatsachen und Beweismittel vorzunehmen. Die Entscheidung, bestimmte verspätete Tatsachen oder Beweismittel nicht zu berücksichtigen, wird auch als deren Nichtzulassung bezeichnet. Dass es sich insoweit um Synonyme handelt, hat die Entscheidung T 2324/14 unter Punkt 2.2.1 und 2.2.2 für den parallelen Fall der Nichtzulassung von geänderten Anspruchssätzen überzeugend herausgearbeitet; die Kammer sieht angesichts des identischen Wortlauts keinen Grund, dies hinsichtlich der Nichtzulassung/Nichtberücksichtigung verspäteter Tatsachen und Beweismittel anders zu beurteilen.
4.2 Es ist somit in sich widersprüchlich, verspätet eingereichte Dokumente einerseits bei einer eingehenden Prüfung der Patentierbarkeitsvoraussetzungen zugrunde zu legen, damit also in der Sache zu berücksichtigen, und andererseits zu erklären, diese würden nicht in das Verfahren zugelassen, wie die Einspruchsabteilung dies vorliegend getan hat: Die eingehende Sachprüfung der erfinderischen Tätigkeit berücksichtigt die Dokumente E5 und E6 auf Seiten 7 bis 14 und 17 bis 20 der angefochtenen Entscheidung unter allen Gesichtspunkten. Sie wird weder explizit als bloße prima facie Prüfung der Relevanz der Dokumente bezeichnet, noch kann sie implizit als Vorfrage der dann nur eine Seite umfassenden Abhandlung zur Nichtzulassung der Dokumente auf Seite 20/21 der Entscheidung angesehen werden.
4.3 Der Umstand, dass eine Prüfung in der Sache stattgefunden hat, führt regelmäßig dazu, dass diese auch im Beschwerdeverfahren von der Kammer vollumfänglich überprüfbar ist bzw. dass der Kammer jedenfalls eine Nichtzulassung nach Artikel 12(4) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) verwehrt ist, die sich auf den Umstand einer vermeintlichen, in Wahrheit aber im Selbstwiderspruch stehenden und daher ermessensfehlerhaften Nichtzulassung durch die Vorinstanz stützt, vgl. die Entscheidungen T 2324/14 und T 2026/15.
4.4 Die Beschwerdegegnerin hat vorliegend eingewandt, dies sei im zweiseitigen Verfahren und im Hinblick auf Artikel 114(2) EPÜ anders zu beurteilen, da die Patentinhaberin nur aufgrund einer besonders ausführlichen sachlichen Begründung durch die Einspruchsabteilung ihren von dieser als ebenfalls berechtigt angesehenen Verspätungseinwand verlieren würde und damit unberechtigt schlechter gestellt würde. Die Kammer kommt zum Ergebnis, dass über diesen Einwand nicht mehr entschieden werden muss; denn bereits die Überprüfung der Sachentscheidung führt - wie oben unter 3 dargelegt - zum Ergebnis, dass die Einspruchsabteilung den Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit auch bei Berücksichtigung von E5 und E6 zu Recht zurückgewiesen hat, so dass die Frage dahin stehen kann, ob die Kammer auch die Nichtzulassungsentscheidung als wirksam hätte ansehen müssen.
4.5 Für künftige Fälle wäre es gewiss ratsam, eine klare Entscheidung zu treffen, ob ein Dokument in der Sache berücksichtigt wird oder nicht.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.