T 0450/18 11-11-2022
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Beschwerdeverfahren - Besorgnis der Befangenheit - (nein)
Verweis des Verfahrens in Hauptsache an Beschwerdekammer mit anderer Besetzung und anderer Geschäftsstelle - (nein)
Kostenverteilung zulasten der (der mündlichen Verhandlung fernbleibenden) Einsprechenden
Kostenverteilung - (nein)
Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent Nr. X XXX XXX wurde mit der am 6. Dezember 2017 zur Post gegebenen Entscheidung der Einspruchsabteilung in geänderter Form aufrechterhalten, nachdem die Sache gemäß der Entscheidung T 1302/14 von der Beschwerdekammer an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen worden war.
Dagegen wurde von der Einsprechenden und von der Patentinhaberin form- und fristgerecht gemäß Artikel 108 EPÜ Beschwerde eingelegt.
II. Es fand am 30. November 2021 eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt. Während der mündlichen Verhandlung stellte die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin II) einen Ablehnungsantrag (im Folgenden als Verfahrensdokument D0 benannt) wegen Besorgnis der Befangenheit der Mitglieder der Beschwerdekammer nach Artikel 24 (3) EPÜ. Der Ablehnungsantrag wurde von der Beschwerdekammer zugelassen.
III. Mit der Mitteilung vom 7. Dezember 2021 wurden die Beteiligten über die geänderte Besetzung der Beschwerdekammer zur Entscheidung über die Besorgnis der Befangenheit gemäß Artikel 24 (4) EPÜ informiert, wobei alle Mitglieder ersetzt wurden.
IV. Die Mitglieder der ursprünglichen Beschwerdekammer reichten auf Aufforderung der neuen Kammer ihre Stellungnahme nach Artikel 3 (2) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) 2020 zu dem Ablehnungsantrag wegen Besorgnis der Befangenheit ein. Alle Mitglieder erklärten sie seien nicht befangen.
V. Da kein Antrag auf mündliche Verhandlung zur Frage der Befangenheit vorlag, wurden die Beteiligten mit Mitteilung der neuen Beschwerdekammer vom 16. Februar 2022 informiert, dass die Kammer beabsichtige, ihre Entscheidung im schriftlichen Verfahren zu treffen, und die Beteiligten aufgefordert, sich schriftlich zu äußern.
VI. Die Patentinhaberin antwortete - nach Gewährung ihres Antrags auf zweimonatige Fristverlängerung - mit Schreiben vom 27. Juni 2022 und stellte hilfsweise einen Antrag auf mündliche Verhandlung, sollte das Verfahren nicht an eine noch nicht mit dem Verfahren befasste Beschwerdekammer verwiesen werden. Auch die Einsprechende stellte mit Schreiben vom 29. Juni 2022 den hilfsweisen Antrag auf mündliche Verhandlung, sollte der Befangenheitsantrag nicht zurückgewiesen werden.
VII. Folgende im Nachgang zur mündlichen Verhandlung vor der ursprünglichen Beschwerdekammer entstandene Verfahrensdokumente werden in dieser Entscheidung zitiert:
- Ablehnungsantrag vom 30. November 2021 (D0);
- Beschwerdekammermitteilung vom 6. Dezember 2021 mit Niederschrift über die mündliche Verhandlung (D1);
- Schriftsatz der Patentinhaberin vom 10. Dezember 2021 mit Antrag auf Protokollberichtigung (D2);
- Bescheid der Beschwerdekammer vom 16. Dezember 2021 über Rückstellung der Entscheidung über Protokollberichtigung (D3);
- Schriftsatz der Patentinhaberin vom 23. März 2022 mit Nachfrage zu Kammermitgliedern, die am Bescheid vom 16. Dezember 2021 mitgewirkt haben (D4);
- Bescheid der Beschwerdekammer vom 4. April 2022, in dem keine Angaben zur vorgenannten Nachfrage erfolgt sind (D5);
- Schriftsatz der Patentinhaberin vom 27. Juni 2022 (D6).
VIII. Es fand am 11. November 2022 eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer in der geänderten Besetzung statt.
Die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin II in der Hauptsache (Patentinhaberin) beantragte die Ablehnung der Kammer in der Besetzung mit dem Vorsitzenden Herr X1, Herr X2 als technisches Mitglied und Frau X3 als rechtskundiges Mitglied wegen der Besorgnis der Befangenheit eingereicht mit Antrag am 30. November 2021 und
das Verfahren an eine noch nicht mit dem Verfahren befasste Beschwerdekammer mit neuer Besetzung und einer anderen Geschäftsstelle zu verweisen.
Sie beantragte zudem eine anderweitige Kostenverteilung zulasten der Einsprechenden.
Die Einsprechende und Beschwerdeführerin I (Einsprechende) war bei der mündlichen Verhandlung nicht anwesend, wie mit Schreiben vom 9. November 2022 angekündigt.
Sie beantragte schriftlich die Zurückweisung des Befangenheitsantrags.
IX. Die Patentinhaberin führte aus, dass sie im Hauptverfahren (in der Hauptsache) die Verweisung zur materiellrechtlichen Prüfung an eine andere Beschwerdekammer mit einer neuen Besetzung und einer anderen Geschäftsstelle beantrage, weil nur so unter Ausräumung jeglichen Zweifels sichergestellt werden könne, dass ein hoher Standard der Unparteilichkeit aus Sicht eines Dritten und das Gebot der Offensichtlichkeit einer gerechten Entscheidung gewahrt werde und dem Vertrauen Rechnung getragen werde, das die Beschwerdekammern in der Öffentlichkeit genössen.
Insbesondere ergäben sich offene Fragen und Zweifel deswegen, weil z.B. nicht zu erkennen sei, welche Beschwerdekammermitglieder bei der Erstellung des Bescheids vom 16. Dezember 2021 (D3) mitgewirkt hätten und auch nicht klar sei, ob das Verfahren betreffend die Protokollberichtigung tatsächlich getrennt und unabhängig vom vorliegenden Verfahren geführt werde.
Laut der Stellungnahme des Berichterstatters der ursprünglichen Beschwerdekammer zum Ablehnungsantrag gebe nämlich "das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30. November 2021 ? den Ablauf der mündlichen Verhandlung korrekt wieder", obwohl das Protokoll anscheinend gezielt Fakten schaffe, indem es ohne Nennung der Tatsachen einen rechtlichen Effekt beschreibe (Seite 3, 1. Zeile: "Auf Nachfrage der Kammer räumte der Vertreter der Patentinhaberin ein, dass auch ein Angriff wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit vorläge"). Damit sei für einen objektiven außenstehenden Beobachter eine unzulässige Einflussnahme durch die ursprüngliche Beschwerdekammer nicht auszuschließen und damit sei auch die Verweisung der Sache im Hauptverfahren an eine andere Beschwerdekammer mit einer anderen Geschäftsstelle gerechtfertigt.
Zu den Ablehnungsgründen sei zusammenfassend festzustellen, dass
(i) durch die Kammer ein neuer Angriff eingeführt worden sei, der nicht auf dem Beschwerdevorbringen der Beteiligten beruhe (Verstoß gegen das Gebot der Unparteilichkeit);
(ii) die Beschwerdekammer es der Einsprechenden ermöglicht habe, diesen neuen Angriff in der mündlichen Verhandlung selbst zu formulieren, ohne eine Zulässigkeitsprüfung gemäß VOBK vorzunehmen (Verletzung des Rechts auf faires Verfahren)
(iii) die Beschwerdekammer eine Entscheidung zu Lasten der Patentinhaberin auf Grundlage einer Argumentations-linie getroffen habe, die im Widerspruch zum Vorbringen der Beteiligten stehe, ohne Hinweis, auf welche Angriffe und Argumente die Entscheidung gestützt sei (Abweichung vom Dispositionsgrundsatz, Verstoß gegen Darlegungs- und Beweislast, Verweigerung rechtliches Gehör);
(iv) im Nachgang der Verhandlung es den objektiven Anschein habe, dass die ursprünglichen Kammermitglieder auch nach Eingang des Ablehnungsantrags noch zu Lasten der Patentinhaberin auf das Verfahren eingewirkt hätten (Verstoß gegen Verbot der unzulässigen Einflussnahme und gegen Gebot der Offensichtlichkeit einer gerechten Entscheidung; Verstoß gegen Waffengleichheit und Recht auf rechtliches Gehör);
(v) weitere äußere Aspekte vorlägen, die für sich allein oder in Kombination mit den obigen Umständen eine Befangenheit indizierten.
Hinsichtlich des rechtlichen Maßstabs werde - neben den allgemeinen Grundsätzen (Darlegungslast) - auf die Rechtsprechung der Beschwerdekammern (9. Auflage, III.J.1.2 sowie G 1/05) und die Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (Artikel 12 (1) bis (3) VOBK 2020 sowie Artikel 13 (2) und (3) VOBK 2020) verwiesen.
Es gehöre nicht zur Aufgabe der Beschwerdekammer, Mängel im Beschwerdevortrag der Einsprechenden (i.e. Fehlen einer Angabe, welches Problem durch ein neu hinzugefügtes Merkmal in Anspruch 1 gelöst werde) zu überwinden. Ein solcher Mangel müsse dazu führen, den Beschwerdevortrag als nicht begründet aufzufassen und die Beschwerde zurückzuweisen (Artikel 110 (1) Satz 1 EPÜ).
Ablehnungsgründe im Einzelnen:
Zu (i) Im Beschwerdeverfahren sei unter Verletzung der Grundsätze der Rollenverteilung (es sei ausschließlich Aufgabe der Einsprechenden, ihre Argumente und Angriffe zu definieren) durch die Kammer ein neuer Angriff eingeführt worden, was die objektive Besorgnis der Befangenheit rechtfertige. Die Entscheidungsbefugnis der Beschwerdekammer sei nach der Dispositionsmaxime auf das Beschwerdevorbringen der Beteiligten beschränkt (siehe Artikel 12 (3) VOBK 2020), und sie dürfe nicht gegen die Vorgaben der Darlegungs- und Beweislastverteilung verstoßen.
Die Beschwerdebegründung der Einsprechenden enthalte keine Argumentationslinie bezüglich mangelnder erfinderischer Tätigkeit im Hinblick auf das Dokument D1 (das Vorliegen einer solchen Argumentationslinie sei von der Patentinhaberin auch niemals eingeräumt worden), sondern lediglich eine Argumentationslinie bezüglich mangelnder Patentierbarkeit oder mangelnder Neuheit (siehe Beschwerdebegründung, Seite 5, beiden letzten Absätze, sowie Seite 12, 3. Absatz) des Gegenstands des von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Anspruchs 1. Im Hinblick auf Merkmal M2.1 führe die Beschwerdebegründung aus (Seite 6, 2. Absatz), dass die D1 zweifelsfrei dieses Merkmal offenbare, also nicht zu erkennen sei, dass es einen Unterschied gegenüber D1 darstelle.
Damit sei auch die Frage des Berichterstatters an die Beteiligten in der Mitteilung der (ursprünglichen) Beschwerdekammer (siehe Punkt 7, Seite 4), betreffend die objektive Aufgabe, die durch Merkmal M2.1 zu lösen sei, etwas unklar und nach objektiver Beurteilung keinem Vorbringen der Einsprechenden zuzuordnen. Es sei darin noch keine Adressierung an die Patentinhaberin enthalten und zu diesem Zeitpunkt auch nicht von einem eigenständigen neuen Angriff auszugehen. Die Beschwerdekammer habe zudem in ihrem Bescheid festgestellt, dass die Neuheit des (das Merkmal M2.1 enthaltenden) Gegenstands des von der Einspruchsabteilung aufrechterhaltenen Anspruchs 1 (jetzt anhängiger Hilfsantrag C3 in der Hauptsache) gegenüber D1 gegeben sei.
Der Verdacht über das Vorliegen einer Befangenheit sei erst durch die Umstände in der mündlichen Verhandlung begründet.
In der mündlichen Verhandlung habe die Einsprechende nichts gesagt und lediglich auf das schriftliche Vorbringen verwiesen, da ihr Vertreter den Fall vom bisherigen Vertreter kurzfristig übernommen habe und mit dem Fall nicht im Detail vertraut gewesen sei. Die Beschwerdekammer habe sich also nur auf das schriftliche Vorbringen stützen dürfen. Es sei der Offenbarungsgehalt von D1 diskutiert worden und nach der Beratung habe die (ursprüngliche) Beschwerdekammer ihre vorläufige Auffassung kundgetan, wonach sich der Gegenstand des Anspruchs 1 vom Hilfsantrag C3 (identisch mit dem Gegenstand des Anspruchs 1 von Hauptantrag D1) von der Offenbarung gemäß Dokument D1 lediglich durch die Merkmale M4.1 und M5 (bzw. M5.1) unterscheide. Die Beschwerdekammer habe auch ausgeführt, dass diese Schlussfolgerung im Wesentlichen auf denselben Gründen beruhe, wie diejenigen, die zu der früheren Entscheidung T 1302/14 bezüglich des damaligen Hilfsantrags IIa geführt hätten, dessen Anspruch 1 (im Unterschied zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags C3) das Merkmal M2.1 nicht enthalte.
Während der Diskussion der erfinderischen Tätigkeit habe der Berichterstatter erneut die Frage an die Patentinhaberin gestellt, "welche Aufgabe wird durch das neu hinzugefügte Merkmal M2.1 gelöst?", ohne dass klar gewesen sei, von welchem Stand der Technik ausgegangen werde. Die Einsprechende habe sich auch nur auf die vorläufige Meinung der Kammer bezogen. Damit habe der Berichterstatter und die Beschwerdekammer von Amts wegen in unzulässiger Ausübung des Amtsermittlungsgrundsatzes (der in der Beschwerdeinstanz ausgeschlossen sei) einen von der Einsprechenden nicht ausdrücklich formulierten Angriff zugunsten der Einsprechenden formuliert und der Patentinhaberin die Pflicht auferlegt, sich dagegen zu verteidigen, was gegen den Grundsatz der Darlegungslast und damit gegen die Unparteilichkeit verstoße.
Dies erwecke bei einem objektiven Beobachter den Anschein der Befangenheit, weil die Beschwerdekammer durch ihr Handeln die Einsprechende bewusst begünstigte und hiermit in die Rolle der Einsprechenden schlüpfte, obwohl dies natürlich auch zumindest teilweise durch die unglückliche Situation verursacht worden sei, die sich durch den Verweis der Einsprechenden auf ihren schriftlichen Vortrag und ihre kaum erfolgte aktive Beteiligung an der Diskussion ergeben habe.
Somit liege auch ein schwerwiegender Verfahrensmangel vor. Mit der zitierten Formulierung des Berichterstatters sei dargetan worden, dass ein Mangel in der Entscheidung wegen des Fehlens einer Aufgabenformulierung vorliege. Auf Basis dieses Begründungsmangels hätte die Kammer eine Entscheidung treffen können, was sie nicht getan habe.
Es werde auch gerügt, dass durch die Konstellation in der mündlichen Verhandlung Unklarheit darüber entstanden sei, welcher konkrete Angriff mit welchen Argumenten dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag entgegengehalten werde. Dies sei ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör, Artikel 113 EPÜ.
Zu (ii) Die Beschwerdekammer habe durch die Einführung des besagten Angriffs auch gegen Artikel 13 (2) VOBK 2020 verstoßen, weil sie ihr Ermessen über die Zulassung einer Änderung gegenüber dem Beschwerdevorbringen der Einsprechenden nicht ausgeübt habe. Sie habe vielmehr stillschweigend eine Änderung des Vorbringens der Einsprechenden angenommen und der Einsprechenden die Möglichkeit zum eigenen Vortrag gewährt, ohne dass über die Zulassung dieses Vorbringens entschieden worden sei. Dies führe zu einer Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren.
Zu (iii) Selbst wenn man in dem Vortrag der Einsprechenden einen Angriff wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit sehen wolle (obwohl in der Beschwerdebegründung auf Seite 12 ausgeführt sei, dass alle Merkmale M1 bis M6 aus D1 bekannt seien), sei gemäß diesem Vortrag als Ausgangspunkt angenommen, dass das Merkmal M5 (bzw. M5.1) der einzige Unterschied zwischen dem Gegenstand des Anspruchs 1 und der Offenbarung von D1 sei. Dieser Angriff könne jedoch keinen Erfolg haben, da die Beschwerdekammer bereits (siehe vorherige Beschwerdekammerentscheidung) verkündet habe, dass die beiden Merkmale M4.1 und M5 (bzw. M5.1) als Unterscheidungsmerkmale gegenüber D1 anzusehen seien.
Während der Diskussion zur erfinderischen Tätigkeit habe der Vertreter der Patentinhaberin klargestellt, dass er sich nur zum vermeintlich vorgetragenen Angriff oder Argument äußere, wonach ausschließlich Merkmal M5 (bzw. M5.1) einen Unterschied zu D1 darstelle. Er werde sich aber nicht zu einem etwaig von der Beschwerdekammer ins Auge gefassten Angriff einlassen, demzufolge ausgehend von D1 die Merkmale M4.1 und M5 (bzw. M5.1) Unterschiede darstellten und dass diese naheliegend seien. Denn einen solchen Angriff habe die Beschwerdeführerin und Einsprechende nicht vorgetragen, so dass die Bezugnahme der Kammer auf Überlegungen in ihrer früheren Entscheidung nicht auf das Beschwerdevorbringen der Beteiligten gestützt sei. Die Kammerauffassung widerspreche offensichtlich den Argumenten der Einsprechenden, wonach Merkmal M4.1 in D1 identisch offenbart sei.
Zudem habe der Vertreter der Patentinhaberin in der Diskussion auch darauf verwiesen, dass er sich zu diesem neuen Angriff wegen der Bestimmungen von Artikel 24 (3) EPÜ ohnehin nicht äußern könne, falls er sein Recht nicht verwirken wolle, einen Antrag nach Artikel 24 (3) EPÜ zu stellen.
Nach der Beratung der Beschwerdekammer und der Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung habe die Beschwerdekammer als vorläufige Auffassung mitgeteilt, dass Anspruch 1 gegenüber D1 nicht als erfinderisch aufgefasst werde. Die Beschwerdekammer habe jedoch nicht mitgeteilt, auf der Basis welcher Argumente diese Entscheidung getroffen worden sei. Sie habe auf Nachfrage mitgeteilt, die Entscheidungsgründe und Argumente würden in der schriftlichen Entscheidung dargelegt und basierten auf der Vorentscheidung in der ersten Beschwerdephase.
Somit sei endgültig klar gewesen, dass die Beschwerdekammer einen von ihr selbst formulierten Angriff zu Grunde gelegt haben musste und somit in der Rolle der Einsprechenden agierte, in mehrfacher Hinsicht unter Abkehr von den oben dargelegten Grundsätzen der Verfahrensführung (Dispositionsmaxime, Verteilung von Darlegungs- und Beweislast).
Daraufhin habe die Patentinhaberin aus den obigen Gründen den Ablehnungsantrag nach Artikel 24 (3) EPÜ gestellt, ohne sich zu etwaigen anderen Argumenten oder Angriffen zur angeblich fehlenden erfinderischen Tätigkeit einzulassen, um zu verhindern, dass der Ausschluss nach Artikel 24 (3) Satz 2 EPÜ greife.
Ferner habe die Patentinhaberin auch die Verletzung des rechtlichen Gehörs nach Artikel 113 (1) EPÜ als schwerwiegenden Verfahrensfehler gerügt, weil die Beschwerdekammer, wie bereits dargelegt, ein geändertes auf den Unterscheidungsmerkmalen M4.1 und M5 (bzw. M5.1) basierendes Vorbringen zur Grundlage ihrer Entscheidung gemacht habe, ohne dass sich die Patentinhaberin nochmals dazu habe äußern können. Es habe bis zuletzt keine erkennbare Definition eines Angriffs vorgelegen, gegen den sich die Patentinhaberin hätte gezielt verteidigen können. Die Bezugnahme auf Erwägungsgründe in einer früheren Entscheidung der Kammer stelle keine Bezugnahme auf das Beschwerdevorbringen der Beteiligten und deren Argumente dar. Der Vertreter der Patentinhaberin sei also nicht in der Lage gewesen zu ermitteln, ob er zu allen entscheidungserheblichen Argumenten und Angriffen die Möglichkeit zum Vortrag gehabt habe.
Zu (iv) Schließlich sei bei objektiver Betrachtung auch der Verdacht der unzulässigen Einflussnahme nach Stellung des Ablehnungsantrags nicht ausgeschlossen und die Ereignisse im Nachgang zur mündlichen Verhandlung seien für die Beurteilung des Ablehnungsantrags heranzuziehen. Es habe den objektiven Anschein, dass die ursprüngliche Beschwerdekammer auch nach Eingang des Ablehnungsantrags noch zu Lasten der Patentinhaberin auf das Verfahren eingewirkt habe, indem die ursprünglichen Beschwerdekammermitglieder
a) das Protokoll so abgefasst hätten, dass die in der mündlichen Verhandlung gerügten Umstände nicht dargestellt seien bzw. entgegen dem Vortrag der Patentinhaberin so dargestellt seien, als hätte die Patentinhaberin bestimmte Einwände nicht erhoben oder strittige Fragen durch ein Anerkenntnis ausgeräumt; und b) am Beschluss über die Zurückstellung des Protokollberichtigungsantrags mitgewirkt hätten, so dass eine Entscheidung über den Ablehnungsantrag allein auf Grundlage des unvollständigen Protokolls getroffen werde.
In der Niederschrift über die mündliche Verhandlung (die nach der Rechtsprechung der Kammern als ein Beweismittel behandelt werde und festlege, ob behauptete Tatsachen vorlägen oder nicht) seien wichtige Punkte nicht enthalten, was den Eindruck erwecke, dass der Ablehnungsantrag entkräftet werden solle. Die Niederschrift nenne insbesondere nicht den ersten vom Berichterstatter geäußerten Angriff und die zugehörige Rüge des Anscheins der Befangenheit; sie nenne auch nicht die zweite Einführung desselben Angriffs durch die Einsprechende, das Unterbleiben einer Zulässigkeitsprüfung und die zugehörige Rüge des Anscheins der Befangenheit; sie nenne auch nicht die wesentliche Streitfrage, dass nach dem Beschwerdevorbringen kein klar formulierter Angriff wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit vorliege (stattdessen führe die Niederschrift aus, die Patentinhaberin habe das Vorliegen eines solchen Angriffs "eingeräumt", was sich nun negativ auswirken könne); und sie nenne auch nicht die von der Patentinhaberin zum Protokollvermerk benannte Rüge eines wesentlichen Verfahrensmangels durch die Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs. Der Verdacht einer unzulässigen Einflussnahme könne ergänzend dadurch gestützt werden, dass die Niederschrift keinen Hinweis auf die Ermessensentscheidung, welche Hilfsanträge zuzulassen seien, enthalte.
Andererseits liege die Beurteilungskompetenz dazu, ob und in welchem Umfang eine Niederschrift zu berichtigen sei, ausschließlich bei der die Niederschrift erstellenden Kammer. Schon aus diesem Grund sei der gesamte Vortrag der Patentinhaberin (insbesondere zur Protokollberichtigung), der nach der mündlichen Verhandlung erfolgt sei, in die Entscheidungsfindung über den Ablehnungsantrag einzubeziehen (sonst könne die ursprüngliche Beschwerdekammer das einzige relevante Beweismittel erstellen, das sie von den Vorwürfen freistelle - was aufgrund des Bescheids vom 16. Dezember 2021 nicht auszuschließen sei).
Hinzu komme, wie bereits erwähnt, dass die verfahrensleitende Maßnahme gemäß Bescheid vom 16.Dezember 2021 (betreffend die Zurückstellung der Protokollberichtigung) ohne Nennung eines diesen Bescheid beauftragenden Kammermitglieds oder Spruchkörpers ergangen sei, und dass der Berichterstatter in seiner Stellungnahme (auf die Anfrage nach Artikel 3 (2) VOKB) gesagt habe, dass das Protokoll korrekt sei und dem "nichts hinzuzufügen sei". Letzteres erwecke den Anschein, dass der Berichterstatter noch am Verfahren beteiligt gewesen sei und Kenntnis vom Protokollberichtigungsantrag gehabt habe.
Dies alles begründe wiederum, dass eine Fortsetzung der Verhandlung in der Sache vor der ursprünglichen Beschwerdekammer das Vertrauen beeinträchtigen könne, dass die Öffentlichkeit in die Beschwerdekammern als unabhängiges Gericht genieße. Somit müsse die Möglichkeit einer Einflussnahme der ursprünglichen Beschwerdekammer ausgeschlossen werden. Dies erscheine nur dadurch möglich, dass die Akte an eine vollkommen unbefangene Beschwerdekammer mit einer anderen Geschäftsstelle übertragen werde.
Zu (v) Analog zur Entscheidung T 433/93 (auch wenn nicht identisch auf die Tätigkeit einer Beschwerdekammer anwendbar) beeinflusse das Vorliegen eines wesentlichen Verfahrensmangels in einer vorausgehenden Entscheidung die Bewertung, ob bei Zweit-Befassung eines Spruchkörpers ein faires Verfahren erfolge. Es komme für die Beurteilung des Anscheines einer Befangenheit darauf an, ob es Anzeichen dafür gebe, dass ein in derselben Sache erneut befasster Spruchkörper durch seine eigene frühere Entscheidung beeinflusst sei. Solche Anzeichen könnten analog T 433/93 darin bestehen, dass ein Spruchkörper nach objektiven Kriterien von dem abweiche, was der vorgesehene Gegenstand der Prüfung sei.
Vorliegend sei die Wertung in der früheren Entscheidung zu dem erstmalig vorgetragenen Argument, dass D1 eine "Zustelleinrichtung" zeige, zwar kein Verfahrensmangel. Sie stelle nach objektiver Betrachtung jedoch einen Fehler dar, der die weitere Entwicklung maßgeblich beeinflusst habe. Nach objektiver Beurteilung der Verfahrensumstände in der zweiten Beschwerdephase lägen mehrere Aspekte vor, die die Besorgnis nahelegten, dass tatsächlich eine Beeinflussung durch die erste Entscheidung vorlag. Es sei in mehrfacher Hinsicht von dem Gegenstand der - nach objektiven Kriterien anzunehmenden - Prüfung abgewichen worden, denn:
a) Die Beschwerdekammer habe die Beschwerde der Einsprechenden im Vorrang zur Beschwerde der Patentinhaberin diskutiert, indem sie anstelle von Zulässigkeitsfragen die Diskussion der materiellen Schutzfähigkeit von Anspruch 1 (u.a. der aufrechterhaltenen Fassung) vornan gestellt habe.
b) Obwohl in der zweiten Beschwerdephase die technische Wirkung des Merkmals M2.1 umfangreich diskutiert und auch Argumente zur technischen Bedeutung und Auslegung von Merkmal M6 neu eingeführt worden seien, habe die Beschwerdekammer dazu keine Stellung bezogen, sondern durchgehend auf ihre eigene Vorentscheidung verwiesen.
c) Schließlich seien in der Verhandlung tatsächlich Ermessensentscheidungen getroffen worden, z. B. die Zurückweisung von Hilfsanträgen (siehe dazu den Protokollberichtigungsantrag vom 10.12.2021). Das Weglassen eines Hinweises im Protokoll stütze den Verdacht einer unzulässigen Einflussnahme und habe auch Relevanz für die Beurteilung, ob die Beschwerdekammer die oben dargelegten Grundsätze befolgt habe. Bei der mündlich mitgeteilten Entscheidung, Hilfsanträge nicht zuzulassen, liege nach objektiver Betrachtung eine scharfe Beurteilung vor, die im Kontrast stehe zu anderen Ermessensentscheidungen der Beschwerdekammer im Hinblick auf den Vortrag der Einsprechenden, wie die Anerkennung des Vorliegens eines Angriffs wegen erfinderischer Tätigkeit, die nach objektiver Betrachtung als "milde" zu bewerten seien. Dieses unterschiedliche Beurteilungsmaß in der Anwendung des Ermessens stütze nach objektiver Betrachtung Zweifel an der Unparteilichkeit der Beschwerdekammer.
Antrag auf Kostenverteilung:
Der Antrag auf Kostenverteilung sei damit begründet, dass beide Beteiligten den Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hätten und dass die Einsprechende erst im letzten Moment (2 Tage vor der mündlichen Verhandlung) angekündigt habe, dass sie nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen werde. Außerdem habe die Gegenseite nicht klar gesagt, dass der Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen sei. Daher habe die Patentinhaberin nicht entscheiden können, auch (wegen fehlender Diskussionsmöglichkeit zwischen den Beteiligten) auf eine mündliche Verhandlung zu verzichten. Dies habe der Patentinhaberin unnötige Kosten verursacht, da sich z.B. die Kosten für die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung bereits ergeben hätten und nicht mehr zu vermeiden gewesen seien. Diese zusätzliche Kosten habe einzig und allein die Einsprechende durch ihr Verhalten zu verschulden, die somit nicht zum Ziel eines verfahrensökonomischen Verfahrens beigetragen habe.
X. Die Einsprechende führte schriftlich aus, dass der Vertreter der Patentinhaberin im Wesentlichen rüge, dass die Beschwerdekammer eine rechtliche Auffassung hinsichtlich Neuheit bzw. Erfindungshöhe geäußert habe, die von seiner eigenen abweiche. Das Wesen jedes Erteilungs- und Einspruchsverfahrens bestehe darin, dass die Beteiligten unterschiedliche Auffassungen hätten und vorzubringen in der Lage sein sollten. Es sei daher nicht ersichtlich, inwiefern eine Befangenheit der Mitglieder der Beschwerdekammer vorliegen könne, wenn sie lediglich von ihrem guten Recht Gebrauch mache, ihre anderslautende Auffassung mitzuteilen.
Entscheidungsgründe
1. Die Mitglieder der abgelehnten ursprünglichen Beschwerdekammer wurden gemäß Artikel 24 (4) EPÜ unter Anwendung von Artikel 2 (1) des Geschäftsverteilungsplans der Technischen Beschwerdekammern für 2021 (siehe Zusatzpublikation zum Amtsblatt Nr. 1/2021) und von Artikel 1 (3) VOBK 2020 (Verfahrensordnung der Beschwerdekammern) durch ihre Vertreter ersetzt. Die Beschwerdekammer in der gegenwärtigen Besetzung ist befugt, über den Antrag auf Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit zu entscheiden.
Die von der Patentinhaberin angeführten Zweifel hinsichtlich der Begründetheit der Beschwerde sind hingegen nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.
2. Die ursprüngliche Beschwerdekammer hat entschieden, dass der Antrag auf Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, in Anbetracht der nicht vorliegenden Ausschlussgründe des Artikels 24 (3) EPÜ (Satz 2 und 3), zulässig ist. Die Beschwerdekammer in der geänderten Besetzung hat dem nichts hinzuzufügen.
3. Die Beschwerdekammer in der geänderten Besetzung hat entschieden, alle im Nachgang zur mündlichen Verhandlung vom 30. November 2021 entstandenen schriftlichen Verfahrensdokumente (D0 bis D6 wie oben aufgeführt und wie von der Patentinhaberin mit Schreiben vom 27. Juni 2022 verfahrensmäßig beantragt) zum Verfahren über die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit zuzulassen und soweit entscheidungserheblich zu berücksichtigen.
4. Die Beschwerdekammer in der geänderten Besetzung stellt fest, dass gemäß der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern eine den Ausschluss rechtfertigende Befangenheit voraussetzt, dass ein an der Entscheidung mitwirkendes Mitglied der Beschwerdekammer einem Beteiligten gegenüber voreingenommen ist (siehe T 261/88), d.h. (siehe T 843/91, Punkt 8 der Gründe) wenn eine Partei bewusst begünstigt wird, indem ihr Rechte eingeräumt werden, die ihr nicht zustehen, oder wenn die Rechte der anderen Partei absichtlich missachtet werden. Aus diesem Grund hat die Große Beschwerdekammer in ihrer Entscheidung G 5/91 festgestellt, dass sich die Frage, ob eine Ablehnung von Mitgliedern wegen Besorgnis der Befangenheit gerechtfertigt ist, nur unter Berücksichtigung der Sachlage im Einzelfall beantworten lässt. Daher können Mängel, Fehlverhalten oder Verfahrensfehler, so schwerwiegend sie auch sein mögen, eine Ablehnung wegen Befangenheit nicht begründen, soweit sie nicht auf Voreingenommenheit oder Vorsatz zurückzuführen sind.
Weitere Kriterien zur Beurteilung der Frage, ob Befangenheit vorliegt, wurden von der Großen Beschwerdekammer in ihrer Entscheidung G 1/05 zusammengestellt. Danach ist eine Ablehnung eines Mitglieds nicht nur dann gerechtfertigt, wenn tatsächlich eine Befangenheit des betreffenden Beschwerdekammermitglieds gegeben ist, sondern es reicht aus, dass eine Besorgnis, d.h. ein Anschein, der Befangenheit vorliegt. Dabei kommt es insbesondere darauf an, ob im Rahmen einer "objektiven Prüfung", eine vernünftige, objektive und informierte Person angesichts der Sachlage mit gutem Grund befürchten würde, dass der Richter den Fall nicht unvoreingenommen behandelt hat oder behandeln wird. Rein subjektive Eindrücke oder allgemeine Verdächtigungen sind nicht ausreichend. Nach dem Grundsatz der Gleichberechtigung und des Rechts des Beteiligten auf ein faires Verfahren sind die Beschwerdekammern verpflichtet, über die vor ihnen anhängigen Fälle nach einheitlich angewandten Kriterien und nicht willkürlich zu entscheiden. Eine Besorgnis der Befangenheit muss sich auf die konkrete Sachlage im Einzelfall stützen und kann nicht lediglich damit begründet werden, dass eine Rechtsfrage bereits in einer früheren Entscheidung auf eine bestimmte Weise entschieden wurde. Das Recht, einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, soll verhindern, dass ein Richter - vorsätzlich oder unbeabsichtigt - durch sachfremde Überlegungen, Vorurteile oder Vorlieben in seiner Entscheidungsfindung beeinflusst wird, d.h. durch andere Überlegungen als die Argumente, die er für die ihm vorliegende Sache als faktisch und rechtlich relevant erachtet. Anders könnte der Fall gelagert sein, wenn der geäußerte Standpunkt so fehlerhaft wäre, dass Grund zu der Annahme bestünde, diese Fehler seien durch eine Voreingenommenheit bedingt.
5. Die Beschwerdekammer stellt fest, wie es sich aus dem Ablehnungsantrag ergibt (siehe D0, Seite 2) und von der Patentinhaberin selbst vorgetragen wird (siehe D6, Seiten 42 und 43 überbrückender Absatz), dass die wesentliche Streitfrage und das Hauptargument der Patentinhaberin darin zu sehen ist, dass das Beschwerdevorbringen der Einsprechenden keinen oder zumindest keinen klar formulierten Angriff und keine Argumentationslinie hinsichtlich mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Anspruchs 1 des Hilfsantrags C3 enthalte.
Diesem Vortrag der Patentinhaberin kann die Beschwerdekammer nicht beipflichten, weil das besagte Hauptargument nicht haltbar ist. Insbesondere wird in der Beschwerdebegründung der Einsprechenden (siehe Seite 8) Folgendes ausgeführt:
"Der aufrechterhaltene Anspruch 1 unterscheidet sich von der Lehre der (D1) also nur durch das Merkmal, dass die Messeinrichtung im Frequenzumrichter integriert ist. Dieses Merkmal kann indes keinen patentbegründenden Unterschied ergeben, da dem Fachmann nur genau zwei Alternativen verbleiben, nämlich integrierte oder nicht integrierte Messeinrichtungen. Der Fachmann kann diese Auswahl ohne erfinderisches Zutun treffen, zumal ihm die (L1) in Bild 4.75 bereits darauf hinweist, dass die Messeinrichtung im Frequenzumrichter integriert sein kann."
Aus dieser Stelle der Beschwerdebegründung der Einsprechenden geht folglich eindeutig ein Angriff (oder eine Argumentationslinie) gegen den Anspruch 1 hervor, ausgehend vom Dokument D1 in Verbindung mit dem Fachmann, im Hinblick auf das Unterscheidungsmerkmal M5 (bzw. M5.1) (d.h. dass "die Messeinrichtung im Frequenzumrichter integriert ist").
Nachdem die Einsprechende in der mündlichen Verhandlung nach übereinstimmenden Angaben in der Niederschrift (siehe D1, Seite 2/4) und im Ablehnungsantrag (D0, Seite 2/12) explizit auf ihren schriftlichen Vortrag in der Beschwerdebegründung Bezug nahm, war die genannte Argumentationslinie wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit im Hinblick auf D1 und den Fachmann notwendigerweise auch ein Thema in der mündlichen Verhandlung, worüber offensichtlich zu diskutieren und zu entscheiden war.
Folglich besteht bei objektiver Beurteilung hinsichtlich dieser Fakten keine Besorgnis der Befangenheit, da eine Argumentationslinie wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit im Hinblick auf "D1 und Fachmann" bereits in der Beschwerdebegründung der Einsprechenden enthalten war und nicht von der (ursprünglichen) Beschwerdekammer eingeführt wurde. Ob die Einsprechende in der Beschwerdebegründung weitere Angriffe, z. B. auch einen Neuheitsangriff vorgetragen hat, ist dabei irrelevant, da es der Einsprechenden frei steht, die Art und Anzahl ihrer Angriffslinien zu formulieren.
Somit gilt auch zwingend, dass für die nachfolgende Diskussion der erfinderischen Tätigkeit die genannte Argumentationslinie (oder der Angriff) "D1 und Fachmann" zur Debatte stand, weil keine andere Argumentationslinie wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegen den Anspruch 1 (des Hauptantrags D1 und des Hilfsantrags C3) vorgelegen hat.
6. Es geht weiter unstreitig sowohl aus der Niederschrift (D1, Seiten 2/4 und 3/4) als auch aus dem Ablehnungsantrag (D0, Seite 2/12) hervor, dass während der Diskussion der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit zunächst der Offenbarungsgehalt von D1 diskutiert wurde und dass die Beschwerdekammer nach der Beratung ihre vorläufige Auffassung verkündete, wonach sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von der Offenbarung des Dokuments D1 durch die Merkmale M4.1 und M5 (bzw. M5.1) unterscheide. Dabei bezog sich die Beschwerdekammer nach übereinstimmender Darstellung (siehe D1, Seite 3/4; D0, Seite 2/12; D6, Seite 33/61) auch auf ihre frühere Entscheidung T 1302/14, die auch zum selben Ergebnis geführt hatte.
Als Resultat der Diskussion und der Beratung der Beschwerdekammer ergab sich also, dass das Merkmal M2.1 aus D1 bekannt ist, wie auch von der Einsprechenden in ihrer Beschwerdebegründung (siehe Seite 6/21) behauptet wurde, während nach Ansicht der Beschwerdekammer das Merkmal M4.1 (ebenso wie Merkmal M5 bzw. M5.1) nicht in D1 offenbart ist.
7. Eine nachfolgende Diskussion der erfinderischen Tätigkeit ausgehend von D1 in Verbindung mit dem Fachmann und im Hinblick auf die Unterscheidungsmerkmale M4.1 und M5 (bzw. M5.1) kann bei objektiver Betrachtung keine neue, von der Beschwerdekammer eingeführte Argumentationslinie darstellen, und dies aus folgenden Gründen:
Wie bereits vorangehend ausgeführt, wurde der Rahmen der gesamten Diskussion zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit durch die einzig im Verfahren sich befindende und in der Beschwerdebegründung der Einsprechenden vorgebrachte Argumentationslinie "D1 und Fachmann" gestellt.
Dass nun das Merkmal M4.1 (zusätzlich zum Merkmal M5 bzw. M5.1) auch als Unterscheidungsmerkmal von der Beschwerdekammer angesehen wurde, bedeutet keine Änderung der Argumentationslinie "D1 und Fachmann", weil kein weiteres Dokument aus dem Stand der Technik zitiert wurde. Die Beschwerdekammer hat lediglich zur Erleichterung der weiteren Diskussion der erfinderischen Tätigkeit, wie es üblicherweise der Fall ist, den Parteien ihre Auffassung zum Merkmal M4.1 mitgeteilt, wie es sich aus der vorangegangenen Diskussion in der mündlichen Verhandlung (und auch im vorherigen Beschwerdeverfahren) ergeben hatte.
Zudem hatte die Einsprechende in ihrer Beschwerdebegründung (siehe Seiten 2/21 und 3/21, Abschnitt B1) auch unmittelbar deutlich gemacht, dass Merkmal M4.1 auf jeden Fall dem Fachmann aus der Fachliteratur und hiermit aus seinem allgemeinen Fachwissen bekannt war, falls dieses Merkmal von der Beschwerdekammer als in D1 nicht offenbart angesehen werden sollte. Damit ergibt sich eindeutig aus der Beschwerdebegründung, dass nach der Meinung der Einsprechenden Merkmal M4.1 auch keine erfinderische Tätigkeit begründen kann.
Die Einsprechende ging damit insbesondere auf die Entscheidung der Beschwerdekammer im vorherigen Beschwerdeverfahren ein, welche auch Merkmal M4.1 als nicht in D1 offenbart ansah. Die Beschwerdebegründung der Einsprechenden berücksichtigt damit zumindest implizit auch einen Angriff mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von D1 und den beiden Unterscheidungsmerkmalen M4.1 und M5 (bzw. M5.1), wobei das neu aufgenommene Merkmal M2.1 als in D1 offenbart angesehen wurde (siehe Beschwerdebegründung Seite 6/21, 3. Absatz), und zwar auch in Verbindung mit Merkmal M6 (siehe Seite 7/21, letzter Absatz).
Insgesamt ergibt sich aus den dargelegten Gründen, dass die ursprüngliche Beschwerdekammer nicht aus eigener Initiative einen neuen Angriff oder Argumentationslinie wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit eingeführt hat und ihre Vorgehensweise somit nicht den Anschein oder die Besorgnis der Befangenheit erwecken konnte.
8. Die Beschwerdekammer in der geänderten Besetzung stellt zur Frage betreffend die Bezugnahme der Beschwerdekammer auf ihre frühere Entscheidung T 1302/14 Folgendes fest:
Der Gegenstand des Anspruchs 1 (des Hauptantrags D1 und des Hilfsantrags C3) unterscheidet sich vom Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrag IIa der früheren Entscheidung durch die Hinzunahme des Merkmals M2.1. Damit ist die Frage der Bindungswirkung der früheren Entscheidung offensichtlich nicht ohne weitere Ermittlung in der Sache zu beantworten.
Da aber die Frage der Bindungswirkung vorliegend nicht zur Debatte und zur Entscheidung steht und als völlig unabhängig und losgelöst von der Frage des behaupteten Anscheins oder Besorgnis der Befangenheit zu betrachten ist, kann die Antwort auf diese Frage dahin gestellt werden.
Insbesondere hat sich die Beschwerdekammer bei der Verkündung ihrer vorläufigen Auffassung zur Frage der erfinderischen Tätigkeit nach übereinstimmender Darstellung (siehe D1, Seiten 3/4-4/4; D0, Seite 11/12 sowie mündlicher Vortrag in der Verhandlung) auch nicht auf die bindende Wirkung ihrer früheren Entscheidung berufen. Sie hatte nach der früheren Beratung lediglich betreffend den Offenbarungsgehalt von D1 auf diese Entscheidung Bezug genommen zur Erläuterung der Gründe für ihre vorläufige Auffassung.
9. Dass die Beschwerdekammer bei der Verkündung ihrer vorläufigen Auffassung zur erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 keine nähere Hinweise oder Erläuterungen zu der Begründung gegeben hat, ist vollkommen üblich und legitim, da die spezifischen Gründe nur mit der schriftlichen Entscheidung ergehen. Daraus kann folglich auch keine Besorgnis der Befangenheit entstehen.
Zudem ist klar, dass die Beschwerdekammer zu ihrer Auffassung nach der Diskussion der erfinderischen Tätigkeit mit den Beteiligten im Rahmen des Angriffs oder der Argumentationslinie "D1 und Fachmann" gelangt ist, wobei aus der Beschwerdebegründung der Einsprechenden bereits (wie weiter oben ausgeführt) eine Begründung implizit entnehmbar ist, die nicht nur auf das Unterscheidungsmerkmal M5 (bzw. M5.) abstellt, sondern zusätzlich auch auf das Unterscheidungsmerkmal M4.1. Damit war zur Begründung der verkündeten Auffassung der Beschwerdekammer das Heranziehen der früheren Entscheidung T 1302/14 nicht notwendig.
Selbst im Fall dass die Beschwerdekammer bei ihrer Beratung auch die frühere Entscheidung T 1302/14 mitberücksichtigt haben sollte, kann dies jedenfalls ebenfalls keine Besorgnis der Befangenheit erwecken, denn entsprechend den in der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 1/05 dargelegten Prinzipien (siehe Entscheidungsgründe, Punkte 22, 23) zur Wahrung des Grundsatzes der Gleichbehandlung und des Rechts des Beteiligten auf ein faires Verfahren sind die Beschwerdekammern verpflichtet, über die vor ihnen anhängigen Fälle nach einheitlich angewandten Kriterien und nicht willkürlich zu entscheiden. Eine Besorgnis der Befangenheit muss sich auf die konkrete Sachlage im Einzelfall stützen und kann nicht lediglich damit begründet werden, dass eine Rechtsfrage bereits in einer früheren Entscheidung auf eine bestimmte Weise entschieden wurde.
10. Nachdem, wie bereits festgestellt, von der Beschwerdekammer kein neuer Angriff oder keine neue Argumentationslinie eingeführt wurde, kann die Stellung der besagten Frage durch den Berichterstatter, betreffend die mit dem Merkmal M2.1 verbundene technische Aufgabe, auch keine Besorgnis der Befangenheit erwecken. Diese Frage wurde im Rahmen der schon bestehenden Argumentationslinie wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit "D1 und Fachmann" gestellt und ist zudem offensichtlich legitim und berechtigt, weil ja die Einspruchsabteilung schließlich das Patent auf Grund des zum damaligen Anspruch 1 des Hilfsantrags IIa (gemäß der Entscheidung T 1302/14) hinzugefügten und als erfinderisch angesehenen Merkmals M2.1 in geänderter Form aufrechterhalten hatte. Die Stellung dieser Frage impliziert auch keine Voreingenommenheit, weil sie keine der beiden Beteiligten zu Unrecht bevorzugt oder favorisiert, sondern nur zur Diskussion der erfinderischen Tätigkeit konstruktiv und objektiv beiträgt.
Die besagte Frage durch den Berichterstatter ist zwar keinem Vorbringen der Einsprechenden zuzuordnen, stellte sich aber auch für die Einsprechende nicht, da sie dieses Merkmal als zweifelsfrei in D1 offenbart ansah, wie die Patentinhaberin selbst zugesteht. In der Mitteilung der Beschwerdekammer erhoben, machte diese Frage daher allenfalls klar, dass gegebenenfalls die Frage des erfinderischen Beitrags durch das Merkmal M2.1 zu diskutieren bzw. die angefochtene Entscheidung bezüglich dieser Frage zu überprüfen sei, falls Merkmal M2.1 nicht in D1 offenbart sein sollte.
Die (nach Angabe der Patentinhaberin) erneute Stellung dieser Frage durch den Berichterstatter in der mündlichen Verhandlung kann - entgegen der Behauptung der Patentinhaberin - aus den bereits dargelegten Gründen auch keine Unklarheit hervorgerufen haben, von welchem Stand der Technik ausgegangen wurde, da immer nur ein Angriff mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von D1 zur Diskussion stand.
Da diese Frage des Berichterstatters letztlich für die Zwischenbeurteilung durch die ursprüngliche Kammer (die der Einsprechenden hinsichtlich Merkmal M2.1 folgte und somit keinen neuen Angriff zugunsten der Einsprechenden formulierte) nicht maßgeblich war, ist auch weder eine unzulässige Ermittlung von Amts wegen festzustellen, noch ein Anschein der Befangenheit, wie von der Patentinhaberin vorgetragen. Im Übrigen sind im Beschwerdeverfahren, entgegen der Behauptung der Patentinhaberin, diese seien in der Beschwerdeinstanz ausgeschlossen, eigene Ermittlungen durch die Kammer in Anwendung von Artikel 114 (1) EPÜ nicht ausgeschlossen (siehe G 10/91, ABl. 1993, 408, Punkt 19 der Gründe: "...sei schließlich noch betont, daß Änderungen der Ansprüche ..., die im Einspruchs- oder Beschwerdeverfahren vorgenommen werden, in vollem Umfang auf die Erfüllung der Erfordernisse des EPÜ ... zu prüfen sind").
11. Der weitere von der Patentinhaberin vorgetragene Ablehnungsgrund, wonach die Beschwerdekammer den neuen während der mündlichen Verhandlung eingeführten Angriff wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit ohne eine Zulässigkeitsprüfung gemäß Artikel 13 (2) VOBK 2020 zugelassen hat, ist gegenstandslos. Wie vorstehend dargelegt, wurde die besagte Argumentationslinie bereits mit der Beschwerdebegründung der Einsprechenden vorgebracht und war somit schon im Verfahren, so dass kein neuer Angriff vorlag, über dessen Zulassung zu entscheiden war.
12. Der vorgetragene Ablehnungsgrund, es sei eine Entscheidung zulasten der Patentinhaberin auf Grundlage einer Argumentationslinie (ausgehend von D1 und den Unterschiedsmerkmalen M4.1 und M5 bzw. M5.1) getroffen worden, die nicht auf das Beschwerdevorbringen der Beteiligten gestützt gewesen sei und auch keine die Entscheidung stützenden Angriffe und Argumente mitgeteilt worden seien, ist bereits durch die vorstehenden Ausführungen entkräftet (siehe Punkte 7 und 9). Insbesondere kann die Kammer nicht erkennen, dass ein von der ursprünglichen Beschwerdekammer selbst formulierter Angriff zugrunde gelegen haben soll.
13. Insofern als sich eine Stellungnahme zu den gerügten schwerwiegenden Verfahrensfehlern - z. B. eines (durch die Frage des Berichterstatters offenbar gewordenen) Mangels in der Begründung der angefochtenen Entscheidung, einer Verletzung des rechtlichen Gehörs infolge unklarer Angriffslage, eines geänderten Vorbringens (Unterschiedsmerkmale M4.1 und M5 bzw. M5.1 als Grundlage für die Entscheidung) - aufgrund der voranstehenden Ausführungen nicht von selbst erübrigt, ist die Beschwerdekammer in der gegenwärtigen Besetzung nicht dazu befugt, darüber zu entscheiden.
Zu den gerügten Verfahrensmängeln, insbesondere der angeblichen Verletzung des rechtlichen Gehörs, des Gebots der Unparteilichkeit, des Grundsatzes der Darlegungslast und der Dispositionsmaxime, ist festzuhalten, dass kein Artikel des EPÜ eine Überprüfung der Entscheidung einer Beschwerdekammer durch eine andere Beschwerdekammer vorsieht. Lediglich die Große Beschwerdekammer ist gemäß Artikel 112a EPÜ befugt, eine Beschwerdekammerentscheidung zu überprüfen.
Deswegen ist die Ersatzkammer durch die Bestimmungen von Artikel 24 (3) EPÜ (in Verbindung mit Artikel 3 VOBK 2020) lediglich ermächtigt oder befugt darüber zu entscheiden, ob sich auf Grund einer verkündeten Auffassung der ursprünglichen Beschwerdekammer und des geschilderten Verlaufs der mündlichen Verhandlung eine Besorgnis der Befangenheit ergibt. Die diesbezüglichen Vorwürfe und Rügen hat die Kammer bei ihrer Entscheidung über den vorliegenden Befangenheitsantrag wie vorstehend dargelegt gebührend berücksichtigt.
Aus den zitierten Entscheidungen T 843/91 (siehe Entscheidungsgründe, Punkt 8.: "daher können Mängel, Fehlverhalten oder Verfahrensfehler, so schwerwiegend sie auch sein mögen, eine Ablehnung wegen Befangenheit nicht begründen, soweit sie nicht auf Voreingenommenheit oder Vorsatz zurückzuführen sind") und G 1/05 (siehe Entscheidungsgründe, Punkt 24.) ergibt sich klar und unmissverständlich, dass eine Voreingenommenheit oder ein Vorsatz die wesentliche und notwendige Voraussetzung dafür ist, dass eine Besorgnis der Befangenheit überhaupt vorliegen kann.
Dies ist vorliegend (wie bereits vorstehend dargelegt) aufgrund der von der ursprünglichen Beschwerdekammer und von der Patentinhaberin geschilderten Fakten nicht zu erkennen. Damit können die Fragen betreffend die besagten behaupteten Verfahrensfehler ohnehin dahingestellt bleiben.
14. Dem Verdacht der unzulässigen Einflussnahme der ursprünglichen Beschwerdekammer nach Stellung des Ablehnungsantrags ist die Kammer in der geänderten Besetzung dadurch begegnet, dass sie die Ereignisse im Nachgang zur mündlichen Verhandlung - wie von der Patentinhaberin vorgetragen - mit berücksichtigt hat, indem sie ihre Beurteilung des Ablehnungsantrags nicht allein auf das (laut Patentinhaberin unvollständige) Protokoll über die mündliche Verhandlung gestützt hat. Insbesondere wurden, wie vorstehend bereits umfänglich ausgeführt, auch die laut Patentinhaberin gerügten Umstände (Frage bzw. Angriff des Berichterstatters sowie die darauf Bezug nehmende Einsprechende, Unterbleiben einer Zulässigkeitsprüfung, Streitfrage des nicht klar formulierten Angriffs wegen erfinderischer Tätigkeit, behaupteter wesentlicher Verfahrensmangel) gebührend berücksichtigt. Dass im Protokoll die behauptete Ermessensentscheidung über die Zulassung von Hilfsanträgen nicht aufgeführt ist, kann für sich allein noch keine Besorgnis der Befangenheit begründen und wurde im Übrigen von der Patentinhaberin auch nur zur ergänzenden Stützung des Verdachts einer unzulässigen Einflussnahme angeführt. Es steht im Ermessen des Protokollführers, was er für wesentlich und entscheidungserheblich hält ins Protokoll aufzunehmen. Dies hängt in erster Linie davon ab, worüber die Kammer zu befinden hat, so dass das Protokoll keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Dieser Umstand ist daher für sich allein betrachtet nicht geeignet, eine Besorgnis der Befangenheit zu erwecken, und deshalb unbeachtlich.
Weiterhin wurde mit der Mitteilung vom 7. Dezember 2021 den Beteiligten mitgeteilt, dass zur Entscheidung über die Besorgnis der Befangenheit gemäß Artikel 24 (4) EPÜ sämtliche Mitglieder der ursprünglichen Beschwerdekammer ersetzt wurden.
Damit ist es offensichtlich, dass die spätere verfahrensleitende Handlung gemäß der Mitteilung vom 16. Dezember 2021 (betreffend die Zurückstellung der Protokollberichtigung) schon entsprechend den Anweisungen der Beschwerdekammer in der geänderten Besetzung an die Geschäftsstelle ergangen ist.
Mit der Mitteilung der Beschwerdekammer vom 4. April 2022 (D5) wurde den Beteiligten weiter bestätigt, dass die Beschwerdekammer in der geänderten Besetzung nur über den Ablehnungsantrag nach Artikel 24 (3) EPÜ zu entscheiden hat. Somit ist der Antrag auf Protokollberichtigung notwendigerweise Gegenstand eines gesonderten Verfahrens.
Schließlich ist noch festzuhalten, dass die besagte Stellungnahme (siehe oben) des Berichterstatters zum Inhalt des Protokolls nicht den Verdacht der unzulässigen Einflussnahme erwecken kann, weil das Verfahren betreffend den Protokollberichtigungsantrag ein gesondertes und getrenntes Verfahren ist (siehe oben) und weil die Beschwerdekammer in der geänderten Besetzung für ihre Entscheidung über den Ablehnungsantrag D0 ohnehin (siehe oben) die Darstellungen der Patentinhaberin in den Schriftsätzen D2 und D6 mitberücksichtigt hat.
15. Die von der Patentinhaberin vorgebrachten Argumente hinsichtlich des Anscheins der Befangenheit bei Zweit-Befassung eines Spruchkörpers können auch nicht überzeugen. Zum einen hat die Patentinhaberin selbst eingeräumt, dass kein wesentlicher Verfahrensmangel in der Wertung der früheren Entscheidung vorliegt, so dass schon die entscheidende Voraussetzung in der von der Patentinhaberin (dort aber auch nur für das Einspruchsverfahren) angeführten T 433/93 für eine andere Spruchkammerbesetzung nicht zutrifft.
Zudem betreffen die von der Patentinhaberin behaupteten Abweichungen von dem nach objektiven Kriterien anzunehmenden Gegenstand der Prüfung entweder die Art der Verhandlungsführung (was vorrangig diskutiert wurde) oder aber frühere Entscheidungen der Kammer (im früheren Beschwerdeverfahren oder aber während der mündlichen Verhandlung getroffene Entscheidungen). Dass die ursprüngliche Beschwerdekammer bei der vorliegenden Vielzahl von Hilfsanträgen eine für sie (weil den Hauptantrag einschließende) verfahrensökonomisch sinnvolle Reihenfolge der zu behandelten Fragen gewählt hat, kann keine Besorgnis der Befangenheit begründen, auch wenn die Frage der Zulassung von Hilfsanträgen damit noch offen blieb. Was frühere Entscheidungen der Kammer angeht, ist wieder auf die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 1/05 zu verweisen, wonach eine Besorgnis der Befangenheit nicht lediglich damit begründet werden kann, dass eine Rechtsfrage bereits in einer früheren Entscheidung auf eine bestimmte Weise entschieden wurde. Die Anerkennung des Vorliegens eines Angriffs wegen erfinderischer Tätigkeit beruht nicht, wie bereits ausgeführt, auf einer Ermessensentscheidung und kann deshalb auch die behauptete Parteilichkeit der ursprünglichen Beschwerdekammer nicht stützen.
16. Der Antrag der Patentinhaberin, das Verfahren in der Hauptsache an eine noch nicht mit dem Verfahren befasste Beschwerdekammer mit neuer Besetzung und einer anderen Geschäftsstelle zu verweisen, wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdekammer in der geänderten Besetzung stellt fest, ganz abgesehen von der Frage der Begründetheit dieses Antrags, dass sie im Hinblick auf das EPÜ, auf die Verfahrensordnung der Beschwerdekammern VOBK 2020 und auf den "Geschäftsverteilungsplan der Technischen Beschwerdekammern für 2022" nicht befugt oder ermächtigt ist, einem solchen Antrag stattzugeben, weil dies jeglicher Rechtsgrundlage entbehrt.
17. Der Antrag der Patentinhaberin auf Kostenverteilung zulasten der Einsprechenden nach Artikel 104 EPÜ wird als unbegründet zurückgewiesen. Die Beschwerdekammer sieht keinen Kausalzusammenhang zwischen dem Fernbleiben der Einsprechenden und den der Patentinhaberin entstandenen Kosten, die durch das Stattfinden der mündlichen Verhandlung verursacht sein sollten.
Insbesondere ist die Beschwerdekammer in der geänderten Besetzung der Auffassung, dass durch die angekündigte Absicht der Einsprechenden, an der mündlichen Verhandlung am 11. November 2022 nicht teilzunehmen, der Patentinhaberin diesbezüglich keine zusätzlichen Kosten entstanden sind. Die Geschäftsstelle der Beschwerdekammer hat nämlich am 9. November per e-mail die Patentinhaberin unverzüglich über die am selben Tag eingegangene Mitteilung der Einsprechenden informiert. Damit hätte die Patentinhaberin noch rechtzeitig den Antrag auf mündliche Verhandlung zurücknehmen können und so zumindest ihre Reisekosten vermeiden können. Die Kosten für die Vorbereitung der mündlichen Verhandlung hat die Einsprechende ebenfalls nicht zu verschulden, weil die Patentinhaberin selbst einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt und nicht zurückgenommen hat.
In diesem Zusammenhang ist entscheidend, ob das Fernbleiben der Einsprechenden die mündliche Verhandlung unnötig machte (siehe T 275/89, ABl. 1992, 126, Punkt 7.1 der Gründe). Dies ist vorliegend nicht der Fall.
Die Befangenheitsrüge wurde zum einen durch die Patentinhaberin erhoben, so dass damit insbesondere ihre Interessen betroffen waren. Zum anderen hat die Patentinhaberin in Antwort auf die Absicht der Kammer in der geänderten Besetzung (siehe dazu Mitteilung an die Beteiligten vom 16. Februar 2022), ihre Entscheidung im schriftlichen Verfahren treffen zu wollen, mit Schriftsatz vom 27. Juni 2022 (D6) erst den Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt und nochmals umfassend und mit weiteren Ergänzungen ihre Argumente vorgebracht. Die Einsprechende hat zwar mit Schreiben vom 29. Juni 2022 auch eine mündliche Verhandlung beantragt, ohne aber detailliert auf die Einwände der Patentinhaberin einzugehen. Um zeitnah über den Befangenheitsantrag zu entscheiden, hat die Kammer daraufhin eine mündliche Verhandlung angesetzt. Auch wenn die Einsprechende ihren Antrag auf mündliche Verhandlung nicht explizit zurückgenommen hat, war daher für die Beschwerdekammer ohne eine eindeutige Rücknahme des Antrags der Patentinhaberin auf die mündliche Verhandlung nicht davon auszugehen, dass die anberaumte mündliche Verhandlung überflüssig geworden wäre.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Der Antrag auf Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit gemäß Artikel 24(3) 2. Satz EPÜ vom 30. November 2021 gegen die Kammer in der Besetzung mit dem Vorsitzenden Herr X1, Herr X2 als technisches Mitglied und Frau X3 als rechtskundiges Mitglied wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag, das Verfahren in der Hauptsache an eine noch nicht mit dem Verfahren befasste Beschwerdekammer mit neuer Besetzung und einer anderen Geschäftsstelle zu verweisen, wird zurückgewiesen.
3. Der Antrag auf Kostenverteilung zulasten der Einsprechenden wird zurückgewiesen.