T 0149/85 (Unzulässige Sprache des Einspruchs) 14-01-1986
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Sachverhalt und Anträge
I. Gegen das europäische Patent mit der Veröffentlichungsnummer 0043172, auf dessen Erteilung im Europäischen Patentblatt am 21. September 1983 hingewiesen worden ist, legte die deutsch Beschwerdeführerin durch einen holländischen Patentanwalt mit Schreiben vom 20. Juni 1984, das am 21. Juni 1984 bei der Zweigstelle des Europäischen Patentamts in Den Haag einging, unter Zahlung der Gebühr, Einspruch ein. Die Einspruchs schrift war in holländischer Sprache abgefaßt. Mit Schreiben vom 18. Juli 1984, eingegangen am 19. Juli 1984 reichte der Vertreter eine Übersetzung in deutscher Sprache ein.
II. Mit Entscheidung vom 28. März 1985 wurde der Einspruch aufgrund der Regel 56 (1) EPÜ als unzulässig verworfen, weil der Einspruch innerhalb der Einspruchsfrist nicht in einer zugelassenen Amtssprache eingereicht worden sei.
III. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 21. Mai 1985, eingegangen am 22. Mai 1985 Beschwerde ein, die sie mit Schriftsatz vom 15. Juli 1985, eingegangen am 17. Juli 1985 des näheren begründete. Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, daß ihr Einspruch den Bestimmungen des Artikels 99 (1) und der Regel 1 (1) EPÜ entspreche, denn nach Regel 1 (1) EPÜ könnten Einsprechende Schriftstücke in jeder Amtssprache des Europäischen Patentamts einreichen, eine Verpflichtung dazu bestehe aber nicht; denn sonst wären Patentanwälte aus Holland, Italien, Schweden, aus dem italienisch sprechenden Teil der Schweiz und dem holländisch sprechenden Teil von Belgien im Nachteil gegenüber Patentanwälten aus anderen Vertragsstaaten. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Einspruchsverfahren fortzuführen. Die Beschwerdegegnerin beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie der Regel 64 EPÜ; sie ist daher zulässig.
2. Der Einspruch ist am letzten Tag der Einspruchsfrist schriftlich eingereicht und begründet worden. Die Einsprechende und Beschwerdeführerin hat auch die vorgeschriebene Einspruchsgebühr entrichtet. Die Voraussetzungen des Artikels 99 (1) EPÜ sind somit erfüllt. Der Einspruch ist jedoch unzulässig, da er in holländischer Sprache abgefaßt und die Übersetzung in die deutsche Sprache erst nach Ablauf der 9-Monats-Frist des Artikels 99 (1) EPÜ eingegangen ist.
3. Die maßgebende Verfahrenssprache der vorliegenden Patentanmeldung ist Deutsch. Die holländische Patentinhaberin hatte ihre Anmeldung ursprünglich in holländischer Sprache und später in Einklang mit Artikel 14 (2) Satz 2 EPÜ eine Übersetzung in die deutsche Sprache eingereicht. Nach Artikel 14 (3) EPÜ ist daher die deutsche Sprache in allen Verfahren vor dem Europäischen Patentamt, die diese Anmeldung oder das darauf erteilte Patent betreffen, als Verfahrenssprache zu verwenden, soweit in der Ausführungsordnung nichts anderes bestimmt ist.
4. Die Ausführungsordnung enthält in Regel 1 (1) EPÜ eine Ausnahme von den Vorschriften über die Verfahrenssprache im schriftlichen Verfahren zugunsten der Einsprechenden. Danach können Einsprechende Schriftstücke in jeder Amtssprache des Europäischen Patentamts einreichen. Das bedeutet, daß im vorliegenden Fall die deutsche Einsprechende ihren Einspruch außer in deutscher Sprache auch in englischer oder französischer Sprache hätte einreichen können. Aus dem Charakter der Ausnahmeregelung der Regel 1 (1) EPÜ zugunsten des Einsprechenden folgt eindeutig, daß der Einsprechende die Wahl hat, in welcher Amtssprache des Europäischen Patentamts er seine Schriftstücke einreichen will. Die Auslegung, die die Beschwerdeführerin dem Wort "können" in Regel 1 (1) EPÜ gibt, nämlich "können" im Sinne von "nicht müssen", findet weder im Wortlaut noch im Sinn des Textes eine Stütze.
5. Die Einreichung des Einspruchs in holländischer Sprache wäre nur dann zulässig, wenn die Einsprechende nicht eine juristische Person mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland, sondern in den Niederlanden wäre; denn eine niederländische Einsprechende könnte nach Artikel 14 (4) in Verbindung mit Artikel 14 (2) EPÜ ihren fristgebundenen Einspruch auch in holländischer Sprache wirksam einreichen. Diese Voraussetzung liegt hier jedoch nicht vor, da die Einsprechende und Beschwerdeführerin ihren Sitz in der Bundesrepublik Deutschland hat.
6. An der Tatsache, daß der Einspruch der deutschen Einsprechenden unzulässigerweise in holländischer Sprache eingerecht worden ist, ändert sich auch nichts dadurch, daß die deutsche Einsprechende durch einen holländischen Patentanwalt vertreten ist. Artikel 14 (4) in Verbindung mit 14 (2) EPÜ gilt ausdrücklich nur für die dort genannten Personen, die sich an einem Verfahren vor dem Europäischen Patentamt beteiligen wollen. Das geht aus Regel 1 (1) EPÜ deutlich hervor, die die günstige Sprachenregelung ausdrücklich nur für die Einsprechenden und die einem Einspruchsverfahren beitretenden Dritten vorsieht. Diese Regelung gilt dagegen nicht für Personen, die Verfahrensbeteiligte lediglich vertreten wollen, also selbst nicht Verfahrensbeteiligte sein wollen. Eine ausdehnende Auslegung zugunsten von Vertretern, die ihren Wohnsitz oder Sitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats haben, in dem eine andere Sprache als Deutsch, Englisch oder Französisch Amtssprache ist, kommt daher nicht in Betracht.
Ein Vertreter kann daher nur die Vergünstigungen wahrnehmen, die das EPÜ dem Verfahrensbeteiligten einräumt, den er vertritt. Ein eigenes Wahlrecht hinsichtlich der Sprache räumt das Europäische Patentübereinkommen dem Vertreter nicht ein; er hat daher insoweit nicht mehr Rechte als der von ihm vertretene Einsprechende.
7. Eine unzumutbare Benachteiligung des Vertreters des Einsprechenden vermag die Kammer in der Sprachenregelung nicht zu sehen. Er hat die gleichen Rechte wie jeder andere Vertreter in vergleichbarer Lage. Richtig ist allerdings, daß ein berufsmäßiger Vertreter mit Wohnsitz oder Sitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats, in dem eine andere Sprache als Deutsch, Englisch oder Französisch Amtssprache ist, einen Verfahrensbeteiligten mit Wohnsitz oder Sitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats mit Deutsch, Englisch oder Französisch als Amtssprache nicht in seiner Muttersprache vertreten kann. Er muß sich vielmehr der Sprache bedienen, die für den Verfahrensbeteiligten maßgebend ist. Dieses Ergebnis hat aber das Europäische Patentübereinkommen in Kauf genommen. Die Kammer sieht sich nach dem Grundsatz, daß Ausnahmeregelungen einer ausdehnenden Auslegung nicht fähig sind, gehindert, die Sprachenregelung zugunsten der Einsprechenden auch auf ihre Vertreter anzuwenden. Eine solche Regelung könnte nur durch den zuständigen Gesetzgebererfolgen.
8. Die Zulässigkeit des Einspruchs läßt sich auch nicht damit begründen, daß der Einspruch als im Namen des Vertreters er hoben angesehen wird. Dem steht entgegen, daß der Einspruch ausdrücklich im Auftrag der Beschwerdeführerin, für die auch eine entsprechende Vollmacht eingereicht wurde, erhoben worden ist. Innerhalb der Einspruchsfrist liegt daher kein Einspruch vor, den der Vertreter im eigenen Namen erhoben hätte.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.