T 0968/92 28-07-1994
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Verfahren und Vorrichtung zum kontinuierlichen Reinigen von Boden zur Entfernung von Schadstoffen
I Dieter Hafemeister Umwelttechnik GmbH & Co.
II Klöckner Oecotec GmbH
Aggregation - Kombination von Merkmalen
Rückbeziehung von Vorrichtungsanspruch auf Verfahrensanspruch
Erfinderische Tätigkeit (Hauptantrag - nein, Hilfsantrag - ja)
Inventive step - combination of features
Inventive step - main request (no) - auxiliary request (yes)
Claims - product to process
Sachverhalt und Anträge
I. Gegen das europäische Patent Nr. 0 185 831 haben die Einsprechende I - nachfolgend als weitere Verfahrensbeteiligte tituliert - und die Einsprechende II - nachfolgend Beschwerdeführerin - jeweils Einspruch eingelegt.
II. In der mündlichen Verhandlung vom 17. März 1992 hat die Einspruchsabteilung die vorgenannten Einsprüche gegen das Streitpatent gemäß Artikel 102 (2) EPÜ zurückgewiesen, wobei die schriftlich begründete Entscheidung am 19. August 1992 erging.
III. Gestützt wurde vorgenannte Entscheidung auf folgende Dokumente:
(E1) W.H. Rulkens et al: "Extraction as a method for cleaning contaminated soil: possibilities, problems and research"; publication of Hazardous Materials Control Research Institute, Silver Spring, Maryland (USA)
(E2) DE-C-724 267
(E3) US-A-2 826 370
(E4) "Taschenbuch der Abwasserbehandlung", herausgegeben von Dr. L. Hartinger, Carl Hanser Verlag, München, Wien 1977, S. 56 - 63, 329
(E5) Firmenprospekt Fa. Keramchemie GmbH: "Entfernung chlorierter Kohlenwasserstoffe aus Abwasser", 1983.
IV. Der zum Zeitpunkt vorgenannter Entscheidung geltende, erteilte Anspruch 1 gemäß Hauptantrag hat nachfolgenden Wortlaut:
"1. Verfahren zum kontinuierlichen Reinigen von Boden zur Entfernung von Schadstoffen, wie z. B. Kohlenwasserstoffe als Emulsionen, leichtflüchtige chlorierte Lösungsmittel, leichtflüchtige Trihalogenmethane, sonstige leichtflüchtige Kohlenwasserstoffe, schwerflüchtige Kohlenwasserstoffe und schwerflüchtige Halogenkohlenwasserstoffe, Organochlorpestizide, Schwermetalle und Gifte, durch Waschen des von groben Bestandteilen, wie z. B. Steinen vorgereinigten Bodens in mit Zusatzmitteln versetztem Spülwasser, durch anschließende Extraktion der Schadstoffe und durch nachfolgendes Trennen der Schlammsuspension unter Abführen des gereinigten Bodens vom Spülwasser und durch abschließendes Reinigen des Spülwassers von den aus dem Boden extrahierten Schadstoffen, dadurch gekennzeichnet, daß die Schlammsuspension in separaten, aufeinanderfolgenden Verfahrensschritten einer intensiven turbulenten Vermischung, einer Siebung zur Entfernung von Kies, einer mehrstufigen Extraktion zur Bindung der Schadstoffe an das Spülwasser, einer Abscheidung von Sand, einer Abscheidung von grobem Schluff unter gleichzeitiger Abscheidung von Leichtstoffen, einer Abscheidung von mittlerem und feinem Schluff und von Ton bis auf einen Feststoffanteil von nahezu Null bei einer Korngröße von kleiner 1 unterzogen wird, daß die abgeschiedenen Schluff- und Ton-Feststoffbestandteile unter Zusatz von Polyelektrolyt einer Kompression und nachfolgenden Eindickung unter Zumischung von Sand unterzogen werden, daß das vom Boden abgetrennte, mit den extrahierten Schadstoffen belastete Spülwasser unter Zusatz von Lösungsmitteln einer Entgiftung, Flockung, Adsorption und Flotation unterworfen wird, wobei noch verbliebene Feinstbestandteile kleiner 1 als Schlamm abgeführt und dem Spülwasser nicht gelöste Schadstoffe, wie z. B. Kohlenwasserstoffe entzogen werden, daß das Spülwasser anschließend im Gegenstrom belüftet wird, wobei Reste der gelösten Bestandteile, z. B. leichtflüchtige Chlorkohlenwasserstoffe und leichtflüchtige Kohlenwasserstoffe und sonstige leichtflüchtige Stoffe ausgeblasen werden, daß abschließend die noch verbliebenen, gelösten Bestandteile der Schadstoffe, wie z. B. hochsiedende Kohlenwasserstoffe und Reste der leichtflüchtigen Chlorkohlenwasserstoffe sowie metallische Spurenelemente abgefiltert werden, und daß alle Verfahrensschritte innerhalb eines geschlossenen Kreislaufes durchgeführt werden und das von Schadstoffen gereinigte Spülwasser wieder zur Bildung der Boden-Wasser-Schlammsuspension zugeführt wird."
V. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung gemäß Artikel 102 (2) EPÜ hat die Beschwerdeführerin am 20. Oktober 1992 unter gleichzeitiger Zahlung der Gebühr Beschwerde eingelegt und diese am 24. Dezember 1992 begründet. Unter Nennung der Dokumente
(E6) Auszüge aus dem Workshop "ZENIT 87/88": "Sanierung kontaminierter Böden mittels extraktiver Verfahren", Verfasser C. Mostofizadeh - nachveröffentlicht -
(E7) Fachzeitschrift Staub (1957), Heft 48, Seiten 127, 128 "5267: Betriebserfahrungen mit synthetischen Klärmitteln in einer Kohlenwäsche" Verfasser Bruno Franke
(E8) Fachzeitschrift G.I. Heft 9/10, 1952, Seiten 157 bis 163 "Über den Einfluß der Strömung auf Flockung und Absetzvorgänge in Klärbecken" Verfasser Dr.-Ing. E. Knop
(E9) Druckschrift der BASF aus Februar 1964 oder November 1965 "Klären von Trüben"
(E10) Montan-Rundschau 1958, Heft 12, Seiten 333 bis 336 "Über den Einsatz neuzeitlicher organischer Flockungsmittel bei der Schlämmung von Kaolin", Verfasser Dipl.-Ing. E. Gmey
(E11) Taschenbuch der Abwasserbehandlung, Band 1: Chemie 1976, Seiten 134 und 135: "3.7.4.3: Flockulation"
(E12) Taschenbuch der Abwasserbehandlung, Bd. 2, Technik, 1977, Seiten 605, 606 "Möglichkeiten zur Beschleunigung der Sedimentation" und
(E13) NATO/CCMS Pilot Study vom 11. bis 13. November 1987 - nachveröffentlicht -
führte die Beschwerdeführerin aus, daß der erteilte Anspruch 1 als patentrechtliche Aggregation zu werten sei und daß bei von den Beschwerdegegnern anerkanntem Bekanntsein aller Einzelmerkmale dieses Anspruchs eine erfinderische Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ fehle.
VI. Die Beschwerdegegner widersprachen dieser Auffassung und plädierten für das Vorliegen einer patentrechtlichen Kombination der Merkmale des erteilten Anspruchs 1, so daß die Entscheidung der Einspruchsabteilung zu bestätigen sei.
VII. Nach vorbereitender Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 11 (2) VOBK fand am 28. Juli 1994 eine Verhandlung vor der Kammer statt, zu der die Einsprechende I - obwohl ordnungsgemäß geladen - wie im Schreiben vom 29. April 1994 angekündigt, nicht erschienen war.
VIII. Die Beschwerdegegner stellten dabei folgende Anträge:
a) Hauptantrag
- Zurückweisung der Beschwerde (und Bestehenlassen des erteilten Patents)
b) Hilfsantrag
- Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Aufrechterhaltung des Streitpatents im Umfang der in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen.
IX. Der einzige Anspruch gemäß vorgenanntem Hilfsantrag hat folgenden Wortlaut:
"Vorrichtung zur Durchführung des Eindickens von Schluff und Ton in einem Verfahren zum kontinuierlichen Reinigen von Boden zur Entfernung von Schadstoffen, wie z. B. Kohlenwasserstoffe als Emulsionen, leichtflüchtige chlorierte Lösungsmittel, leichtflüchtige Trihalogenmethane, sonstige leichtflüchtige Kohlenwasserstoffe, schwerflüchtige Kohlenwasserstoffe und schwerflüchtige Halogenkohlenwasserstoffe, Organochlorpestizide, Schwermetalle und Gifte, durch Waschen des von groben Bestandteilen, wie z. B. Steinen vorgereinigten Bodens in mit Zusatzmitteln versetztem Spülwasser, durch anschließende Extraktion der Schadstoffe und durch nachfolgendes Trennen der Schlammsuspension unter Abführen des gereinigten Bodens vom Spülwasser und durch abschließendes Reinigen des Spülwassers von den aus dem Boden extrahierten Schadstoffen, dadurch gekennzeichnet, daß die Schlammsuspension in separaten, aufeinanderfolgenden Verfahrensschritten einer intensiven turbulenten Vermischung, einer Siebung zur Entfernung von Kies, einer mehrstufigen Extraktion zur Bindung der Schadstoffe an das Spülwasser, einer Abscheidung von Sand, einer Abscheidung von grobem Schluff unter gleichzeitiger Abscheidung von Leichtstoffen, einer Abscheidung von mittlerem und feinem Schluff und von Ton bis auf einen Feststoffanteil von nahezu Null bei einer Korngröße von kleiner 1 unterzogen wird, daß die abgeschiedenen Schluff- und Ton-Feststoffbestandteile unter Zusatz von Polyelektrolyt einer Kompression und nachfolgenden Eindickung unter Zumischung von Sand unterzogen werden, daß das vom Boden abgetrennte, mit den extrahierten Schadstoffen belastete Spülwasser unter Zusatz von Lösungsmitteln einer Entgiftung, Flockung, Adsorption und Flotation unterworfen wird, wobei noch verbliebene Feinstbestandteile kleiner 1 als Schlamm abgeführt und dem Spülwasser nicht gelöste Schadstoffe, wie z. B. Kohlenwasserstoffe entzogen werden, daß das Spülwasser anschließend im Gegenstrom belüftet wird, wobei Reste der gelösten Bestandteile, z. B. leichtflüchtige Chlorkohlenwasserstoffe und leichtflüchtige Kohlenwasserstoffe und sonstige leichtflüchtige Stoffe ausgeblasen werden, daß abschließend die noch verbliebenen, gelösten Bestandteile der Schadstoffe, wie z. B. hochsiedende Kohlenwasserstoffe und Reste der leichtflüchtigen Chlorkohlenwasserstoffe sowie metallische Spurenelemente abgefiltert werden, und daß alle Verfahrensschritte innerhalb eines geschlossenen Kreislaufes durchgeführt werden und das von Schadstoffen gereinigte Spülwasser wieder zur Bildung der Boden- Wasser-Schlammsuspension zugeführt wird, und wobei die Schlammsuspension aus Spülwasser und mit Schadstoffen belastetem Boden im Verhältnis von ca. 1 zu 10 gebildet, unter Zugabe von Luft vermischt und zur Abtrennung von Kies einer Schwingsiebung unterworfen wird, daß die Schlammsuspension anschließend einem Extraktionsschritt zur Extraktion der Schadstoffe aus dem Boden und zur Bindung der Schadstoffe an das Spülwasser zugeführt wird, daß die Schlammsuspension nachfolgend Abscheidungsschritten zur Abscheidung von Sand mit einer Korngröße von größer 60 , einer Abscheidung von grobem Schluff mit einer Korngröße zwischen 60 und 20 und einer Abscheidung von mittlerem und feinem Schluff sowie Ton mit Korngrößen zwischen 20 und kleiner 1 unterworfen wird, wonach das abgeführte Spülwasser nur noch geringste Mengen an Feinststoffen mit Korngrößen kleiner 1 aufweist, und daß die abgezogene Menge an Schluff und Ton eingedickt wird, wozu eine Eindickvorrichtung (53) aus einem mit einem Mischer (57) versehenen Flockungsbehälter (56), dem der 5 %ige Dünnschlamm zugeführt wird, einer unter dem Flockungsbehälter angeordneten Seiherzone (58) zur Vorabscheidung von Spülwasser und einem mit einer Neigung von 5 bis 15 gegenüber der Horizontalen versehenen Schneckenrohr (61) mit einer Förderschnecke (60) sowie einer am Ende des Schneckenrohres (61) angebrachten Seiherzone (63) gebildet ist, wobei durch den entstehenden Druck der Förderschnecke (60) auf das Feststoffgemisch durch dessen Eigengewicht eine Entwässerung in der Seiherzone (63) erfolgt."
X. Die wesentlichen Argumente der Beschwerdeführerin, wie sie in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgebracht wurden, lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Hauptantrag
- der erteilte Anspruch 1 stützt sich auf eine Aggregation von Merkmalen, so daß es zulässig sei, die Einzelmerkmale getrennt zu betrachten und mit entsprechenden Beweismitteln anzugreifen;
- da alle Einzelmerkmale des Anspruchs 1 im Stand der Technik nachzuweisen seien, fehle dem beanspruchten Verfahren die erfinderische Tätigkeit;
- im einzelnen beschreibe Anspruch 1 die Erd-, Wasser- und Luftaufbereitung in Form einer additiven Aneinanderreihung;
- die Dokumente (E6) bis (E13) seien so relevant, daß sie zum Verfahren zuzulassen seien, wobei die Dokumente (E6) und (E13) nicht als vorveröffentlichter Stand der Technik, sondern als Urkunden Berücksichtigung finden sollen;
- die Reihenfolge der im Anspruch 1 aufgeführten Merkmale sei zwangsläufig und es genüge eine fachmännische Auswertung der entgegengehaltenen Beweismittel, ohne die beanspruchte Erfindung zu kennen (keine ex-post-Argumente), um zum beanspruchten Verfahren zu gelangen;
- die konsequente Anwendung des problem-solution- approach ergebe das Naheliegen der Verfahrensschritte des Anspruchs 1.
b) Hilfsantrag
- wichtigstes Dokument sei das Dokument (E1);
- angesichts der im Streitpatent angeführten Aufgabe trage kein Merkmal des Vorrichtungsanspruchs zur Lösung dieser Aufgabe bei;
- da aus dem Dokument (E1) ein Schneckenförderer mit geneigter Anordnung der Förderschnecke bekannt sei, könne der vom beanspruchten Weg abweichende Weg des Dünnschlammes gemäß Anspruch des Hilfsantrags und der andere Zweck der bekannten Vorrichtung, eine patentfähige Erfindung im Sinne von Artikel 56 EPÜ nicht mehr begründen, auch wenn im Stand der Technik gemäß (E1) Merkmale fehlten, z. B. ein Flockungsbehälter und eine obere Seiherzone;
- bei Fehlen einer erfinderischen Tätigkeit sei auch der Hilfsantrag zurückzuweisen.
- der Anspruch nach dem Hilfsantrag sei durch die ursprünglichen Unterlagen nicht gedeckt.
XI. Die wesentlichen in der Verhandlung vor der Kammer vorgebrachten Argumente der Beschwerdegegner können wie folgt zusammengefaßt werden:
a) Hauptantrag
- Anspruch 1 stelle eine patentrechtliche Kombination von Merkmalen dar, obwohl die Reinigung von Erde, Wasser und Luft in drei separaten Zweigen erfolge;
- der kombinatorische Effekt der Merkmale des Anspruchs 1 ergebe sich durch die Schnittstelle von Erd- und Wasseraufbereitung, dergestalt, daß die Abtrennung von Feststoffen so vollständig sei, daß die Wasseraufbereitung keine Schwierigkeiten mehr bereite und ohne großen Chemikalieneinsatz zu bewerkstelligen sei;
- nur durch eine unzulässige ex-post- Betrachtungsweise könnte man zu einem Naheliegen des beanspruchten Verfahrens kommen, da nicht erkennbar sei, warum der Fachmann z. B. die Dokumente (E1) und (E10) in Kombination sehen sollte;
- bei diesen Gegebenheiten sei das Streitpatent unverändert aufrechtzuerhalten und die Beschwerde abzuweisen.
b) Hilfsantrag
- der einzige Anspruch gemäß Hilfsantrag ergebe sich aus der Kombination der erteilten Ansprüche 1, 4 und 5, so daß der neugefaßte Vorrichtungsanspruch in formaler Hinsicht nicht angreifbar sei;
- die beanspruchte Vorrichtung sei gegenüber dem hier zu berücksichtigenden Stand der Technik neu und erfinderisch;
- die Aufgabe gemäß Streitpatentschrift stelle u. a. auf den Erhalt eines ablagerungsfähigen Bodens ab, so daß diese Aufgabe die gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik objektiv verbleibende Aufgabe sei, die mit den Merkmalen des einzigen Anspruchs gemäß Hilfsantrag vollständig gelöst sei;
- das Dokument (E1) zeige nur Teilmerkmale des in Rede stehenden Anspruchs und lege das Beanspruchte nicht nahe, da z. B. dort eine Eindickvorrichtung nicht offenbart sei und eine endseitige Seiherzone der Eindickvorrichtung ebenso fehle wie ein Flockungsbehälter und ein Mischer;
- das Streitpatent könne somit zumindest im eingeschränkten Umfang gemäß Hilfsantrag Bestand haben.
- der Einbeziehung des erstmals im Beschwerdeverfahren vorgebrachten Einspruchsgrundes der unzulässigen Änderung wird widersprochen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin ist zulässig. Die weitere Verfahrensbeteiligte hat sich nicht gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung beschwert und sie ist auch sonst im Beschwerdeverfahren nicht aktiv tätig geworden, Regel 71 (2) EPÜ.
2. Hauptantrag
2.1. Dieser Antrag basiert auf dem erteilten Schutzbegehren. Von Anfang an stand bezüglich Anspruch 1 die Frage im Vordergrund, ob oder ob nicht die Merkmale des Anspruchs 1 auf eine patentrechtliche Kombination von Merkmalen gerichtet sind.
2.2. Ausgangspunkt der Erfindung ist der Stand der Technik gemäß Dokument (E1). Gemäß deren Seite 577 ("General description of the extraction process"), 578 und Figur 4 ist es hieraus bekannt, Boden kontinuierlich zu reinigen, indem der Boden zunächst mit einem Fluid (Wasser) gemischt und Feststoffe aus diesem Gemisch abgeschieden werden; der Boden kann überdies auch noch nachgewaschen werden. Hierauf wird das von Feststoffen befreite Fluid gereinigt und rezirkuliert. Beim Reinigen des feststoffbehafteten Fluids kann auf die Flockulation oder Flotation zurückgegriffen werden, während das Trennen von verbliebenen Feststoffen vom Fluid, z. B. in einem Schneckenextraktor, vorgenommen werden kann.
2.3. Vom nächstkommenden Stand der Technik gemäß Dokument (E1), der gemäß Seite 579 linke Spalte ("Between the separation steps ... to approximately 20 m.") einen Feststoffanteil oberhalb von 20 m aus der Suspension abscheiden kann, ist die objektiv zu lösende Aufgabe darin zu sehen, auch die unterhalb dieses Wertes liegenden Feststoffteilchen abzuscheiden. Insoweit deckt sich die objektiv verbleibende technische Aufgabe mit der Aufgabe, die insbesondere in Spalte 1, Zeilen 57 bis 60 der Streitpatentschrift angesprochen ist.
2.4. Der erteilte Anspruch 1 löst die vorgenannte Aufgabe gemäß den Merkmalen, die in seinem Kennzeichenteil aufgeführt sind und die laut EP-B1-0 185 831, Spalten 10 und 11 folgendermaßen klassifiziert werden können:
- Spalte 10, Zeilen 42 bis 45 ist eine direkte Wiederholung der vorgenannten Aufgabe;
- Spalte 10, Zeilen 45 bis 49 bezieht sich auf die Dünnschlammbehandlung;
- Spalte 10, Zeilen 50 bis 57 bezieht sich auf die Wasseraufbereitung;
- Spalte 10, Zeilen 57 bis 62 betrifft die Luftreinigung durch "Strippen";
- Spalte 10, Zeilen 62 bis Spalte 11, Zeile 2 bezieht sich auf das Abfiltern von noch verbliebenen gelösten Bestandteilen der Schadstoffe;
- Spalte 11, Zeilen 3 bis 7 führt aus, daß ein geschlossener Kreislauf vorliegt und daß das gereinigte Spülwasser rezirkuliert wird und erneut beim Bodenwaschen Verwendung findet.
2.5. Die Frage der Neuheit des Verfahrens gemäß erteiltem Anspruch 1 stand zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens zur Diskussion, so daß sich hierzu ins Detail gehende Erörterungen erübrigen.
2.6. Unmittelbar erkennbar ist, daß sich die Erd-, Wasser- und Luftaufbereitung gemäß erteiltem Anspruch 1 nicht gegenseitig bedingen, daß sie nicht aufeinander ausstrahlen oder sonstwie in Wirkverbindung miteinander treten, sondern daß sie die einzelnen Behandlungsinhalte für sich und in vorhersehbarer Weise erfüllen, wobei auch die Reihenfolge gemäß erteiltem Anspruch 1 in keiner Weise vom fachmännischen Vorgehen abweicht, nämlich erst Waschen des verunreinigten Bodens, sodann Entfernen der Feststoffanteile in verschiedenen Fraktionen (grob - mittel - fein ...) und sodann Behandlung des Spülwassers und der Luft.
2.7. Die Beschwerdeführerin hat in diesem Zusammenhang auf den Schriftsatz der Beschwerdegegner vom 27. Juni 1990 verwiesen, in dem an vielen Stellen deutlich wird, daß es entscheidend auf die Reihenfolge der einzelnen Verfahrensschritte ankommt, da andere Reihenfolgen "die Durchführbarkeit des Verfahrens total verhindern können", vgl. Seite 13, Absatz 4, Seite 7, Absatz 1 und Seite 10, Absatz 4 des genannten Schriftsatzes.
Von Interesse war in diesem Zusammenhang auch noch das "Merkmal 12", vgl. Seite 4 des in Rede stehenden Schriftsatzes, das Bezug hat zur Aufgabenstellung der Streitpatentschrift, die es zu einem wesentlichen Teil wörtlich wiederholt, vgl. Kennzeichen des erteilten Anspruchs 1.
2.8. Damit hat der erteilte Anspruch 1 im Grunde nur diesen einen Anknüpfungspunkt zur zu lösenden Aufgabe, während die sonstigen Merkmalsgruppen wie Dünnschlammbehandlung, Luftreinigung von der Aufgabenstellung völlig unabhängig sind.
2.9. Die Beschwerdegegner haben auf die Bedeutung der Schnittstelle von Erd- und Wasseraufbereitung hingewiesen und daraus abgeleitet, daß hierin der kombinatorische Effekt der Merkmale des erteilten Anspruchs 1 liege.
Dieser Überlegung kann die Kammer nicht folgen. Die Frage der Schnittstelle ist nichts anderes als die Frage der Wirksamkeit des verwendeten Hydrozyklons; ist letzterer sehr wirksam, wird er Feststoffanteile unter 20 m und bis zu 1 m abscheiden können, ohne daß darin etwas Besonderes zu sehen wäre. Von der Bedeutung dieser Schnittstelle ist den ursprünglichen Unterlagen und dem Streitpatent im übrigen nichts zu entnehmen, dieses Argument ist also erst im Einspruchs-/Beschwerdeverfahren in den Mittelpunkt gerückt worden.
2.10. Nicht von der Hand zu weisen ist in diesem Zusammenhang der Hinweis der Beschwerdeführerin, daß die Bodenreinigung - vgl. Figur 2 und zugehörige Beschreibung der Streitpatentschrift - beim Hydrozyklon "38" ende, da die darunter liegenden Fraktionen von 1 bis 20 m nur abgetrennt und deponiert, nicht aber gereinigt würden.
Erkennbar sei damit der erteilte Anspruch 1 mit einer Vielzahl von Merkmalen beladen, die mit dem eigentlichen Reinigen von Boden nichts zu tun hätten. Die Kammer kann diesem Argument voll zustimmen.
2.11. Wie die vorstehenden Ausführungen in den Abschnitten 2.4 bis 2.8 erhellen, ist der entscheidende Gedanke des Verfahrens nach dem erteilten Anspruch 1 darin zu sehen, daß die Feststoffabscheidung gegenüber dem Dokument (E1) verbessert wird, also auch im Bereich unter die dort erwähnten 20 m hinein.
Die übrigen Maßnahmen des erteilten Anspruchs 1 laufen dagegen in verschiedenste Richtungen, nämlich u. a. die Behandlung des Wassers und der Luft, ohne daß ein einigender Gedanke im Sinne eines aktiven Beitrages zur Lösung der gestellten Aufgabe erkennbar wäre.
2.12. Zusammenfassend liegt im erteilten Anspruch 1 mithin eine Aggregation von Merkmalen vor, was zur Folge hat, daß die einzelnen Merkmalsgruppen dieses Anspruchs für sich am Stand der Technik zu messen sind, wenn es um die Frage geht, ob das Verfahren gemäß erteiltem Anspruch 1 auf erfinderischer Tätigkeit beruht oder nicht.
2.13. In der unveröffentlichten Entscheidung T 144/85 ist der Fall abgehandelt, in dem in einem Anspruch bekannte Merkmale aneinandergereiht sind, ohne daß eine kombinatorische Gesamtwirkung im Sinne einer die Summe der Einzelwirkungen übersteigende, unvorhersehbare Gesamtwirkung eintritt, vgl. Entscheidungsgründe 4.7.
2.14. Die Beschwerdegegner haben bereits im Einspruchsverfahren anerkannt, daß die einzelnen Verfahrensschritte "separat betrachtet, bekannt sein" mögen, vgl. Schriftsatz vom 27. Juni 1990, Seite 10, Absatz 4. Bei dieser Sachlage erübrigt sich ein Eingehen auf die Einzelmerkmale des erteilten Anspruchs 1 im Vergleich zum insgesamt vorliegenden Stand der Technik, zumal die Beschwerdegegner in der Verhandlung vor der Kammer nicht bestritten haben, daß die Einzelmerkmale sämtlich bekannt sind und zumal die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 23. Dezember 1992 eine Analyse des Anspruchs 1 und eine Zuordnung von Beweismitteln vorgelegt hat, vgl. Seiten 6 ff. ("Zu dem Bekanntsein der einzelnen Merkmale ... ausgeführt: ...").
2.15. Die Beweismittel (E6) bis (E13) sind von der Kammer in Ausübung ihres in Artikel 114 EPÜ eingeräumten Ermessensspielraumes zum Verfahren zugelassen worden, weil sie im Zusammenhang mit dem Rechtsbestand des erteilten Patents relevant sind. Die nicht vorveröffentlichten Dokumente (E6) und (E13) sind keine Entgegenhaltungen im eigentlichen Sinne, sondern Urkunden im Sinne von Artikel 117 (1) c) EPÜ.
2.16. Angesichts der Tatsache, daß der erteilte Anspruch 1 als patentrechtliche Aggregation von Merkmalen zu beurteilen ist und der Tatsache, daß diese Merkmalsgruppen sämtlich im Stand der Technik bekannt sind, kann das Verfahren gemäß erteiltem Anspruch 1 nicht als auf erfinderischer Tätigkeit beruhend angesehen werden. Dieser unabhängige Verfahrensanspruch ist somit nicht rechtsbeständig, Artikel 100 a) und 56 EPÜ, so daß allein deshalb der Hauptantrag zurückzuweisen ist.
2.17. Die Argumente der Beschwerdegegner - soweit sie nicht schon vorstehend behandelt wurden - vermögen diese Beurteilung seitens der Kammer nicht in Frage zu stellen:
Das Argument der ex-post-Betrachtung der Erfindung läßt außer acht, daß der erteilte Anspruch 1 aus sich heraus den Schluß zuläßt, daß die Anspruchsmerkmale nur zu einem geringen Teil an die zu lösende Aufgabe anknüpfen, daß sie darüber hinaus aber kein einigendes Band aufweisen. Hierzu bedarf es nur des Studiums der Streitpatentschrift, ohne daß Anleihen aus dem Stand der Technik genommen werden müßten. Die von den Beschwerdegegnern zu diesem Punkt u. a. zitierte Entscheidung T 717/90 (unveröffentlicht) betrifft einen Fall, in dem eine Kombinationserfindung vorlag, und ist somit auf vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil diese Voraussetzung hier fehlt.
Im Zusammenhang mit dem Dokument (E10) wurde zugestanden, daß dort Feststoffteilchen von 0,5 bis 20 m abgetrennt werden; die Einbeziehung dieses Dokumentes in die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Verfahrens gemäß erteiltem Anspruch 1 wurde wiederum als ex-post bezeichnet. Dieses Argument der Beschwerdegegner läßt aber unberücksichtigt, daß der zu beurteilende Anspruch 1 keine Kombinationserfindung darstellt und daß somit die Einzelmaßnahme des Feststoffabscheidens am diesbezüglich relevanten Stand der Technik gemäß Dokument (E10) zu messen ist, und zwar in Kombination mit dem nächstkommenden Dokument (E1). Das Ergebnis dieser Betrachtung ist das Fehlen erfinderischer Tätigkeit im Sinne von Artikel 100 a) und 56 EPÜ.
3. Hilfsantrag
3.1. Der einzige Anspruch dieses Antrags ist ein Vorrichtungsanspruch, der aus den erteilten Ansprüchen 1, 4. und 5 hervorgeht. Die Anspruchsfassung ist nach Wegfall der erteilten Verfahrensansprüche so zu nehmen, wie sie in der mündlichen Verhandlung vorgelegt wurde.
3.2. In formaler Hinsicht ist zu bemerken, daß der erteilte Anspruch 5 einen direkten Rückbezug auf den erteilten Anspruch 4 und einen indirekten Rückbezug u. a. auf den erteilten Anspruch 1 enthielt.
3.3. Die Fassung des geltenden Vorrichtungsanspruchs kann als "mathematisch" angesehen werden, da sie einerseits den erteilten Rückbezug durch Zitierung der entsprechenden Verfahrensmerkmale erhalten hat und da sie andererseits kein Merkmal des erteilten Anspruchs 5 ausläßt.
Zusammenfassend liegt somit ein formal auf der Streitpatentschrift beruhender Anspruch vor, der seinem Inhalt nach durch Auflösung der Rückbeziehungen dem erteilten Anspruch 5 entspricht. Derartige unveränderte Ansprüche sind von der Beschwerdekammer nur im Rahmen der im Einspruch geltend gemachten Einspruchsgründe zu prüfen, es sei denn der Patentinhaber stimmt der Einbeziehung neuer Einspruchsgründe zu (vgl. die Entscheidung G 10/91, ABl. EPA 1993, 420, insbesondere Gründe Nr. 18 und 19 auf Seiten 419/420). Da eine solche Zustimmung nicht erteilt worden ist, hat sich die Beschwerdekammer auf die Prüfung der Einspruchsgründe im Rahmen von Artikel 100 a) EPÜ zu beschränken und den im Beschwerdeverfahren neu vorgebrachten Einspruchsgrund der unzulässigen Änderung (Artikel 100 b) EPÜ) nicht zu prüfen.
3.4. Die beanspruchte Vorrichtung ist neu. Da die Frage der Neuheit nicht strittig ist, erübrigen sich hierzu weitere Ausführungen.
3.5. In der Frage der erfinderischen Tätigkeit der beanspruchten Vorrichtung kommt die Kammer zu folgendem Ergebnis:
3.5.1. Nächstkommender Stand der Technik ist wiederum das Dokument (E1), insbesondere Figur 4 und Seite 578, rechte Spalte ("Screw extractors").
3.5.2. Die geltenden Unterlagen, vgl. Spalte 1, Zeilen 50 bis 62 ("und ablagerungsfähig ist.") stellen als Aufgabe heraus, daß u. a. ein ablagerungsfähiger Boden erzielt wird.
3.5.3. Gemäß Vorrichtungsanspruch des Hilfsantrags wird der Schluff und Ton des Dünnschlammes in einem Schneckenrohr mittels einer Förderschnecke eingedickt, wobei das Spülwasser und das Feststoffgemisch getrennt abgeführt werden. Hierzu sind außerdem noch vorgesehen: ein Flockungsbehälter mit einem Mischer und eine diesen Bauteilen zugeordnete Seiherzone, ferner eine Neigung des Schneckenrohres von 5 bis 15 , sowie eine weitere Seiherzone am (oberen) Ende des Schneckenrohres.
Der Druck der Förderschnecke auf das Feststoffgemisch führt dabei zum Entwässern desselben, so daß ein eingedickter, ablagerungsfähiger Boden erzielt wird.
3.5.4. Von den Beweismitteln (E1) bis (E5) und (E7) bis (E12) - die Dokumente (E6) und (E13) sind hier als nicht vorveröffentlichte Beweismittel außer Betracht zu lassen - betrifft nur das Dokument (E1) einen Schneckförderer, allerdings für einen ganz anderen Zweck als beansprucht.
3.5.5. Ein Mischer und ein Flockungsbehälter fehlt bei der bekannten Vorrichtung gemäß (E1) ebenso wie zwei Seiherzonen in verschiedenen Bereichen der Vorrichtung. Das Schneckenrohr ist überdies um 30 geneigt und die Wege der zugeführten Medien "verunreinigter Boden" und "Waschfluid" am oberen bzw. mittleren Bereich des Schneckenrohres weichen erheblich von der beanspruchten Vorrichtung ab, die überdies eine Eindickvorrichtung und keine bloße Waschvorrichtung verunreinigten Bodens betrifft.
3.5.6. Ohne Kenntnis der Erfindung ist demnach nicht nachvollziehbar, daß von Dokument (E1) ein Weg zur beanspruchten Eindickvorrichtung führen sollte, da bereits die Erkenntnis, daß ein Schneckenförderer nicht nur zum Waschen, sondern auch zum Eindicken Verwendung finden kann, ohne Vorbild im gesamten hier zu berücksichtigenden Stand der Technik ist. Wie in Abschnitt 3.5.5 herausgestellt wurde, sind auch die baulichen Maßnahmen der hier zu beurteilenden Vorrichtung dem Fachmann nicht vorgezeichnet, so daß es offensichtlich erfinderischen Zutuns bedurfte, die beanspruchte Eindickvorrichtung zu schaffen, Artikel 100 a) und 56 EPÜ.
3.5.7. Im Rahmen des Vorrichtungsanspruchs gemäß Hilfsantrag kann das Streitpatent mithin Rechtsbestand haben. Die angefochtene Entscheidung ist somit aufzuheben und das Streitpatent in eingeschränkter Fassung bestehenzulassen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen aufrechtzuerhalten.