T 0717/90 10-07-1991
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Behälterverschluß
Inventive step in a combinative invention (yes)
Erfinderische Tätigkeit bei Vorliegen einer
Kombinationserfindung (bejaht)
I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 86 105 763.6 (Veröffentlichungsnummer 0 202 506) wurde durch Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 5. April 1990 zurückgewiesen.
II. Die Zurückweisung wurde damit begründet, daß der Gegenstand der am 11. Februar 1988 eingereichten Ansprüche 1 und 2 im Hinblick auf die Dokumente:
D1: FR-A-2 134 286 D3: GB-A-1 423 834 auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Im Prüfungsverfahren wurden auch die Dokumente:
D2: FR-A-2 040 941 D4: FR-A-1 564 000 in Betracht gezogen.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 31. Mai 1990 unter gleichzeitiger Bezahlung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde eingelegt und diese mit am 20. Juli 1990 eingereichtem Schreiben begründet. Zusammen mit der Beschwerdebegründung wurden neue Ansprüche und eine neue Beschreibungseinleitung vorgelegt.
IV. In einem Bescheid gemäß Artikel 110 (2) EPÜ vom 16. Januar 1991 hat die Kammer bezüglich Anspruch 1 einen Klarheitseinwand gemacht und Bedenken gegen den Anspruch 2 im Hinblick auf Artikel 123 (2) geäußert.
V. Die Beschwerdeführerin hat daraufhin mit Eingabe vom 24. Januar 1991 einen klargestellten neuen (einzigen) Anspruch und eine überarbeitete Beschreibungsseite eingereicht und beantragt, die Entscheidung der Prüfungsabteilung aufzuheben und die Erteilung eines Patents auf der Basis der geltenden Unterlagen zu beschließen. Am 4. Juli 1991 wurden telefonisch einige klarstellenden Änderungen im Anspruch und in der Beschreibung vereinbart.
Der einzige Anspruch hat demnach folgenden Wortlaut:
"Behälterverschluß in Form eines Stopfens (1) für einen Behälter mit einer am Rand von dessen zu verschließender Behälteröffnung vorgesehenen umlaufenden Umbördelung oder Randverstärkung (10), mit einer den Behälterrand stirnseitig radial überragenden flachen Deckelpartie (3), an deren Rand eine zum Behälter gewandte äußere Wand (4) angesetzt ist, an deren Unterseite mittels abreißbarer Stege (12) ein Originalitätssicherungsring (11) angesetzt ist, der an seiner inneren Zylinderfläche schräg nach innen und in Öffnungsrichtung gerichtete Laschen (13) aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß die äußere Wand (4) die umlaufende Umbördelung oder Randverstärkung des Behälterrandes außen umgreift, daß der Außendurchmesser des Sicherungsrings (11) den Außendurchmesser der umgreifenden Wand (4) nicht überragt und daß die flache Deckelpartie (3) oberhalb der Laschen (13) von einer der Anzahl und Breite der Laschen (13) entsprechenden Anzahl von Ausschnitten (14) durchsetzt wird."
1. Die Beschwerde entspricht den Erfordernissen der Artikel 106 bis 108 sowie der Regel 64 EPÜ und ist daher zulässig.
2. Die Fassung des geltenden Anspruchs geht aus von den Ansprüchen 1 und 2 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung und ist ergänzt durch aus der ursprünglichen Beschreibung (S. 4, letzter Absatz) und aus der ursprünglich eingereichten Zeichnung zu entnehmende Merkmale.
Die Zeichnung zeigt nämlich eindeutig, daß "der Außendurchmesser des Sicherungsrings (11) den Außendurchmesser der umgreifenden Wand (4) nicht überragt". Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist deshalb ursprungsoffenbart (Artikel 123 (2)).
Bei den Änderungen in der Beschreibung handelt es sich um eine Anpassung der Beschreibung an den Anspruch und um eine Berücksichtigung des Standes der Technik nach den Dokumenten D1 und D3. Gegen sie bestehen deshalb keine Bedenken.
3. Nach Ansicht der Kammer ist der Oberbegriff des geltenden Anspruchs nicht zu beanstanden. Bei seiner Formulierung wurde von dem auch aus der Sicht der Kammer am nächsten kommenden Stand der Technik nach Dokument D1 ausgegangen.
Bei diesem bekannten Behälterverschluß ist der Sicherungsring mit einer Vielzahl von von seinen Innenflächen schräg nach innen und in Öffnungsrichtung gerichteten Laschen versehen, deren freie Enden krallenartig unter den Randwulst oder die Umbördelung des Behälterrandes greifen, so daß der Sicherungsring nicht über den Randwulst bzw. die Umbördelung hinwegtreten kann. Bei der Herstellung dieses bekannten Verschlusses im Spritzgußverfahren aus Kunststoff stellt sich aber wegen der radial nach außen versetzten Lage des Sicherungsrings gegenüber der auf dem Randwulst aufsitzenden äußeren Wand des Stopfens ein Problem bei der Erzeugung der Zungen. Die Spritzgußform ist hierzu derart auszubilden, daß die zwischen der Innenfläche des Sicherungsrings und den dieser zugewandten Rückseiten der Zungen entstehenden Hinterschnitträume einerseits durch entsprechende Vorsprünge der Spritzgußform erzeugt werden müssen, andererseits aber diese Vorsprünge die Entformung und das Auswerfen des Verschlusses nach der Erstarrung des eingespritzten Kunststoffes nicht behindern dürfen. Eine Lösung dieses spritztechnischen Problems erscheint bei dem bekannten Verschluß nach Dokument D1 nur durch Verwendung aufwendiger Spritzgußformen mit speziellen Schiebern oder dergleichen möglich, die die hinterschnittenen Räume im Bereich der Zunge erzeugen.
Darüber hinaus überragt bei diesem bekannten Behälterverschluß der Sicherungsring die flache Deckelpartie in radialer Richtung, so daß er gegen ungewolltes Abreißen nicht geschützt ist.
4. Die der angefochtenen Patentanmeldung zugrundeliegende Aufgabe kann daher darin gesehen werden, einen Behälterverschluß der in Dokument D1 genannten Art zu schaffen, der mit vertretbarem Aufwand im Spritzgußverfahren herstellbar ist und dessen Originalitätssicherungsring gegen ungewolltes Abreißen geschützt ist.
5. Diese Aufgabe wird nach Ansicht der Kammer durch die im Kennzeichen des geltenden Anspruchs aufgeführten Merkmale gelöst, d. h. dadurch daß a) die äußere Wand (4) die umlaufende Umbördelung oder Randverstärkung des Behälterrands außen umgreift und der Außendurchmesser des Sicherungsrings (11) den Außendurchmesser der umgreifenden Wand (4) nicht überragt und b) die flache Deckelpartie oberhalb der Laschen von einer der Anzahl und Breite der Laschen entsprechenden Anzahl von Ausschnitten (14) durchsetzt wird.
6. Wie sich aus den Ausführungen im Abschnitt 3 ergibt, unterscheidet sich der Behälterverschluß nach Anspruch 1 von dem bekannten Behälterverschluß nach Dokument D1 durch die im kennzeichnenden Teil des Anspruchs aufgeführten Merkmale a) und b).
Bei keinem der anderen im Prüfungsverfahren in Betracht gezogenen Dokumente sind die beiden Maßnahmen a) und b) zusammen verwirklicht:
Der Behälterverschluß nach Dokument D3 weist zwar oberhalb der Laschen eine Vielzahl von Ausschnitten auf. Der Sicherungsring bildet jedoch einen vorspringenden Ringwulst, so daß die konstruktive Maßnahme a) nicht vorliegt. Bei dem Behälterverschluß nach Dokument D2, liegt die Außenfläche des Sicherungsrings in Flucht mit der umgreifenden Wand; der Sicherungsring ist aber mit keinen Laschen versehen und der Deckel weist keine Ausschnitte auf, so daß die konstruktive Maßnahme b) nicht vorbeschrieben ist. D4 liegt nach Aufgabe und Lösung weiter vom Anmeldungsgegenstand entfernt.
Der Behälterverschluß nach dem Anspruch ist daher gegenüber dem vorstehenden Stand der Technik neu. Dies wurde auch bei dem allgemeineren Anspruch 1 im angefochtenen Zurückweisungsbeschluß nicht bestritten.
7. Die Prüfung der Frage, ob sich der Gegenstand des Anspruchs aus diesem Stand der Technik in naheliegender Weise ergibt, führt zu folgendem Ergebnis:
7.1. Die Prüfungsabteilung geht bei ihrer negativen Beurteilung dieser Frage von der Annahme aus, es würden durch die beiden kennzeichnenden Merkmale zwei Teilaufgaben gelöst, ohne daß diese Merkmale sich gegenseitig beeinflussend zusammenwirken.
Diese Wertung wird aus der Sicht der Kammer der Lehre des geltenden Anspruchs nicht gerecht. Die erste o. g. konstruktive Maßnahme a) des Kennzeichens erlaubt es nämlich, den Sicherungsring an der freien Stirnfläche der umgreifenden Wand anzusetzen, ohne daß dessen Außendurchmesser den Außendurchmesser der umgreifenden Wand überragt und somit einen vorspringenden Ringwulst bildet. Der Sicherungsring hat somit eine Lage, in welcher er gegen ungewolltes Abreißen besser geschützt ist.
Durch die zweite konstruktive Maßnahme b) des Kennzeichens wird erreicht, daß ein Behälterverschluß nach dem Oberbegriff des Anspruchs mit vertretbarem Aufwand im Spritzgußverfahren aus Kunststoff hergestellt werden kann, was bei dem bekannten Behälterverschluß nach Dokument D1 nicht der Fall ist.
Durch die Maßnahme a) wird aber auch bewirkt, daß die Innenfläche des Sicherungsrings in Flucht mit der umgreifenden Wand liegen kann, so daß die Sperrzungen oder Laschen durch die der Anzahl und Breite der Laschen entsprechenden Ausschnitte (Maßnahme b)) ohne weiteres geformt werden können.
7.2. Dieses Zusammenwirken der Maßnahmen a) und b) zur Lösung einer gemeinsamen Aufgabe - nämlich des Spritzens von einstückigen Kunststoffbehälterverschlüssen nach dem Oberbegriff des Anspruchs mit vertretbarem Aufwand -stellt eine Kombinationserfindung dar, so daß die in der Entscheidung T 37/85, ABl. EPA 1988, 86 entwickelten Grundsätze anzuwenden sind. Es ist somit zu untersuchen, ob diese Kombination aus dem zur Verfügung stehenden Stand der Technik in naheliegender Weise herleitbar ist. Für die Beantwortung dieser Frage spielt es keine entscheidende Rolle, ob die Einzelmerkmale a) oder b) je für sich in anderem Zusammenhang bekannt waren.
7.3. Der Behälterverschluß nach Dokument D3 ist mit einer umlaufenden Wand ("cylindrical wall 55") versehen, an deren Rand eine radial nach außen überragende Ringwand angesetzt ist. An der Unterseite dieser Ringwand ist über eine Schwächungslinie (50) ein Originalitätssicherungsring (42) angeordnet, der an seiner inneren Zylinderfläche Vorsprünge (40) mit schräg nach innen und in Öffnungsrichtung gerichteter freier Seite aufweist, wobei die vorgenannte Ringwand von einer der Anzahl und Breite der Vorsprünge entsprechenden Anzahl von Ausschnitten (54) durchsetzt ist.
Selbst wenn man diese Ringwand als äußeren Teilabschnitt der flachen Deckelpartie interpretieren wollte, so daß die zweite konstruktive Maßnahme b) bei Dokument D3 verwirklicht wäre, bleibt festzuhalten, daß die erste Maßnahme a) des Kennzeichens bei Dokument D3 nicht vorliegt. Der Sicherungsring bildet nämlich bei Dokument D3 gegenüber der umlaufenden Wand der Deckelpartie einen vorspringenden Ringwulst, der beim Gegenstand des geltenden Anspruchs gerade vermieden werden soll. Der Verschluß nach Dokument D3 ist somit nicht geeignet, dem Fachmann die durch das Zusammenwirken der Maßnahmen a) und b) verwirklichte Lösung der gestellten Aufgabe gemäß dem nunmehr geltenden Anspruch nahezulegen.
Selbst wenn man es für den Fachmann - im Hinblick auf die allgemeine technische Lehre bezüglich der spritzgußtechnischen Herstellung hinterschnittener Sicherungsringe an Behälterverschlüssen gemäß Dokument D3 - als naheliegend ansehen wollte, die ebenflächige Deckelpartie des aus D1 bekannten Verschlusses mit Ausschnitten zu versehen, wäre die gestellte Aufgabe nicht gelöst, da wegen des radial nach außen versetzten Sicherungsrings es kaum möglich wäre, die Laschen durch die Ausschnitte hindurch zu erzeugen.
7.4. Bei dem Behälterverschluß nach Dokument D2, liegt zwar die Außenfläche des Sicherungsrings in Flucht mit der umgreifenden Wand, so daß das o. g. Merkmal a) verwirklicht ist. Der Sicherungsring ist jedoch nicht mit Sperrzungen oder Laschen versehen und die ebenflächige Deckelpartie weist keine Ausschnitte auf. Dokument D2 ist somit für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht relevant, da es sich vorliegend, wie oben ausgeführt, um eine Kombinationserfindung handelt und es keine Rolle spielt, wenn das eine oder das andere Merkmal a) oder b) des Anspruchs für sich in einem anderen Zusammenhang vorbeschrieben ist, solange dem Fachmann keine Anregung zur Auffindung der beanspruchten Kombination gegeben wird.
7.5. Dokument D4 betrifft einen Behälterverschluß, der keinen abreißbaren Originalitätssicherungsring und keine Sperrzungen oder Laschen am Sicherungsring aufweist und somit grundsätzlich noch weiter vom Anmeldungsgegenstand entfernt ist als die zuvor diskutierten Dokumente D1 bis D3.
7.6. Aus den vorstehenden Gründen beruht der Gegenstand des Anspruchs auch auf einer erfinderischen Tätigkeit (Art. 56 EPÜ). Er ist daher patentfähig (Art. 52 (1) EPÜ).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Auflage, ein Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
- (einziger) Anspruch: eingereicht am 25. Januar 1991 mit den vereinbarten Änderungen ngen
- Beschreibung: Seiten 1, 2, 2a, eingereicht am 20. Juli 1990, mit Änderungen auf den Seiten 1 und 2a Seite 2b, eingereicht am 25. Januar 1991, ebenfalls mit Änderungen Seiten 3 (ab Absatz 2) und 4 wie angemeldet
- Zeichnung: wie angemeldet