T 0873/93 (Zeolith-Suspension / DEGUSSA) 17-09-1997
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Stabilisierte, wässrige Zeolith-Suspension
Erfinderische Tätigkeit (ja) - nicht naheliegende Lösung der Aufgabe
Inventive step - yes - problem-solution
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent 0 154 291 widerrufen wurde, Beschwerde eingereicht.
II. Anspruch 1 des erteilten Patents lautete:
"Stabilisierte, wäßrige Zeolith-Suspensionen, bestehend aus großtechnisch hergestelltem Zeolith insbesondere vom A-Typ, Wasser und einer organischen, makromolekularen, Carboxyl- und/oder Hydroxylgruppen aufweisenden Polymerverbindung mit einem Molekulargewichtsbereich von oberhalb 1500 als Stabilisator, dadurch gekennzeichnet, daß sie als Stabilisator das Polysaccharid Xanthangummi enthalten."
III. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung war das Streitpatent wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit angegriffen worden.
Zur Begründung wurde u.a. auf die folgenden Dokumente verwiesen:
(3) FR-A-2 523 950,
(4) CA-A-0 727 071 und
(5) "Xanthan Gum", Firma Kelco (zweite Auflage).
IV. In der angefochtenen Entscheidung wird festgestellt, der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents sei zwar neu, beruhe aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Insbesondere wird ausgeführt, aus Dokument (3), das den nächstkommenden Stand der Technik beschreibe, seien bereits Suspensionen enthaltend Zeolith, Wasser und eine Carboxyl- und/oder Hydroxylgruppen aufweisende Polysaccharidverbindung als Stabilisator bekannt gewesen. Die Suspensionen nach Anspruch 1 des vorliegenden Patents unterschieden sich von jenen des Dokuments (3) daher nur durch ihren Gehalt an Xanthangummi. Die Verwendung von Xanthangummi als Stabilisator zur Herstellung von weiteren lagerstabilen und fließfähigen Zeolith-Suspensionen sei jedoch für den Fachmann naheliegend gewesen, weil die guten Eigenschaften von Xanthangummi als Suspendiermittel aus den Dokumenten (4) und (5) schon bekannt gewesen seien. Im übrigen führt die Einspruchsabteilung aus, daß kein überzeugender Beweis vorliege, demzufolge eine Vorveröffentlichung des Dokuments (5) anzunehmen sei.
V. Am 17. September 1997 hat eine mündliche Verhandlung vor der Kammer stattgefunden, bei der die ordnungsgemäß geladene Beschwerdeführerin - wie schriftlich angekündigt - nicht vertreten war.
VI. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren geltend gemacht, daß nach der Lehre des Dokuments (3) zur Stabilisierung einer Zeolith-Suspension zunächst vor Zugabe des Stabilisators ein spezifischer Säurezugabeschritt erforderlich sei. Es sei überraschend, daß bei der Verwendung von Xanthangummi als Stabilisator auf diese Säurezugabe verzichtet werden könne. Ferner hat sie ausgeführt, daß Dokument (4) nicht die Stabilisierung von Zeolith-Suspensionen beschreibe. Die stabilisierten Zeolith-Suspensionen des Anspruchs 1 des Streitpatents seien daher im Hinblick auf die genannten Dokumente für den Fachmann nicht naheliegend gewesen.
Die Beschwerdeführerin hat am 13. Dezember 1993 hilfsweise einen weiteren Anspruchssatz mit angepaßter Beschreibung eingereicht.
VII. Die Beschwerdegegnerin hat diesen Ausführungen widersprochen. Entsprechend der angefochtenen Entscheidung hat sie vorgebracht, der Ersatz der in Dokument (3) genannten Stabilisatoren durch Xanthangummi habe für den Fachmann nahegelegen, da die guten suspendierenden Eigenschaften von Xanthangummi unter anderem aus Dokument (4) bekannt gewesen seien. Zudem hat sie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, daß zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nach dem sogenannten Aufgabe-Lösungs-Ansatz von Dokument (5) und nicht von Dokument (3) ausgegangen werden solle. Dieses Dokument, das im Hinblick auf den im Einspruchsverfahren vorgelegten Beweis vorveröffentlichten Stand der Technik nach Artikel 52 (1) und (2) EPÜ darstelle und ausführlich die guten Eigenschaften von Xanthangummi als Stabilisator für u. a. Suspensionen keramischer Materialien beschreibe, die Zeolith-Suspensionen sehr ähnlich seien, habe dem Fachmann die Verwendung von Xanthangummi als Stabilisator für Zeolith-Suspensionen unmittelbar nahegelegt.
Auch die nach dem Hilfsantrag der Beschwerdeführerin beanspruchten Gegenstände beruhten nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
VIII. Die Beschwerdeführerin hat beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Streitpatent in der erteilten Form oder auf der Grundlage der am 13. Dezember 1993 hilfsweise eingereichten Ansprüche 1 und 2 (Hilfsantrag) aufrechtzuerhalten.
Die Beschwerdegegnerin hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
IX. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Hauptantrag
2. Neuheit
2.1. Die Kammer hat sich davon überzeugt, daß der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 in den entgegengehaltenen Druckschriften nicht beschrieben wird und daher neu ist. Da die Neuheit dieses Gegenstandes nicht bestritten wurde, erübrigen sich weitere Ausführungen hierzu.
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1. Das Streitpatent hat wäßrige Suspensionen von synthetisch hergestelltem Zeolith zum Gegenstand, die bei Raumtemperatur eine gute Lagerstabilität besitzen und im Bereich zwischen 50 und 80 C ausgezeichnete rheologische Eigenschaften aufweisen (vgl. Seite 2, Zeile 3 und Seite 3, Zeilen 38 bis 43). Stabile wäßrige Zeolith-Suspensionen werden auch nach Dokument (3) angestrebt (vgl. Seite 3, Zeilen 21 bis 24), nicht dagegen nach Dokument (5), in dem zwar Xanthangummi als nahezu idealer Suspensionsstabilisator beschrieben wird (vgl. Seite 5, linke Spalte, dritter Absatz), Zeolith-Suspensionen aber nicht erwähnt werden - wie auch die Beschwerdegegnerin eingeräumt hat.
3.2. Unter diesen Umständen ist die Kammer, unabhängig davon, ob Dokument (5) tatsächlich Stand der Technik ist, der Auffassung, daß Dokument (3) den nächstkommenden Stand der Technik offenbart. Dieses Dokument beschreibt nämlich stabilisierte Zeolith-Suspensionen, die Carboxymethylcellulose als einen bevorzugten Stabilisator enthalten. Zur Erzielung einer befriedigenden Stabilität müssen diese Suspensionen vor der Stabilisatorzugabe zwingend einer Säurebehandlung unterworfen werden, wobei bestimmte pH-Bereiche eingestellt werden müssen. Da sich der pH-Wert der Suspensionen infolge der chemischen Natur des Zeoliths nach der Säurezugabe noch verändert, muß er noch längere Zeit (z. B. 4 Stunden) beobachtet und ggf. auf den gewünschten Wert nachgestellt werden, bis ein stabiler Zustand erreicht wird (vgl. Seite 4, Zeilen 1 bis 18; Seite 5, Zeilen 3 bis 17; Seite 8, Zeilen 9 bis 38; Seite 14, Zeilen 9 bis 14; und Seite 15, Zeile 24, bis Seite 16, Zeile 6). Es scheint, daß eine durch die Säurebehandlung bewirkte Veränderung der Oberflächeneigenschaften des Zeoliths für die Stabilität der Zeolith-Suspensionen verantwortlich ist (vgl. Seite 8, Zeilen 25 bis 38). Die Zeolith-Suspensionen des Dokuments (3) besitzen ein gutes Calciumbindevermögen von wenigstens 100 mg/g (bezogen auf wasserfreien Zeolith), was für die bevorzugte Anwendung der Suspensionen in Waschmitteln wesentlich ist (vgl. Seite 1, Zeilen 10 bis 17 in Verbindung mit Seite 10, Zeilen 22 bis 29)
3.3. Die Beschwerdeführerin hat gegenüber diesem Stand der Technik geltend gemacht, daß die stabilisierten Zeolith-Suspensionen nach der beanspruchten Erfindung ohne die aufwendige Säurebehandlung erhältlich und dennoch auch bei erhöhter Temperatur stabil seien sowie nach Lagerung einwandfrei weiterverarbeitet werden könnten.
3.4. Somit ist die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe, im Hinblick auf Dokument (3), in der Bereitstellung von Zeolith-Suspensionen zu sehen, die ohne Säurebehandlung hergestellt werden können, eine gute Stabilität haben und nach Lagerung problemlos verarbeitbar sind (vgl. auch Seite 3, Zeilen 36 bis 52, des Streitpatents).
3.5. Zur Lösung dieser Aufgabe wird gemäß Anspruch 1 des Streitpatents vorgeschlagen, Xanthangummi als Stabilisator einzusetzen.
3.6. Ausweislich der Angaben in den Beispielen des Streitpatents, nach denen ein feuchter Zeolith-Filterkuchen verrührt und unmittelbar mit unterschiedlichen Mengen des Stabilisators versetzt wurde, zeigten die so erhaltenen Zeolith-Suspensionen auch bei erhöhter Temperatur eine gute Stabilität und Weiterverarbeitbarkeit (vgl. insbesondere Seite 4, Zeilen 35 bis 40, und Seite 5, Zeilen 1 bis 35). Daher wird die oben definierte Aufgabe nach Auffassung der Kammer durch die beanspruchten Zeolith-Suspensionen glaubhaft gelöst. Dies hat die Beschwerdegegnerin auch nicht bestritten.
3.7. Es ist nun zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen bot, die bestehende Aufgabe durch die Zeolith-Suspensionen gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 des Streitpatents zu lösen.
3.8. Wie oben ausgeführt, beschreibt Dokument (3) zwar stabilisierte Zeolith-Suspensionen, die eine Carboxyl- und Hydroxylgruppen aufweisende Polymerverbindung, bevorzugt Carboxymethylcellulose, als Stabilisator enthalten, es enthält aber keinerlei Hinweise auf den Einsatz des Xanthangummis als Stabilisator. Die in Dokument (3) enthaltene Lehre allein bietet dem Fachmann daher keine Anregung zur Lösung der oben definierten Aufgabe.
3.9. Dokument (4) beschreibt stabilisierte, wäßrige Suspensionen, die als Stabilisator Xanthangummi (in Dokument (4) als "Xanthomonas hydrophilic colloid" bezeichnet) enthalten, das von Xanthomonas campestris Bakterien produziert wurde (vgl. Seite 3, letzter Absatz, und Seite 4, Zeilen 6 bis 19). Als Beispiele werden diesen Stabilisator enthaltende Suspensionen von Ton, Pigmenten und keramischen Fritten genannt (vgl. Seite 2, Zeilen 17 bis 24, und die Beispiele); Suspensionen von Zeolithen werden nicht erwähnt. Eine Anregung, zur Lösung der oben definierten Aufgabe Xanthangummi zur Stabilisierung von Zeolith-Suspensionen zu verwenden, konnte der Fachmann diesem Dokument daher nicht entnehmen.
3.10. Obwohl die Beschwerdegegnerin die Zweifel nicht ausgeräumt hat, ob Dokument (5) tatsächlich vorveröffentlicht ist, geht die Kammer zugunsten der Beschwerdegegnerin davon aus, daß diese Druckschrift zum Stand der Technik gehört.
Wie Dokument (4) beschreibt Dokument (5) die Verwendung von Xanthangummi, das von Xanthomonas campestris Bakterien produziert wurde, zur Stabilisierung von vielerlei Suspensionen wie Suspensionen von Pigmenten und keramischen Fritten (vgl. Seiten 2 und 3; Seiten 5 und 6 unter "Suspensions"; und Seite 20, Tabelle 5). Außerdem wird in diesem Dokument betont, daß Xanthangummi gegenüber den meisten weiteren Komponenten der Suspensionen inert und die Viskosität der mit Xanthangummi stabilisierten Suspensionen nahezu unabhängig von Temperatur und pH-Wert sei (vgl. Seite 5, dritter Absatz). Da sich auch in dieser Entgegenhaltung kein Hinweis auf Zeolith-Suspensionen findet, konnte sie dem Fachmann ebenfalls keine Anregung geben, stabile Zeolith-Suspensionen bereitzustellen, die ohne Säurebehandlung erhalten werden können.
3.11. Die Beschwerdegegnerin hat darauf hingewiesen, daß in den Dokumenten (4) und (5) Xanthangummi als Stabilisator anorganischer Suspensionen empfohlen wird und hat betont, daß diese Suspensionen den Zeolith-Suspensionen sehr ähnlich seien. Der Einsatz von Xanthangummi zur Stabilisierung von Zeolith-Suspensionen sei daher naheliegend gewesen.
In diesem Zusammenhang weist die Kammer darauf hin, daß nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern eine Erfindung nicht schon dann naheliegend ist, wenn ein Fachmann aufgrund des Standes der Technik zur Lehre der Erfindung hätte kommen können, sondern nur, wenn er sie aufgrund eines hinlänglichen Anlasses in Erwartung der Lösung der vorliegenden Aufgabe auch tatsächlich vorgeschlagen hätte (vgl. z. B. T 02/83, Nr. 7 der Entscheidungsgründe, ABl. EPA 1984, 265; T 90/84 vom 2. April 1985, Nr. 9 der Entscheidungsgründe; und T 256/84 vom 11. September 1986, Nr. 12 der Entscheidungsgründe). Wie aus dem Obenstehenden hervorgeht, fehlt im vorliegenden Fall ein solcher Anlaß. Außerdem fehlen in den Dokumenten (4) und (5) Angaben, aus denen der Fachmann hätte entnehmen können, daß Xanthangummi keinen negativen Einfluß auf die wesentlichen Eigenschaften des Zeoliths, insbesondere sein Calciumbindevermögen, hat.
3.12. Die Kammer kommt daher zu dem Ergebnis, daß der Gegenstand nach Anspruch 1 des Streitpatents dem Fachmann durch den Stand der Technik nicht nahegelegt wurde.
3.13. Zu keinem anderen Ergebnis gelangt man, wenn man der Anregung der Beschwerdegegnerin folgen und die erfinderische Tätigkeit von Dokument (5) ausgehend beurteilen wollte, wie im folgenden verkürzt dargestellt wird.
Gegenüber Dokument (5) bestünde die nach dem Streitpatent (unbestritten) gelöste technische Aufgabe darin, Zeolith-Suspensionen bereitzustellen, die eine gute Stabilität haben und nach Lagerung problemlos verarbeitbar sind, und in denen die wesentlichen Eigenschaften des Zeoliths, wie das Calciumbindevermögen, vom Stabilisator nicht nachteilig beeinflußt werden.
Wie oben dargelegt, beschreibt Dokument (5) die Stabilisierung verschiedener Suspensionen mit Hilfe von Xanthangummi. Jedoch enthält dieses Dokument keinerlei Hinweise, daß Xanthangummi keinen negativen Einfluß auf die Eigenschaften von Zeolithen wie ihre Calciumbindevermögen hätte.
Hätte der Fachmann aber dennoch in Erwägung gezogen, sich der bekannten, guten Stabilisierungseigenschaften des Xanthangummis auch für eine Stabilisierung von Zeolith-Suspensionen zu bedienen, so hätte er aus Dokument (3) erfahren, daß er in diesem speziellen Fall nur für einen säurebehandelten Zeolith auf eine befriedigende Stabilität hoffen konnte.
3.14. Die Kammer kommt daher zu dem Schluß, daß dem Fachmann der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents durch keines der Dokumente (3), (4) oder (5), weder einzeln noch in Kombination, nahegelegt wurde; er beruht daher auf erfinderische Tätigkeit.
3.15. Die abhängigen Patentansprüchen 2 und 3 betreffen besondere Ausgestaltungen der stabilisierten Suspensionen nach Anspruch 1. Sie werden ebenso von dessen Patentfähigkeit getragen wie Anspruch 4, der die Verwendung der Suspensionen nach Ansprüchen 1 bis 3 zur Herstellung von phosphatarmen und phosphatfreien, pulverförmigen Wasch- und Reinigungsmitteln betrifft.
Hilfsantrag
4. Da dem Hauptantrag der Beschwerdeführerin stattgegeben wurde, ist es nicht erforderlich, auf ihren Hilfsantrag einzugehen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird in erteilter Form aufrechterhalten.