T 0390/95 (Trennmittel/CHEM-TREND) 15-03-2000
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Trennmittel und dessen Verwendung
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 0 272 629 in geändertem Umfang aufrechterhalten wurde, Beschwerde eingelegt.
Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a) EPÜ, insbesondere wegen fehlender Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit, angegriffen worden.
II. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, daß die in Artikel 100 a) EPÜ genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in geändertem Umfang auf der Grundlage der am 8. Februar 1995 als Hilfsantrag eingereichten Patentansprüche 1 bis 7 nicht entgegenstünden.
Sie hat in ihrer Entscheidung lediglich das von der Patentinhaberin als offenkundig vorbenutzt anerkannte Handelsprodukt Acmosil 94A2 berücksichtigt.
III. Am 15. März 2000 hat eine mündliche Verhandlung vor der Kammer stattgefunden.
IV. Die zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung maßgebende Fassung des Hauptantrags enthält sieben Ansprüche, deren Anspruch 1 wie folgt lautet:
"Wässriges, von organischen Lösungsmitteln freies Trennmittel, das als trennwirksame Substanzen Öl und/oder Wachs emulgiert in Wasser als Lösungsmittel enthält, dadurch gekennzeichnet, dass es als weitere trennwirksame Substanz ein oder mehrere aliphatische primäre, sekundäre und/oder tertiäre Amine mit mindestens einem C12-C24 Alkylrest, wobei bei den sekundären und tertiären Aminen die weiteren Alkylreste C1-C24 Alkylreste sein können, und als Emulgator für das oder die Amine ein oder mehrere Ammoniumsalze mit der Formel [NR1R2R3R4]+X- enthält, wobei R1, R2, R3 und R4 unabhängig voneinander Wasserstoff oder C1-C24 Alkylreste mit der Maßgabe bedeuten, dass mindestens einer der Reste R1, R2, R3 und R4 ein C1-C24 Alkylrest ist, und X- ein Anion bedeutet."
Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß einem zusätzlichen Hilfsantrag unterscheidet sich von jenem des Hauptantrags lediglich dadurch, daß er die Verwendung des im Anspruch 1 des Hauptantrags definierten Trennmittels in Verfahren zur Herstellung von Gegenständen aus Polyurethanschaum betrifft.
V. Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, daß aus den Druckschriften
(18) Technische Information TI/P 2991 d vom November 1986 über OA-Wachs BASF der Firma BASF, und
(19) Technische Information über Wachse und Rohstoffe zur Herstellung von Trennmitteln vom Juni 1981 der Firma Hoechst,
sowie aus der in der Beschreibung des Streitpatents genannten Druckschrift
(21) EP-A-0 164 501
Trennmittel, die ausschließlich Wasser als Lösungsmittel enthielten, bekannt gewesen seien.
Außerdem entspreche das als offenkundig vorbenutzt anerkannte Handelsprodukt Acmosil 94A2 dem im vorliegenden Patent beanspruchten Trennmittel, außer daß es eine geringe Menge organischer Lösungsmittel enthalte. Diese Lösungsmittel hätten jedoch keinerlei Einfluß auf die Trennmitteleigenschaften und seien lediglich als Frostschutzmittel verwendet worden. Als Beweis dafür hat sie am 19. April 1996 eine "Eidestattliche Versicherung" von Herrn Peter Niemeyer und am 27. März 1997 einen Untersuchungsbericht des Chem.-Techn. Laboratoriums Dr. C. Lüllmann eingereicht.
Es sei daher für den Fachmann, der die Verwendung von organischen Lösungsmitteln vermeiden wollte, naheliegend gewesen, die organischen Lösungsmittel aus dem Produkt Acmosil 94A2 zu entfernen.
Außerdem hat die Beschwerdeführerin, ausgehend von der Druckschrift (21) als nächstem Stand der Technik, ausgeführt, daß das beanspruchte Trennmittel im Hinblick auf die Zusammensetzung des Produktes Acmosil 94A2 und die
(2) Broschüre der Firma Hoechst vom Januar 1980 mit dem Titel "Fettamine und Folgeprodukte" und deren Beilage, welche eine Beschreibung des Produktes Genamin-18-R-100-D enthält,
aus der es bekannt gewesen sei, daß Wasser von Fettaminen unter Bildung von Hydraten gebunden werde und daß das Ammoniumsalz aus primärem Octadecylamin (Genamin-18-R-100-D) und Essigsäure als Emulgator für Wachse eingesetzt werden könne, für den Fachmann naheliegend gewesen sei, weil die in der Druckschrift (21) offenbarten wäßrigen Trennmittel ein Fettamin als Maskierungshilfsmittel oder als trennwirksame Substanz und ein Ammoniumsalz der im Anspruch 1 des Streitpatents definierten Art als Emulgator enthalten könnten. Dabei hat sie betont, daß der Fachmann, ausgehend von Dokument (21), zur Lösung der dem vorliegenden Patent zugrundeliegenden Aufgabe, ein weiteres wäßriges, von organischen Lösungsmitteln freies Trennmittel bereitzustellen, ohne weiteres das Handelsprodukt Acmosil 94A2 in Betracht gezogen hätte, weil dieses Produkt zu 82 Gew.-% aus Wasser bestehe.
Im übrigen hat die Beschwerdeführerin noch darauf hingewiesen, daß der von der Einspruchsabteilung als gewährbar erachtete Anspruch 1, der das Merkmal "lösungsmittelfrei" aufweise, wegen der Anwesenheit von Wasser als Lösungsmittel in sich widersprüchlich sei.
VI. Die Beschwerdegegnerin hat zwar eingeräumt, daß das Handelsprodukt Acmosil 94A2 sowohl ein Amin als auch ein Ammoniumsalz gemäß Anspruch 1 des Streitpatents enthalte, den weiteren Ausführungen der Beschwerdeführerin bezüglich dieses Produktes hat sie indessen widersprochen.
Sie hat dabei insbesondere geltend gemacht, daß der Fachmann ohne Zweifel annehmen würde, daß das in diesem Produkt vorhandene Lösungsmittelgemisch aus 4,5 Gew.-% Butanol-2 und 3,0 Gew.-% Shellsol A (ein aromatisches Kohlenwasserstoffgemisch im C9-C10-Bereich) für die erwünschten Trenneigenschaften notwendig sei, z. B. zur Verringerung der Viskosität, zur Verkürzung der Ablüftungszeit und/oder als Lösungsmittel, letztere insbesondere für die hochmolekularen Reaktionsprodukte von Pripol-1022 (ein Gemisch aus einer dimeren C34-Fettsäure und einer trimeren C51-Fettsäure) und Genamin-18-R-100-D (primäres Octadecylamin). In diesem Zusammenhang hat sie, gestützt auf einen mit Schreiben vom 15. Februar 2000 eingereichten Versuchsbericht, vorgebracht, daß das Handelsprodukt Acmosil 94A2 ohne die organischen Lösungsmittel aufgrund seiner hohen Viskosität und der langen Trocknungszeit für die praktische Anwendung für eine industrielle Produktion ungeeignet sei. Außerdem hat sie bezüglich der Bildung der hochmolekularen Reaktionsprodukte und ihrer Löslichkeit in organischen Lösungsmitteln auf die Druckschrift (2) und die Druckschriften
(1) Rezeptur des Produktes Acmosil 94A2 (neue Bezeichnung: Acmos-37-5045),
(7) Herstellungsvorschrift für Acmosil 94A2 mit Datum vom 2. April 1980, und
(9a) Technische Information bezüglich Pripol 1017/Pripol 1022 der Firma Unichema International vom Mai 1986,
hingewiesen. Eine Verwendung des Lösungsmittelgemisches als Frostschutzmittel käme eindeutig nicht in Betracht, weil Shellsol A keinerlei Frostschutzwirkung habe und die Menge Butanol-2 für diesen Zweck viel zu niedrig sei.
Hinsichtlich der Druckschriften (18) und (19) hat sie eingeräumt, daß darin tatsächlich Trennmittel auf wäßriger Basis beschrieben seien. Die beiden Druckschriften gäben jedoch keinerlei Hinweise auf die Möglichkeit, zur Herstellung von Polyurethanschaumkörper kationische Emulgatoren enthaltende wäßrige Trennmittel, geschweige denn die im vorliegenden Patent beanspruchten Trennmittel, zu verwenden.
Bezüglich der Druckschrift (21) hat sie vorgebracht, daß die darin beschriebene Lösung der Aufgabe, ein Trennmittel bereitzustellen, das frei von organischen Lösungsmitteln sei, nichts mit der Lösung des Streitpatents gemein habe. Diese Druckschrift (21) gebe dem Fachmann nämlich keinerlei Hinweise auf die Verwendung eines Amins als eine weitere trennmittelwirksame Substanz und auf die Verwendung eines kationisches Emulgatorsystems.
Sie ist daher der Auffassung, daß das lösungsmittelfreie Trennmittel nach Anspruch 1 des Streitpatents in bezug auf den genannten Stand der Technik aufgrund der beanspruchten Kombination eines Fettamins und eines spezifischen kationischen Emulgators für den Fachmann nicht naheliegend gewesen sei.
VII. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt, die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents als Hauptantrag gemäß des am 15. Februar 2000 eingereichten 1. Hilfsantrags und als Hilfsantrag gemäß des am 15. Februar 2000 eingereichten 2. Hilfsantrags.
VIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag
2.1. Gegen die gegenüber der Fassung der Ansprüche des Streitpatents eingeschränkten Patentansprüche 1 bis 7 dieses Antrags bestehen keine Bedenken im Hinblick auf Artikel 123 (2) und (3) EPÜ.
Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich vom Anspruch 1 der ursprünglich eingereichten Patentanmeldung sowie vom Anspruch 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung lediglich durch die Angabe, daß das beanspruchte Trennmittel frei von organischen Lösungsmitteln ist. Dieses eingeführte Merkmal findet seine Stütze sowohl in der ursprünglich eingereichten Anmeldung als im erteilten Patent, weil Anspruch 1 in der ursprünglichen Fassung und Anspruch 1 in der erteilten Fassung lediglich Wasser als Lösungsmittel offenbaren. Außerdem gibt die Beschreibung der ursprünglich eingereichten Anmeldung und die des Streitpatents dem Fachmann keinerlei Anlaß, die betreffenden Ansprüche so zu interpretieren, daß das erfindungsgemäße Trennmittel ein organisches Lösungsmittel enthält oder enthalten könnte. Dies wird dadurch bestätigt, daß der Fachmann aus der Beschreibung der ursprünglich eingereichten Anmeldung und aus der des Streitpatents entnimmt, daß organische Lösungsmittel aus Umweltschutzgesichtspunkten zu vermeiden seien (siehe ursprünglich eingereichte Anmeldung, Seite 3, letzter Absatz bis Seite 4, zweiter Absatz; Streitpatentschrift, Seite 2, dritter und vierter Absatz) und daß die erfindungsgemäßen wäßrigen Trennmittel von der aus Druckschrift (21) bekannten Art seien, d. h. Trennmittel auf der Basis eines ausschließlich aus Wasser bestehenden Lösungsmittelsystems wie dort auf Seite 5, Zeile 33 bis Seite 6, Zeile 5 angegeben.
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 7 entsprechen den Ansprüchen 2 bis 7 des Streitpatents und finden ihre Stütze in den Ansprüchen 2 bis 7 der ursprünglichen Patentanmeldung.
Außerdem bewirkt das eingeführte Merkmal keine Erweiterung des Schutzumfangs der Ansprüche des Patents in der erteilten Fassung.
2.2. Die Kammer hat sich davon überzeugt, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber dem als offenkundig vorbenutzt anerkannten Handelsprodukt Acmosil 94A2 und den entgegengehaltenen Druckschriften neu ist. Da die Neuheit des Patentgegenstandes im Beschwerdeverfahren nicht mehr bestritten wurde, erübrigen sich weitere Ausführungen hierzu.
2.3. Es verbleibt daher zu prüfen, ob der abgeänderte Patentgegenstand auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
2.3.1. Im Hinblick auf das von den Verfahrensparteien betonte Ziel der beanspruchten Erfindung, nämlich die Bereitstellung eines Trennmittels auf der Basis eines ausschließlich aus Wasser bestehenden Lösungsmittels, das sich für die Herstellung von Gegenständen aus Polyurethanschaum in Formen eignet, betrachtet die Kammer die Druckschrift (21) als den nächstkommenden Stand der Technik.
Diese Druckschrift beschreibt wäßrige Trennmittel zur Herstellung von Gegenständen aus Polyurethanschäumen in Formen, die frei von organischen Lösungsmittel sind, so daß eine Umweltbelastung mit organischen Lösungsmitteldämpfen völlig vermieden wird (siehe Seite 5, Zeile 33 bis Seite 6, Zeile 5).
2.3.2. In diesem Zusammenhang weist die Kammer darauf hin, daß das unstreitig offenkundig vorbenutzte Handelsprodukt ACMOSIL 94A2, dessen Rezeptur in der Druckschrift (1) beschrieben ist, von den Verfahrensparteien unbestritten, neben Wasser noch wesentliche Anteile an organischen Lösungsmitteln, nämlich 3,0 Gew.-% eines aromatischen Kohlenwasserstoffgemisches im C9-C10-Bereich (Shellsol A) und 4,5 bis 8,5 Gew.-% Butanol-2 (GR 141), enthält. Es gehört daher zu einer Klasse von Trennmitteln deren organische Lösungsmittel weitgehend durch Wasser ersetzt worden sind. Diese Klasse von Trennmitteln wird als Stand der Technik in der Druckschrift (21) angegeben (siehe Seite 4, Zeilen 14. bis 24, und Seite 5, zweiter Absatz). Nach Auffassung der Kammer scheidet dieses Handelsprodukt ACMOSIL 94A2 daher als nächstkommender Stand der Technik eindeutig aus.
2.3.3. Die Beschwerdegegnerin hat gegenüber der Druckschrift (21) als nächstkommendem Stand der Technik geltend gemacht, daß die streitpatentgemäßen Trennmittel optimale Allgemeineigenschaften hätten, gleichzeitig aber eingeräumt, daß keine Verbesserung gegenüber den aus der Druckschrift (21) bekannten Produkten belegt worden sei.
2.3.4. Die Kammer sieht daher gegenüber dem in der Druckschrift (21) beschriebenen Trennmittel als nächstkommenden Stand der Technik die streitpatentgemäße Aufgabe darin, ein weiteres Trennmittel, das für die Herstellung von Gegenständen aus Polyurethanschäumen in Formen geeignet und frei von organischen Lösungsmitteln ist, mit etwa gleichwertigen Allgemeineigenschaften, insbesondere hinsichtlich des Entformbarkeitsvermögens und der Oberflächenbeschaffenheit der Schaumgegenstände, bereitzustellen (siehe auch Seite 2, Zeilen 40 bis 44, Seite 3, Zeilen 41 und 42 und Seite 4, Zeilen 2 bis 7 der Streitpatentschrift).
2.3.5. Zur Lösung dieser Aufgabe wird das im Anspruch 1 des Streitpatents beanspruchte Trennmittel mit den angegebenen Kombination von Merkmalen vorgeschlagen (siehe Punkt IV oben). Diese beinhalten im wesentlichen den Einsatz von wenigstens einem näher gekennzeichneten Amin als eine weitere trennwirksame Substanz und von wenigstens einem näher gekennzeichneten Ammoniumsalz als kationischem Emulgator (siehe auch Seite 3, Zeilen 38 bis 40 der Streitpatentschrift).
2.3.6. Ausweislich der Beispiele 2 bis 4 des Streitpatents und dem am 8. Februar 1995 nachgereichten Beispiel 5 wird diese Aufgabe auch glaubhaft gelöst. Die Beschwerdeführerin hat nicht bestritten, daß die bestehende Aufgabe aufgrund der vorgelegten Versuchsergebnisse als gelöst zu betrachten ist.
2.3.7. Es ist nun zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem vor der oben definierten Aufgabe stehenden Fachmann Anregungen bot, diese durch ein Trennmittel gemäß Anspruch 1 des Streitpatents zu lösen.
2.3.8. Die Druckschrift (21) offenbart - wie oben angegeben - wäßrige Trennmittel, die für die Herstellung von Gegenständen aus Polyurethanschäumen in Formen geeignet und frei von organischen Lösungsmittel sind, so daß eine Umweltbelastung mit organischen Lösungsmitteldämpfen völlig vermieden wird. Es handelt sich bei diesen Trennmitteln um Emulsionen oder Dispersionen aus an sich bekannten trennwirksamen Substanzen und gegebenenfalls üblichen Zusätzen mit einem Wassergehalt von mindestens 60 Gew.-%, vorzugsweise 85 bis 96 Gew.-%, wobei das Wasser durch den Effekt der lyotropen Mesomorphie maskiert ist (siehe Seite 6, zweiter Absatz). Diese Maskierung der Wassermoleküle vermeidet einen störenden Eingriff in die Polyol-Isocyanat-Reaktion und erfolgt vorzugsweise durch die kombinierte Verwendung von trennwirksamen Substanzen und geeigneten Maskierungshilfsmitteln (siehe Seite 6, letzter Absatz bis Seite 7, erster Absatz). Als geeignete Maskierungshilfsmittel werden insbesondere ethoxylierte Fettalkohole vorgeschlagen (siehe Seite 7, letzter Absatz bis Seite 8, erster Absatz). Diese Druckschrift gibt daher keinerlei Anregung, zur Lösung der hier bestehenden Aufgabe, ein wie im Anspruch 1 des Streitpatents definiertes wäßriges Trennmittel zu verwenden, das als weitere trennwirksame Substanz ein oder mehrere näher gekennzeichnete Amine und als kationischen Emulgator ein oder mehrere näher gekennzeichnete Ammoniumsalze enthält.
2.3.9. Das Handelsprodukt ACMOSIL 94A2 enthält im Hinblick auf die in Druckschrift (1) angegebenen Rezeptur und dem in Druckschrift (7) angegebenen Herstellungsverfahren, von den Verfahrensparteien unbestritten, die folgenden Bestandteile:
(a) ein Polyvinyletherwachs (Luwax V),
(b) primäres Octadecylamin (Genamin-18-R-100-D),
(c) Ammoniumsalz aus primärem Octadecylamin (Genamin-18-R-100-D) und Essigsäure,
(d) Ammoniumsalze aus primärem Octadecylamin (Genamin-18-R-100-D) und einem Gemisch aus einer dimeren C34-Fettsäure und einer trimeren C51-Fettsäure (Pripol 1022) und
(e) neben Wasser noch wesentliche Anteile eines organischen Lösungsmittelgemisches, nämlich 3,0 Gew.-% eines aromatischen Kohlenwasserstoffgemisches im C9-C10-Bereich (Shellsol A) und 4,5 bis 8,5 Gew.-% Butanol-2.
Dieses Handelsprodukt allein gibt daher aufgrund seines Gehaltes an organischen Lösungsmitteln dem Fachmann ebenfalls keinerlei Hinweise auf die streitpatentgemäße Lösung der bestehenden Aufgabe.
2.3.10. Im Hinblick auf diesen Stand der Technik hat die Beschwerdeführerin vorgebracht, daß es für den Fachmann naheliegend gewesen sei, zur Lösung der vorliegenden Aufgabe, die oben angegebenen Bestandteile (b) und (c) des o. g. Handelsproduktes ACMOSIL 94A2 als Maskierungshilfsmittel bzw. als Emulgator in ein Trennmittel gemäß Druckschrift (21) einzusetzen und somit zu einem Trennmittel gemäß Anspruch 1 des Streitpatents zu gelangen. In diesem Zusammenhang hat sie darauf hingewiesen, daß aus Druckschrift (2) bekannt gewesen sei, daß Wasser von Fettaminen unter Bildung von Hydraten gebunden werde und daß das Ammoniumsalz aus primärem Octadecylamin (Genamin-18-R-100-D) und Essigsäure als Emulgator für Wachse eingesetzt werden könne (siehe Seite 6, Zeilen 2 und 3; Seite 7, letzter Absatz; Seite 9, unter "Organische Salze"; Seiten 13 und 14, unter "Emulgatoren").
2.3.11. Druckschrift (21) lehrt jedoch, daß sich als geeignete Maskierungsmittel insbesondere Tenside mit einem HBL-Wert von 8 bis 15, vorzugsweise 10 bis 12, erwiesen haben und daß dabei nicht-ionische Tenside, wie ethoxylierte Fettalkohole und Fettalkoholpolyglykolether, besonders bevorzugt sind (siehe Seite 7, Zeile 16 bis Seite 8, Zeile 14; Patentansprüche 3 und 4). Sie gibt daher dem Fachmann, der vor der Aufgabe steht, ein weiteres gleichwertiges Trennmittel bereitzustellen, keinerlei Anlaß solche Maskierungsmittel ganz oder teilweise durch das im Handelsprodukt ACMOSIL 94A2 eingesetzte Octadecylamin zu ersetzen.
In diesem Zusammenhang weist die Kammer darauf hin, daß es in dem von der Beschwerdeführerin genannten Stand der Technik auch keinerlei Hinweise gibt, daß ein Fettamin als solches ein geeigneter Bestandteil der Trennmittel zur Herstellung von geformten Polyurethanprodukten vom Typ gemäß der Druckschrift (21) sein könne. Zwar hat die Beschwerdeführerin behauptet, daß das Fettamin Octadecylamin als eine zusätzliche trennwirksame Substanz im Handelsprodukt ACMOSIL 94A2 enthalten sei, doch nach Auffassung der Kammer läßt sich diese Funktion des Amins nicht aus der Zusammensetzung des Handelsprodukts entnehmen; andere Belege dafür sind ebenfalls nicht vorhanden. Die Anwesenheit von Octadecylamin im Handelsprodukt könnte sich im Lichte dessen Herstellungsvorschrift (siehe Druckschrift (7)) nämlich ohne weiteres aus der in situ Herstellung der Bestandteile (c) und (d) unter Anwendung eines Überschusses des Octadecylamins ergeben.
2.3.12. Außerdem lehrt die Druckschrift (21), daß man die trennwirksamen Substanzen zusammen mit den geeigneten Maskierungsmitteln gegebenenfalls in Kombination mit den von den Herstellern jeweils empfohlen Emulgatoren in die wäßrige Basis einarbeiten kann (siehe Seite 8, letzter Absatz). In diesem Zusammenhang lehrt sie insbesondere, daß als geeignete Emulgatoren im Handel erhältliche Fettalkoholpolyglykolether bzw. Mischungen von Fettalkoholpolyglykolethern sich gut bewährt haben (siehe Seite 13, letzter Absatz bis Seite 14, Zeile 1). Nach Auffassung der Kammer hat der Fachmann aufgrund dieser Lehre daher keinerlei Anlaß, an Stelle der ausdrücklich als geeignet genannten Emulgatoren das im Handelsprodukt ACMOSIL 94A2 verwendete Ammoniumsalz aus primärem Octadecylamin und Essigsäure als Emulgator einzusetzen. Dies gilt desto mehr, als das Handelsprodukt ACMOSIL 94A2 neben diesem Ammoniumsalz als Emulgator noch organische Lösungsmittel enthält. Der Fachmann würde daher nach Auffassung der Kammer vielmehr erwarten, daß mit dem betreffenden Ammoniumsalz als Emulgator allein, d. h. ohne die organischen Lösungsmittel, keine praktisch verwendbaren wäßrigen Trennmittel erhältlich sind.
2.3.13. Im Hinblick auf diese Ausführungen kommt die Kammer zu dem Ergebnis, daß auch die technische Lehre der Druckschrift (21) in Verbindung mit der Kenntnis der Zusammensetzung des Handelsproduktes ACMOSIL 94A2 dem Fachmann keinen Anlaß gibt, zur Lösung der vorliegenden Aufgabe ein im Anspruch 1 des Streitpatents definiertes Trennmittel bereitzustellen.
2.3.14. Zu dem gleichen Schluß ist die Kammer unter Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin genannten Druckschriften (18) und (19) gelangt.
Die Druckschrift (18) offenbart zwar ein oxidiertes Polyethylenwachs, das sich leicht mit anionischen, anionisch-nichtionischen, kationischen und nicht-ionischen Emulgatoren zu stabilen wäßrigen Emulsionen verarbeiten läßt (siehe Seiten 2, 3 und 4), die als geeignete kationische Emulgatoren Salze von ethoxylierten Fettaminen, wie Lutensol FA 12, und niederen Monocarbonsäuren, wie Essigsäure, enthalten können (siehe Seite 4, vorletzter Absatz und Seite 6, Formulierung Nr. 9). Diese Druckschrift enthält jedoch, wie von der Beschwerdeführerin eingeräumt, nicht den geringsten Hinweis darauf, daß eine dieser Emulsionen als Trennmittel bei der Herstellung von geformten Produkten aus Polyurethanschaum geeignet sein könnte. Außerdem fehlt in dieser Druckschrift jeglicher Hinweis auf die Verwendung eines Amins als trennwirksame Substanz.
Die Druckschrift (19) beschreibt ebenfalls Wachse für die Herstellung von u. a. Trennmitteln auf wäßriger Basis (siehe Seite 4, rechte Spalte, unter 2.2.2). Die spezifisch für die Polyurethan-Heißverschäumung gegebenen Trennmittelrezepte, nämlich die Rezepte T11, T12 und T13, enthalten jedoch, wie von der Beschwerdeführerin eingeräumt, keinen kationischen Wachsemulgator und kein Amin (siehe Seite 4, linke Spalte, dritter Absatz und linke Spalte, die Tabelle unter 2.2.2.1).
2.3.15. Die Beschwerdeführerin hat auch noch geltend gemacht, daß es für den Fachmann, der bei der Suche nach einer Lösung für die gestellte Aufgabe die Verwendung von organischen Lösungsmitteln vermeiden möchte, im Lichte der Druckschriften (18) und (19) naheliegend gewesen sei, das Handelsprodukt Acmosil 94A2 durch Weglassen der darin enthaltenden organischen Lösungsmittel (siehe oben, Punkt 2.3.9) zu modifizieren.
2.3.16. Nach Auffassung der Kammer hätte der Fachmann jedoch keinerlei Grund anzunehmen, daß die im Handelsprodukt enthaltenden organischen Lösungsmittel (siehe oben, unter 2.3.2 und 2.3.9) keine anwendungstechnisch relevanten Bestandteile des Produktes sein könnten. Aus der Tatsache, daß aus den Druckschriften (21), (18) und (19) Trennmittel auf wäßriger Basis an sich bekannt sind, kann nicht ohne weiteres geschlossen werden, daß man die im Handelsprodukt vorhandenen organischen Lösungsmittel einfach weglassen könnte. Stattdessen würde der Fachmann - wie von der Beschwerdegegnerin glaubhaft vorgebracht - aufgrund der Zusammensetzung des Produktes erwarten, daß die obengenannten im Handelsprodukt vorhandenen organischen Lösungsmittel für die erwünschten Trenneigenschaften, wie zur Verringerung der Viskosität, zur Verkürzung der Ablüftungszeit und/oder als Lösungsmittel, insbesondere für die hochmolekularen Reaktionsprodukte von Pripol-1022 (Gemisch aus einer dimeren C34-Fettsäure und einer trimeren C51-Fettsäure) und Genamin-18-R-100-D (primäres Octadecylamin), notwendig sind. Diese Auffassung der Kammer wird faktisch bestätigt durch die Druckschrift (21), in der, in bezug auf Probleme hinsichtlich der Oberflächenbeschaffenheit der Schaumgegenstände und des Abdunstverhaltens wäßriger Trennmittelsysteme, die Anwesenheit von wesentlichen Anteilen an organischen Lösungsmitteln als erforderlich angegeben wird (siehe Seite 4, Zeile 14 bis Seite 5, Zeile 23).
2.3.17. Im Zusammenhang mit den oben gemachten Ausführungen weist die Kammer schließlich noch darauf hin, daß nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern eine Erfindung nicht schon dann naheliegend ist, wenn ein Fachmann aufgrund des Standes der Technik zur Lehre der Erfindung hätte kommen können, sondern nur, wenn er sie aufgrund eines hinlänglichen Anlasses in Erwartung der Lösung der vorliegenden Aufgabe auch tatsächlich vorgeschlagen hätte (vgl. z. B. T 02/83, Nr. 7 der Entscheidungsgründe, ABl. EPA 1984, 265; T 90/84 vom 02.04.1985, Nr. 9 der Entscheidungsgründe; und T 256/84 vom 11.09.1986, Nr. 12 der Entscheidungsgründe). Wie aus dem Obenstehenden hervorgeht, fehlt im vorliegenden Fall ein solcher Anlaß.
2.3.18. Die Kammer kommt nach alledem zu dem Ergebnis, daß der Gegenstand nach Anspruch 1 des Hauptantrags auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Die unabhängigen Ansprüche 2 bis 7 betreffen besondere Ausgestaltungen des Gegenstandes nach Anspruch 1 und werden von dessen Patentfähigkeit getragen.
3. Hilfsantrag
3.1. Nachdem der Aufrechterhaltung des Patents im Umfang des Hauptantrags Einspruchsgründe nicht entgegenstehen, erübrigt es sich, auf den Hilfsantrag einzugehen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
Ansprüche: 1 bis 7 des am 15. Februar 2000 eingereichten 1. Hilfsantrags (jetzt Hauptantrag).
Beschreibung: Seite 2, wie bei der mündlichen Verhandlung am 15. März 2000 eingereicht, und Seiten 3 und 4, wie erteilt.