T 0994/03 13-10-2005
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Verfahren zum Kühlen eines mehrstufigen Schraubenspindelverdichters
Hauptantrag - Neuheit (nein)
Erster Hilfsantrag - zusätzlicher unabhängiger Anspruch - nützlich und nötig um Einspruchsgrund auszuräumen (nein)
Zweiter Hilfsantrag - Neuheit und erfinderische Tätigkeit (ja)
Sachverhalt und Anträge
I. In ihrer Zwischenentscheidung vom 21. Juli 2003 hat die Einspruchsabteilung den Hauptantrag der Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) zurückgewiesen. Die Beschwerdeführerin hat am 19. September 2003 gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung Beschwerde eingelegt, gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet und am 18. November 2003 die Beschwerde schriftlich begründet.
II. Der Einspruch wurde auf die Einspruchsgründe nach Artikel 100 a) EPÜ gestützt. Die Einspruchsabteilung befand, dass dem Gegenstand des Anspruchs 1 wie erteilt die Neuheit in Anbetracht der E1 abzuerkennen war.
III. Folgende Druckschriften haben während des Verfahrens eine Rolle gespielt:
E1: EP-A-0 585 911
E2: EP-A-0 290 662
IV. Die unabhängigen Ansprüche wie erteilt lauten wie folgt:
"1. Mehrstufiger Schraubenspindelverdichter, dessen Verdrängerrotoren (8) druckseitig fliegend gelagert sind an einem die Rotorwelle (20) und wenigstens ein rotorseitiges Lager (22) einschließenden, jeweils in den Rotor (8) hineinragenden, stationären Lagerrohr (23), dadurch gekennzeichnet, dass die Rotoren (8) druckseitig stärker als saugseitig gekühlt werden, indem der jeweils in einen Rotor hineinragende Teil des Lagerrohrs (23) gekühlt ist und die einander gegenüberstehenden Umfangsflächen des Rotors (8) und des Lagerrohrs (23) wärmeaustauschfähig zueinander angeordnet sind."
"14. Verfahren zum Reinigen eines Verdichters nach einem der Ansprüche 1 bis 13, dadurch gekennzeichnet, dass Waschflüssigkeit in den Schöpfraum gegeben und die Rotoren drehmomentabhängig angetrieben werden."
Die unabhängigen Ansprüche gemäß dem ersten Hilfsantrag lauten wie folgt:
"1. Mehrstufiger Schraubenspindelverdichter, dessen Verdrängerrotoren (8) druckseitig fliegend gelagert sind an einem die Rotorwelle (20) und wenigstens ein rotorseitiges Lager (22) einschließenden, jeweils in den Rotor (8) hineinragenden, stationären Lagerrohr (23), dadurch gekennzeichnet, dass die Rotoren (8) druckseitig stärker als saugseitig gekühlt werden, indem der jeweils in einen Rotor hineinragende Teil des Lagerrohrs (23) mittels von Kühlflüssigkeit durchströmter Kanäle (25) gekühlt ist und die einander gegenüberstehenden Umfangsflächen des Rotors (8) und des Lagerrohrs (23) wärmeaustauschfähig zueinander angeordnet sind."
"14. Verfahren zum Kühlen eines mehrstufigen Schraubenspindelverdichters, dessen Verdrängerrotoren (8) druckseitig fliegend gelagert sind an einem die Rotorwelle (20) und wenigstens ein rotorseitiges Lager (22) einschließenden, jeweils in den Rotor (8) hineinragenden, stationären Lagerrohr (23), dadurch gekennzeichnet, dass die Rotoren (8) druckseitig stärker als saugseitig gekühlt werden, indem der jeweils in einen Rotor hineinragende Teil des Lagerrohrs (23) durch hindurchströmende Kühlflüssigkeit gekühlt wird, und dass die einander gegenüberstehenden Umfangsflächen des Rotors (8) und des Lagerrohrs (23) wärmeaustauschfähig zueinander angeordnet werden."
Die unabhängigen Ansprüche gemäß dem zweiten Hilfsantrag entsprechen den Ansprüchen 1 bis 13 gemäß dem ersten Hilfsantrag unter Verzicht auf Anspruch 14.
V. Am 13. Oktober 2005 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt (Hauptantrag), hilfsweise auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 14 gemäß Hilfsantrag I, eingereicht mit Schreiben vom 17. November 2003, oder auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 13 des Hilfsantrags I unter Verzicht auf Anspruch 14 (Hilfsantrag II).
Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen Folgendes vorgetragen: Die Neuheit des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag sei anzuerkennen, da in der E1 die Problematik der Kühlung nicht angesprochen werde. Im Gegenteil, in der E1 sei angegeben, dass eine Kühlung nicht erforderlich sei. Die dort vorgesehene Zuführung von Sperrgas führe nicht zwangsläufig zu einer Kühlung. Welche Temperatur dieses Gas bei der Einleitung hat, ist in der E1 nicht offenbart. Da dieses Gas in den Verdichter unter Druck eingeführt werde, sei nicht auszuschließen, dass bei der Kompression des Gases, dieses erwärmt werde.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) hat weder Anträge noch andere Eingaben zur Sache getätigt. Sie hat lediglich mit Schreiben vom 12. September 2005 der Kammer mitgeteilt, dass sie nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen werde. Gemäß Regel 71(2) EPÜ ist das Verfahren ohne sie fortgesetzt worden.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag - Neuheit:
2.1 Aus der Druckschrift E1, Figur 2, ist ein mehrstufiger Schraubenspindelverdichter bekannt, dessen Verdrängerrotoren (50a, 50b) druckseitig fliegend gelagert sind an einem die Rotorwelle (64a, 64b) und wenigstens ein rotorseitiges Lager (62a, 62b) einschließenden, jeweils in den Rotor (50a, 50b) hineinragenden, stationären Lagerrohr (60), wobei die Umfangsflächen des Rotors (50a, 50b) und des Lagerrohrs (60) einander gegenüberstehen und somit wärmeaustauschfähig zueinander angeordnet sind.
2.2 Wie aus der E1, Figur 2 und der Beschreibung, Spalte 13, Zeilen 11 bis 13 zu entnehmen ist, wird durch die Öffnung 65 ein Sperrgas (Stickstoff) eingelassen, welches zunächst durch den Kanal zwischen den Lagern 62a, 62b, 63a und 63b strömt, dann an den oberen Lagern 62a, 62b vorbei in die Zwischenräume zwischen den Außenflächen der Lagerrohre 60 und den Innenflächen der Rotoren 50a, 50b strömt und schließlich über den Kanal 55 jenseits des Ventils 56 in den Auslass 59 einströmt. Dieses Sperrgas soll verhindern, dass das durch die Rotoren geförderte Gas in die Lager oder den Motor eindringt.
2.3 Die Temperatur des Sperrgases beim Einlassen ist in der E1 nicht angegeben.
Es ist jedoch von den Parteien nicht bestritten worden, dass die Rotoren im Betrieb Temperaturen von 150°C bis 250°C erreichen. Auch wenn davon ausgegangen wird, dass die Temperatur im Lagerbereich geringer ist, würde die Temperatur des Sperrgases darunter liegen, falls keine Erwärmung des Sperrgases vor dem Einlass vorgenommen wird. Dass eine absichtliche Erwärmung des Sperrgases nur Nachteile mit sich bringen würde, ist für einen Fachmann offensichtlich und somit auch auszuschließen.
2.4 Somit führt die dort vorgesehene Zuführung von Sperrgas zwangsläufig zu einer Kühlwirkung, wobei der jeweils in einen Rotor hineinragende Teil des Lagerrohrs gekühlt wird, mit der Folge, dass konstruktionsbedingt die Rotoren druckseitig stärker als saugseitig gekühlt werden.
2.5 Die Beschwerdeführerin hat vorgebracht, dass in der E1 eine Kühlung ausdrücklich für nicht erforderlich gehalten werde. Dem ist so nicht zuzustimmen. In der E1 wird lediglich angegeben, dass die durch die komprimierten Gase generierte Wärme keine praktischen Probleme im Betrieb hervorruft. Eine Kühlung wird dadurch nicht ausgeschlossen.
Die Beschwerdeführerin hat auch argumentiert, dass ein Fachmann der E1 nicht entnehmen würde, dass das Sperrgas eine Kühlwirkung habe, weil es in der E1 auf die Kühlung nicht ankomme. Auch dem kann nicht gefolgt werden. Es kommt nämlich nicht darauf an, ob der Fachmann in der E1 darauf aufmerksam gemacht wird oder erkennt, dass eine Kühlung stattfindet, sondern darauf an, ob sie sich tatsächlich aus der Zufuhr von Sperrgas ergibt.
Die Beschwerdeführerin hat auch vorgebracht, dass das Sperrgas unter Druck stehe und durch die damit verbundene Kompression erwärmt werde. Es ist in der E2 aber nicht zu entnehmen, dass das Sperrgas direkt vor dem Einlass in den Verdichter komprimiert wird. Der E2 ist jedoch zu entnehmen, dass der Verdichter als Vakuumpumpe eingesetzt wird. Deshalb ist während des Betriebs des Verdichters nicht mit einem wesentlich über dem atmosphärischen Druck liegenden Auslassdruck, zu rechnen. Folglich besteht auch kein Bedarf den Sperrgasdruck wesentlich höher als den atmosphärischen Druck auszulegen. Daher kann eine Erwärmung des Sperrgases während seiner Kompressionsphase keinen wesentlichen Temperaturanstieg mit sich bringen.
2.6 Daher ist der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag im Hinblick auf diesen Stand der Technik nicht neu.
3. Erster Hilfsantrag:
3.1 Dieser Antrag enthält zusätzlich zu dem auf einen Verdichter gerichteten Anspruch 1, einen Verfahrensanspruch 14 zum Kühlen eines solchen Verdichters.
3.2 Die Beschwerdeführerin hat vorgebracht, dass dieser weitere unabhängige Anspruch wegen den im Anspruch 1 vorgenommenen Änderungen nötig sei, um einen angemessenen Schutz zu erreichen.
3.3 Änderungen der Unterlagen im Einspruchsverfahren können jedoch nur für nützlich und nötig im Sinne der Regel 57(a) EPÜ gehalten werden und folglich auch nur zulässig sein, wenn sie durch Einspruchsgründe nach Artikel 100 EPÜ veranlasst sind.
In diesem Zusammenhang wird auf die T 295/87, ABl. EPA 1990, 470, Abschnitt 3 und die T 223/97, Abschnitt 2, verwiesen.
3.4 Da im vorliegenden Fall der unabhängige Vorrichtungsanspruch 1 bereits geändert wurde, um den ihm entgegengehaltenen Einspruchgrund (fehlende Neuheit) auszuräumen, ist das Vorhandensein eines weiteren unabhängigen Verfahrensanspruchs weder nützlich noch nötig, um die Neuheit des Vorrichtungsanspruchs wieder herzustellen.
Die Einreichung dieses weiteren unabhängigen Anspruchs ist somit in Anbetracht der Regel 57(a) EPÜ nicht zulässig.
3.5 Deshalb ist dem ersten Hilfsantrag nicht stattzugeben.
4. Zweiter Hilfsantrag:
4.1 Änderungen:
Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags setzt sich aus den Merkmalen der Ansprüche 1 und 5 wie erteilt (und wie ursprünglich in der WO-A-97/01038 veröffentlicht) zusammen.
Diese Änderungen entsprechen daher den Erfordernissen des Artikels 123(2) und (3) EPÜ.
4.2 Neuheit:
Zusätzlich zu den bereits im Anspruch 1 gemäß Hauptantrag vorhandenen Merkmalen wird nun auch beansprucht, dass mittels von Kühlflüssigkeit durchströmter Kanäle gekühlt wird.
Das Wort "Kanal" ist lediglich als ein Durchgang zu verstehen und setzt keine besondere Form voraus. Daher sind die in der E1 offenbarten Durchgänge für das Sperrgas ebenfalls als "Kanäle" zu bezeichnen.
Jedoch ist die E1 als Trockenpumpe ausgebildet, es wird somit ausdrücklich auf eine Abdichtung (der Lager) durch Flüssigkeit verzichtet. Daher können die Kanäle der E1 zur Förderung des Sperrgases nicht als zum Durchleiten einer Flüssigkeit geeignet betrachtet werden.
Der Verdichter gemäß der E2 ist kein Schraubenspindelverdichter und zeigt keine fliegend gelagerten Rotoren.
Somit ist die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 gegenüber der E1 oder E2 gegeben.
4.3 Erfinderische Tätigkeit:
Die E1 stellt den nächstkommenden Stand der Technik dar.
Gemäß der Streitpatentschrift (Abschnitt [0004]) liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, einen Schraubenspindelverdichter der im Oberbegriff des Anspruchs 1 genannten Art zu schaffen, in welchem die Rotoren unabhängig von dem geförderten Medium derart gekühlt werden, dass gute Voraussetzungen für ein geringes Spiel zwischen den Rotoren untereinander sowie zwischen den Rotoren und dem Schöpfraumgehäuse geschaffen werden, ohne dass es störungsanfälliger Abdichtungen bedarf.
Diese Aufgabe wird durch den in Anspruch 1 definierten Schraubenspindelverdichter gelöst, insbesondere dadurch, dass der jeweils in einen Rotor hineinragende Teil des Lagerohrs mittels von Kühlflüssigkeit durchströmter Kanäle gekühlt ist.
Aus der E2 ist ein wassergekühlter Verdichter bekannt (Spalte 3, Zeilen 30 bis 35).
Da aber die Kanäle der E1 nicht als zum Durchleiten einer Flüssigkeit geeignet betrachtet werden können, würde ein Fachmann auch nicht in Erwägung ziehen, diese Kanäle zum Durchleiten einer Flüssigkeit zu benutzen. Umso weniger, als dies dazu führen würde, die Pumpe entweder mit Abdichtungen zu versehen oder sie in einer gattungsfremden Art (also nicht mehr als Trockenpumpe) zu betreiben.
Eine Anordnung von Kühlkanälen wie in der E2 offenbart, in einem Verdichter gemäß der E1, würde hingegen zu einer Kühlung des Mantels und nicht zu einer Kühlung der Lagerrohre führen und auch nicht dazu führen, die Rotoren druckseitig stärker als saugseitig zu kühlen.
Somit kann die E1 weder alleine gesehen, noch in Verbindung mit der E2, einen Fachmann zum Gegenstand des Anspruchs 1 des zweiten Hilfsantrags führen, der daher auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird and die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geänderten Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
Beschreibung: wie erteilt
Ansprüche: 1 bis 13 des Hilfsantrags I, eingereicht mit Schreiben vom 17. November 2003
Zeichnungen: wie erteilt.