T 0056/04 (Selbstklebeetikett/TOVENCA) 21-09-2005
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Selbstklebeetikett
1. Ein im Anspruch verwendeter vager oder unklarer Begriff, dessen genaue Definition nur in der Beschreibung zu finden ist, kann nur in Ausnahmefällen erlaubt werden, um den beanspruchten Gegenstand vom Stand der Technik abzugrenzen. In entsprechender Anwendung von Regel 29 (6) EPÜ liegt ein solcher Ausnahmefall vor, wenn sich die genaue Definition --aus welchen Gründen auch immer-- nicht in den Anspruch aufnehmen lässt, und die genaue Definition des vagen oder unklaren Begriffs aus der Beschreibung für den Fachmann eindeutig und unmittelbar erkennbar ist (vgl. Pkt 2.9 und 2.10 der Entscheidungsgründe).
2. Eine Auslegung im Sinne von Artikel 69 (1) EPÜ kann einen Mangel an Klarheit nicht heilen, weil die Erfüllung der Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht durch die Anwendung von Artikel 69 (1) EPÜ erreicht werden kann (vgl. Pkt 2.12 der Entscheidungsgründe).
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 0 847 035 in geänderter Fassung aufrechtzuerhalten.
II. In der angefochtenen Entscheidung wurde u.a. die folgende Entgegenhaltung berücksichtigt:
E1: EP 0 239 273 A.
III. Die Parteien haben die folgenden Anträge gestellt:
Die beschwerdeführende Einsprechende beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin und Patentinhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
IV. Anspruch 1 in der aufrechterhaltenen Fassung wurde im Beschwerdeverfahren nicht geändert und lautet wie folgt (Hervorhebung durch die Kammer):
"1. Selbstklebeetikett mit einem Behältnis (2) mit einem vorgegebenen Umfang, welches in der Form eines länglichen Streifens ausgebildet ist, der an seiner dem Behältnis (2) zugewandten Rückseite (R) eine Klebeschicht aufweist, mit der er am Umfang des Behältnisses (2) verklebbar ist, wobei an eine Seite des länglichen Streifens (1) entlang einer Abreisslinie (4) wenigstens ein abtrennbarer Abschnitt (3) angeformt ist, dessen mit der Klebeschicht versehene Rückseite (R) beim Anbringen des länglichen Streifens an dem Behältnis (2) die andere Seite des länglichen Streifens (1) überlappt, wobei im Überlappungsbereich auf der anderen Seite eine das Ablösen des abtrennbaren Abschnittes (3) ermöglichende Trennschicht angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, dass der längliche Streifen zur Erzielung eines Abreissens entlang der Abreisslinie (4) so bemessen ist, dass seine Länge (1) zwischen dem Ende der anderen Seite und der Abreisslinie (4) geringfügig kleiner ist als der vorgegebene Umfang des Behältnisses (2), sodass ein an die Abreisslinie (4) angrenzender Bereich (A) des abtrennbaren Abschnittes (3) beim Anbringen des Selbstklebeetikettes am Behältnis (2) auf dem Behältnis (2) zu liegen kommt und an diesem mit der Klebeschicht verklebt wird."
Das hervorgehobene Merkmal wurde im Einspruchsverfahren eingefügt, um den Gegenstand des Anspruchs von dem aus der Entgegenhaltung E1 bekannten Etikett zu unterscheiden.
V. Die beschwerdeführende Einsprechende hat im Wesentlichen folgende Argumente vorgebracht:
a) Anspruch 1 in seiner aufrechterhaltenen Fassung sei im Laufe des Einspruchsverfahrens durch Einfügung der Formulierung "geringfügig kleiner" unklar geworden. Die Einspruchsabteilung habe die Auffassung vertreten, dass der Ausdruck "geringfügig kleiner als der vorgegebene Umfang des Behältnisses" von besonderer Bedeutung sei, um den Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber Dokument E1 abzugrenzen. Auch bei dem aus Dokument E1 bekannten Etikett sei die Länge des entsprechenden Teils "similar to but somewhat less than the circumference of vial 28, typically from about 0.7 to 0.95 times this circumference" (vgl. Spalte 6, Zeilen 28 bis 32). Daher sei es nicht nachvollziehbar, warum die Einspruchsabteilung durch die Hinzufügung von "geringfügig kleiner..." einen Unterschied zwischen dem Gegenstand des Anspruchs 1 und dem aus Dokument E1 bekannten Etikett zu erkennen glaubte. Vielmehr sei der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber Dokument E1 nicht neu.
b) Die Einspruchsabteilung habe in ihrer Entscheidung übersehen, dass Artikel 69 EPÜ die Auslegung der Patentansprüche im Verletzungsstreit, nicht jedoch im Prüfungs- und Einspruchsverfahren, regelt. Deshalb möge es zwar angehen, Bezeichnungen von Bauteilen in den Patentansprüchen aus dem Zusammenhang der Beschreibung heraus zu interpretieren, es sei jedoch ganz und gar unzulässig, eine bewusst von der Patentinhaberin zur Erzielung eines breiten Schutzes vage formulierte Angabe durch eine beliebig aus der Beschreibung entnommene Zahlenangabe zu ersetzen und dann die Neuheit zu prüfen.
VI. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat im Wesentlichen folgende Argumente vorgetragen:
Die von der Beschwerdeführerin konstruierte Auslegung der Formulierung "geringfügig kleiner" ergäbe ein falsches Bild, da bei der Beurteilung dieser Formulierung vom Gesamtinhalt der Patentunterlagen auszugehen sei. Demnach bestehe das Wesentliche der Erfindung darin, dass der längliche Streifen des Selbstklebeetiketts in Bezug auf den Umfang des Behälters so dimensioniert ist, dass der abtrennbare Abschnitt mit einem an die Abreißlinie angrenzenden Bereich des abtrennbaren Abschnittes an dem Behälter verklebt wird. Durch diese Maßnahme werde überraschenderweise erreicht, dass beim Abreißen des abtrennbaren Abschnitts kein undefiniertes Einreißen außerhalb der Abreißlinie erfolgt, sondern dass wegen der im genannten Bereich des abtrennbaren Abschnittes bestehenden Klebekraft zwischen dem abtrennbaren Abschnitt und dem Behälter das Abreißen entlang der Abreißlinie erfolgt.
Durch die Formulierung "geringfügig kleiner" werde dem Fachmann also die klare Lehre gegeben, den abtrennbaren Abschnitt mit einem an die Abreißlinie angrenzenden Bereich an dem Behälter zu verkleben, wobei dies durch die speziellen Dimensionierungsmerkmale des gültigen Anspruchs 1 erreicht werde. "Geringfügig kleiner" bedeute somit klar erkennbar, dass die Länge des länglichen Streifens des patentierten Selbstklebeetiketts nicht gleich oder größer, sondern eben geringfügig kleiner als der Umfang des Behälters sein sollte, weil nur in diesem Falle die geforderte Klebekraft zwischen dem abtrennbaren Abschnitt und dem Behälter hergestellt werde.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Klarheit (Artikel 84 EPÜ):
2.1 Falls während des Einspruchsverfahrens die Patentansprüche geändert werden, ist nach Artikel 102 (3) EPÜ insgesamt neu zu prüfen, ob die Erfordernisse des EPÜ erfüllt sind. Somit sind die Änderungen auch auf die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ zu prüfen, obwohl mangelnde Klarheit kein Einspruchsgrund ist (Artikel 100 EPÜ).
2.2 Im vorliegenden Fall wurde Anspruch 1 während des Einspruchsverfahrens durch das Merkmal ergänzt, dass die Länge (des nicht abtrennbaren Abschnittes) zwischen dem Ende der anderen Seite und der Abreißlinie geringfügig kleiner ist als der vorgegebene Umfang des Behältnisses.
2.3 In der angefochtenen Entscheidung sah die Einspruchabteilung keine Klarheitsmängel beim geänderten Anspruch und zog unter Bezug auf Artikel 69 (1) EPÜ die Beschreibung heran, um das oben genannte Merkmal auszulegen. Dabei kam die Einspruchsabteilung zu dem Ergebnis, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 sich durch dieses Merkmal "deutlich" von den bekannten Etiketten unterschiede, da im Hinblick auf Spalte 3, Zeilen 2 und 3 der Patentschrift der Ausdruck "geringfügig kleiner" im Anspruch 1 so zu interpretieren sei, dass die Länge des länglichen Streifens etwa 1 mm kürzer als der Umfang des Behältnisses sei. Das entsprechende Merkmal bei dem aus Dokument E1 bekannten Etikett betrage dagegen etwa 3 mm.
2.4 Die Beschwerdeführerin hat argumentiert, dass der im Einspruchsverfahren eingeführte Begriff "geringfügig kleiner" vage sei, und dass daher Anspruch 1 nicht dem Erfordernis der Klarheit genüge (vgl. Punkt V a) oben). Zudem sei Artikel 69 (1) EPÜ nicht im Prüfungs- und Einspruchsverfahren anwendbar (vgl. Punkt V b) oben).
2.5 Da der Begriff "geringfügig kleiner" zweifellos vage ist und daher der Klarstellung bedarf, wirft die vorliegende Beschwerde die Frage auf, inwieweit ein vager Begriff in einem Anspruch bei der Prüfung auf die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ im Lichte der Beschreibung klargestellt werden kann.
2.6 Artikel 84, 2. Satz EPÜ verlangt, dass die Ansprüche "deutlich" sind. Darunter ist das Erfordernis der "Klarheit der Patentansprüche" zu verstehen (vgl. Münchner Gemeinschaftskommentar Artikel 84 EPÜ, Rdn 76 sowie Richtlinien für die Prüfung C-III, 4.1).
2.7 In T 728/98 (ABl. EPA 2001, 319, Nr. 3.1 der Entscheidungsgründe) wurde festgelegt, dass die Öffentlichkeit nicht im Unklaren darüber bleiben solle, welcher Gegenstand unter einen bestimmten Anspruch fällt. Ein Anspruch, der ein unklares technisches Merkmal enthalte, lasse den darunter fallenden Gegenstand somit nicht zweifelsfrei erkennen. Dies gelte erst recht, wenn das unklare Merkmal den beanspruchten Gegenstand vom Stand der Technik abgrenzen soll, weil dann Unsicherheit darüber besteht, ob der beanspruchte Gegenstand vorweggenommen sei oder nicht (siehe auch T 337/95, ABl. EPA 1996, 628, Gründe Nr. 2.2 bis 2.5, und T 1129/97, ABl, EPA 2001, 273, Gründe Nr. 2.1.2 und 2.1.3).
2.8 Dieser in T 728/98 verankerte Grundsatz der Klarheit entspricht auch der Praxis des EPA im Prüfungsverfahren, wie sie in den Richtlinien für die Prüfung, Kapitel C-III, 4.5 dargelegt wird. Nach dieser Praxis kann ein Begriff wie "etwa" oder ähnliche Ausdrücke wie zum Beispiel "ungefähr" nur dann zugelassen werden, wenn die Erfindung hinsichtlich Neuheit und erfinderischer Tätigkeit anderweitig eindeutig vom Stand der Technik abgegrenzt ist. Damit soll vermieden werden, dass ein vager oder unklarer Begriff im Anspruch nur über die Beschreibung klar definiert werden kann (vgl. auch Singer/Stauder "The European Patent Convention" 3. Auflage, Art 84, Rdn 14 und 16).
2.9 Weiterhin stellt die Kammer fest, dass die restriktive Praxis des EPA hinsichtlich der Behandlung von vagen oder relativen Begriffe in den Ansprüchen im Einklang mit Regel 29 (6) EPÜ steht, da Regel 29 (6) EPÜ eine Bezugnahme in einem Anspruch auf die sonstigen Anmeldungsunterlagen grundsätzlich verbietet, falls dies nicht "unbedingt erforderlich" ist. Ein im Anspruch verwendeter vager oder unklarer Begriff, dessen genaue Definition nur in der Beschreibung zu finden ist, ist wie eine implizite Bezugnahme im Anspruch auf die Beschreibung und/oder die Zeichnungen zu betrachten. Um daher Regel 29 (6) EPÜ nicht zu unterlaufen, kann dies höchstens in Ausnahmefällen erlaubt werden, mit anderen Worten, nur wenn diese Formulierung der Ansprüche "unbedingt erforderlich" ist.
Damit ist ein Heranziehen der Beschreibung bei der Prüfung auf die Erfordernisse der Klarheit nur in Ausnahmefällen zulässig, was dem in T 860/93 (ABl. EPA 1995, 47, Gründe Nr. 5.1 und 5.2) aufgestellten Grundsatz entspricht, wenn auch unter diesem Vorbehalt.
2.10 Zusammenfassend sind die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ bei einem Anspruch, der einen vagen oder unklaren Begriff enthält, dessen genaue Definition nur in der Beschreibung zu finden ist, als erfüllt zu betrachten, wenn die folgenden Kriterien erfüllt sind:
2.10.1 Erstens muss diese Form des Anspruchs "unbedingt erforderlich" sein, weil sich die genaue Definition des Begriffs --aus welchen Gründen auch immer-- nicht in den Anspruch aufnehmen lässt. Dieses Kriterium entspricht der in Regel 29 (6) EPÜ vorgesehenen Ausnahme vom Verbot einer Bezugnahme auf die Beschreibung oder die Zeichnungen in einem Anspruch.
2.10.2 Zweitens muss aus der Beschreibung die genaue Definition des vagen oder unklaren Begriffs für den Fachmann eindeutig und unmittelbar erkennbar sein. Dieses Kriterium entspricht dem in Regel 29 (6) EPÜ aufgestellten Verbot von pauschalen Hinweisen in den Ansprüchen, die sich auf ganze Teile der Beschreibung oder ganze Ausführungsbeispiele beziehen.
2.11 Ein Beispiel aus der Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist die Sache T 1129/97. Hier war die genaue Definition des Begriffs "Niederalkyl" nur in der Beschreibung und nicht in den Ansprüchen zu finden (vgl. Gründe, Nr. 2.1.1 bis 2.1.3). Diese Definition hätte sich allerdings ohne weiteres in die Ansprüche aufnehmen lassen (vgl. Gründe, Nr. 4.1 und 4.2). Daher lag in dieser Sache der oben genannte Ausnahmefall nicht vor.
2.12 In diesem Zusammenhang sollte auch erwähnt werden, dass Artikel 69 (1) EPÜ im Prüfungsverfahren nicht anzuwenden ist. Zwar sieht Artikel 69 (1) EPÜ vor, dass die Beschreibung zur Auslegung der Ansprüche heranzuziehen ist; die Vorschrift bezieht sich jedoch auf die Bestimmung des Schutzbereichs und nicht - wie Artikel 84 EPÜ - auf die Angabe des Gegenstands, für den in einem Anspruch Schutz begehrt wird (vgl. T 728/98, Gründe Nr. 3.1, T 488/99, Gründe 3.2.1, T 1129/97 Gründe Nr. 2.1.9). Das bedeutet, dass eine Auslegung im Sinne von Artikel 69 (1) EPÜ einen Mangel an Klarheit nicht heilen kann, weil die Erfüllung der Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ nicht durch die Anwendung von Artikel 69 (1) EPÜ erreicht werden kann (vgl. T 454/89, Gründe Nr. 4.1(viii)).
2.13 Im vorliegenden Fall ist der in Anspruch 1 eingeführte Begriff "geringfügig kleiner als der vorgegebene Umfang des Behältnisses" an sich vage. Er soll dazu dienen, den beanspruchten Gegenstand von dem aus Dokument E1 bekannten Etikett abzugrenzen (vgl. Punkt 2.3 oben). Es folgt aus der Erörterung unter Pkt 2.7 und 2.8 oben, dass Anspruch 1 nicht die grundsätzlichen Kriterien für Klarheit erfüllt, wie sie in T 728/98 und in den Richtlinien C-III, 4.5 dargelegt worden sind.
2.14 Es bleibt daher zu prüfen, ob der vorliegende Anspruch 1 unter den oben erwähnten Ausnahmefall fällt, bei dem die Definition eines im Anspruch benutzten Begriffs zulässigerweise nur in der Beschreibung zu finden ist. Das erste Kriterium dafür wäre, dass es "unbedingt erforderlich" war, die Definition von "geringfügig kleiner" nur in der Beschreibung zu nennen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Unabhängig von der (hier nicht zu entscheidenden) Frage, wann eins solche Anspruchsfassung "unbedingt erforderlich" wäre, kann festgestellt werden, dass es im vorliegenden Fall ohne jede Probleme möglich gewesen wäre, die in der Beschreibung offenbarte konkrete Angabe "etwa 1 mm" (vgl. die veröffentlichte Anmeldung, Spalte 3, Zeilen 2 bis 3) in den Anspruch selbst aufzunehmen.
Auch das zweite Kriterium ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Eine genaue Definition von "geringfügig kleiner" ist schon deshalb nicht eindeutig aus der Beschreibung zu entnehmen, weil der Begriff "geringfügig kleiner" gar nicht in der Beschreibung vorkommt. Die von der Patentinhaberin zitierte Passage auf Spalte 3, Absatz 1 des Streitpatents bezieht sich auf den Fall, dass der Abstand A, der sich durch den Unterschied zwischen dem Umfang des Behältnisses und der Länge des länglichen Streifen des Selbstklebeetiketts ergibt, etwa einen Millimeter beträgt. Es wird dort erklärt, dass das Abreißen des abtrennbaren Abschnitts des Etiketts entlang der Abreißlinie erfolgt, weil die auf den abtrennbaren Abschnitt ausgeübten Zugkräfte im wesentlichen unabhängig von ihrer Richtung stets in eine Richtung etwa entlang der Abreißlinie geleitet werden. Zwar wird in Absatz 0013 der Patentschrift beschrieben, dass die Länge I in Figur 2 "etwas kleiner" zu bemessen ist als der Umfang des Behältnisses 2. Da aber der Begriff "geringfügig kleiner" in der Beschreibung nicht vorkommt, kann der Fachmann keine eindeutige Bedeutung dieses Begriffs unmittelbar erkennen. Eine mögliche Interpretation des Begriffs "geringfügig kleiner" ist mit "etwa einem Millimeter" gleichzustellen, wie der Begriff in der angefochtenen Entscheidung ausgelegt wurde.
Aus den Argumenten der Patentinhaberin geht allerdings hervor, das die zitierte Passage der Beschreibung auch eine alternative Auslegung des Begriffs "geringfügig kleiner" zulässt, wobei der längliche Streifen des Selbstklebeetiketts in Bezug auf den Umfang des Behältnisses so zu dimensionieren sei, dass beim Abreißen des abtrennbaren Teils des Etiketts die auf den abtrennbaren Abschnitt ausgeübten Zugkräfte im wesentlichen unabhängig von ihrer Richtung stets in eine Richtung etwa entlang der Abreißlinie geleitet werden (vgl. Punkt VI oben sowie die Patentschrift, Spalte 3, Zeilen 3 bis 12).
2.15 Zusammenfassend kommt die Kammer zu der Auffassung, dass es im vorliegenden Fall problemlos möglich gewesen wäre, eine genaue Definition des Begriffs "geringfügig kleiner" nur in die Ansprüche aufzunehmen, und dass die Beschreibung überdies auch keine eindeutige Definition dieses Begriffs enthält. Deshalb bleibt es dabei, dass Anspruch 1 nicht das in Artikel 84 EPÜ enthaltene Erfordernis der Klarheit der Patentansprüche erfüllt.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.