T 0828/08 21-01-2010
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Beschichtungsverfahren sowie Vorrichtung hierfür
mangelhafte Begründung (ja)
Zulässigkeit und Klarheit durch die Änderungen (ja)
Zurückverweisung an die erste Instanz
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) hat gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung der Anmeldung Nr. 02 026 209.3 Beschwerde eingelegt.
Die Prüfungsabteilung war zur Auffassung gekommen, dass in Bezug auf den Hauptantrag, datiert vom 17. November 2006, das Verfahren nach Anspruch 1 im Hinblick auf D2 (DE-A-32 00 034) den Erfordernissen des Artikels 56 EPÜ (erfinderische Tätigkeit) nicht genüge, die Erfindung nach Anspruch 16 im Hinblick auf D2 oder D6 (DE-A-1 621 848) und die beschichtete Metallfolie nach Anspruch 19 im Hinblick auf allgemein bekannte beschichtete Metallfolien den Erfordernissen des Artikels 54 EPÜ (Neuheit) nicht genügten.
Im Prüfungsverfahren wurde weiter auch Bezug genommen auf die Dokumente D1 (JP-A-61 296 726), D3 (DE-A-19 808 518), D4 (JP-A-63 197 326) und D5 (US-A-6 265 554).
II. Die Beschwerdeführerin beantragte mit ihrer Beschwerdebegründung vom 31. März 2008 die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf der Basis des dieser Begründung beigelegten Hauptantrags, dessen Ansprüche identisch mit den durch die angefochtene Entscheidung zurückgewiesenen Ansprüchen waren, hilfsweise die Erteilung eines Patents auf der Basis des der Begründung beigefügten Hilfsantrags. Hilfsweise wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung beantragt.
III. In der Anlage zur Ladung für die auf den 12. Januar 2010 anberaumten mündlichen Verhandlung teilte die Kammer der Beschwerdeführerin ihre vorläufige Meinung mit.
Danach sei die angefochtene Entscheidung bezüglich mangelnder Neuheit der Einrichtung nach Anspruch 16 gemäß dem Hauptantrag nicht zu beanstanden.
Die angefochtene Entscheidung leide jedoch betreffend das Verfahren nach Anspruch 1 und die Metallfolie nach Anspruch 19 unter einem Begründungsmangel, der für den Fall, dass die Beschwerdeführerin die Anmeldung allein mit diesen unabhängigen Ansprüchen und deren abhängigen Ansprüchen als Hauptantrag oder 1. Hilfsantrag weiterverfolgen möchte, eine Zurückverweisung der Angelegenheit an die erste Instanz zur weiteren Prüfung erforderlich mache.
Für den weiteren Verlauf der Prüfung machte die Kammer Bemerkungen zur möglichen Notwendigkeit einer zusätzlichen Recherche zur Metallfolie nach Anspruch 19 und zur Klarheit des Anspruchs 1, und zur ursprünglichen Offenbarung und Klarheit des Gegenstands des Anspruchs 13.
IV. Die Beschwerdeführerin reichte daraufhin mit ihrem Schreiben vom 27. November 2009 einen neuen Hauptantrag und einen neuen Hilfsantrag ein, wobei sowohl im Hauptantrag als auch im Hilfsantrag die Ansprüche 13 und 16 bis 18 gestrichen wurden und Anspruch 1 dahingehend präzisiert wurde, dass die Bemerkungen zu Artikel 84 EPÜ gegenstandslos sein sollten.
Die Beschwerdeführerin verfolge daher die Anmeldung mit den von der Beschwerdekammer vorgeschlagenen Ansprüchen weiter und könne somit eine Zurückverweisung ohne mündliche Verhandlung stattfinden.
V. Nach einer telefonischen Rücksprache mit dem Berichterstatter zur Klarstellung des Anspruchs 1 reichte die Beschwerdeführerin mit ihrem Schreiben vom 16. Dezember 2009 einen neuen Hauptantrag ein.
VI. Die unabhängigen Verfahrens- und Produktansprüche 1 und 14 gemäß diesem Hauptantrag lauten wie folgt (Änderungen gegenüber den der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden unabhängigen Verfahrens- und Produktansprüchen 1 und 19 sind in Fettschrift oder durchgestrichen):
"1. Verfahren zum einseitigen Aufbringen einer zumindest teilweisen Beschichtung (4) auf eine Metallfolie (2), wobei die Metallfolie (2) eine im wesentlichen flächenhafte Ausgestaltung in Bezug auf ihre Längsabmessungen im Verhältnis zu ihrer Dicke aufweist, dadurch gekennzeichnet, dass die Metallfolie (2) [deleted: definiert ]konvex verformt und anschließend die Beschichtung (4) im verformten Zustand der Metallfolie (2) bei einer Prozess-Temperatur (TProzess) aufgebracht wird, so dass bei einer Einsatz- oder Raum-Temperatur (TRE), welche von der Prozess-Temperatur (TProzess) abweicht, die [deleted: gewünschte ]flache Form von der Metallfolie (2) samt Beschichtung (4) eingenommen wird, wobei die Metallfolie (2) eine Dicke von 0,05 bis 0,5 mm aufweist und die Beschichtung (4) eine Dicke von 10 nm bis 100 µm aufweist".
"14. Beschichtete Metallfolie (2), hergestellt durch ein Verfahren gemäß einem der Ansprüche 1 bis [deleted: 15 ]13, mit einer Beschichtung (4) aus einem Werkstoff, dessen thermischer Ausdehnungskoeffizient von demjenigen der Metallfolie (2) abweicht, wobei die Beschichtung (4) schubspannungsfrei auf der Metallfolie (2) angeordnet ist".
Entscheidungsgründe
1. Produktanspruch 19 des der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hauptantrags
1.1 Unter Punkt 4 der angefochtenen Entscheidung der Prüfungsabteilung wurde die mangelnde Neuheit des Gegenstands des Produktanspruchs 19 damit begründet, dass es auszuschließen ist, "dass es unter allen vorbekannten, anders als mit dem anmeldungsgemäßen Verfahren (so beschichtete Metallfolien wären gemäß Art. 64(2) EPÜ durch einen gewährbaren Verfahrensanspruch ohnehin geschützt), sonst aber in beliebiger Weise hergestellten, beschichteten Metallfolien nicht auch solche gibt, bei denen zumindest unter bestimmten Bedingungen die Beschichtung schubspannungsfrei auf der Folie angeordnet ist (z.B. erreichbar durch die in der Anmeldung genannte thermische Nachbehandlung)". Die Prüfungsabteilung hat auch im schriftlichen Verfahren weder einen Beleg noch eine Erklärung für diese von ihr aufgestellte Behauptung vorgelegt.
1.2 Die Beschwerdeführerin hat dieser Meinung bereits im schriftlichen Verfahren begründet widersprochen; die Prüfungsabteilung hätte somit, zumindest in der Entscheidung, den erforderlichen Beleg für diese ihre Behauptung liefern müssen. Die angefochtene Entscheidung ist somit mangelhaft begründet (Regel 68 (2) EPÜ 1973; denn die Entscheidung ist am 27. November 2007, d. h. vor in Kraft treten des EPÜ 2000 ergangen).
2. Verfahrensanspruch 1 des der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hauptantrags
2.1 In ihren im Prüfungsverfahren eingereichten Schriftsätzen vom 29. April 2005 und vom 21. November 2006 argumentierte die Beschwerdeführerin u. a., dass der Fachmann, der die Aufgabe habe, eine Metallfolie zu beschichten, die Lehre der D2 nicht heranziehen werde, weil dieses Dokument das Glasieren eines Keramiksubstrats betreffe, daher weder im zu berücksichtigenden Fachgebiet liege noch sich mit dieser speziellen Aufgabe befasse, bzw. Anregungen biete, die dort enthaltene Lehre auf die Beschichtung von Metallfolien anzuwenden.
2.2 Die Kammer betrachtet die unter Punkt 2 der angefochtenen Entscheidung gegebene Begründung für die Heranziehung der D2 als nicht hinreichend. Nachdem die Beschwerdeführerin sich bereits im schriftlichen Verfahren gegen diese Heranziehung argumentativ gewandt hatte, siehe Punkt 2.1 oben, hat die Prüfungsabteilung sich jedoch darauf beschränkt, zu wiederholen, was sie bereits mit ihrem Ladungsbescheid erläutert hatte; der Erfindung und dem Verfahren nach D2 lägen die gleichen Probleme zu Grunde, wobei sie sich zusätzlich auf einige Textstellen der D2 bezog.
2.3 Die Kammer stellt fest, dass diese Textstellen - obwohl sie die genannte Aufgabe ansprechen - nichts dazu aussagen, dass diese Lehre auch auf die Beschichtung von Metallfolien Anwendung haben kann. Die behauptete unmittelbare Anwendbarkeit dieser Lehre ist somit nicht belegt.
Auch fehlt in der Entscheidung jegliche Begründung, warum das spezielle Gebiet des Beschichtens eines Keramiksubstrats mit einem Glasgemisch zum Wissenstand des heranzuziehenden, auf dem allgemeinen Gebiet der Metallverarbeitung - so die Prüfungsabteilung - tätigen Fachmannes gehört.
2.4 In der angefochtenen Entscheidung wird weiter ausgeführt, dass nach D2 das Schmelzen der vorher auf das Keramiksubstrat aufgetragenen Glasmischung gleichzustellen sei mit dem erfindungsgemäßen Aufbringen der Beschichtung, anschließend an die Verformung der Metallfolie.
Die Kammer teilt diese Meinung nicht, denn die Prüfungsabteilung verkennt dabei, dass nach D2 die Glasbeschichtung bereits in Form einer Glasmischung aufgebracht ist, bevor das Substrat verformt wird.
2.5 Nachdem die Beschwerdeführerin die zu Recht bestehenden Einwände der Prüfungsabteilung gegen den Anspruch 16 und die seitens der Beschwerdekammer erhobenen Einwände gegen den Anspruch 13 durch Streichung dieser Ansprüche gegenstandslos gemacht hat, ist die angefochtene Entscheidung bereits aus den oben genannten Gründen aufzuheben.
3. Hauptantrag eingereicht mit Schreiben datiert vom 16. Dezember 2009
3.1 Anspruch 1
3.1.1 Die Kammer ist mit der Beschwerdeführerin und der Prüfungsabteilung der Meinung, dass als nächstliegenden Stand der Technik, der dem Oberbegriff des Anspruchs 1 entspricht, ein übliches Verfahren zur Beschichtung von Metallfolien anzusehen ist. Entgegen der Meinung der Prüfungsabteilung ist daher der zu berücksichtigende Fachmann nicht der, der auf dem Gebiet der "Metallverarbeitung" arbeitet, sondern der, der auf die Beschichtung von Metallfolien spezialisiert ist.
3.1.2 Das kennzeichnende Merkmal des Anspruchs 1 löst gegenüber diesem Stand der Technik die Aufgabe, das Verziehen der Metallfolie aus der flachen Form samt Beschichtung, nachdem dieses Gebilde wieder die Raumtemperatur erreicht hat, bzw. die Einsatztemperatur einnimmt, entgegenzutreten oder sogar zu verhindern. Zur Lösung dieser Aufgabe kann von dem Fachmann die Anwendung bestimmter Fachkenntnisse, auf seinem Fachgebiet, gegebenenfalls auf Nachbargebiete oder übergeordnete allgemeine Gebiete erwartet werden.
3.1.3 Das Spezialgebiet der Beschichtung von Keramiksubstraten mit Glas gehört nach Meinung der Kammer nicht zu den Nachbargebieten, von denen dieser Fachmann Kenntnisse haben sollte (siehe T 0176/84, ABl. EPA 1986, 50), denn bei solchen Substraten geht es nicht grundsätzlich um Folien. Ob auf diesem Spezialgebiet die gleiche Aufgabe gelöst wird, kann sodann dahingestellt bleiben.
3.1.4 Dadurch, dass D2 sich auf ein Spezialgebiet des Beschichtens bezieht, erübrigt sich auch die Behandlung der Frage, ob es zum Stand der Technik eines übergeordneten allgemeinen technischen Gebiets gehört, das nach T 0195/84 (ABl. EPA 1986, 121) zum technischen Allgemeinwissen des auf dem Gebiet der Beschichtung von Metallfolien tätigen Fachmanns gehört.
3.1.5 Die sonstigen im Verfahren befindlichen Dokumente können aus den folgenden Gründen ebenso wenig die Neuheit bzw. die erfinderische Tätigkeit in Frage stellen:
D1 und D4 beziehen sich auf die Beschichtung eines Siliziumsubstrats, statt einer Metallfolie. D3 betrifft die Beschichtung eines Mineralwolleprodukts, statt einer Metallfolie. D5 betrifft ein Verfahren, in dem eine Druckfarbe in Form eines Bildes auf eine Alu-Folie gesprüht wird, wobei jedoch nirgends offenbart ist, dass die Folie vorher verformt wird und verformt ist während des Aufbringens der Druckfarbe. D6 betrifft ein Verfahren, in dem ein Polymerisat auf eine Metallfolie gebracht wird, jedoch die letztere beim Aufbringen nicht (mehr) in verformtem Zustand ist, so wie der Anspruch 1 es erfordert.
Ausgehend vom anerkannten Stand der Technik stellt D2 daher die erfinderische Tätigkeit des Verfahrens nach Anspruch 1 nicht in Frage.
3.2 Anspruch 14
Der mit der Recherche ermittelte Stand der Technik betrifft keine Metallfolien, die mit einer Beschichtung aus einem Werkstoff versehen sind, dessen technischer Ausdehnungskoeffizient von demjenigen der Metallfolie abweicht und wobei diese Beschichtung schubspannungsfrei auf der Metallfolie angeordnet ist. Somit ist der Gegenstand des Anspruchs 14 zunächst einmal neu gegenüber diesem Stand der Technik. Nachdem dieser Stand der Technik auch keinen Hinweis auf eine solche schubspannungsfreie Anordnung einer Beschichtung auf einer Metallfolie enthält, weist dieser Gegenstand gegenüber diesem Stand der Technik auch eine erfinderische Tätigkeit auf.
4. Zurückverweisung an die Prüfungsabteilung
4.1 Für die Frage der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit des Verfahrens nach Anspruch 1 und des Gegenstands des Anspruchs 14 gehören zum heranzuziehenden Stand der Technik dagegen wohl die technischen Gebiete der Schichtkörper(B32B), z. B. solche mit einer Metallschicht nach B32B 15/00 oder solche, hergestellt in einem Laminierverfahren nach B32B 37/00; oder der Verbindung von Schichtmaterialien oder des Beschichtens metallischer Werkstoffe (C23C). Die Kammer hat diese Meinung auch in ihrem Ladungsbescheid vom 27. Oktober 2009 der Beschwerdeführerin mitgeteilt.
Daher möchte die Kammer es der Prüfungsabteilung anheim stellen, zu überlegen, ob eine zusätzliche Recherche in diesen Gebieten angebracht ist, nachdem, wie vorliegend, die Beschwerdeführerin sich mit ihren beiden unabhängigen Ansprüchen auf das Beschichten einer Metallfolie eingeschränkt hat. Aus dem Recherchenbericht ist nämlich nicht ersichtlich, ob die Recherche sich auf die oben genannten Gebiete erstreckt hat. Das gleiche gilt für das Prüfungsverfahren, in dem mit dem Ladungsbescheid vom 19. Juni 2006 zwei weitere Dokumente D5 und D6 eingeführt wurden.
4.2 Um die Fortsetzung der Prüfung in diesem Sinne zu ermöglichen, erachtet es die Kammer für geboten, unter Anwendung ihrer Befugnis nach Artikel 111 (1) EPÜ, die Sache an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen. Die Beschwerdeführerin hat sich damit in ihrem Schreiben vom 27. November 2009 auch einverstanden erklärt.
4.3 Die Änderungen, die in Anspruch 1 vorgenommen worden sind (siehe Punkt VI), tragen den Bemerkungen Rechnung, die die Kammer in diesem Ladungsbescheid zur Klarheit dieses Anspruchs gemacht hatte. Sie beantworten auch die Bemerkung in Punkt 2, Seite 4 der angefochtenen Entscheidung, dass der dort vorliegende Anspruch 1 "alle Arten und somit auch sehr dünne Metallfolien [umfasst], für die aber das beanspruchte Verfahren nicht funktioniert. Anspruch 1 kann daher als Ganzes schon deshalb nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen."
4.4 Die Kammer hat sich auch davon überzeugt, dass die im Anspruch 1 des Hauptantrags vorgenommenen Änderungen eine Basis in der ursprünglich eingereichten Anmeldung haben und somit die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ erfüllen.
4.5 Die Kammer bemerkt, dass die Prüfungsabteilung weiterhin befugt ist, die Übereinstimmung des Hauptantrags mit allen Erfordernissen des EPÜ zu überprüfen und u.a. zum Beispiel die Streichung des durch die vorgenommenen Änderungen redundant gewordenen abhängigen Anspruchs 9 zu verlangen.
4.6 Nachdem antragsgemäß entschieden werden konnte, erübrigte sich das Abhalten einer mündlichen Verhandlung, der dafür vorgesehene Termin wurde daher abgesetzt.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Prüfung zurückverwiesen.