T 1417/18 (Elektronisches Fahrzeug-Bordsystem und Prüfverfahren/Kapsch TrafficCom AG) 15-02-2022
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Elektronisches Fahrzeug-Bordsystem und Prüfverfahren hierfür
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - erster Hilfsantrag (nein)
Erfinderische Tätigkeit - zweiter Hilfsantrag (ja)
Spät eingereichte Tatsachen - zugelassen (ja)
Spät eingereichter Antrag - Antrag identisch mit dem im erstinstanzlichen Verfahren zugelassenen, aber nicht diskutierten Hilfsantrag
Rügepflicht - Einwand zurückgewiesen
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent EP2772886 in geänderter Form gemäß dem damaligen Hilfsantrag 1 aufrechtzuerhalten.
II. Die Beschwerdeführerin beantragte mit der Beschwerde, die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Streitpatent in vollem Umfang zu widerrufen. Sie führte zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit des Hauptantrages aus.
III. In ihrer Erwiderung beantragte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin), die Beschwerde zurückzuweisen. Hilfsweise beantragte sie, das Patent in der Fassung der Zwischenentscheidung aufrechtzuerhalten (Hauptantrag), oder hilfsweise gemäß eines der der Beschwerdeerwiderung beigefügten Anspruchssätze (Hilfsanträge 1 und 2).
IV. In einer ersten Mitteilung nach Regel 100(2) EPÜ teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Meinung mit. Die Kammer führte insbesondere aus, dass es zur Bewertung der erfinderischen Tätigkeit sinnvoll sei zu diskutieren über welches Fachwissen im Bereich Kfz-Bussysteme, wie im Streitpatent und im nächstliegenden Stand der Technik verwendet, der Fachmann verfüge. Die Kammer stellte ebenfalls fest, dass die Beschwerdeführerin zu den Hilfsanträgen noch keine Stellungnahme bezogen habe.
V. In ihrem Schriftsatz vom 29. Mai 2020 führte die Beschwerdegegnerin zur erfinderischen Tätigkeit des Hauptantrages und der Hilfsanträge aus.
VI. In ihrem Schriftsatz vom 5. Juni 2020 führte die Beschwerdeführerin aus, über welches Fachwissen der Fachmann verfüge. Sie verwies hierzu auf D10 aus dem erstinstanzlichen Verfahren. Zu den Hilfsanträgen verwies die Beschwerdeführerin auf ihren Schriftsatz vom 10. Oktober 2017, S. 7, Abschnitt B, bis S. 9.
VII. In einem Bescheid nach Artikel 15(1) VOBK 2020 teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Meinung und die zu diskutierenden Punkte mit. Zunächst sei zu diskutieren, wie die Unterscheidungsmerkmale von Anspruch 1 zu D1, dem nächstliegenden Stand der Technik, zu interpretieren seien. Des Weiteren sei zu diskutieren, welches Fachwissen über Kfz-Bussysteme vorläge, u.a. aus der D10 zu entnehmen.
VIII. Daraufhin reichte die Beschwerdegegnerin mit Schriftsatz vom 13. Januar 2022 einen dritten Hilfsantrag sowie weitere Argumente ein. Sie bestritt, dass D10 dem Beschwerdeverfahren zugrunde lag und beantragte, dieses Dokument nicht zuzulassen.
IX. Die Beschwerdeführerin führte in ihrem Schriftsatz vom 13. Januar 2022 nochmals zur D10 aus.
X. Die mündliche Verhandlung fand am 15. Februar 2022 in Form einer Videokonferenz statt. Die Beschwerdeführerin überreichte dort eine Rüge nach Regel 106 EPÜ per Email.
XI. Die Ausführungen der Parteien und der Einspruchsabteilung sind im Wesentlichen auf folgende Entgegenhaltungen gestützt:
D1: DE 10 2008 048 162 A1
D5: Kvaser Eagle User's Guide, Seiten 1 bis 30
D10: Werner Zimmermann, Ralf Schmidgall, Bussysteme
in der Fahrzeugtechnik, Protokolle u. Standards,
3. Auflage, September 2008, Seiten 1-25, sowie
Seiten 364 bis 367.
XII. Schlussanträge
Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Im Laufe der mündlichen Verhandlung beantragte sie außerdem, die Hilfsanträge 2 und 3 nicht in das Verfahren zuzulassen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte
die Zurückweisung der Beschwerde und somit die Aufrechterhaltung des Patents in der von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachteten Fassung, sowie hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage eines der mit der Beschwerdeerwiderung am 26. November 2018 eingereichten Hilfsanträge 1 und 2, oder des am 13. Januar 2022 eingereichten Hilfsantrags 3.
XIII. Anspruch 1 wie aufrechterhalten (Hauptantrag der Beschwerdegegnerin) lautet wie folgt, mit der von der Einspruchsabteilung und den Parteien verwendeten Merkmalsgliederung.
M1 Elektronisches Fahrzeug-Bordsystem (2), miteiner Mehrzahl von Modulen (MAi, MSj), welcheüber einen Kommunikationsbus (C) miteinander in Verbindung stehen und eindeutig adressierbar sind,
M2.1 wobei die Module (MAi, Msj) eine erste Gruppe (GA) von zumindest zwei Applikationsmodulen(MAi) zum Ausführen unterschiedlicher Applikationen (Ai) undM3.1 eine zweite Gruppe (Gs) von zumindest zwei Dienstmodulen (Msj) zum Ausführen unterschiedlicher Dienste (Sj) bilden,
M2.2 wobei jedes Applikationsmodul (MAi) dafür ausge-bildet ist, eine Anforderungsnachricht (nij) zur Dienstausführung über den Kommunikationsbus (C) an ein ausgewähltes Dienstmodul (Msj) zu adressieren,
M3.2 und jedes Dienstmodul (Msj) dafür ausgebildetist, nach einer Dienstausführung eine Antwortnachricht (nji) über den Kommunikationsbus (C)an ein anforderndes Applikationsmodul (MAi) zu retournieren,
M2.3 wobei zumindest ein Applikationsmodul (MAi) eine Vermautungsapplikation (A2) enthält und
M3.3 zumindest ein Dienstmodul (Msj) einen Kommunikationsdienst (S1, S2) enthält, und
M2.4 wobei sich die beiden Applikationsmodule (MAi)zumindest eines der beiden Dienstmodule (Msj) teilen, indem sie Anforderungsnachrichten (nij) an ein und dasselbe Dienstmodul (Msj) adressieren, dadurch gekennzeichnet,
M4.1 dass das Fahrzeug-Bordsystem (2) ferner ein Aufzeichnungsmodul (MA4) enthält, welches an den
Kommunikationsbus (C) angeschlossen und
M4.2' dafür ausgebildet ist, vom ersten Appli- kationsmodul (MA2) während des Fahrzeugbetriebs an ein Dienstmodul (Msj) adressierte Anforderungsnachrichten (n2j) und von diesem während des Fahrzeugbetriebs retournierte Antwortnach- richten (nj2) auf dem Kommunikationsbus (C) zu detektieren und dabei zu erfassen und
M4.3 jeweils mit einem aktuellen Zeitstempel (t2j,tj2 ) versehen
M4.4 in einem Speicher (18) von einem vom Fahrzeug- Bordsystem (2) unabhängigen Prüfsystem zum Prüfen auslesbar aufzuzeichnen.
Anspruch 1 des Hilfsantrages 1 basiert auf Anspruch 1 des Hauptantrages mit den nachfolgenden Änderungen :
M4.2''dafür ausgebildet ist, vom ersten Applikations-
modul (MA2 ) während des Fahrzeugbetriebs
an ein Dienstmodul (Msj ) adressierte Anforderungsnachrichten (n2j ) und von diesem während des Fahrzeugbetriebs retournierte Antwortnachrichten (nj2 ) auf dem Kommunikationsbus (C) anhand der jeweils enthaltenen Busadressen zu detektieren und dabei zu erfassen,
4.3' die jeweils detektierte Nachricht (n2j,nj2 ) mit
einem aktuellen Zeitstempel (t2j,tj2 ) zu versehen
Unabhängiger Anspruch 1 des Hilfsantrages 2 basiert auf Ansprüchen 9 und 1 des Hauptantrages und lautet wie folgt :
M5 Verfahren zum Prüfen eines Fahrzeug-Bordsystems
mithilfe eines davon unabhängigen Prüfsystems(19)
M1 welches Fahrzeug-Bordsystem (2) eine Mehrzahl von
Modulen (MAi, Msj) hat, die über einen
Kommunikationsbus (C) miteinander in Verbindung
stehen und eindeutig adressierbar sind,
M2.1 wobei die Module (MAi, Msj) eine erste Gruppe
(GA) von zumindest zwei Applikationsmodulen(MAi)
zum Ausführen unterschiedlicher Applikationen
(Ai) und
M3.1 eine zweite Gruppe (Gs) von zumindest zwei
Dienstmodulen (Msj) zum Ausführen unterschied-
licher Dienste (Sj) bilden,
M2.2 wobei jedes Applikationsmodul (MAi) dafür ausge-
bildet ist, eine Anforderungsnachricht (nij) zur Dienstausführung über den Kommunikationsbus (C) an ein ausgewähltes Dienstmodul (Msj) zu adressieren,
M3.2 und jedes Dienstmodul (Msj) dafür ausgebildet
ist, nach einer Dienstausführung eine Antwortnachricht (nji) über den Kommunikationsbus (C)
an ein anforderndes Applikationsmodul (MAi) zu retournieren,
M2.3 wobei zumindest ein Applikationsmodul (MAi) eine
Vermautungsapplikation (A2) enthält und
M3.3 zumindest ein Dienstmodul (Msj) einen Kommunika-
tionsdienst (S1, S2) enthält,
M2.4 wobei sich die beiden Applikationsmodule (MAi)
zumindest eines der beiden Dienstmodule (Msj) teilen, indem sie Anforderungsnachrichten (nij) an ein und dasselbe Dienstmodul (Msj) adressieren, und wobei,
M4.1 das Fahrzeug-Bordsystem (2) ferner ein
Aufzeichnungsmodul (MA4) enthält, welches
M4.2' dafür ausgebildet ist, vom ersten Applikations-
modul (MA2) während des Fahrzeugbetriebs
an ein Dienstmodul (Msj) adressierte
Anforderungsnachrichten (n2j) und von diesem
während des Fahrzeugbetriebs retournierte
Antwortnachrichten (nj2) zu erfassen und
M4.3 jeweils mit einem aktuellen Zeitstempel (t2j,tj2 ) versehen
M4.4 in einem Speicher (18) von einem vom Fahrzeug- Bordsystem (2) unabhängigen Prüfsystem zum Prüfen
auslesbar aufzuzeichnen, und
M5.1 welches Prüfsystem (19) einen zumindest temporä-
ren Zugriff auf den Speicher (18) des Aufzeich-
nungsmoduls (MA4 ) hat, umfassend die Schritte:
M6.1 Auslesen (20) einer Anforderungsnachricht (n2j)
und einer zugehörigen Antwortnachricht (nj2),
die jeweils im Fahrzeugbetrieb erfasst werden, mitsamt ihren jeweiligen Zeitstempeln (t2j, tj2) aus dem Speicher (18),
M7 Prüfen (21), ob die Differenz der ausgelesenen
Zeitstempel (t2j , tj2) einen vorgegebenen Grenz-wert (tG ) überschreitet, und Bereitstellen (22) des Prüfergebnisses (P).
Entscheidungsgründe
1. Das Streitpatent betrifft ein elektronisches Fahrzeug- Bordsystem mit einer Mehrzahl von Modulen, welche über einen Kommunikationsbus miteinander in Verbindung stehen und eindeutig adressierbar sind und ein Prüfverfahren hierfür, siehe [0001] der Patentschrift. Die Erfindung setzt sich zum Ziel, ein elektronisches Fahrzeug-Bordsystem mit integrierter Vermautungsapplikation zu schaffen, welches mit hoher Effizienz arbeitet, siehe [0007].
2. Zulassung der D10 in das Verfahren
2.1 Die Beschwerdegegnerin brachte vor, dass die D10 von der Einspruchsabteilung, siehe Punkt 3.3 der Zwischenentscheidung, nicht zugelassen wurde und daher dem Beschwerdeverfahren nicht zugrunde läge. Die Zitierung der Beschwerdeführerin aus der D10 in ihren letzten Schriftsätzen ginge über notorisch bekanntes Fachwissen hinaus. D10 dürfe nicht als Entgegenhaltung genutzt werden.
2.2 Die Beschwerdeführerin brachte vor, dass die D10 frühzeitig im erstinstanzlichen Verfahren eingereicht worden war und zudem ein Lehrbuch über Kfz-Bussysteme darstelle. Sie sei in Reaktion auf die Anfrage der Kammer über das allgemeine Fachwissen auf dem Gebiet der Kfz-Bussysteme, siehe Punkt 6.15 der Mitteilung vom 29. Januar 2020, erneut vorgelegt und diskutiert worden.
2.3 Im Beschwerdeverfahren bezog sich die Beschwerdeführerin erstmals in ihrem Schreiben vom 5. Juni 2020 auf das Dokument D10. Dieses Schreiben erfolgte innerhalb der von der Kammer in ihrer Mitteilung gemäß Regel 100 (2) EPÜ gesetzten Frist. Damit ist über die Zulassung der D10 in das Verfahren gemäß Artikel 13 (1) VOBK 2020 zu entscheiden. Das Dokument ist ein Lehrbuch und zur Bewertung des allgemeinen Fachwissens relevant. Das Dokument war beiden Parteien bereits bekannt. In ihrer Mitteilung hob die Kammer die Bedeutung des allgemeinen Fachwissens für die Bewertung der erfinderischen Tätigkeit hervor und der auf D10 gestützte Vortrag wurde in Reaktion darauf eingereicht. Dass D10 im erstinstanzlichen Verfahren nicht zugelassen wurde, ist in diesen Zusammenhang unerheblich. Aus den oben genannten Gründen lässt die Kammer das Dokument D10 in das Verfahren zu.
3. Hauptantrag - Artikel 100(a) und Artikel 56 EPÜ
3.1 Es ist unstrittig, dass D1 den nächstliegenden Stand der Technik darstellt. Es ist ebenfalls unstrittig, dass sich Anspruch 1 von der D1 durch die Merkmale M4.1, M4.2', M4.3 und M4.4 unterscheidet. Strittig unter den Parteien ist insbesondere die Interpretation des Merkmales M4.2', sowie die Formulierung der objektiven technischen Aufgabe.
Interpretation des Merkmales M4.2' : Selektivität des Detektierens
3.2 Die Beschwerdegegnerin führt aus, dass die Erfindung für eine paarweise Detektion von Nachrichten spezifisch ausgebildet sei. Paarweise Detektion bedeute dabei, dass ein bestimmtes erstes Applikationsmodul ausgewählt werde und dann alle Nachrichtenpaare detektiert und erfasst werden, die dieses Modul mit Dienstmodulen auf dem Bus austausche. Dies erfolge anhand der Adressen. Die spezifische Ausbildung manifestiere sich im Merkmal M4.2', wo eben nicht das Erfassen einer beliebigen Nachricht erfolge, sondern gerade der detektierten Nachricht und zwar derjenigen, die von einem konkreten (ersten) Applikationsmodul an ein Dienstmodul adressierten Anforderungsnachrichten und der von (genau) diesem retournierten Antwortnachrichten. Es handle sich hierbei um das "Detektieren" und "Erfassen" von Nachrichtenpaaren aus Anforderungs- und zugehöriger Antwortnachricht. Der Begriff "Detektieren" könne nur im Lichte des Streitpatents, siehe [0048] und [0049], sowie Abbildung 3, oberer linker Teil, als "selektiv" verstanden werden. Dem Begriff müsse die im Streitpatent bestimmte Bedeutung gegeben werden.
Die Beschwerdegegnerin führte u.a. die T 1321/04, Ziffer 2.2 und 2.3, an zur Unterstützung, dass den Begriffen "Detektieren" und "Erfassen" die in der Patentanmeldung genannte besondere Bedeutung gegeben werden müsse, da jede Patentanmeldung ihr eigenes Wörterbuch sei.
3.3 Die Beschwerdeführerin argumentiert im Wesentlichen, dass die Formulierung des Merkmales M4.2' nicht ausschließe, dass auch andere Nachrichten detektiert und erfasst werden. Eine selektive Erfassung von nur "ausgewählten" Nachrichtenpaaren erscheint auch nicht geboten zur späteren Überprüfung der Nachrichten (Merkmal M4.4), das die Überprüfung nicht weiter definiere. Weiterhin argumentiert die Beschwerdeführerin, dass das Erfassen einer Nachricht, was einem "logging" entspreche, natürlich deren Detektion voraussetze. Damit habe das im Merkmal 4.2' definierte
"Detektieren" keine einschränkende Bedeutung, da es bereits im merkmalsgemäßen "Erfassen" impliziert sei. [0049] des Streitpatents sei nicht zur Interpretation heranzuziehen, da dort kein "Erfassen" offenbart sei. Dort werde nur von einer Detektion von Nachrichten gesprochen, die dann aufgezeichnet werden.
3.4 Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin zu, dass es im Stand der Technik über Kfz-Bussysteme üblich war Nachrichten eindeutig zu adressieren, vor allem bei Unicast und Multicast Protokollen. Derartige Bussysteme sind sowohl in der Erfindung, [0029] der B-Schrift, wie auch in der D1, [0022], genannt. In der D1, [0046][0048], kommunizieren Applikationsmodule APP mit Dienstmodulen über einen Bus. Dies kann als Unicast oder Multicast gewertet werden, die grundlegende Kommunikationsprinzipien von Kfz-Bussystemen darstellen. In diesem Zusammenhang hat die Beschwerde-führerin zu Recht auf die D10 verwiesen, Seite 13, wo das Senden von Nachrichten auf einen Bus an einen bestimmten Empfänger (Unicast) oder an eine Gruppe von Empfängern (Multicast) als grundlegende Techniken erwähnt sind. In beiden Fällen wird Adressierungsinformation über die Empfänger und Sender in der Form eines Nachrichten-Headers, Bild 3.1.7 auf Seite 14, übertragen. Beim Request-Response-Verfahren, Seite 19, zweiter Absatz, Seite 20, Abbildung 3.1.14, fordert ein Gerät ein anderes gezielt durch eine Anfrage-nachricht auf, Informationen zu liefern, und erhält eine dedizierte Antwortnachricht.
Ein derartiges Fachwissen ist nach Meinung der Kammer sowohl bei der Interpretation der Erfindung, wie auch bei der D1 und der D5 zugrunde zu legen.
3.5 Die Kammer stimmt der Beschwerdeführerin zu, dass das Merkmal M4.2' breit zu interpretieren ist. Der Anspruch 1 schließt die Erfassung anderer Nachrichten nicht aus und eine paarweise Aufzeichnung ist im Anspruch nicht definiert. Aus Abbildung 3 und [0049] lässt sich nur ableiten, dass bei der Erfassung einer Anforderungsnachricht n2j und einer dazugehörigen Antwortnachricht nj2, Schritt 16', jede mit einem Zeitstempel versehen wird und beide Nachrichten aufgezeichnet werden, Schritt 17. Eine temporäre Zwischenspeicherung ist im Streitpatent nicht offenbart, also wird wohl jede einzelne Nachricht detektiert und mit dem passenden Zeitstempel aufgezeichnet. Es findet sich keine Grundlage für eine paarselektive Aufzeichnung im Sinne einer gemeinsamen Ablage als Nachrichtenpaar, wie von der Beschwerdegegnerin geltend gemacht wurde.
3.6 In der Entscheidung T 1321/04 wird in Ziffer 2.3 ebenfalls angeführt, dass der Fachmann zum Verständnis der Bedeutung der in einem Patentdokument verwendeten Begriffe die Begriffe nicht isoliert vom Rest des Dokuments betrachtet, sondern vielmehr im Zusammenhang mit dem Inhalt des gesamten Dokuments. In der vorliegenden Patentanmeldung wird in den Ausführungs-beispielen durchwegs von einem "Detektieren" der Nachrichten gesprochen, die dann aufgezeichnet werden und nur in [0051] wird von einem "Detektieren und dabei Erfassen" gesprochen. Die Kammer schließt daraus, dass den Begriffen "Erfassen" und "Detektieren" keine besondere Bedeutung zugeordnet werden kann, sondern beide sind als gleichwertig zu werten.
Formulierung der objektiven technischen Aufgabe
3.7 Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass sich aus den Unterscheidungsmerkmalen die objektive technische Aufgabe ergebe: "Wie kann die Überprüfbarkeit einer korrekten Kommunikation der CAN-Bus-Module der D1 hergestellt werden ?" Die Unterscheidungsmerkmale wirkten bei der genannten Aufgabe zusammen ohne weiteren synergistischen Effekt, siehe T 926/11, Ziffer 3.5.
3.8 Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass eine solche Aufgabenstellung nur aufgrund einer rückschauenden Betrachtungsweise formuliert werden könne und daher unzulässig sei.
Nach Meinung der Beschwerdegegnerin könne die Schluss-folgerung aus der T 926/11, Ziffer 3.5, nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden, da es sich in dieser Entscheidung um das Fachgebiet der Mechanik handelt und um die Wechselwirkung zwischen zwei Gehäusen, während es sich beim vorliegenden Patent um das Fachgebiet von Fahrzeugbussystemen handelt.
3.9 Die Kammer ist der Meinung, dass die T 926/11, Ziffer 3.4, Bedingungen erläutert, die durchaus auf den vorliegenden Fall übertragen werden können. So führte die damalige Kammer aus, wann ein synergetischer Effekt vorliegt, nämlich wenn die Wirkung die insgesamt durch die Merkmale erreicht wird, über die Summe der durch jedes einzelne Merkmal erreichbaren Wirkung hinausgeht. Die damalige Kammer führte noch aus, dass es nicht ausreichend ist, wenn die Merkmale lediglich dieselbe technische Aufgabe lösen oder gleichartige Wirkungen haben, die sich zu einer verstärkten, aber ansonsten unveränderten Wirkung summieren (Rechtsprechung, 7. Auflage 2013, I.D.9.2, Seite 236, zweiter Absatz). Im vorliegenden Fall ist die Zusammenwirkung der beiden Merkmalsgruppen nur darin zu sehen, dass die Daten so aufgezeichnet werden, dass sie von einem Prüfsystem auslesbar sind. In diesem Merkmal sieht die Kammer keine spezifische technische Einschränkung.
3.10 Die Kammer ist des Weiteren der Meinung, dass die Formulierung der objektiven technischen Aufgabe durch die Beschwerdeführerin nicht als rückschauend betrachtet werden kann. Es ist ein prinzipielles Merkmal des der D1 zugrundeliegenden Kommunikationsbusses, dass Anforderungs- und Antwortnachrichten auf dem Bus ausgetauscht werden. Der Fachmann würde sich daher bei der Überprüfbarkeit der korrekten Kommunikation der CAN-Bus-Module der D1 für die Nachrichten der Applikation- und Dienstmodule interessieren, da es Grundlage der D1 ist, dass ein Applikationsmodul per Anforderungsnachricht den Dienst eines Dienstmoduls anfordert und die Anforderung per Antwortnachricht quittiert wird, siehe [0046] bis [0049]. Des Weiteren wird an die Aufzeichnung der detektierten und erfassten Nachrichten nach Anspruch 1 keine besondere Anforderung gestellt, sondern nur, dass diese auslesbar aufgezeichnet werden, für ein vom Bordsystem unabhängiges Prüfsystem.
Heranziehen der D5
3.11 Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass die Unterscheidungsmerkmale aus der D5, im Lichte des Fachwissens, wie in der D10 offenbart, bekannt seien.
D5 sei eine konkrete Ausführung eines Datenloggers,
wie er in der D10, Bild 8.5.2, zur Diagnose von Kfz-Bussystemen erwähnt ist, Seite 366, vierter Bulletpunkt. Der Datenlogger der D5 führe ein erweitertes Loggen von ausgewählten Nachrichten des Kfz-Busses durch, siehe Abschnitt 3.1.2, wofür sogenannte "pass filter" definiert werden, um nur bestimme Nachrichten zu loggen. Der Anschluss an den Kfz-Bus in Echtzeit erlaube die aufgenommenen Daten
mit einem präzisen Zeitstempel, siehe Abschnitt 3.4, zweiter Bulletpunkt, zu versehen. Der Datenlogger könne an einen PC angeschlossen werden, siehe Abschnitt 5.1, über den er konfiguriert werde und auf den Daten hochgeladen werden können zur weiteren Verwendung, siehe Abschnitt 3.5, zweiter Bulletpunkt. Die Daten seien auslesbar aufgezeichnet. Eine Verwendung der Daten zu Prüfzwecken sei im Rahmen des allgemeinen Fachwissens bekannt.
3.12 Die Beschwerdegegnerin argumentiert hingegen, dass es unterschiedlichste Arten gebe, wie eine Überprüfung der Kommunikation realisiert werden könne. So könnten ja zunächst alle Daten gelogged und danach gefiltert werden. Es könne auch eine LED-Lampe leuchten, wenn die Kommunikation gestört sei. Der Fachmann würde daher die D5 überhaupt nicht zu Lösung heranziehen. Des Weiteren offenbare die D5 nicht das selektive Detektieren von Nachrichtenpaaren.
3.13 Für die Kammer erscheint der Einsatz von Daten-Loggern auf dem Gebiet der Kfz-Bussysteme fachüblich zu sein, unter Verweis auf D10, Seite 364, Abschnitt 8.5, sowie die Analyse der erfassten Daten mittels Diagnosetester, um das Zeitverhalten des Systems zu erfassen, und zu prüfen, üblicherweise mittels eines stationären PCs, Seite 365, erster Satz. Es ist daher also auch naheliegend, dass der Fachmann zur Lösung der gestellten Aufgabe die D5 zu Rate ziehen würde.
Der Fachmann entnimmt der D5 einen Daten-Logger, der so konfiguriert werden kann, dass er nur bestimmte Nachrichten aufzeichnet, siehe Abschnitt 3.1.2, wobei die Filterung anhand der "identifiers", also der Adressen der Nachrichten erfolgt. Die Nachrichten werden dabei mit einem Zeitstempel versehen, siehe Abschnitt 3.4, zweiter Bulletpunkt, und so aufgezeichnet, dass sie auslesbar sind und zwar für einen PC, der für die weitere Analyse, im Sinne einer Prüfung, u.a. mittels Matlab, geeignet ist, siehe Abschnitt 3.5, zweiter Bulletpunkt.
Die Kammer kommt daher zur abschließenden Bewertung, dass es dem Anspruch 1 an erfinderischer Tätigkeit fehlt gegenüber der D1 in Kombination mit der D5 im Lichte des Fachwissens, wie z.B. in der D10 offenbart.
4. Hilfsantrag 1
Artikel 100(a) und Artikel 56 EPÜ
4.1 Die Beschwerdeführerin bringt vor, dass die Verwendung von Adressen beim Austausch von Nachrichten auf einem Kommunikationsbus fachüblich sei. Die in der D5 angeführte Filterung von Nachrichten sei adressbasiert, da sich der in Abschnitt 3.1.2 verwendete "identifier" Begriff nur auf Adressen beziehen könne. Für den Fachmann von Kfz-Bussystemen sei es wichtig zu wissen, ob die Module harmonieren, was sich im Lichte der D10 auf eine Echtzeitsteuerung der Module beziehe.
4.2 Die Beschwerdegegnerin argumentierte dagegen, dass D5 verlange, dass vorab definiert werde, welche Nachrichten man ausfiltern möchte. Der Daten-Logger der D5 sei aber nicht ausgebildet und geeignet bestimmte Nachrichtenpaare, das heißt, eine Anforderungsnachricht und die dazugehörige Antwortnachricht, adressbasiert zu loggen. Dies sei auch nicht aus dem allgemeinen Fachwissen ableitbar. Die spezielle Anpassung (Merkmal M4.2') des Daten-Loggers stelle einen zusätzlichen Schritt dar, der über eine Kombination der D1 mit der D5 hinausgehe.
4.3 Die Kammer kann nicht erkennen, warum die in der D5 erwähnten "identifier" nicht Busadressen entsprechen sollten, da die Adressierung von Nachrichten über die Adressen der am Bus beteiligten Module zum Fachwissen gehört. Wenn nun aber die D5 lehrt die Filter so zu konfigurieren, dass Nachrichten anhand von ihren Adressen gefiltert und aufgezeichnet werden, dann kann sich aus dem Merkmal M4.2'' kein Unterschied begründen.
Die Kammer kommt daher zur abschließenden Bewertung, dass es dem Anspruch 1 an erfinderischer Tätigkeit fehlt gegenüber der D1 in Kombination mit der D5 im Lichte des Fachwissens, wie z.B. in der D10 offenbart.
5. Hilfsantrag 2
Zulassung in das Verfahren
5.1 Die Beschwerdeführerin begründet ihren erst während der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag auf Nicht-Zulassung des Hilfsantrags 2 mit der fehlenden Konvergenz des Antrags gegenüber dem Hauptantrag bzw. dem Hilfsantrag 1 sowie dem vorgenommenen Wechsel des beanspruchten Gegenstands. Außerdem dürfe der Antrag nicht zugelassen werden, da er gegen Artikel 82 EPÜ (Einheitlichkeit der Erfindung) verstoße und seine Gewährbarkeit eine Verletzung des Verschlechterungsverbots darstellen würde.
5.2 Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass Hilfsantrag 2 bereits im Einspruchsverfahren eingereicht wurde und Teil des Beschwerdeverfahrens sei. Das Verschlechterungsverbot greife nicht, denn der mit Hilfsantrag 2 beanspruchte Gegenstand der Erfindung sei nicht weiter als der von der Einspruchsabteilung für gewährbar erachtete Hilfsantrag 1.
5.3 Der Hilfsantrag 2 wurde mit der Beschwerdeerwiderung am 26. November 2018 eingereicht. Er ist identisch mit dem am 11. Oktober 2017 während des Einspruchsverfahrens eingereichten Hilfsantrag 3. Da die Beschwerde-begründung sowie die Erwiderung vor dem 1. Januar 2020 eingereicht wurden, ist die Zulassung von Hilfsantrag 2 nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 zu beurteilen (Artikel 25 (2) i.V.m. Artikel 24 VOBK 2020).
5.4 Gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007 wird grundsätzlich das gesamte Vorbringen der Parteien, das sie mit der Beschwerdebegründung bzw. der Beschwerdeerwiderung einreichen, im Beschwerdeverfahren berücksichtigt. Dieser Grundsatz kennt zwei Ausnahmen. Die Kammer hat ein Ermessen, Vorbringen nicht zuzulassen, welches bereits im erstinstanzlichen Verfahren hätte vorgebracht werden können oder dort nicht zugelassen worden ist. Außerdem kann sie Vorbringen nicht zulassen, wenn sich dieses nicht auf die Beschwerdesache bezieht oder die Erfordernisse von Artikel 12 (2) VOBK 2007 nicht erfüllt.
5.5 Keine dieser Ausnahmen ist im vorliegenden Fall einschlägig. Zu letzterem gab es von keiner der Parteien einen Vortrag und es ist demnach unstreitig, dass sie nicht zutrifft. Auch die erste Ausnahme trifft nicht zu, da der Hilfsantrag 2 bereits im erstinstanzlichen Verfahren (als Hilfsantrag 3) eingereicht und nicht zurückgenommen wurde, und es keine Entscheidung der Einspruchsabteilung gibt, diesen Antrag nicht zuzulassen.
5.6 Das Argument der Beschwerdeführerin, dass der Antrag wegen fehlender Konvergenz, Wechsel des beanspruchten Gegenstands sowie fehlender Einheitlichkeit nicht zugelassen werden solle, kann dieses Ergebnis nicht in Frage stellen, denn weder fehlende Konvergenz, noch Wechsel des beanspruchten Gegenstands noch mangelnde Einheitlichkeit spielen bei den oben gemachten Überlegungen zu Artikel 12 (4) VOBK 2007 eine Rolle. In Bezug auf die Einheitlichkeit möchte die Kammer außerdem darauf hinweisen, dass es im Einspruchsverfahren, und somit auch im Einspruchsbeschwerdeverfahren, unerheblich ist, ob das Patent in geändertem Umfang dem Erfordernis der Einheitlichkeit entspricht oder nicht (G 1/91). Zusammenfassend gibt es nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 keinen Grund, Hilfsantrag 2 nicht in das Verfahren zuzulassen.
5.7 Im Zuge der Diskussion um die Zulassung des Hilfsantrags 2 argumentierte die Beschwerdeführerin außerdem, dass Hilfsantrag 2 auch schon deshalb nicht zugelassen werden dürfe, da er gegen das Verschlechterungsverbot verstoße.
5.8 Ungeachtet der Frage, ob das Verschlechterungsverbot zur Nicht-Zulassung oder Zurückweisung eines Antrags führt, kann die Kammer der Argumentation der Beschwerdeführerin nicht folgen. Das Verschlechterungsverbot besagt, dass grundsätzlich keine Entscheidung getroffen werden darf, die einen Beschwerdeführer schlechter stellen würde als die angefochtene Entscheidung (G 1/99, Gründe 2.1). In der angefochtenen Entscheidung entschied die Einspruchsabteilung, dass das Patent in der Fassung des damaligen Hilfsantrags 1, der dem jetzigen Hauptantrag entspricht, den Erfordernissen des EPÜ genügt. Dieser Antrag (nachfolgend Hauptantrag") beinhaltet 13 Ansprüche. Anspruch 1 ist ein unabhängiger Produktanspruch und Ansprüche 2-8 sind davon abhängige Produktansprüche. Ansprüche 9 und 10 sind Verfahrensansprüche nach einem der vorangehenden Produktansprüche, und Ansprüche 11-13 sind von den Verfahrensansprüchen abhängige Ansprüche.
5.9 Der Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Hauptantrag dadurch, dass die Produktansprüche 1-8 gestrichen wurden, und dass die Merkmale des Anspruchs 1 in die Verfahrensansprüche 9 und 10 (im Hilfsantrag 2 um-nummeriert zu 1 und 2) aufgenommen wurden, allerdings mit den folgenden zwei Streichungen in den Merkmalen 4.1 und 4.2'':
wobei das Fahrzeug-Bordsystem (2) ferner ein Aufzeichnungsmodul (MA4) enthält, welches [deleted: an den Kommunikationsbus (C) angeschlossen und] dafür ausgebildet ist, vom ersten Applikationsmodul (MA2) während des Fahrzeugbetriebs an ein Dienstmodul (MSj) adressierte Anforderungsnachrichten (n2j) und von diesem während des Fahrzeugbetriebs retournierte Antwortnachrichten (nj2) [deleted: auf dem Kommunikationsbus (C) zu detektieren und dabei] zu erfassen"
5.10 Die Streichung der Produktansprüche stellt an sich eine Einschränkung des beanspruchten Gegenstands dar. Die Beschwerdeführerin beanstandet allerdings, dass die Streichung der Merkmale an den Kommunikationsbus (C) angeschlossen" sowie auf dem Kommunikationsbus (C) zu detektieren und dabei" im Vergleich zu den Verfahrens-ansprüchen des Hauptantrags eine Erweiterung des beanspruchten Gegenstands bewirke und somit zu einem erweiterten Schutzbereich führe. Sollte die Kammer den Hilfsantrag 2 für gewährbar erachten, würde diese Entscheidung sie somit schlechter stellen als die angefochtene Entscheidung. Dies sei mit dem Verschlechterungsverbot nicht vereinbar.
5.11 Die Kammer sieht in der Streichung des Wortlauts an den Kommunikationsbus angeschlossen" sowie auf dem Kommunikationsbus" keine Erweiterung des beanspruchten Gegenstands, da es sich hierbei um implizierte Merkmale handelt, die in jedem Fall vom Fachmann mitgelesen werden. Es handelt sich dabei lediglich um redundanten Wortlaut, weil im Anspruch eingangs bereits spezifiziert ist "welches Fahrzeug Bordsystem (2) eine Mehrzahl von Modulen (MAi, MSj) hat, die über einen Kommunikationsbus (C) miteinander in Verbindung stehen und eindeutig adressierbar sind", also auch das Aufzeichnungsmodul (MA4). Die Beschwerdeführerin trat dieser in der mündlichen Verhandlung erörterten Anspruchsauslegung nicht entgegen, sondern argumentierte allgemeiner Natur, dass das Streichen von Merkmalen als solches bereits einen erweiterten beanspruchten Gegenstand zur Folge habe.
5.12 Auch in der Streichung des Teilmerkmals zu detektieren?" kann die Kammer keine Erweiterung des beanspruchten Gegenstands erkennen. Wie im Zusammenhang mit der erfinderischen Tätigkeit ausführlich dargelegt, betrachtet die Kammer diesen Wortlaut als nicht einschränkend. Sie stimmt in diesem Punkt dem Vortrag der Beschwerdeführerin zu, die die fehlende erfinderische Tätigkeit des Hauptantrags vor allem damit begründet hat, dass dem Teilmerkmal detektieren" keine einschränkende Bedeutung zukommt. Eine andere Anspruchsauslegung kann die Kammer ihrer Entscheidung zum Verschlechterungsverbot nicht zugrunde legen. Somit verstößt eine Entscheidung zugunsten des Hilfsantrags 2 nicht gegen das Verschlechterungsverbot.
Artikel 100(a) und Artikel 56 EPÜ
5.13 Die Beschwerdeführerin verweist auf ihre Ausführungen zu Anspruch 11 im erstinstanzlichen Schreiben vom 10. Oktober 2017, Seite 7 bis 9. Sie argumentiert, dass Merkmale M5.1 und M6.1 durch den PC der D5 vorweggenommen seien, der temporär über eine USB- Schnittstelle an den Datenlogger angeschlossen werden kann, siehe Abschnitt 4.2, wobei ein Datenupload zum PC, Abschnitt 3.3, 7. Bulletpunkt, erfolgen kann und ein Export der hochgeladen Daten über die Memorator Tools, Abschnitt 3.5, 2. Bulletpunkt. Merkmal M7 verlange keine Überprüfung im technischen Sinn, sondern nur einen Vergleich der Zeitstempel der Nachrichten, u.a. als die Einordnung eines Differenzwertes in eine von drei Kategorien (größer als, gleich oder kleiner als der vorgegebene Grenzwert), und als eine Art Anweisung für den Fachmann. Es werde mit diesem Merkmal kein technischer Effekt erreicht und damit auch kein technisches Problem gelöst. Es sei zudem bereits aus der D5 bekannt, dass Nachrichten mit einem Zeitstempel versehen sind, der bekanntermaßen im Lichte des Fachwissens der Überprüfbarkeit diene.
5.14 Die Beschwerdeführerin argumentierte auch, dass D10 als Fachwissen über Prüfsysteme zu werten sei und wie diese umgesetzt werden. So entnehme der Fachmann der D10, dass in der Fahrzeugsteuerung wichtig ist, wie die am Bus angeschlossenen Module in Echtzeit zusammen-arbeiten. So offenbare D10 u.a. einen Analyser, Seite 366, dritter Bulletpunkt, wo in der Analyse auf das Zeitverhalten der gesendeten Nachrichten abgestellt wird. Insbesondere die samDia Software, Seite 366 und folgende, erlaube es unterschiedliche Kommunikationsszenarien zu untersuchen, unter anderem in einer Simulation Anforderungs- und Antwortnachricht zu untersuchen.
5.15 Die Beschwerdegegnerin verweist auf ihr Schreiben vom 29. Mai 2020, Punkt 3.2. Speziell im Merkmal M6.1 sei ein paar-selektives Auslesen von Anforderungs- und Antwortnachricht und das Prüfen des Zeitverhaltens genau dieser Nachrichten definiert. Der Datenlogger der D5 sei kein Prüfsystem, sondern diene alleine der Datenaufzeichnung. Des Weiteren verlange Anspruch 1 klar ein Prüfsystem, das die Schritte M6.1 und M7 ausführe, und könne daher keine Person sein, die den Datenlogger bedient. Ein solches Prüfsystem sei aber weder in der D1 noch der D5 offenbart. Des Weiteren führte die Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung aus, dass eine Überprüfung der Kommunikation von Modulen auf einem Kfz-Bus eine Vielzahl von unterschiedlichen Auswertungsmöglichkeiten umfasse. So spreche die D10 neben Latenz auch Jitter, Bitrate, Inter-Block- oder Inter-Byte Zeiten als Übertragungsprobleme an, siehe Seite 367, erster Absatz. Ausgehend von D1 und D5 hätte der Fachmann keine Anregung, welches dieser Übertragungsprobleme wie konkret auf Grundlage geloggter Daten zu überprüfen sei. Außerdem seien die von der Beschwerdeführerin angeführten Passagen aus D10 nicht mehr allgemeines Fachwissen, sondern bezögen sich auf eine konkrete Software mit Namen samDIA (vgl. Abschnitt 8.5.1). D10 würde somit als weitere Entgegenhaltung angeführt und nicht zum Nachweis des allgemeinen Fachwissens.
5.16 Die Kammer stellt zunächst fest, dass die Merkmale M5.1, M6.1 und M7 unzweifelhaft technischen Charakter haben und daher voll und ganz bei der Bewertung der erfinderischen Tätigkeit heranzuziehen sind. Tatsache ist, dass weder die D1 noch die D5 ein Prüfsystem mit den genannten Merkmalen offenbaren. Der Datenlogger der D5 kann zwar an einen PC angeschlossen werden und es können Daten ausgelesen und auf den PC hochgeladen werden, jedoch entspricht dies nicht einem paarweise selektiven Auslesen von Anforderungs- und Antwortnachricht wie im Merkmal M5.1 definiert ist. Der aus der D5 bekannte PC müsste als Prüfsystem in der beanspruchten Form weitergebildet werden. Ein solcher Schritt mag für sich genommen naheliegend sein, er stellt aber einen weiteren Schritt dar, der über eine Kombination von der D1 mit der D5 hinausgeht und daher nicht als naheliegend zu werten ist (Schritttheorie). Die Kammer ist hierbei der Meinung, dass die von der Beschwerde-führerin angeführten Passagen von D10 bei der Auslegung der D1 bzw. der D5 nicht als notorisches Fachwissen hinsichtlich den Merkmalen eines Prüfsystems betrachtet werden können.
5.17 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrages 2 ist daher als erfinderisch zu werten gegenüber einer Kombination von D1 mit der D5 im Lichte des Fachwissens, wie z.B. in der D10 offenbart.
5.18 Die Beschwerdeführerin hat darüber hinaus nicht überzeugend dargelegt, weshalb eine Kombination dreier Druckschriften D1 mit D5 und D10 diesen Gegenstand nahelegt. Insbesondere wurde nicht überzeugend dargelegt, weshalb der Fachmann auf Grundlage von D1 kombiniert mit D5 zur weiteren Druckschrift D10 gelangen würde.
6. Rüge nach Regel 106 EPÜ
6.1 Die Beschwerdeführerin beanstandet in ihrer Rüge nach Regel 106 EPÜ einen schwerwiegenden Verfahrensmangel nach Artikel 112a (2) EPÜ. Der Verfahrensmangel sei durch die Zulassung des Hilfsantrags 2 in das Verfahren begründet. Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass sie keinen Verfahrensmangel erkennen kann, der unter einen der in Artikel 112a (2) a) bis e) EPÜ aufgelisteten Tatbestände fällt.
6.2 Die Kammer kann der Argumentation der Beschwerde-führerin nicht folgen. Die Beschwerdeführerin führt in ihrer Rüge aus, warum ihrer Meinung nach der Hilfsantrag 2 nicht hätte in das Verfahren zugelassen werden dürfen. Diese Punkte wurden aber während der mündlichen Verhandlung diskutiert. Dass die Beschwerdeführerin die Schlussfolgerung der Kammer zu diesen Punkten nicht teilt, hat nichts mit einem angeblichen schwerwiegenden Verfahrensmangel zu tun, sondern damit, dass die Kammer nach Auffassung der Beschwerdeführerin bei der Frage der Zulassung des Hilfsantrags 2 eine fehlerhafte Beurteilung des Sachverhalts vorgenommen hat. Aber selbst wenn dies der Fall gewesen wäre, so stellt dies keinen Verfahrensmangel dar.
6.3 Die Rüge wird daher zurückgewiesen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Rüge gemäß Regel 106 EPÜ wird zurückgewiesen.
2. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
3. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent auf der Grundlage des Hilfsantrags 2, eingereicht mit Schreiben vom 26. November 2018, und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.