T 2097/10 12-07-2012
Download and more information:
Vakuumpumpe
Zulassung verspäteter Druckschriften - neuer Einspruchsgrund - Einspruchsumfang, im Ermessen der Einspruchsabteilung, Verfahrensverlauf - kein wesentlicher Verfahrensfehler
Rückzahlung der Beschwerdegebühr (nein)
Hauptantrag - Hilfsanträge 1 und 2, erfinderische Tätigkeit (nein)
Hilfsantrag 3 - erfinderische Tätigkeit (ja)
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat am 6. Oktober 2010 gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 28. Juli 2010 das Patent zu widerrufen, Beschwerde eingelegt, gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet, und am 7. Dezember 2010 eine schriftliche Begründung der Beschwerde eingereicht.
II. Der Einspruch wurde auf den Einspruchsgrund nach Artikel 100(a) (erfinderische Tätigkeit) EPÜ 1973 gestützt. Das Patent wurde aufgrund unzulässiger Erweiterungen im Hauptantrag und mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Hilfsantrags widerrufen.
III. Folgende Druckschrift haben in diesem Verfahren eine Rolle gespielt:
D2: US-A-5 100 308
D6: DE-B-195 19 841
D7: EP-A-0 320 795
D18: DE-A-195 39 136
D19: JP-A-5-19717 mit Deutscher Übersetzung
IV. Am 12. Juli 2012 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in unveränderter Fassung gemäß Hauptantrag, oder hilfsweise auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 oder 2, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, weiter hilfsweise auf der Grundlage des Hilfsantrags 3 eingereicht in der mündlichen Verhandlung, aufrechtzuerhalten. Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr wurde ebenfalls beantragt.
Die Beschwerdeführerin hat im Wesentlichen folgendes vorgetragen:
Die Einspruchsabteilung habe ihr Ermessen falsch angewendet, als sie Druckschriften in das Verfahren aufgenommen hat, die so verspätet eingereicht wurden, dass dies einem Verfahrensmissbrauch gleich kam. Ferner habe sie eine Ausweitung des Einspruchsumfangs erlaubt, der Patentinhaberin aber keine Gelegenheit gegeben, wie von ihr angekündigt, neue Anträge einzureichen. Dies seien wesentliche Verfahrensfehler, die eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechfertigen würden.
Die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe sei darin zu sehen, eine Vakuumpumpe zu schaffen, deren Rotor ein geringes Massenträgheitsmoment aufweise und keiner massiven und aufwendigen Bauweise bedürfe.
Der in D7 offenbarte Rotor habe ein so komplizierter Aufbau, dass der Fachmann nicht in Erwägung ziehen würde, diesen aus Kunststoff herzustellen. Der in D2 beschriebene Rotor sei zweistückig und von dem aus D7 bekannten Rotor so verschieden, dass der Fachmann diese Druckschrift nicht herangezogen hätte, um die der Erfindung zugrunde liegende Aufgabe zu lösen. D6 offenbare keinen einstückigen Rotor, da das Drehmoment über eine Kupplung an eine Metallfeder und über diese in den Flügel und den Rotor eingeleitet werde, so dass der Fachmann auch D6 nicht zur Lösung der gestellten Aufgabe heranziehen würde.
Des Weiteren offenbare D7 keine durch einen geschlossenen Ring miteinander verbundenen Antriebssegmente.
Keine der genannten Druckschriften offenbare eine Vakuumpumpe, die über ein mit einer topfförmigen Blechkappe versehenes Zweiflach angetrieben werde. Auch unter Berücksichtigung von D19, die eine Verschleißschutzkappe offenbare, werde der Gegenstand des Anspruchs 2 der Hilfsanträge 1 und 2, bzw. des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 nicht nahegelegt.
Hilfsantrag 3 unterscheide sich vom Hilfsantrag 1 lediglich dadurch, dass der Anspruch 1 gestrichen worden sei. Es handle sich daher nicht um einen neuen Hilfsantrag und deswegen sei er auch zuzulassen.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) hat mit Schreiben vom 27. Oktober 2010 den Einspruch zurückgenommen und ist somit nicht mehr an diesem Verfahren beteiligt.
V. Die unabhängigen Ansprüche lauten wie folgt:
Hauptantrag:
"1. Vakuumpumpe mit einem antreibbaren Rotor (1), über den ein Flügel in einem Gehäuse in Rotation versetzbar ist, wobei der Rotor (1) aus Kunststoff besteht und einstückig ausgebildet ist, wobei am Rotor (1) jeweils eine Gegenfläche (43) für eine Auflagefläche (41) einer Kupplung (35) vorgesehen ist, wobei über die Gegenfläche (43) ein von der Antriebswelle übertragenes Drehmoment in den Rotor (1) einleitbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass sich die Gegenflächen (43) an jeweils einstückig mit dem Rotor verbundenen Antriebssegmenten (45A, 45B) befinden."
"2. Vakuumpumpe, insbesondere nach Anspruch 1, mit einem antreibbaren Rotor (1), über den ein Flügel in einem Gehäuse in Rotation versetzbar ist, wobei der Rotor (1) aus Kunststoff besteht und einstückig ausgebildet ist, wobei am Rotor (1) jeweils eine Gegenfläche (43) für eine Auflagefläche (41) einer Kupplung (35) vorgesehen ist, wobei über die Gegenfläche (43) ein von der Antriebswelle übertragenes Drehmoment in den Rotor (1) einleitbar ist, dadurch gekennzeichnet, dass zwischen dem Rotor (1) und der Kupplung eine Verschleißschutzeinrichtung (51) angeordnet ist."
Im Vergleich zum Anspruch 1 des Hauptantrags fügt Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 die folgenden kennzeichnenden Merkmale hinzu: "wobei mindestens zwei Antriebssegmente (45A, 45B) vorgesehen sind, die durch einen geschlossenen Ring (47) miteinander verbunden sind."
Im Vergleich zum Anspruch 2 des Hauptantrags fügt Anspruch 2 des Hilfsantrags 1 die folgenden kennzeichnenden Merkmale hinzu: "wobei ein erster, vorzugsweise als Zweiflach (9) ausgebildeter Längsabschnitt (7) des Rotors (1) mit einer topfförmigen, vorzugsweise aus Blech bestehenden Kappe (51) versehen ist."
Im Vergleich zum Anspruch 1 des Hauptantrags fügt Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 die folgenden kennzeichnenden Merkmale hinzu: "wobei der Rotor (1) zwei Lager (13, 21) aufweist und dass der Durchmesser mindestens eines der Lager (21, 13) kleiner, vorzugsweise wesentlich kleiner, als der Rotordurchmesser im Bereich des Schlitzes (3) ist, mindestens zwei Antriebssegmente (45A, 45B) vorgesehen sind, die durch einen geschlossenen Ring (47) miteinander verbunden sind und der Ring (47) auch als Lager, insbesondere zur Gleitlagerung für den Rotor benutzt werden kann."
Anspruch 2 des Hilfsantrags 2 ist mit Anspruch 2 des Hilfsantrags 1 identisch.
Die Ansprüche des Hilfsantrags 3 entsprechen denen des Hilfsantrags 1 wobei Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 gestrichen, der vorige Anspruch 2 zum Anspruch 1 wurde und die Rückbeziehungen der Unteransprüche angepasst wurden.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Formale Einwände - Rückzahlung der Beschwerdegebühr:
2.1 Zulassung der Dokumente D18 und D19 in das Verfahren:
Die Zulassung von verspätet eingereichten Dokumenten unterliegt dem Ermessen der Einspruchsabteilung. Dazu muss sie nach ständiger Rechtsprechung die Relevanz prüfen, siehe z.B. T 1002/92 (ABl. 1995, 605). In ihrer Entscheidung, siehe Entscheidungsgründe, Abschnitt 2, hat sie angegeben, dass die Druckschriften D18 und D19 für relevant erachtet würden und nicht sehr umfangreich seien. Dies stellt eine knappe, aber nach Ansicht der Kammer genügende Begründung dar.
Dem Protokoll, vgl. Punkte 3 bis 5, ist auch nicht zu entnehmen, dass dem Vertreter der Patentinhaberin keine Gelegenheit gegeben wurde, zu diesen Druckschriften Stellung zu nehmen und auch nicht, dass er dazu mehr Zeit verlangt hätte, oder, dass ihm ein solcher Antrag verwehrt worden sei.
2.2 Zulassung von neuen Einspruchgründen:
Die Zulassung von neuen Einspruchsgründen wird in der Entscheidung G 0010/91 (EPA, ABl. 1993, 420) geregelt. Darin wird angegeben: "Grundsätzlich prüft die Einspruchsabteilung nur diejenigen Einspruchsgründe, die gemäß Artikel 99 (1) in Verbindung mit Regel 55 c) EPÜ ordnungsgemäß vorgebracht und begründet worden sind. Ausnahmsweise kann die Einspruchsabteilung in Anwendung des Artikels 114 (1) EPÜ auch andere Einspruchsgründe prüfen, die prima facie der Aufrechterhaltung des europäischen Patents ganz oder teilweise entgegenzustehen scheinen."
Dies war hier eindeutig der Fall, da der Hauptantrag aufgrund des neu eingeführten Einspruchsgrund nach 100(c) EPÜ zurückgewiesen wurde.
2.3 Ausweitung des Einspruchsumfangs:
Die Beschwerdeführerin hat gerügt, dass die Einspruchsabteilung eine Ausweitung des Einspruchsumfangs auf die ursprünglich nicht angegriffenen abhängigen Ansprüche 17, 20 und 21 ohne ihre Zustimmung und ohne Begründung zugelassen hätte.
Dass der Einspruchsumfang ausgeweitet wurde, ist aber für die angefochtene Entscheidung unerheblich. Diese beruht nur auf der Feststellung, dass die vorliegenden Anträge unabhängige Ansprüche umschließen, die keinen Bestand haben. Zu den ursprünglichen Ansprüchen 17, 20 und 21 und deren Sachverhalt hat die Einspruchsabteilung in ihrer Entscheidung nicht Stellung genommen. Es obliegt der Einspruchsabteilung auch nicht gemäß dem EPÜ im Einspruchsverfahren alle Ansprüche zu prüfen. Vielmehr hat sie die Aufgabe festzustellen, ob je nach Antragslage, einer der gestellten Anträge gewährbar ist. Dies war hier nicht der Fall. Die Einspruchsabteilung konnte somit keinen der vorliegenden Anträge gewähren und hat daher das Patent widerrufen müssen.
2.4 Möglichkeit, weitere Anträge einzureichen:
Die Beschwerdeführerin hat ferner bemängelt, dass die Verhandlung von der Einspruchsabteilung geschlossen wurde, obwohl sie angekündigt habe, abgeänderte Patentansprüche vorlegen zu wollen.
Es kann jedoch in einer Verhandlung nur über die Zulässigkeit von Anträgen entschieden werden, die tatsächlich vorgelegt worden sind, nicht aber über Änderungen von Patentansprüchen, die lediglich angekündigt wurden.
Die Beschwerdeführerin hat eingeräumt, dass sie zwar angekündigt habe, weitere Hilfsanträge einreichen zu wollen, solche Anträge aber nicht eingereicht hat.
Wenn die Einspruchsabteilung die Verhandlung unterbricht, um zu prüfen, ob sie zu einer Entscheidung gelangen kann, müssen die Parteien damit rechnen, dass tatsächlich eine Entscheidung über die vorliegenden Anträge getroffen wird und dass diese Entscheidung, je nach Antragslage endgültig sein kann und die Verhandlung daher nicht weiter fortgesetzt wird.
Es entspräche auch nicht dem Grundsatz der Unparteilichkeit, dem das Einspruchsverfahren als streitige Verfahren zwischen Parteien unterliegt, dass die Einspruchsabteilung nach Abhandlung aller Anträge einer Partei, dieser eine weitere Gelegenheit bietet, nochmals weitere Anträge zu stellen.
Hätte die Einspruchsabteilung nach Beratung und Feststellung der fehlenden erfinderischen Tätigkeit die Patentinhaberin aufgefordert, geänderte Anträge zu stellen, wäre dies einer Bevorzugung einer der Parteien gleichgekommen und ein klarer Verfahrensfehler gewesen.
Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, dass die Einspruchsabteilung im Voraus angekündigt hatte, dass sie nur einen einzigen Hilfsantrag zulassen würde. Dies konnte die Beschwerdeführerin jedoch nicht daran hindern einen weiteren Hilfsantrag zu stellen und somit eine beschwerdefähige Entscheidung über die Zulässigkeit dieses weiteren Antrages zu erhalten.
2.5 Die Kammer erkennt an, dass der Ablauf der mündlichen Verhandlung nicht als uneingeschränkt glücklich bezeichnet werden kann, jedoch nicht so, dass die Einspruchsabteilung einen wesentlichen Verfahrensfehler im Sinne der Regel 103 (1) a) EPÜ begangen hätte.
Somit kann auch dem Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht stattgegeben werden.
Die Kammer möchte dabei anmerken, dass es wünschenswert gewesen wäre, die angefochtene Entscheidung ausführlicher zu begründen, insbesondere warum die Druckschriften D18 und D19 als relevant betrachtet und in das Verfahren aufgenommen wurden.
Des weiteren, da die erfinderische Tätigkeit auch anhand einer neuen Angriffslinie (ausgehend von D7) in Frage gestellt wurde, wäre es für die Einspruchsabteilung zumutbar gewesen, die Patentinhaberin zu fragen, ob sie bei dieser neuen Sachlage die bereits angekündigten Antragsänderungen vor der Beratung über die erfinderische Tätigkeit, vorlegen wolle. Dass dies nicht geschehen ist, ist bedauerlich, aber nicht grundsätzlich fehlerhaft.
Letztendlich tragen die Parteien die Verantwortung, durch rechtzeitige und geeignete Antragsstellung auf eine geänderte Sachlage zu reagieren. Diese Verantwortung können sie durch eine abwartende Haltung nicht auf die Einspruchsabteilung übertragen.
3. Hauptantrag - Anspruch 1 - erfinderische Tätigkeit:
3.1 D7, siehe Figur 1, stellt den nächstkommenden Stand der Technik dar, da die darin offenbarte Flügelzellenvakuumpumpe alle Merkmale des Anspruchs 1 außer einem aus Kunststoff bestehenden Rotor offenbart.
3.2 Ausgehend von D7 kann die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe darin gesehen werden, eine Vakuumpumpe zu schaffen, deren Rotor ein geringes Massenträgheitsmoment aufweist und keiner massiven und aufwendigen Bauweise bedarf (siehe Patentschrift Absätze [0002] und [0003]).
3.3 Diese Aufgabe wird dadurch gelöst, dass der Rotor aus Kunststoff hergestellt wird. Dadurch wird eine leichtere und kompaktere Bauweise erreicht (Patentschrift Absätze [0004]).
3.4 Es ist jedoch dem Fachmann wohl bekannt, dass diese Vorteile (leichte und kompakte Bauweise) Kunststoffteilen inhärent sind. Die Frage, die es zu beantworten gilt, ist somit, ob ein Fachmann in Erwägung gezogen hätte, auch bei dem Rotor einer Flügelzellenvakuumpumpe wie aus D7 bekannt, diesen Werkstoff zu verwenden.
3.5 Dass der Rotor einer Flügelzellenvakuumpumpe aus Kunststoff hergestellt werden kann, ist bereits aus D2 (Spalte 3, Zeilen 61 bis 65) sowie aus D6 (Abschnitt [0027], erster Satz) bekannt.
3.6 Die Beschwerdeführerin hat vorgetragen, dass der in D2 beschriebene Rotor zweistückig sei und von dem aus D7 bekannten Rotor so verschieden sei, dass der Fachmann diese Druckschrift nicht berücksichtigt hätte. Des weiteren offenbare auch D6 keinen einstückigen Rotor, da dieser eine Metallfeder aufweise, über welche das Drehmoment in den Flügel und den Rotor eingeleitet werde, so dass der Fachmann auch D6 nicht herangezogen hätte. Letztlich habe der Rotor aus D7 einen komplizierten Aufbau, der ein Nacharbeiten eines im Spritzgussverfahren erhaltenen Rotorrohlings aus Kunststoff erforderlich mache. Deshalb würde der Fachmann die Idee, einen Rotor wie in D7 offenbart aus Kunststoff herzustellen, als unwirtschaftlich verwerfen.
3.7 Dem kann nicht gefolgt werden. Es geht nämlich nicht darum, ob der Fachmann die in D2 oder D6 offenbarten Rotore in eine Vakuumpumpe gemäß D7 einbauen würde, sondern darum, ob er es für naheliegend erachten würde, Kunststoff zur Herstellung von Rotoren für Vakuumpumpen zu verwenden und daher auch den aus D7 bekannten Rotor aus Kunststoff herstellen würde. Dies wird durch die Lehren von D2 sowie D6 eindeutig bejaht. Diese Druckschriften bestätigen dem Fachmann, dass ein Rotor aus Kunststoff die für eine Vakuumpumpe nötige Formgenauigkeit und Dichtheit aufbringen kann.
Dass die Komplexität des in D7 offenbarten Rotors eine Nachbearbeitung erfordern könnte, ist kein Hindernis für den Fachmann, dem bewusst ist, dass jede Produktionsänderung Vorteile und Nachteile mit sich bringt. Es ist für ihn daher normale Praxis abzuwägen, ob die erreichten Vorteile die Inkaufnahme gewisser wirtschaftlichen Nachteile ausgleichen.
3.8 Aus alledem ergibt sich, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
4. Hilfsantrag 1 - Anspruch 1 - erfinderische Tätigkeit:
4.1 Im Vergleich zum Anspruch 1 des Hauptantrags fügt Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 hinzu, dass "mindestens zwei Antriebssegmente (45A, 45B) vorgesehen sind, die durch einen geschlossenen Ring (47) miteinander verbunden sind."
4.2 Dieses Merkmal ist aber bereits aus D7 bekannt. In D7, siehe Seite 3, Zeilen 36 bis 41, sind Kupplungslappen (16) an einem Ende des Rotors (5), der als eine hohle Welle (20, Figur 1) ausgebildet ist, angeformt. Das Ende dieser hohlen Welle bildet somit einen geschlossenen Ring der die Kupplungslappen miteinander verbindet. Diese Kupplungslappen sind ohne weiteres als Antriebssegmente zu erkennen.
4.3 Die Beschwerdeführerin hat ausgeführt, dass das Anspruchsmerkmal: "durch einen geschlossenen Ring miteinander verbunden" im Lichte der Figuren auszulegen, und daher so zu verstehen sei, dass der Ring die Antriebssegmente nicht nur verbinde sondern auch umschließe.
Diese Ansicht kann nicht geteilt werden. Eine Auslegung eines Begriffes anhand der Beschreibung und der Figuren ist nur dann geboten, wenn eine Unklarheit ausgeräumt werden muss. Falls der Wortlaut eines Anspruchs klar und deutlich ist, ist eine solche Auslegung nicht möglich.
Dabei bietet auch Artikel 69 EPÜ keine Grundlage dafür, in einen für sich gesehen klaren Anspruch zusätzliche Merkmale bzw. eine eingeschränkte Bedeutung hineinzulesen, die sich nur in der Beschreibung findet. Dies ist mit einer korrekten Anspruchsauslegung nicht vereinbar (siehe T 223/05 und T 681/01).
Im vorliegenden Fall ist im Anspruch 1 angegeben, dass die "Antriebssegmente durch einen geschlossenen Ring (47) miteinander verbunden sind". Dieser Wortlaut ist klar und bedarf daher keiner Inanspruchnahme der Figuren um verstanden zu werden. Hätte die Pateninhaberin sich auf das in der Figur 10B gezeigte Ausführungsbeispiel beschränken wollen, hätte sie dies zum Ausdruck bringen können, in dem sie z. B. hätte angeben können, dass die Antriebssegmente nicht nur durch den Ring "verbunden" sondern durch ihn "umschlossen" werden. Diese Einschränkung ist jedoch nicht vorhanden und kann somit auch nicht in den Anspruch hineingelesen werden.
4.4 Folglich beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 aus denselben Gründen wie der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
5. Hilfsantrag 2 - Anspruch 1 - erfinderische Tätigkeit:
5.1 Im Vergleich zum Anspruch 1 des Hauptantrags fügt Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 die folgenden kennzeichnenden Merkmale hinzu: "wobei der Rotor (1) zwei Lager (13, 21) aufweist und dass der Durchmesser mindestens eines der Lager (21, 13) kleiner, vorzugsweise wesentlich kleiner, als der Rotordurchmesser im Bereich des Schlitzes (3) ist, mindestens zwei Antriebssegmente (45A, 45B) vorgesehen sind, die durch einen geschlossenen Ring (47) miteinander verbunden sind und der Ring (47) auch als Lager, insbesondere zur Gleitlagerung für den Rotor benutzt werden kann."
5.2 Dass der in D7 offenbarte Rotor mindestens zwei Antriebssegmente aufweist, die durch einen geschlossenen Ring miteinander verbunden sind, ist auch in D7 verwirklicht (siehe Abschnitt 4.3 oben). Ferner offenbart D7 auch, den Ring (20) als Gleitlager auszubilden (siehe Figur 1).
5.3 Die Vakuumpumpe gemäß Anspruch 1 unterscheidet sich von der aus D7 bekannten Vakuumpumpe somit dadurch, dass:
- der Rotor aus Kunststoff besteht, und
- der Rotor zwei Lager aufweist und der Durchmesser mindestens eines der Lager kleiner als der Rotordurchmesser im Bereich des Schlitzes ist.
5.4 Es liegen somit zwei Merkmalsgruppen vor, einerseits betreffend den Werkstoff und andererseits betreffend die Bauweise, wobei die beiden Merkmalsgruppen in keiner funktionellen Wechselwirkung zueinander stehen und deshalb für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit gesondert betrachtet werden können.
5.5 Die der Erfindung zugrundeliegende Aufgabe ist daher zweiteilig und kann darin gesehen werden, einerseits eine alternative Lagerung für eine Vakuumpumpe zu schaffen und andererseits einen Rotor mit einem geringen Massenträgheitsmoment, der keiner massiven und aufwendigen Bauweise bedarf, vorzuschlagen.
Es ist folglich zu untersuchen, ob sich die beiden Merkmalsgruppen jeweils für sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik herleiten lassen (T 389/86, ABl. 1988, 87).
5.6 Den Rotor einer Vakuumpumpe aus Kunststoff herzustellen bedarf, wie in Bezug auf Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ausgeführt, keiner erfinderischen Tätigkeit.
5.7 Betreffend die alternative Lagerung ist festzustellen, dass dem Fachmann grundsätzlich nur zwei Möglichkeiten zu Verfügung stehen, nämlich den Rotor fliegend oder durch zwei Lager zu lagern. Es bedarf für den Fachmann somit keiner erfinderischen Tätigkeit je nach Bedarf zwischen einer kompakteren Bauweise mit fliegend gelagertem Rotor und einer belastungsfähigeren, besser geführten zwei Lager aufweisenden Rotorbauweise auszuwählen.
Anspruch 1 verlangt zusätzlich, dass eines der Lager kleiner als der Rotordurchmesser im Bereich des Schlitzes ist. Dieses Ausführungsbeispiel wird im Abschnitt [0024] der Patentschrift beschrieben. Welcher technische Effekt durch diese Maßnahme erreicht werden soll, ist weder daraus zu entnehmen, noch an sich erkennbar. Dünne Wandungen sind auch bei einem großen Durchmesser des Lagers z.B. einem Durchmesser gleich dem Rotordurchmesser erreichbar, wie in Figur 6 dargestellt. Da dieses Merkmal ohne technische Wirkung ist, ist es für den Fachmann als technisch willkürlich und ohne jegliche erfinderischen Wert zu betrachten.
5.8 Daher beruht auch der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 2, aus den oben genannten Gründen, nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
6. Hilfsantrag 3 - erfinderische Tätigkeit:
6.1 Der Hilfsantrag 3 wurde gegen Ende der mündlichen Verhandlung eingereicht. Dies stellt somit eine Änderung des Vorbringens der Beschwerdeführerin nach Einreichung ihrer Beschwerdebegründung im Sinne von Artikel 13 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) dar.
Gemäß dieser Vorschrift steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Erwiderung zuzulassen und zu berücksichtigen.
Im vorliegenden Fall räumt die vorgenommene Änderung die in Bezug auf die vorangegangenen Anspruchssätze erhobenen Einwände durch Streichung von Anspruch 1 aus. Des Weiteren war der nun verbleibende unabhängige Anspruch bereits im Hilfsantrag 1 vorhanden. Aus den unten genannten Gründen ist dieser Anspruch auch prima facie gewährbar. Da die vorgenommenen Änderungen sich auf die Streichung eines Anspruchs beschränken, wird das Verfahren dadurch nicht unnötig verzögert.
Obwohl die Beschwerdeführerin diesen Antrag bereits mit der Beschwerdebegründung hätte einreichen können, hat die Kammer entschieden, unter den gegebenen Umständen (Rücknahmen des Einspruchs; letzte Chance für die Beschwerdeführerin, das Patent zu retten) diesen Antrag zuzulassen.
6.2 Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 3 fügt dem erteilten unabhängigen Anspruch 2 die Merkmale des erteilten Anspruchs 21 hinzu. Dieser Anspruch wurde der in der Einspruchsschrift nicht angegriffen.
Allerdings heißt es in der Entscheidung G 0009/91 (EPA, ABl. 1993, 408): "Die Befugnis einer Einspruchsabteilung oder einer Beschwerdekammer, gemäß den Artikeln 101 und 102 EPÜ zu prüfen und zu entscheiden, ob ein europäisches Patent aufrechterhalten werden soll, hängt von dem Umfang ab, in dem gemäß Regel 55 c) EPÜ in der Einspruchsschrift gegen das Patent Einspruch eingelegt wird. Allerdings können Ansprüche, die von einem im Einspruchs- oder Beschwerdeverfahren vernichteten unabhängigen Anspruch abhängig sind, auch dann auf die Patentierbarkeit ihres Gegenstands geprüft werden, wenn dieser nicht ausdrücklich angefochten worden ist, sofern ihre Gültigkeit durch das bereits vorliegende Informationsmaterial prima facie in Frage gestellt wird".
6.3 Die Neuheit der beanspruchten Vakuumpumpe sieht die Kammer als gegeben an. Die Vakuumpumpe gemäß Anspruch 1 unterscheidet sich von der aus D7 bekannten Vakuumpumpe dadurch, dass:
- der Rotor aus Kunststoff besteht,
- zwischen dem Rotor und der Kupplung eine Verschleißschutzeinrichtung angeordnet ist, und
- ein erster, vorzugsweise als Zweiflach ausgebildeter Längsabschnitt des Rotors mit einer topfförmigen, vorzugsweise aus Blech bestehenden Kappe versehen ist.
6.4 Keine der genannten Entgegenhaltungen offenbart eine Vakuumpumpe, wobei ein Längsabschnitt des Rotors mit einer topfförmigen Kappe versehen ist.
Zwar ist aus den Druckschriften D18 und D19 (die im Verfahren sind und somit zu dem bereits vorliegenden Informationsmaterial im Sinne der G 009/91 gehören) ein prismatisch gestaltetes Ende der Welle (D18), bzw. eine topfförmige Kappe (D19) bekannt, jedoch entspricht die Vakuumpumpe aus D18 einer anderen Bauart und ist die aus D19 bekannte Antriebswelle für eine Zahnradeinrichtung bestimmt.
Um den nun beanspruchten Gegenstand in Frage zu stellen, wäre eine hypothetische Kombination von D6 mit D18 und D19 unter zusätzlicher Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens nötig. Für die Kammer ist aber nicht sofort ersichtlich, warum der Fachmann so verfahren würde. Sie sieht also den Gegenstand des Anspruchs 1 nicht prima facie durch eine solche hypothetische Kombination in Frage gestellt.
6.5 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3 ist somit gewährbar.
6.6 Die Beschreibung und die Figuren sind an den neuen Anspruchsatz angepasst worden. Die Kammer stellt somit fest, dass unter Berücksichtigung der vorgenommenen Änderungen das europäische Patent und die Erfindung die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des EPÜ genügen, so dass das Patent nach Artikel 101 (3) a) EPÜ aufrechterhalten werden kann.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
Ansprüche: 1 bis 13 gemäß Hilfsantrag 3, eingereicht während der mündlichen Verhandlung
Beschreibung: Seite 1 wie erteilt, Seiten 2 bis 8, eingereicht während der mündlichen Verhandlung
Zeichnungen: Figuren 1 bis 12 der Patentschrift