T 0160/92 (Druckplatte) 27-01-1994
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1. Die Lehre einer vorveröffentlichten Zusammenfassung eines japanischen Patentdokuments gehört für sich genommen auch ohne das entsprechende Originaldokument prima facie zum Stand der Technik und kann als solche der Anmeldung zu Recht entgegengehalten werden, wenn nach Aktenlage nichts ihre Gültigkeit als Stand der Technik in Frage stellt. Wenn ein Verfahrensbeteiligter die Gültigkeit dieser Lehre als Stand der Technik unter Berufung auf die Lehre des Originaldokuments bestreiten will, trägt er die Beweislast (Nrn. 2.1 bis 2.5 der Entscheidungsgründe).
2. Für die Klärung der strittigen Frage, ob der Anmelder im Hinblick auf die Möglichkeit einer bevorstehenden Zurückweisung der Anmeldung irregeführt wurde, ist der verfahrensrechtlich relevante Inhalt der Akte maßgebend (Nrn. 3.2 bis 3.4 der Entscheidungsgründe).
3. Ein vom Anmelder fristgerecht eingereichtes Antwortschreiben auf einen Bescheid der Prüfungsabteilung, in dem er auf wesentliche Punkte dieses Bescheids eingeht, stellt eine Erwiderung im Sinne des Artikels 96 (3) EPÜ dar und steht daher verfahrensrechtlich dem Eintritt der Rücknahmefiktion entgegen. Die weitere Aussage "Dieses Schreiben ist nicht als förmliche Erwiderung auf den Bescheid anzusehen" widerspricht lediglich den Tatsachen, die durch eine solche Hilfskonstruktion nicht verleugnet werden können (Nr. 3.5 der Entscheidungsgründe).
Stand der Technik - Zusammenfassung (bejaht)
Fiktion der Zurücknahme der Anmeldung (verneint)
Rückzahlung der Beschwerdegebühr - wesentlicher Verfahrensmangel - (verneint) -
Erfinderische Tätigkeit (verneint)
Entscheidung über die Beschwerde - Zurückverweisung (verneint)
Vertrauensschutz - formlose telefonische Rücksprachen
Sachverhalt und Anträge
I. Der Beschwerdeführer (Anmelder) hat gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung der Anmeldung Nr. 86 308 250.9 (Veröffentlichungsnummer 0 220 943) Beschwerde eingelegt.
Die Prüfungsabteilung hatte dem Gegenstand der Ansprüche 1, 12 und 15 unter Berufung auf die Druckschrift
(D1) "Patent Abstracts of Japan", Band 8, Nr. 80 (M-289) (1517), 12. April 1984
die erfinderische Tätigkeit abgesprochen.
II. In einer zusammen mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übersandten Mitteilung zog die Kammer außerdem die Druckschrift
(D2) US-A 4 399 209
an, die schon in der Anmeldung und auch im europäischen Recherchenbericht erwähnt war.
III. Am Ende der mündlichen Verhandlung beantragte der Beschwerdeführer, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache wegen mehrerer Verfahrensmängel an die erste Instanz zurückzuverweisen (Hauptantrag) oder auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung eingereichten sechs Dokumentensätze ein Patent zu erteilen (Hilfsanträge 1 bis 6).
IV. Die ursprünglichen Ansprüche 1, 12 und 15, an denen der Beschwerdeführer im Rahmen seines Hauptantrags festhält, lauten wie folgt:
"1. Verfahren zur Herstellung einer Druckplatte, dadurch gekennzeichnet, daß es folgende Schritte umfaßt:
12. Vorrichtung zur Herstellung einer Druckplatte, dadurch gekennzeichnet, daß sie ... umfaßt
15. Umdruckbogen, der ... umfaßt"
Die Ansprüche 2 bis 11 sowie 13 und 14 sind jeweils von den Ansprüchen 1 bzw. 12 abhängig.
Die Ansprüche gemäß dem ersten Hilfsantrag unterscheiden sich von denjenigen des Hauptantrags nur insoweit, als ...
V. Der Beschwerdeführer hat sinngemäß folgendes vorgetragen:
Die Recherchen- wie auch die Prüfungsabteilung seien nicht richtig vorgegangen, als sie die Druckschrift D1, bei der es sich um eine Zusammenfassung eines japanischen Patentdokuments handle, ohne das japanische Patentdokument selbst angezogen hätten. (Wenn die mit einem &-Zeichen versehene Angabe im Recherchenbericht auch das japanische Patentdokument selbst umfassen sollte, hätte dem Beschwerdeführer eine Kopie dieses Dokuments übermittelt und das Dokument in das Verzeichnis der Patentfamilienmitglieder aufgenommen werden müssen.) Die Prüfungsabteilung habe nur auf die Zusammenfassung Bezug genommen. Wie der Beschwerdekammerentscheidung T 77/87 (ABl. EPA 1990, 280) und der diesbezüglichen Verlautbarung in der Beilage zu ABl. EPA 1990 auf Seite 24 eindeutig zu entnehmen sei, dürfe eine Zusammenfassung nicht als eigenständiges Dokument isoliert betrachtet werden. Die Hauptoffenbarungsquelle müsse die angeführte Entgegenhaltung sein und nicht deren Zusammenfassung.
Da sich die Prüfungsabteilung nur auf diese Zusammenfassung gestützt habe, um dem beanspruchten Gegenstand die erfinderische Tätigkeit abzusprechen, seien ihre Feststellungen nicht begründet.
Nach dem zweiten Bescheid der Prüfungsabteilung habe der Prüfer den Beschwerdeführer bei zwei telefonischen Rücksprachen zu der irrigen Annahme veranlaßt, daß ein weiterer Bescheid (und nicht ein Zurückweisungsbeschluß) ergehen würde. Trotz dieser Ankündigung habe die Prüfungsabteilung die Anmeldung dann zurückgewiesen.
Außerdem sei das Schreiben des Beschwerdeführers vom 19. Februar 1991, in dem auf den zweiten Bescheid der Prüfungsabteilung Bezug genommen worden sei, keine Erwiderung im Sinne des Artikels 96 (3) EPÜ gewesen, so daß die Anmeldung nach Ablauf der Frist für die Erwiderung auf den zweiten Bescheid als zurückgenommen hätte gelten müssen und nicht hätte zurückgewiesen werden dürfen.
Somit seien mindestens drei "schwere" Verfahrensmängel gegeben, die eine Zurückverweisung der Sache an die Prüfungsabteilung rechtfertigten.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Zitierbarkeit der Zusammenfassung
2.1 Der Beschwerdeführer rügt, daß die Recherchenabteilungen des Europäischen Patentamts auf die veröffentlichten Zusammenfassungen von Fachartikeln ausweichen, wenn ihnen die Originalartikel nicht zur Verfügung stehen, und - wie im vorliegenden Fall - anstelle japanischer Patentdokumente die veröffentlichten englischsprachigen Zusammenfassungen benutzen (wobei sie das Originaldokument in beiden Fällen nur informationshalber - nach einem Et-Zeichen ("&") - anführen, um beispielsweise Verwechslungen zu vermeiden, dem Anmelder aber keine Kopie schicken). Er beanstandet ferner, daß im vorliegenden Fall auch die Prüfungsabteilung ihre Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands auf eine solche Zusammenfassung eines japanischen Patentdokuments (D1) gestützt hat, ohne das Originaldokument hinzuzuziehen und bestimmte Textstellen daraus anzuführen.
2.2 Nach Regel 44 (1) EPÜ werden im europäischen Recherchenbericht die dem Europäischen Patentamt zum Zeitpunkt der Erstellung des Berichts zur Verfügung stehenden Schriftstücke genannt, die zur Beurteilung der Neuheit der der europäischen Patentanmeldung zugrundeliegenden Erfindung und der erfinderischen Tätigkeit in Betracht gezogen werden können. Für das Prüfungsverfahren schreiben die Regeln 51 (3) und 68 (2) Satz 1 EPÜ vor, daß die Bescheide nach Artikel 96 (2) EPÜ und die Entscheidungen, die mit der Beschwerde angefochten werden können, zu begründen sind. Dies bedeutet, daß Einwände, wonach die Erfindung zum Stand der Technik gehört (Art. 54 (1) EPÜ) oder sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt (Art. 56 EPÜ), nur dann erhoben werden dürfen, wenn dies durch die Entgegenhaltungen belegt werden kann. Den Stand der Technik bildet alles, was vor dem Anmeldetag der europäischen Patentanmeldung der Öffentlichkeit - unter anderem durch schriftliche Beschreibung - zugänglich gemacht worden ist (Art. 54 (2) EPÜ).
2.3 Im vorliegenden Fall ist die entgegengehaltene Zusammenfassung (D1) tatsächlich eine solche vorveröffentlichte schriftliche Beschreibung, so daß sich Zweifel an ihrer Gültigkeit als Stand der Technik nur darauf beziehen können, was der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist. Im Hinblick auf die Frage, ob diese Zusammenfassung (ohne das Originaldokument, dem sie entnommen ist) angezogen werden darf oder ob dies einen Verfahrensmangel darstellt, muß geprüft werden, ob ein Urteil, das sich allein auf eine solche Zusammenfassung stützt, als begründet im Sinne der Regeln 51 (3) und 68 (2) EPÜ angesehen werden kann.
Die Kammer ist der Auffassung, daß die Zusammenfassung D1 einen gewissen technischen Informationsgehalt hat und für den fachkundigen Leser nichts darauf hindeutet, daß diese Informationen ungültig wären; mithin stellt D1 eine geeignete Basis für die Beurteilung der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit dar. Die auf D1 basierende Argumentation der Prüfungsabteilung ist in sich geschlossen und nachvollziehbar.
Daher sind die Aussagen und die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die sich auf diese Zusammenfassung stützen, nach Aktenlage als begründet im Sinne der Regeln 51 (3) und 68 (2) EPÜ anzusehen.
2.4 Es liegt in der Natur der Sache, daß der Stand der Technik nicht als Ganzes entgegengehalten und zur Untermauerung bestimmter Aussagen herangezogen werden kann, sondern die Recherchen- und Prüfungsabteilungen vielmehr kraft ihres Urteilsvermögens aus den Druckschriften, die ihnen zur Verfügung stehen und deren Inhalt sie verstehen können, den ihnen relevant erscheinenden Teil des Standes der Technik auswählen müssen. Dabei ist nie völlig auszuschließen, daß es - und dies gilt nicht nur für das Verhältnis zwischen Zusammenfassung und Originaldokument - irgendwo noch relevantere Beschreibungen oder gar Fundstellen gibt, die die Relevanz der Entgegenhaltungen in einem anderen Licht erscheinen lassen würden.
2.5 Vor diesem Hintergrund muß die Frage, ob eine Zusammenfassung entgegengehalten werden darf, klar von der ganz anders gelagerten Frage unterschieden werden, welche Lehren die Prüfungs- oder Einspruchsabteilung in Betracht zu ziehen hat, wenn ihr sowohl die Zusammenfassung als auch das Originaldokument zur Verfügung stehen und die beiden Dokumente widersprüchliche Lehren enthalten. Die Beschwerdekammerentscheidung T 77/87 (ABl. EPA 1990, 280), auf die sich der Beschwerdeführer ausschließlich beruft, um die Zitierbarkeit von Zusammenfassungen anzufechten, bezieht sich auf die letztere Frage.
Im selben Sinne ist auch die vom Beschwerdeführer angesprochene "Verlautbarung" (Beilage zu ABl. EPA 1990, 24) nur eine kurze Zusammenfassung der Entscheidung T 77/87; die darin enthaltene und vom Beschwerdeführer aufgegriffene Aussage, daß "die Offenbarung der Zusammenfassung anhand des Originals auszulegen ist, um festzustellen, was technisch wirklich offenbart worden ist" und daß "die Zusammenfassung ... nicht als eigenständiges Dokument isoliert betrachtet werden" darf, muß also im Kontext des der Entscheidung zugrunde liegenden Falls gesehen werden, dem auch in der Entscheidung selbst Rechnung getragen wurde.
Die Entscheidung betrifft eine nach einem Einspruchsverfahren eingelegte Beschwerde, in deren Rahmen der Kammer sowohl die Zusammenfassung als auch das entsprechende Originaldokument vorgelegt wurden, und gelangt zu folgendem Schluß: "Wenn - wie hier - aus gleichzeitig vorliegenden, zusammengehörigen Beweismitteln klar hervorgeht, daß der Wortlaut der Offenbarung eines der Dokumente Fehler aufweist und nicht den beabsichtigten technischen Sachverhalt wiedergibt, gilt die fehlerhafte Offenbarung nicht als Stand der Technik" (Nr. 4.1.4 der Entscheidungsgründe).
Im vorliegenden Fall stellte sich diese Frage nicht, da die Akte nur die Zusammenfassung D1 enthält und nichts darauf hindeutet, daß ihre Offenbarung möglicherweise fehlerhaft ist oder im Lichte der Offenbarung des Originaldokuments anders ausgelegt werden müßte. Somit gehört die wörtliche Offenbarung von D1 prima facie zum Stand der Technik. Den Beweis für das Gegenteil hätte der Beschwerdeführer erbringen müssen. Er hat dies aber nicht getan.
Daher muß die Lehre von D1 für sich genommen dem Stand der Technik zugerechnet werden.
2.6 Aus diesen Gründen sieht die Kammer in der bloßen Tatsache, daß eine Zusammenfassung entgegengehalten und die Begründung auf sie gestützt wird, keinen Verfahrensmangel.
3. Hauptantrag; wesentliche Verfahrensmängel
3.1 Der erste vom Beschwerdeführer als wesentlicher Verfahrensmangel beanstandete Punkt - die Anziehung eines nicht als Entgegenhaltung zulässigen Dokuments - ist bereits unter Nummer 2 behandelt worden.
3.2 Der Beschwerdeführer macht ferner geltend, daß er in zwei Telefongesprächen mit dem beauftragten Prüfer zu der irrigen Annahme verleitet worden sei, daß vorerst keine Zurückweisung drohe, da der nächste Verfahrensschritt ein weiterer Bescheid sein werde.
Der Beschwerdeführer hat eidesstattliche Versicherungen zweier Angestellter der für ihn tätigen Kanzlei europäischer Patentvertreter vorgelegt, in denen diese bestätigen, daß sie nach dem Erlaß des zweiten Bescheids der Prüfungsabteilung den beauftragten Prüfer (zweimal) angerufen und von ihm erfahren hätten, daß ein weiterer Bescheid ergehen werde.
In einer Aktennotiz ("Ergebnis der Rücksprache") über einen (dritten) Telefonanruf, den der beauftragte Prüfer nach der Zurückweisung der Anmeldung vom Vertreter des Beschwerdeführers erhielt, hat der Prüfer festgehalten, daß er niemals einen weiteren Bescheid in Aussicht gestellt habe.
Es liegen also widersprüchliche Aussagen über den Inhalt der beiden ersten telefonischen Unterredungen vor.
3.3 Telefonische Rücksprachen zwischen Prüfern des Europäischen Patentamts und Anmeldern können unter bestimmten Umständen zur Beschleunigung eines sonst langsamer ablaufenden Verfahrens beitragen. In kritischen Situationen sollte man sich von solchen Gesprächen aber nicht zuviel versprechen, da es leichter als im schriftlichen Verfahren zu Mißverständnissen kommen kann, zumal bisweilen einer der beiden Gesprächspartner vielleicht nicht auf die Erörterung des Falls vorbereitet ist. Aus gutem Grund ist das Verfahren vor dem Europäischen Patentamt - von der mündlichen Verhandlung gemäß Artikel 116 EPÜ einmal abgesehen - grundsätzlich als schriftliches Verfahren konzipiert. Außerdem ist der beauftragte Prüfer im Prüfungsverfahren (wie auch im Einspruchsverfahren) nur eines von drei Mitgliedern der Abteilung und seine persönlichen Aussage für die Abteilung bekanntlich nicht verbindlich. Darüber hinaus sind telefonische Rücksprachen im EPÜ nicht vorgesehen und insofern nicht Teil des formellen Verfahrens vor dem Amt.
Die Kammer bestreitet nicht, daß alle - auch die informellen - verfahrensrechtlichen Schritte, die Bedienstete des Europäischen Patentamts gegenüber Verfahrensbeteiligten unternehmen, vom Grundsatz des Vertrauensschutzes bestimmt sein sollten.
Dem vom Beschwerdeführer im vorliegenden Fall gestellten Antrag auf Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses der Prüfungsabteilung könnte aber nur dann stattgegeben werden, wenn ganz offensichtlich gegen die im EPÜ verankerten Verfahrensvorschriften verstoßen worden wäre. Da telefonische Rücksprachen nicht zum formellen Verfahren gehören, braucht nach Ansicht der Kammer nicht im einzelnen geklärt zu werden, was in den erwähnten Telefongesprächen gesagt worden ist, da die Abfolge der verfahrensrechtlich relevanten Ereignisse bereits eindeutig in der Akte dokumentiert ist.
3.4 Der Akte ist zu entnehmen, daß die Prüfungsabteilung zwei Bescheide erlassen hat, in denen sie begründete, weshalb der Gegenstand der Ansprüche 1, 12 und 15 ihres Erachtens gegenüber D1 keine erfinderische Tätigkeit aufweise und weshalb D1 als Stand der Technik herangezogen werden könne (nämlich weil die technischen Informationen für den Fachmann verständlich seien). Der zweite Bescheid enthält eine ausdrückliche Aufforderung an den Beschwerdeführer, auf die gegen die erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands erhobenen Einwände einzugehen, und schließt mit dem Hinweis, daß die Anmeldung andernfalls gemäß Artikel 97 (1) EPÜ zurückgewiesen werde. In seiner Erwiderung vom 19. Februar 1991 machte der Beschwerdeführer erneut (wie schon in seiner ersten Antwort) geltend, daß D1 nicht als Stand der Technik entgegengehalten werden dürfe. Ansonsten äußerte er sich nicht zur Frage der erfinderischen Tätigkeit und reichte auch keine neuen Ansprüche ein. In einem weiteren Schreiben vom 1. Mai 1991, kurz vor Ablauf der Frist für die Erwiderung auf den zweiten Bescheid der Prüfungsabteilung, beschränkte sich der Beschwerdeführer auf die Bitte um eine Antwort der Prüfungsabteilung und die Feststellung, daß er seinem Vertreter keine vollständigen Anweisungen geben könne, solange die in seinem vorhergehenden Schreiben aufgeworfene Frage (Zitierbarkeit von D1) nicht geklärt sei. Drei Monate nach Ablauf der obengenannten Frist wies die Prüfungsabteilung die Anmeldung zurück.
Der Beschwerdeführer hätte - ungeachtet seines persönlichen Eindrucks vom Inhalt der formlosen telefonischen Rücksprachen - an den in den amtlichen Bescheiden erhobenen Einwänden und insbesondere dem Hinweis auf die wahrscheinliche Zurückweisung am Ende des zweiten Bescheids erkennen müssen, daß eine Zurückweisung der Anmeldung drohen würde, wenn seine Argumente bezüglich der Zitierbarkeit von D1 die Prüfungsabteilung nicht überzeugten; er hätte wissen müssen, daß er möglicherweise mit seiner Hauptargumentation scheitern würde und es daher riskant war, nicht auf die Frage der erfinderischen Tätigkeit gegenüber D1 einzugehen (was er ja trotz seiner Ansicht über die Zitierbarkeit von D1 hätte tun können). Von der Prüfungsabteilung konnte nicht erwartet werden, daß sie einen weiteren Bescheid zu einer bereits erledigten Frage erlassen würde.
3.5 Der Beschwerdeführer bringt weiter vor, daß er nach Ablauf der im zweiten Bescheid der Prüfungsabteilung gesetzten Frist wenigstens damit gerechnet habe, daß seine Anmeldung, wenn er schon keinen weiteren Bescheid erhalte, nach Artikel 96 (3) EPÜ als zurückgenommen gälte und nicht zurückgewiesen würde, weil sein Schreiben vom 19. Februar 1991 ja keine Erwiderung auf den Bescheid gewesen sei.
Da die Kammer in dem Schreiben vom 19. Februar 1991 sehr wohl eine Erwiderung im Sinne des Artikels 96 (3) EPÜ sieht, erübrigt sich eine Erörterung der Frage, ob die Prüfungsabteilung bei ausbleibender Antwort des Anmelders berechtigt ist, die Anmeldung zurückzuweisen statt dem Anmelder mitzuteilen, daß sie als zurückgenommen gilt.
Das betreffende Schreiben beginnt mit einer Bezugnahme "auf den Bescheid gemäß Artikel 96 (2) und Regel 51 (2) EPÜ vom 30. Januar 1991". Der Verfasser setzt sich dann mit der Begründung auseinander, mit der die Prüfungsabteilung in ihrem Bescheid die Zitierbarkeit von D1 als eigenständigem Dokument untermauert hat, und bringt Gegenargumente vor, weshalb D1 nicht als Stand der Technik angesehen werden dürfe.
Im ersten Absatz des Schreibens findet sich zwar die Aussage: "Dieses Schreiben ist nicht als förmliche Erwiderung auf den Bescheid anzusehen." Richtig ist auch, daß im Schreiben nicht auf die Frage der erfinderischen Tätigkeit gegenüber D1 als Stand der Technik eingegangen wird, das Schreiben also nicht so umfassend ist, wie es hätte sein können.
Da aber überzeugende Argumente gegen die Zitierbarkeit des einzigen angezogenen Dokuments zweifellos selbst eine wirksame Erwiderung auf die Einwände der Prüfungsabteilung wären, kann eine solche Antwort nicht einmal als offensichtlich unvollständig angesehen werden. Artikel 96 (3) EPÜ verlangt zur Abwendung der Rücknahmefiktion ohnehin keine "vollständige", sondern nur "eine" Erwiderung. Die objektive Tatsache, daß das Schreiben aufgrund seines Inhalts eine Erwiderung auf den Bescheid darstellt, kann nicht einfach dadurch verleugnet werden, daß der Beschwerdeführer beantragt, die Erwiderung nicht als solche zu betrachten.
Deshalb war es richtig, die Anmeldung nicht als zurückgenommen im Sinne des Artikels 96 (3) EPÜ anzusehen.
Die Kammer vermag überdies nicht zu erkennen, welchen Gewinn sich der Beschwerdeführer von einer Anwendung des Artikels 96 (3) EPÜ durch das Amt versprochen hätte. Wenn der Beschwerdeführer vorgehabt hätte, dann nach Artikel 121 EPÜ Antrag auf Weiterbehandlung zu stellen, hätte sich nichts Wesentliches an der verfahrensrechtlichen Lage geändert; es wäre lediglich zu einer Verlängerung der Frist für die Erwiderung auf den Bescheid der Prüfungsabteilung gekommen, die der Beschwerdeführer einfacher durch einen entsprechenden direkten Antrag hätte erreichen können (da er sich ja offenbar über den Ablauf der Frist im klaren war).
3.6 Da die Kammer entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers keine wesentlichen Verfahrensmängel feststellen kann, aufgrund deren die Sache möglicherweise an die erste Instanz hätte zurückverwiesen werden müssen (Art. 111 (1) Satz 2 EPÜ), wird der Hauptantrag zurückgewiesen.
4. Erster Hilfsantrag
9. Da die Prüfungsabteilung die Frage der erfinderischen Tätigkeit des beanspruchten Gegenstands bereits in Kenntnis der Druckschriften D1 und D2 geprüft hat und kein wesentlicher Verfahrensmangel festzustellen ist (vgl. Hauptantrag des Beschwerdeführers), sieht die Kammer keine Veranlassung, die Sache an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen (Art. 111 (1) EPÜ).
10. Da keinem der Anträge des Beschwerdeführers stattgegeben werden kann, muß die Entscheidung über die Zurückweisung der Anmeldung bestätigt werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.