T 0573/01 17-07-2003
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Bogenführende Trommel für Rotationsdruckmaschinen
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der ihr Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 0 703 073 (nachstehend Streitpatent genannt) zurückgewiesen worden ist, Beschwerde eingelegt.
Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 b) EPÜ (mangelnde Ausführbarkeit) angegriffen worden.
II. Am 17. Juli 2003 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt.
III. Es wurden folgende Anträge gestellt:
Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents Nr. 0 703 073 in vollem Umfang.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
IV. Anspruch 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung lautet wie folgt:
"Bogenführende Trommel (2) für Druckmaschinen unter Verwendung von jeweils aus Greiferwelle (19), Greifern (20) und einstellbaren Greiferaufschlagleisten (18) gebildeten und am Trommelumfang gleichmäßig verteilt angeordneten Greiferbrücken (23),
dadurch gekennzeichnet,
daß zum separaten Hoch- und Tiefstellen der Greiferaufschlagleisten (18) ein Antrieb (5) im Trommelzapfen (4) der Trommel (2) angeordnet und am Gestell (1) fixiert ist, der über eine getriebetechnische Kopplung (12) mit einzeln in Folge verstellenden Stellmitteln (15) verbunden ist, welche für jede Greiferbrücke (23) mittels einer zugeordneten Positioniereinrichtung (16,17) den Greiferaufschlagleisten (18) gekoppelt sind."
V. Im Beschwerdeverfahren wurde auf folgende Entgegenhaltungen Bezug genommen:
D1: DE-A-34 28 668
D2: EP-A-0 652 105
D3: GB-A-2 098 966
VI. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen folgendes vorgetragen:
Das Streitpatent offenbare die Erfindung nicht so deutlich und vollständig, daß ein Fachmann sie ausführen könne.
Das Merkmal des Anspruchs 1 "Hoch- und Tiefstellen" der Greiferaufschlagleisten sei so zu verstehen, daß jede beliebige Zwischenstellung zwischen den beiden Endstellungen einstellbar sei. In Spalte 1, Zeilen 20 und 21 des Streitpatents, werde Bezug genommen auf die Entgegenhaltung D3, woraus "eine Einrichtung zum Positionieren (Hoch- und Tiefstellen) der Greiferauflage" bekannt sei. Weil die Einrichtung der Entgegenhaltung D3 eine Positionierung der Greiferbrücke in jeder beliebigen Stellung erlaube, sei der Begriff "Hoch- und Tiefstellen" so zu verstehen, daß jede beliebige Zwischenstellung zwischen den beiden Endstellungen einstellbar sei. Außerdem werde in Spalte 1, Zeile 46 des Streitpatents "Eine individuelle Verstellung" und in der Aufgabenstellung in Spalte 1, Zeilen 49 und 50 des Streitpatents "eine separate Verstellung (hoch bzw. tief stellen)" erwähnt.
Das offenbarte Ausführungsbeispiel ermögliche jedoch nur die Einstellung der Greiferaufschlagleisten auf die beiden Endstellungen. Die Offenbarung des Streitpatents ermögliche daher dem Fachmann die Ausführung der Erfindung lediglich in einem Teil des gesamten beanspruchten Bereichs. Gemäß der Entscheidung T 409/91 müsse die Anmeldung in der eingereichten Fassung ausreichende Angaben enthalten, anhand deren ein Fachmann die Erfindung innerhalb des gesamten beanspruchten Bereichs mit Hilfe seines allgemeinen Fachwissens ausführen könne, um das Erfordernis des Artikels 83 EPÜ zu erfüllen.
VII. Die Beschwerdegegnerin hat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung im wesentlichen folgendes vorgetragen:
Das Streitpatent offenbare die Erfindung so deutlich und vollständig, daß ein Fachmann sie ausführen könne.
Das Merkmal des Anspruchs 1 "Hoch- und Tiefstellen" der Greiferaufschlagleisten bedeute nicht, daß jede Zwischenstellung zwischen den Endstellungen einstellbar sei.
Die zu lösende Aufgabe des Streitpatents sei, ein separates Hoch- bzw. Tiefstellen der Greiferbrücken zu ermöglichen. Je nach Verstellung der Stellmittel (15) seien die Greiferbrücken auf eine Position eingestellt. Wenn diese Position ungünstig sei, könne eine Verstellung in die andere Position über die Stellmittel erfolgen. Eine uneinheitliche Einstellung der Greiferbrücken sei niemals nötig.
Durch die Merkmale des Anspruchs 1 sei eine Verstellung für jede Greiferbrücke einzeln und in Folge möglich. Eine Positionierung der Greiferbrücken in jeder beliebigen Stellung sei nicht Gegenstand der Erfindung.
Entscheidungsgründe
1. Es wird von der Beschwerdeführerin ausgeführt, daß das Merkmal des Anspruchs 1 "Hoch- und Tiefstellen" der Greiferaufschlagleisten so zu verstehen sei, daß jede beliebige Zwischenstellung zwischen den beiden Endstellungen einstellbar sei. Diese Behauptung ist jedoch nicht mit der Offenbarung des Streitpatents im Einklang.
2. Der Beschwerdeführerin kann zwar insoweit zugestimmt werden, als eine Trommel, in der es nicht nur möglich ist, eine separate Hoch- und Tiefstellung aller Greiferaufschlagleisten auf die zu verarbeitende Bedruckstoffstärke durchzuführen, sondern auch jede beliebige Höhenstellung zwischen den beiden Endstellungen einzustellen, unter den Wortlaut des Anspruchs fallen würde. Dies bedeutet jedoch nicht, daß die Erfindung nicht vollständig offenbart ist.
3. Die Aufgabe der Erfindung ist es, eine separate Verstellung (hoch bzw. tief stellen) aller Greiferbrücken der bogenführenden Trommel auf die zu verarbeitende Bedruckstoffstärke zu ermöglichen (Streitpatent, Spalte 1, Zeilen 49 bis 52). Gemäß Anspruch 1 wird diese Aufgabe dadurch gelöst, daß zum separaten Hoch- und Tiefstellen der Greiferaufschlagleisten ein Antrieb im Trommelzapfen der Trommel angeordnet und am Gestell fixiert ist, der über eine getriebetechnische Kopplung mit einzeln in Folge verstellenden Stellmitteln verbunden ist, welche für jede Greiferbrücke mittels einer zugeordneten Positioniereinrichtung den Greiferaufschlagleisten gekoppelt sind.
4. Im Ausführungsbeispiel des Streitpatents ist eine bogenführende Trommel mit zwei Greiferaufschlagleisten ausgeführt. Für jede Greiferaufschlagleiste 18 ist ein entsprechendes Stellmittel 15 vorgesehen, das die entsprechende Greiferaufschlagleiste individuell einstellt (siehe Spalte 4, Zeilen 16 bis 26). Wie in den Figuren 2 und 3 ersichtlich ist, sind zwei Zahnstangen 13 vorgesehen, die in einem begrenzten Bereich Zahnsegmente 22 aufweisen, die in eine Zahnung des zugeordneten Stellmittels eingreifen. Wenn das erste Zahnsegment mit dem ersten Stellmittel in Eingriff ist, ist das zweite Zahnsegment mit dem zweiten Stellmittel außer Eingriff, und umgekehrt. Damit sind die Greiferaufschlagleisten separat und in Folge verstellbar.
5. In den Vorrichtungen der Entgegenhaltungen Dl, D2 und D3 ist es möglich, den Abstand zwischen den Greiferauflagen und den Greiferaufschlagleisten stufenlos zu verstellen. Dies bedeutet jedoch nicht, daß der Begriff "Hoch- und Tiefstellen" in dieser Weise eingeschränkt zu verstehen ist. Eine Verstellung in festgelegten Schritten, wobei nicht jede Zwischenstellung einstellbar ist, ist auch vorstellbar. Der Beitrag des Streitpatents zum Stand der Technik ist eher darin zu sehen, daß das Hoch- und Tiefstellen der Greiferaufschlagleisten separat erfolgt.
6. Im Fall T 409/91 war die zuständige Kammer der Auffassung, daß ein wesentliches Merkmal der Erfindung nicht im Anspruch 1 genannt wurde. Dies ist hier nicht der Fall, denn es ist nicht die Aufgabe der Erfindung des Streitpatents, Positionen der Greiferaufschlagleisten zwischen den Endpositionen zu ermöglichen (siehe oben unter Punkt 3).
7. Die Offenbarung des Streitpatents ist daher so deutlich und vollständig, daß ein Fachmann sie ausführen kann, vgl. Artikel 83 EPÜ.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.