T 0409/91 (Dieselkraftstoffe) 18-03-1993
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Stützung durch die Beschreibung (nein), Klarheit (nein)
Ausreichende Offenbarung (nein)
I. Der Beschwerdeführer ist Inhaber der als EP-A-0 261 958 veröffentlichten europäischen Patentanmeldung Nr. 87 308 436.2. Die Beschwerde wurde am 13. März 1991 eingereicht und richtet sich gegen die am 6. Juni 1990 verkündete und am 7. Januar 1991 schriftlich begründete Entscheidung der Prüfungsabteilung des EPA, die Anmeldung zurückzuweisen. Die entsprechende Gebühr wurde am 14. März 1991 entrichtet.
II. Grundlage der mit der Beschwerde angegriffenen Entscheidung waren die Ansprüche 1 bis 5 in der ursprünglich eingereichten und veröffentlichten Fassung. Der Anspruch 1 lautet wie folgt:
"Destillatkraftstoff, dessen Siedepunkt in einem Bereich zwischen 120 C und 500 C liegt und der einen Wachsgehalt von mindestens 0,3 Gew.-% bei einer Temperatur von 10 C unter WAT (Wax Appearance Temperature - Beginn der Paraffinausscheidung/BPA) besitzt, wobei die Wachskristalle bei dieser Temperatur eine durchschnittliche Teilchengröße von weniger als 4 000 Nanometer aufweisen."
In den Ansprüchen 2 bis 5 sind für die Teilchengröße niedrigere Obergrenzen von bis zu 1 000 Nanometer (nm) definiert.
Erster Zurückweisungsgrund war, daß die Anmeldung nur ein Verfahren zur Gewinnung eines Kraftstoffs mit Wachsteilchen lehre, die im Versuch bei einer Temperatur von 6,4 C unter BPA eine Größe von 1 200 nm aufweisen. Da keine Angaben zur Gewinnung kleinerer Wachsteilchen bei einer Temperatur von 10 C unter BPA vorlägen, sei der Gegenstand des Anspruchs 1 - soweit er sich auf Teilchengrößen von weniger als 1 000 nm beziehe - in der Anmeldung nicht so deutlich und vollständig offenbart, daß er von einem Fachmann ausgeführt werden könne.
Der zweite, wichtigere Grund bestand darin, daß ein Teil bzw. Teile dieses beanspruchten Gegenstands zwar nach Artikel 83 EPÜ nicht zu beanstanden seien, jedoch nicht dem Erfordernis des Artikels 84 EPÜ Satz 1 in Verbindung mit Regel 29 (1) EPÜ entsprächen, weshalb der Anspruch insgesamt nicht den Gegenstand des Schutzbegehrens, d. h. den Kraftstoff, anhand seiner technischen Merkmale angebe (d. h. nicht all seine wesentlichen Merkmale anführe). Unter Bezugnahme auf das Dokument
(1) FR-A-2 256 235
wurde festgestellt, daß das Prinzip der Verringerung der Kristallgröße, das ein wesentliches Merkmal des beanspruchten Gegenstands darstelle, d. h. das Erfordernis, möglichst kleine Kristalle zu erzielen, bereits im Zusammenhang mit der Vermeidung des sogenannten "cold filter plugging" (kältebedingtes Verlegen von Filtern) bekannt sei. Der Beitrag der vorliegenden Patentanmeldung zum Stand der Technik liege daher nicht in dem genannten Prinzip der geringen Größe, sondern vielmehr in einer bestimmten Art und Weise, zu dem gewünschten Ergebnis zu gelangen. Daher sei die Angabe einer "kritischen" Obergrenze von 4 000 nm für die Teilchengröße nicht als erfinderisch zu werten. Eine patentierbare Erfindung könne somit nur auf die in der Patentanmeldung beschriebene Wahl des überlegenen Additivs gegründet werden, das zu der gewünschten geringen Teilchengröße führe.
III. In der am 16. Mai 1991 eingegangenen Beschwerdebegründung wie auch in der mündlichen Verhandlung am 18. März 1993 machte der Beschwerdeführer geltend, daß der Gegenstand des Schutzbegehrens in der vorliegenden Fassung der Ansprüche so angegeben sei, daß ein Fachmann auf dem Gebiet der Destillatkraftstoffe ohne weiteres herausfinden könne, ob ein bestimmter Dieselkraftstoff unter diese Ansprüche falle oder nicht. Das Erfordernis der Deutlichkeit nach Artikel 84 EPÜ sei daher erfüllt. Hinsichtlich des Artikels 83 EPÜ räumte der Beschwerdeführer ein, daß die Anmeldung keine Offenbarung enthalte, die einem Fachmann die Gewinnung von Dieselkraftstoffen des beanspruchten Typs ermögliche, die Wachskristalle mit einer durchschnittlichen Teilchengröße von weniger als 1 000 nm ausbildeten. Die Angabe einer Untergrenze für die Teilchengröße in den Ansprüchen sei aber aus seiner Sicht nicht erforderlich, da die Lösung des technischen Problems - die Vermeidung der Verstopfung von Filtern - die Angabe einer geeigneten Obergrenze voraussetze. Die Untergrenze sei somit kein wesentliches Merkmal der Erfindung.
Darüber hinaus widersprach der Beschwerdeführer der Auffassung der Prüfungsabteilung, wonach in Dokument (1) das der vorliegenden Anmeldung zugrunde liegende Prinzip offenbart sei, welches darin bestehe, die Größe der Wachskristalle so weit zu verringern, daß diese den Hauptfilter eines Dieselmotors passieren könnten. Dieses Dokument, das eine Priorität aus dem Jahre 1973 aufweise, stamme von demselben Unternehmen - Exxon - und müsse in seinem damaligen Zusammenhang betrachtet werden. Seine Lehre betreffe nämlich die Änderung der Form der Kristalle, und nicht die Verringerung ihrer Größe. Obendrein gehe es in diesem Dokument ausschließlich um völlig andere Filtertypen mit Maschenweiten von beispielsweise 44 000 nm, d. h. mit zehn mal so großen Poren wie die in der strittigen Anmeldung beschriebenen und beanspruchten.
Da es sich bei der Teilchengröße wie auch beim Siedebereich des Dieselkraftstoffs und bei dem in den vorliegenden Ansprüchen definierten Wachsgehalt um technische Merkmale und zugleich um die einzigen Merkmale handle, die zur Lösung des technischen Problems - der Vermeidung des Verstopfens des Hauptfilters eines Dieselmotors - erforderlich seien, seien nach Auffassung des Beschwerdeführers die Erfordernisse von Artikel 84 und Regel 29 (1) ebenfalls erfüllt. Außerdem wies dieser nachdrücklich darauf hin, daß vor dem Prioritätstag der streitigen Anmeldung niemand daran gedacht habe, daß das Problem des Verstopfens (Verlegens) von Filtern durch eine Verringerung der Kristallgröße zu lösen sei. Damit bestehe der eigentliche Beitrag der beanspruchten Erfindung zum Stand der Technik in diesem neuartigen Prinzip zur Lösung eines alten technischen Problems, auch wenn dies aus der Beschreibung nicht eindeutig hervorgehe. Zugleich räumte der Beschwerdeführer ein, daß die Beschreibung kein anderes Verfahren zur Erzielung der gewünschten Teilchengröße offenbare als den Zusatz bestimmter Additive zum Kraftstoff und daß auch einem Fachmann kein allgemeines Fachwissen über die Herstellung derartiger Kraftstoffe zur Verfügung stehe. Nach der ständigen Rechtsprechung sei das Erfordernis des Artikels 83 EPÜ aber erfüllt, wenn lediglich ein Weg zur Ausführung einer Erfindung angegeben sei, so daß die Erfindung damit hinreichend offenbart sei.
Aus denselben Gründen sei auch das in Artikel 84 EPÜ verankerte Erfordernis der Stützung durch die Beschreibung erfüllt. Seiner Auffassung nach sei der hier betrachtete Sachverhalt mit der Erfindung einer neuen chemischen Verbindung vergleichbar, wo nach der ständigen Rechtsprechung die Offenbarung lediglich eines Herstellungsverfahrens ausreichend sei, um einen Erzeugnisschutz zu begründen, der implizit sämtliche Herstellungsverfahren einschließlich derer umfasse, die weder offenbart seien noch zum allgemeinen Fachwissen gehörten.
IV. Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und die Erteilung des Patents auf der Grundlage der ursprünglich eingereichten Ansprüche bzw. hilfsweise die Erteilung des Patents auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Ansprüche 1 bis 4. In Anspruch 1 dieses Anspruchssatzes ist für die Größe der Wachskristalle eine Untergrenze von 1 000 nm angegeben.
Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer auf Zurückweisung der Beschwerde verkündet.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag
Der diesem Antrag zugrunde liegende Anspruchssatz wurde abgelehnt, weil sein Anspruch 5 einen Gegenstand betraf, der nach Artikel 83 EPÜ nicht ausreichend offenbart war. Die Kammer merkt an, daß sich diese Ablehnung nicht nur auf den Gegenstand des Anspruchs 5, sondern in gleicher Weise auch auf den Gegenstand der Ansprüche 1 bis 4 bezieht, von denen der Anspruch 5 abhängig ist. Dies bedeutet, daß im vorliegenden Fall ohne jeden Zweifel sämtliche Ansprüche so auszulegen sind, daß sie sich auf Kraftstoffe beziehen, die Wachskristalle mit einer Größe von weniger als 1 000 nm aufweisen. Der Beschwerdeführer hat eingeräumt, daß ein Weg zur Gewinnung solcher Kraftstoffe weder offenbart ist noch zum einschlägigen allgemeinen Fachwissen gehört. Damit das Erfordernis des Artikels 83 EPÜ erfüllt ist, muß die Anmeldung in der eingereichten Fassung jedoch nach Auffassung der Kammer ausreichende Angaben enthalten, anhand deren ein Fachmann die Erfindung innerhalb des gesamten beanspruchten Bereichs mit Hilfe seines allgemeinen Fachwissens ausführen kann. In der angefochtenen Entscheidung wurde daher zu Recht befunden, daß die Ansprüche des Hauptantrags auf eine Erfindung gerichtet waren, die nicht, wie in Artikel 83 EPÜ gefordert, ausreichend offenbart war.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach die Untergrenze im vorliegenden Fall kein wesentliches Merkmal der Erfindung sei und somit im Anspruch nicht genannt zu werden brauche, bezieht sich nicht auf das Erfordernis von Artikel 83, sondern vielmehr auf das von Artikel 84 EPÜ. Diesem Vorbringen kann die Kammer jedoch nicht beipflichten, weil unter den wesentlichen Merkmalen der Erfindung, die zur Angabe des Gegenstands des Schutzbegehrens herangezogen werden müssen, nach Artikel 84 EPÜ in Verbindung mit Regel 29 (1) und (3) EPÜ sämtliche technischen Merkmale zu verstehen sind, die zur Definition einer nach dem EPÜ patentierbaren Erfindung erforderlich sind, einschließlich aller Merkmale, die zur Bestimmung von Gegenständen erforderlich sind, die auch das Erfordernis der ausreichenden Offenbarung nach Artikel 83 EPÜ erfüllen.
Daher kann dem Hauptantrag nicht stattgegeben werden.
3. Hilfsantrag
3.1 Der Anspruch 1 des Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags in der Einführung einer Untergrenze von 1 000 nm für die Teilchengröße. Im ursprünglichen Anspruch 5, der vom ursprünglichen Anspruch 1 abhängig war, ist dieser Grenzwert als Obergrenze offenbart. Der nunmehr beanspruchte Bereich stellt somit die Differenz zwischen den in den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 5 offenbarten Bereichen dar und erfüllt damit das Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ.
3.2 In der Beschreibungseinleitung (Seite 2, Zeilen 1 bis 49) wird auf die historische Entwicklung eingegangen, die sich auf dem technischen Gebiet des Fließvermögens von Dieselkraftstoff bei niedrigen Temperaturen vollzogen hat. Es wird angeführt, daß unbehandelter Destillatdieselkraftstoff bei niedrigen Temperaturen dazu neigt, plattenförmige Wachskristalle auszubilden, die zu einer schwammigen Masse erstarren und das Öl einschließen, so daß es nicht mehr fließfähig ist. Dieses Problem war zunächst durch den Zusatz von Additiven gelöst worden; diese wirkten als Stockpunkterniedriger, da sie sowohl auf die Größe wie auch auf die Form der Wachskristalle einwirkten und damit die Kohäsionskräfte zwischen den Wachskristallen selbst wie auch zwischen Wachs und Öl so verringerten, daß das Öl bei niedrigeren Temperaturen flüssig und damit fließfähig blieb, so daß es weitmaschige Filter passieren konnte. Bei späteren Entwicklungen konzentrierte man sich - wiederum mittels Veränderung von Größe und Form der bei niedrigen Temperaturen ausgebildeten Wachskristalle - auf die Verbesserung der Filtrierbarkeit durch die Ausbildung meist nadelförmiger Kristalle, die einen durchlässigen Kuchen auf dem Filter bilden und ein Passieren des flüssigen Brennstoffs zulassen. Wenn sich der Brennstoff beim Betrieb des Dieselmotors erwärmt, lösen sich die Wachskristalle auf. Im weiteren Verlauf der Beschreibung heißt es, daß nunmehr überraschenderweise herausgefunden wurde, daß man durch den Zusatz bestimmter Additive (Zeilen 50 bis 53) wachshaltige Kraftstoffe erhalten könne, die bei niedrigen Temperaturen hinreichend kleine Wachskristalle ausbilden, um die üblicherweise in Dieselmotoren verwendeten Hauptfilter aus Papier passieren zu können, und daß "die vorliegende Erfindung daher einen Destillatkraftstoff ... mit einer durchschnittlichen Teilchengröße von weniger als 4 000 Nanometer vorsieht". Nach Auffassung der Kammer bezieht sich dieser Teil der Beschreibung auf eine Kraftstoffzusammensetzung, die als wesentlichen Bestandteil "bestimmte Additive" enthalten muß. Genau dieses Merkmal fehlt aber in den vorgelegten Ansprüchen, die daher nicht das Erfordernis des Artikels 84 Satz 1 EPÜ erfüllen, da sie den beanspruchten Gegenstand nicht mit all seinen wesentlichen technischen Merkmale angeben. Da dieses wesentliche Merkmal in den Ansprüchen keinen Niederschlag findet, sind diese nicht als Definition der tatsächlich in der Beschreibung dargelegten Erfindung, sondern lediglich als unvollständige Erläuterungen dazu anzusehen. Sofern in diesen Ansprüchen überhaupt eine Definition enthalten ist, betrifft diese daher eine andere Erfindung, bei der die Art der Additive kein wesentliches Merkmal darstellt, nämlich die unter Nr. II angeführte Erfindung des Prinzips der Verringerung der Größe.
3.3 Des weiteren müssen nach Artikel 84 EPÜ die Ansprüche, d. h. die Angabe der Erfindung in den Ansprüchen, durch die Beschreibung gestützt sein. Nach Auffassung der Kammer spiegelt sich in diesem Erfordernis der allgemeine Rechtsgrundsatz wider, wonach der durch die Ansprüche festgelegte Umfang des durch ein Patent verliehenen Ausschließungsrechts nur dann als gestützt bzw. begründet anzusehen ist, wenn er dem Beitrag zum Stand der Technik entspricht. (vgl. T 133/85, ABl. EPA 1988, 441). Dies bedeutet, daß die Angaben in den Ansprüchen im wesentlichen dem in der Beschreibung offenbarten Umfang der Erfindung zu entsprechen haben. Mit anderen Worten sollten sich die Ansprüche - wie in der Entscheidung T 26/81 (ABl. EPA 1982, 211, Nummer 4 der Entscheidungsgründe) festgestellt - nicht auf einen Gegenstand erstrecken, der einem Fachmann auch nach dem Lesen der Beschreibung noch nicht zugänglich wäre. Demnach muß ein technisches Merkmal, das in der Beschreibung als wesentliches Merkmal der Erfindung herausgestellt wird, auch Bestandteil des bzw. der unabhängigen Ansprüche sein, durch die diese Erfindung definiert wird (vgl. auch Entscheidung T 133/85, Nummer 2 der Entscheidungsgründe). Da die Kammer in den anderen Teilen der Beschreibung nichts finden konnte, was mit der obigen klaren Aussage über den Inhalt der beanspruchten Erfindung unvereinbar wäre, zumal sämtliche in den Beispielen genannten Kraftstoffe Additive enthalten und gleichzeitig alle Beispiele, bei denen keiner der Zusätze aus der Gruppe der "bevorzugten Additive" gemäß dem Absatz auf Seite 3 unten und Seite 4 oben verwendet wird, als "Vergleichsbeispiele" bezeichnet werden und bei Abkühlung Wachskristalle ausbilden, die die Erfordernisse gemäß Anspruch 1 nicht erfüllen, muß festgestellt werden, daß die Beschreibung keinen auf einen Kraftstoff ohne jegliche Zusätze gerichteten Anspruch stützt (bzw. rechtfertigt). Der vorliegende Anspruch ist somit nicht durch die Beschreibung gestützt und verstößt daher gegen Artikel 84 EPÜ.
3.4 Darüber hinaus hat die Kammer geprüft (Artikel 114 (1) EPÜ), ob der vorliegende Anspruch 1 so ausgelegt werden könnte, daß er implizit das Vorhandensein bestimmter Additive voraussetzt, was zu der angegebenen Teilchengröße als dem eigentlichen funktionellen Merkmal führt. Aber auch wenn die Kammer die Zulässigkeit einer solchen Auslegung annehmen wollte, muß sie ernsthafte Zweifel haben, ob eine solche funktionelle Definition unter den gegebenen Umständen die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ erfüllen würde, da sie - selbst wenn sie sich deutlicher auf das entsprechende technische Merkmal, d. h. die Additive, bezöge - nur zulässig wäre, wenn dem Fachmann - nach Lesen der Beschreibung oder aufgrund seines allgemeinen Fachwissens - eine Reihe von Alternativen zur Ausführung dieser Funktion zur Verfügung stünden. Die Beschreibung offenbart jedoch nur eine Möglichkeit zur Erzielung der gewünschten Teilchengrößen, nämlich die Verwendung von Additiven der auf Seite 3, Zeile 48 bis Seite 4, Zeile 14 der veröffentlichten Anmeldung angeführten chemischen Struktur, und enthält keine Anhaltspunkte, anhand deren ein Fachmann andere, zur Erzielung der gewünschten kleinen Wachskristalle geeignete Additive oder Additivkombinationen finden könnte. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, daß ihm kein allgemeines Fachwissen bekannt sei, das es dem Fachmann ermöglicht haben könnte, weitere Wege zur Gewinnung von Dieselkraftstoffen mit der beanspruchten Teilchengröße ausfindig zu machen.
In Anbetracht dieser Sachlage gelangt die Kammer zu der Auffassung, daß eine solche funktionelle Definition nicht als knappste Fassung zur Definition der in der Beschreibung dargelegten Erfindung gelten kann, sondern vielmehr einen Versuch darstellt, nicht nur den tatsächlich beschriebenen Beitrag zum Stand der Technik, sondern auch ein Ausschließungsrecht für ein technisches Gebiet zu beanspruchen, das erheblich darüber hinaus geht. Wie bereits oben angeführt, würde dies aber dem in Artikel 84 EPÜ verankerten Erfordernis der "Stützung durch die Beschreibung" widersprechen, das solch eindeutig "anmaßenden" Ansprüchen entgegenwirken soll. Anders ausgedrückt würde die Beschreibung bei korrekter Auslegung nur Ansprüche stützen, welche die geeigneten Additive der oben erwähnten strukturellen Definition enthielten.
Außerdem ist die Kammer nicht davon überzeugt, daß die Kristallgröße eine eindeutige funktionelle Definition der beanspruchten Kraftstoffzusammensetzungen darstellt, d. h. daß ein Fachmann ohne unzumutbaren Aufwand - nämlich mit Routineversuchen - herausfinden kann, ob eine bestimmte Kraftstoffzusammensetzung vom Anspruch erfaßt ist oder nicht (vgl. auch T 68/85, ABl. EPA 1987, 228), da ein Vergleich der Beispiele 3 und 4 der streitigen Anmeldung zeigt, daß sich bei bloßer Wiederholung von Beispiel 3 eine Kristallgröße von 2 000 anstelle von 1 500 nm und infolgedessen ein Druckabfall am Filter von 35,5 anstelle von 6,5 kPa ergab. Somit kann die bei völlig identischen Brennstoffzusammensetzungen entstehende Kristallgröße aufgrund unbekannter Faktoren erheblich variieren und darf daher nicht zu einer klaren und eindeutigen Definition dieser Zusammensetzungen herangezogen werden.
3.5 Schließlich betreffen die vorgelegten Ansprüche eine Erfindung, die auch das Erfordernis des Artikels 83 EPÜ nicht erfüllt. Auch wenn die Erfordernisse der Artikel 83 und 84 EPÜ auf unterschiedliche Teile der Patentanmeldung gerichtet sind, da Artikel 83 die Offenbarung der Erfindung, Artikel 84 dagegen die Angabe der Erfindung durch die Ansprüche betrifft, liegt dem Erfordernis der Stützung durch die Beschreibung - was seinen materiellrechtlichen Aspekt anbelangt - und dem Erfordernis der ausreichenden Offenbarung dieselbe Absicht zugrunde, nämlich sicherzustellen, daß das durch ein Patent verliehene Ausschließungsrecht durch den tatsächlichen Beitrag zum Stand der Technik begründet sein sollte. Somit kann ein Anspruch zwar insoweit durch die Beschreibung gestützt sein, als er ihr entspricht, aber dennoch einen Gegenstand umfassen, der im Sinne des Artikels 83 EPÜ nicht ausreichend offenbart ist, da er nicht ohne unzumutbaren Aufwand ausgeführt werden kann und umgekehrt. Im vorliegenden Fall kann jedoch die durch die Ansprüche angegebene Erfindung das Erfordernis des Artikels 83 EPÜ aus genau denselben Gründen nicht erfüllen, die zur Verletzung des Artikels 84 EPÜ führen, nämlich, daß sich die Erfindung auf einen technischen Gegenstand bezieht, der für den Fachmann nicht aus der ursprünglich eingereichten Anmeldung hervorgeht, zumal vom Beschwerdeführer nicht bestritten wurde, daß keine Angaben zur erfolgreichen Ausführung der beanspruchten Erfindung ohne Verwendung der durch ihre Struktur definierten Klasse von Additiven gemacht wurden. Daher ist die Kammer der Auffassung, daß die Beschreibung die mit den vorgelegten Ansprüchen angegebene Erfindung nicht in der in Artikel 83 EPÜ vorgeschriebenen Weise offenbart.
Demgemäß weist die Kammer das Vorbringen des Beschwerdeführers zurück, wonach eine ausreichende Offenbarung allein dadurch schon gegeben sei, daß ein Weg zur Ausführung der Erfindung offenbart sei. Nach Auffassung der Kammer ist die Offenbarung eines Weges zur Ausführung der Erfindung nach Artikel 83 EPÜ nur ausreichend, wenn sie dem Fachmann - wie bereits unter Nummer 2 dargelegt - die Ausführung der Erfindung im gesamten beanspruchten Bereich ermöglicht. Die Frage, ob die Offenbarung eines einzigen Weges zur Ausführung der Erfindung ausreicht, um einem Fachmann die Ausführung der Erfindung im gesamten beanspruchten Bereich zu ermöglichen, ist jedoch eine Tatfrage, die von Fall zu Fall anhand der vorliegenden Beweismittel und nach Abwägen der Wahrscheinlichkeit zu entscheiden ist. Im vorliegenden Fall bezieht sich die beanspruchte Erfindung auf eine Klasse von Kraftstoffzusammensetzungen, die durch ein gemeinsames Merkmal, d. h. das Vorhandensein von Wachskristallen, gekennzeichnet sind, die unter bestimmten Voraussetzungen eine bestimmte Größe aufweisen. Nach Auffassung der Kammer unterscheidet sich dieser Fall von denjenigen Fällen, in denen eine Klasse chemischer Verbindungen beansprucht wird und ein Fachmann lediglich ein Herstellungsverfahren benötigt, um die Erfindung auszuführen, d. h. alle Verbindungen der beanspruchten Klasse herzustellen. Vielmehr ist der vorliegende Fall mit Fällen vergleichbar, in denen eine Gruppe chemischer Verbindungen beansprucht wird und nicht alle beanspruchten Verbindungen mit den in der Beschreibung offenbarten oder zum allgemeinen Fachwissen gehörenden Verfahren hergestellt werden können (vgl. z. B. T 206/83, ABl. EPA 1987, 5). Im letzteren Fall war die Offenbarung eines Verfahrens, mit dem man nur zu einigen Mitgliedern der beanspruchten Klasse chemischer Verbindungen gelangen konnte, als nicht ausreichend im Sinne des Artikels 83 EPÜ erachtet worden. Damit steht die Auffassung der Kammer, daß die beanspruchte Erfindung nur ausreichend offenbart ist, wenn der Fachmann in die Lage versetzt wird, im wesentlichen alle unter den Umfang der Ansprüche fallenden Ausführungsarten nachzuarbeiten, im Einklang mit der früheren Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA (vgl. auch T 226/85, ABl. EPA 1988, 336).
3.6 Aus diesen Gründen kann dem Hilfsantrag nicht stattgegeben werden, und zwar ungeachtet dessen, ob das angebliche "Prinzip" der Vermeidung kältebedingten Verstopfens (oder Verlegens) von Filtern durch Verringerung der Größe der Wachskristalle nun neu und erfinderisch wäre oder nicht. Im übrigen hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, daß die - seiner Auffassung nach mehrdeutige - Aussage in Dokument (1), wonach "der Kraftstoff bei Abkühlung nur kleine Wachskristalle ausbilden soll, die den Filter nicht verstopfen" (vgl. Seite 1, Zeilen 18 bis 22), so ausgelegt werden könnte, daß genau dieses angeblich "neue Prinzip" offenbart wird.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.