T 0601/09 (BASF SE / LANXESS) 19-08-2015
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VERFAHREN ZUR ISOLIERUNG VON TRIMETHYLOLPROPAN AUS EINEM REAKTIONSGEMISCH
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin (Einsprechende) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit welcher der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 1 456 159 zurückgewiesen wurde. Der unabhängige Anspruch 1 des Streitpatentes lautet wie folgt:
"1. Verfahren zur Isolierung von Trimethylolpropan aus einem Reaktionsgemisch, das durch Umsetzung von n-Butyraldehyd mit Formaldehyd in Gegenwart einer Base und gegebenenfalls Hydrierung erhalten ist, durch Destillation, wobei man
i) das Gemisch in eine Zulaufsäule mit oberhalb der Zulaufstelle gelegenem Verstärkungsteil und unterhalb der Zulaufstelle gelegenem Abtriebsteil einführt
ii) eine mit dem oberen Ende des Verstärkungsteils kommunizierende obere Vereinigungssäule mit Kondensator am oberen Säulenende und eine mit dem unteren Ende des Antriebsteils kommunizierende untere Vereinigungssäule mit Aufheizer am unteren Säulenende vorsieht,
iii) eine mit der oberen Vereinigungssäule und der unteren Vereinigungssäule kommunizierende Abzugssäule vorsieht,
iv) aus der Abzugssäule reines Trimethylolpropan als Seitenabzug abzieht, und am Kopf oder im oberen Bereich der Vereinigungssäule leichter als Trimethylolpropan siedende Verbindungen und im Sumpf oder im unteren Bereich der Vereinigungssäule höher als Trimethylolpropan siedende Verbindungen abzieht."
II. Im Einspruchsverfahren war das Patent in seinem gesamten Umfang wegen mangelnder Ausführbarkeit (Artikel 100(b) EPÜ), sowie mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100(a) EPÜ), angegriffen worden. Im Einspruchsverfahren wurden inter alia folgende Dokumente herangezogen:
(1) DE-A-199 63 435,
(3) EP-A-0 126 288 und
(4) EP-A-0 122 367.
III. In der angefochtenen Entscheidung stellte die Einspruchsabteilung fest, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 ausführbar sei. Ausgehend von Druckschrift (1) als nächstliegendem Stand der Technik habe die Aufgabe darin bestanden, ein verbessertes, insbesondere ein vereinfachtes, Verfahren zur Isolierung von Trimethylolpropan aus der Reaktionsmischung bereitzustellen. Die Druckschriften (3) und (4) offenbarten Trennwandkolonnen zur Trennung von Zulaufprodukten, die aus mehreren unterschiedlichen Fraktionen bestehen. Als einziges Ausführungsbeispiel werde eine Trennung des Gemisches n-Hexan/n-Heptan/n-Oktan in einer Raffinerieanlage beschrieben. Da diesen Druckschriften jedoch kein Hinweis darauf entnommen werden könne, dass mit dieser Vorrichtung auch eine Abtrennung von Trimethylolpropan aus dem Reaktionsgemisch erreicht werden kann, beruhe das beanspruchte Verfahren auf einer erfinderischen Tätigkeit.
IV. Die Beschwerdeführerin hat den Einwand der mangelnden Ausführbarkeit im Beschwerdeverfahren nicht mehr weiterverfolgt, sondern lediglich die mangelnde erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Verfahrens im Hinblick auf die im Einspruchsverfahren herangezogenen Druckschriften (1), (3) und (4), gerügt. Ausgehend von Druckschrift (1) als nächstliegendem Stand der Technik habe die Aufgabe darin bestanden, reineres Trimethylolpropan am Seitenabzug der Vorrichtung zu erhalten. Die Lösung dieser Aufgabe, nämlich die Verwendung einer Säule mit einer in Längsrichtung der Säule verlaufenden Trennvorrichtung, sei bereits in den Druckschriften (3) oder (4) nahegelegt.
V. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) stimmte mit der Beschwerdeführerin und der Einspruchsabteilung überein, dass die Druckschrift (1) den nächstliegenden Stand der Technik darstelle. Druckschrift (1) offenbare in Schritt a) ein Verfahren zur Herstellung von Trimethylolpropan (TMP), sowie ein Verfahren zur destillativen Reinigung TMP. Dabei würden in einem ersten Destillationsschritt b) die leichtsiedenden Komponenten abgetrennt. In einem zweiten Destillationsschritt c) werde TMP zusammen mit leichtflüchtigen Spaltprodukten über Kopf abdestilliert. Anschließend werde TMP in Schritt d) aus dem aus Schritt c) erhaltenen Gemisch destillativ abgetrennt. Der Hinweis auf die Durchführung der Destillationsschritte b) und c) in nur einem Arbeitsgang stelle lediglich eine nicht weiter spezifizierte Alternative des Verfahrens dar. Insbesondere könne der Druckschrift (1) nicht entnommen werden, dass zur Durchführung des Destillationsschrittes d) eine Vorrichtung verwendet wird, bei der "eine mit dem oberen Ende des Verstärkungsteils kommunizierende obere Vereinigungssäule [...] am oberen Säulenende und eine mit dem unteren Ende des Antriebsteils kommunizierende untere Vereinigungssäule [...] am unteren Säulenende" und "eine mit der oberen Vereinigungssäule und der unteren Vereinigungssäule kommunizierende Abzugssäule" eingesetzt wird. Die Verwendung einer derartigen Vorrichtung werde auch nicht durch die Druckschriften (3) oder (4) nahegelegt.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patentes.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig. Da keine der Parteien einen Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt hat, konnte die Kammer im schriftlichen Verfahren entscheiden.
2. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren vor der Kammer ihren im Einspruchsverfahren vorgetragenen Einwand der mangelnden Ausführbarkeit nicht mehr weiterverfolgt. Da die Kammer der Auffassung ist, dass die Ausführbarkeit des in Anspruch 1 des Streitpatentes definierten Verfahrens gegeben ist, wird auf weitere Ausführungen hierzu verzichtet.
3. Der einzige im Beschwerdeverfahren zu prüfende Einwand betrifft somit die erfinderische Tätigkeit.
3.1 Das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Streitpatentes betrifft ein Verfahren zur destillativen Abtrennung von TMP aus einem Reaktionsgemisch, das durch Umsetzung von n-Butyraldehyd mit Formaldehyd in Gegenwart einer Base und gegebenenfalls Hydrierung erhalten wurde. Ein derartiges Verfahren ist bereits in Druckschrift (1) offenbart. Die Parteien, sowie die Einspruchsabteilung stimmten darin überein, dass Druckschrift (1) den nächstliegenden Stand der Technik darstellt.
3.2 Druckschrift (1) offenbart ein Verfahren zur Herstellung und Isolierung von TMP, wobei die Herstellung von TMP in einem ersten Schritt a) durch Umsetzung von n-Butyraldehyd mit Formaldehyd in Gegenwart einer Base und anschließender Hydrierung erfolgt (Spalte 3, Zeile 33 bis 36). Aus diesem Reaktionsgemisch werden in Schritt b) zunächst Wasser, Methanol, Trialkylamin und/oder Trialkylammoniumformiat abdestilliert (Spalte 3, Zeilen 7 bis 38). Der dabei erhaltene Rückstand wird in Schritt c) soweit erhitzt, bis das Produkt TMP zusammen mit weiteren thermischen Spaltungsprodukten über Kopf abdestilliert wird (Spalte 3, Zeilen 39 bis 44). Das aus Schritt c) erhaltene Gemisch wird zur Gewinnung von reinem TMP in Schritt d) erneut destilliert (Spalte 3, Zeilen 45 bis 47). Alternativ schlägt die Druckschrift (1) auch die gemeinsame Durchführung der Destillationsschritte (c) und (d) vor (Spalte 7, Zeilen 17 bis 22).
3.3 Die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe bestand darin, ein einfacheres Verfahren zur Isolierung von TMP aus einem Reaktionsgemisch bereitzustellen, welches mit geringere Energiebedarf durchführbar ist (siehe Streitpatent, Seite 2, Paragraph [0007]).
3.4 Als Lösung bietet das Streitpatent das Verfahren gemäß Anspruch 1 an, welches dadurch gekennzeichnet ist, dass das TMP enthaltende Reaktionsgemisch aus der Umsetzung von n-Butyraldehyd mit Formaldehyd einer Destillation in einer im Anspruch in Merkmalen ii) und iii) definierten Vorrichtung (entsprechend einer Trennwandkolonne) unterzogen wird, wobei das TMP an einem Seitenabzug der Vorrichtung entnommen wird.
3.5 Da im Vergleich zum nächstliegenden Stand der Technik (siehe Paragraph 3.2 supra) grundsätzlich nur ein einziger Destillationsschritt notwendig ist, stellt die angebotene Lösung ein einfacheres Trennverfahren dar. Darüber hinaus erfordert das Verfahren von Druckschrift (1) mindestens einen Destillationsschritt, bei welchem das TMP über Kopf abgetrennt werden muss. Da im Verfahren gemäß Streitpatent das TMP an einem Seitenabzug entnommen wird und nicht soweit erhitzt werden muss, wie es für eine Abtrennung des TMP über Kopf notwendig wäre, erscheint es glaubhaft, dass auch der Energiebedarf im Streitpatent geringer ist als in Druckschrift (1).
Daher ist die in Paragraph 3.3 supra definierte technische Aufgabe erfolgreich gelöst.
3.6 Als Begründung dafür, dass die gemäß Streitpatent angebotene Lösung nahegelegen habe, führte die Beschwerdeführerin die Druckschriften (3) und (4) an.
3.6.1 Druckschrift (3) betrifft ein Verfahren zur Reaktivdestillation, bei dem gleichzeitig eine chemische Reaktion und eine destillative Zerlegung des Produktgemisches in einer Trennwandkolonne erfolgt (siehe Spalte 1, Zeilen 3 bis 12). Beispielhaft werden Veresterungen, Umesterungen, Verseifungen, Acetalisierungen und Acetalspaltungsreaktionen als chemische Reaktionen genannt (Spalte 1, Zeilen 26 bis 31). Da gemäß Streitpatent jedoch weitere chemische Reaktionen während der Destillation des TMP enthaltenden Reaktionsgemisches möglichst verhindert werden sollen (siehe Paragraph [0006]), hätte der Fachmann bereits aus diesem Grund die Lehre der Druckschrift (3) nicht zur Lösung der in Paragraph 3.3 supra genannten Aufgabe herangezogen.
Die Beschwerdeführerin brachte vor, Herr Kaibel sei sowohl im Streitpatent als auch in Druckschrift (3) als Erfinder genannt. Daher sei auch Druckschrift (3) im gleichen technischen Gebiet angesiedelt wie das Streitpatent, so dass der Fachmann auch die Lehre der Druckschrift (3) zur Lösung seiner technischen Aufgabe herangezogen hätte.
Ob der Fachmann eine Druckschrift zur Lösung des Problems herangezogen hätte, hängt jedoch nicht vom Wissen des Erfinders ab, sondern von dem des Fachmannes. Dieser verfügt jedoch lediglich über durchschnittliches Wissen und Können in seinem begrenzten technischen Gebiet, wogegen den Erfinder zusätzlich die Fähigkeit zu problemlösendem Denken auszeichnet. Somit ist der Erfinder nicht mit dem Fachmann gleichzusetzen (siehe z.B. T 39/93, ABl. EPA 1997, 134, Punkt 7.8.4). Das Argument der Beschwerdeführerin kann daher nicht durchgreifen.
Weiter brachte sie vor, dass sich das Wissen des Fachmannes nicht auf ein Trennproblem einer speziellen Substanzmischung reduzieren lasse, da der Fachmann bei der Suche nach Lösungen für ein Trennproblem einer speziellen Substanzmischung auch analoge Trennprobleme anderer Substanzmischungen, wie hier die Quervermischung von Brüdenströmen, in Betracht ziehe.
Indessen ist die von der Beschwerdeführerin angesprochene Vermischung von Brüdenströmen als Problemstellung im nächstliegenden Stand der Technik nicht angesprochen, so dass der Fachmann zum Zeitpunkt der Erfindung keine Veranlassung hatte, nach analogen Problemlösungen zu suchen. Daher kann auch dieses Argument der Beschwerdeführerin nicht überzeugen.
3.6.2 Dokument (4) betrifft eine Destillationskolonne in Form einer Trennwandkolonne zur Zerlegung einer Mischung in eine reine Kopffraktion, eine reine Sumpffraktion und in eine oder mehrere Mittelsiederfraktionen, wobei die Mittelsiederfraktionen frei von Bestandteilen der Kopffraktion oder der Sumpffraktion sind (siehe Seite 1, Zeilen 5 bis 11; Anspruch 1). Diese Kolonne wird in Raffinerien zur Trennung von Paraffingemischen eingesetzt (Seite 1 Zeilen 19 bis 24). An keiner Stelle dieser Druckschrift wird erwähnt, dass die Destillationskolonne auch zur destillativen Abtrennung von TMP aus einem Reaktionsgemisch geeignet ist. Da der Fachmann weiß, dass bei der Destillation von TMP enthaltenden Reaktionsgemischen mit Zersetzung unter weiterer Bildung von Nebenprodukten zu rechnen ist, hätte der Fachmann die Verwendung einer Destillationskolonne, deren Einsatz nur für die Trennung von inerten Mischungen offenbart ist, wie z.B. n-Hexan/n-Heptan/n-Oktan in Druckschrift (4), für die destillative Abtrennung von TMP aus einem Reaktionsgemisch, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin, nicht in Erwägung gezogen.
Auch wenn man, wie von der Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung vorgebracht, die technische Aufgabe darin sähe, eine Destillationskolonne zu verwenden, die es ermöglicht, im Seitenabzug reineres TMP abzuziehen, als es durch die Verwendung einer einfachen Seitenabzugssäule möglich ist (Beschwerdebegründung, Seite 4, letzter Absatz), so hätte die Verwendung einer Trennwandkolonne, wie in Druckschrift (4) beschrieben, nicht nahegelegen, da Druckschrift (4) die einstufige Trennung von inerten Gemischen betrifft, während im vorliegenden Fall eine Reaktionsmischung zu trennen ist, die zu Zersetzung und zur Bildung weiterer Nebenprodukte neigt.
3.7 Die Kammer gelangt daher zu der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ).
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 9 betreffen bevorzugte Ausführungsformen des Verfahrens gemäß Anspruch 1. Daher wird deren erfinderische Tätigkeit von derjenigen des unanhängigen Anspruchs 1 getragen.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.