T 0318/98 08-08-2000
Download and more information:
Beschichtungsmittel, ein Verfahren zu ihrer Herstellung und ihre Verwendung zur Herstellung von Beschichtungen
Neuheit - Vorbeschreibung (verneint) - ältere europäische Anmeldung (Disclaimer)
Entscheidung über die Beschwerde-Zurückverweisung (bejaht)
Sachverhalt und Anträge
I. Die am 15. Oktober 1992 unter Beanspruchung der Priorität einer deutschen Voranmeldung (4135571) vom 29. Oktober 1991 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 93 909 333.2 mit der Veröffentlichungsnummer 0 610 450 (WO-A-93/09157) und dem Titel "Beschichtungsmittel, ein Verfahren zu ihrer Herstellung und ihre Verwendung zur Herstellung von Beschichtungen" wurde von der Prüfungsabteilung mit Entscheidung vom 8. Oktober 1997 zurückgewiesen. Die Zurückweisung erfolgte auf der Grundlage eines am 10. Juni 1997 eingereichten Anspruchs 1 und der ursprünglich eingereichten Ansprüche 2 und 3.
Anspruch 1 lautete wie folgt:
"1. Beschichtungsmittel, deren Bindemittel eine Kombination aus
a) einer in Wasser bzw. einem Wasser/und 0-50 Gew.-% Lösungsmittel-Gemisch gelöst und/oder dispergiert vorliegenden Polyolkomponente und
b) einer in der Lösung und/oder Dispersion der Polyolkomponente a) emulgiert vorliegenden Polyisocyanatkomponente einer Viskosität bei 23 C von 50 bis 10 000 mPa.s
in einem Äquivalentverhältnis von Isocyanatgruppen der Komponente b) zu alkoholischen Hydroxylgruppen der Komponente a) von 0,5:1 bis 5:1 entsprechenden Mengen besteht, dadurch gekennzeichnet, daß die Komponente a) 20 bis 65 Gew.-% aus
al) einem wasserverdünnbaren, Hydroxylgruppen aufweisenden, urethangruppen- und sulfonatgruppenfreiem Polykondensationsharz eines über 500 liegenden Molekulargewichts Mn oder
a2) einem Gemisch eines derartigen Polykondensationsharzes mit bis zu 100 Gew.-%, bezogen auf das Gewicht des Polykondensationsharzes, mindestens eines wasserverdünnbaren, Hydroxylgruppen aufweisenden Polymerisationsharzes eines über 500 liegenden Molekulargewichts Mn
ist, bezogen auf die Lösung bzw. Dispersion aus Lösungsmittel und Polyolkomponente a)."
Anspruch 2 betraf ein Verfahren zur Herstellung dieser Beschichtungsmittel, Anspruch 3 deren Verwendung zur Herstellung von Beschichtungen.
In dieser Entscheidung beziehen sich Hinweise auf Fundstellen von Zitaten aus der Anmeldung und den Entgegenhaltungen, soweit vorhanden, stets auf die maschinenschriftliche Zeilennumerierung.
II. Als Grund für die Zurückweisung nannte die angefochtene Entscheidung fehlende Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 1 gegenüber der Offenbarung folgender Druckschriften:
D1 WO-A-93/05087 und
D2 EP-A-0 161479,
wobei D1 Bestandteil des Standes der Technik im Sinne des Artikels 54 (3) und (4) EPÜ war.
Die fehlende Neuheit gegenüber D1 wie auch D2 wurde damit begründet, daß zum einen beide Entgegenhaltungen wäßrige Beschichtungsmittel beschrieben, die neben einer in Wasser gelösten oder dispergierten Polyol-Komponente (a) eine in dieser Komponente emulgierte Polyisocyanat-Komponente (b) enthielten, und zum anderen der Anspruchswortlaut des Streitpatents die Anwesenheit von Polyol-Komponenten nicht ausschließe, die über die als (a1) und (a2) bezeichneten Alternativen der Komponente (a) hinausgingen.
III. Am 1. Dezember 1997 hat die Beschwerdeführerin (Anmelderin) gegen diese Entscheidung unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr Beschwerde erhoben und am 10. Februar 1998 unter Einreichung eines neuen Anspruchs 1 die Beschwerde begründet. Hilfsweise beantragte sie eine mündliche Verhandlung.
i) Im wesentlichen wurde vorgetragen, daß gegenüber den in der Begründung der Zurückweisung genannten Druckschriften der Anmeldungsgegenstand nach Änderung von Anspruch 1 neu und gegenüber D2 auch erfinderisch sei, da er demgegenüber nun durch Disclaimer abgegrenzt sei und D2 ausdrücklich die Anwesenheit von Glycerin verlange.
ii) Diese Begründung wurde am 20. März 1998 dahingehend modifiziert, daß zusätzlich Hilfsanträge 1 und 2 gestellt wurden.
IV. In einer Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung wurden einige Punkte zur Klarheit der Ansprüche, zur Übereinstimmung von Beispielen und Merkmalen der Ansprüche sowie zu Überschneidungen mit dem Stand der Technik angesprochen.
V. Daraufhin wurden mit einer Eingabe am 10. Juli 2000 neue Anträge eingereicht, die sich auf einen als Hauptantrag und weitere als 1. bis 4. Hilfsantrag bezeichnete Anspruchssätze bezogen.
Des weiteren machte die Beschwerdeführerin weitere Ausführungen zu den Fragen der Stützung durch die ursprüngliche Offenbarung, zur Neuheit und zur erfinderischen Tätigkeit.
Gegenüber D1 sei der Gegenstand von Anspruch 1 durch Disclaimer eingeschränkt worden, der die Anwesenheit von Reaktivverdünner ausschließe, so daß sein Gegenstand gegenüber dieser Entgegenhaltung neu sei.
Auch gegenüber D2 sei der beanspruchte Gegenstand neu, da D2 nicht die Viskositätsbegrenzung der Polyisocyanatkomponente enthalte, auch erfüllten nicht alle beispielhaft angeführten Polyisocyanatkomponenten dieses erfindungsgemäße Merkmal. D2 offenbare auch nicht das spezielle Äquivalentverhältnis der Isocyanatgruppen der Komponente b) zu den alkoholischen Hydroxylgruppen der Komponente a). Dies lasse sich auch nicht aus den Angaben zur Isocyanatkennzahl herleiten. Zudem stelle Glycerin, das in den Beispielen 1 und 3 als zusätzliche Komponente verwendet werde, einen Reaktivverdünner dar, dessen Anwesenheit durch den Disclaimer ausgeschlossen sei.
Für die weiteren Ansprüche, die durch Rückbezug auf Anspruch 1 oder explizit ebenfalls dessen einschränkenden Merkmale enthielten, sollten die vorgetragenen Argumente ebenfalls gelten.
VI. Die mündliche Verhandlung fand am 8. August 2000 statt.
i) Nach eingehender Diskussion über die Klarheit, die Stützung durch die ursprüngliche Offenbarung und die Neuheit legte die Beschwerdeführerin folgenden Anspruchssatz vor:
"1. Lacke auf Basis eines Bindemittels bestehend aus einer Kombination aus a) einer in Wasser bzw. einem Wasser/Lösungsmittelgemisch gelöst und/oder dispergiert vorliegenden Polyolkomponente und
b) einer in der Lösung und/oder Dispersion a) emulgierbaren Polyisocyanatkomponente aus organischen Polyisocyanaten mit freien Isocyanatgruppen und einer Viskosität bei 23 C von 50 bis 10000 mPa.s
in einem Äquivalentverhältnis von Isocyanatgruppen der Komponente b) zu alkoholischen Hydroxylgruppen in der Lösung und/oder Dispersion a) von 0,5:1 bis 5:1 entsprechenden Mengen, dadurch gekennzeichnet, daß die Polyolkomponente im wesentlichen aus
a1) einem wasserverdünnbaren, Hydroxylgruppen aufweisenden, urethangruppen- und sulfonatgruppenfreien Polykondensationsharz mit einem Molekulargewicht Mn von mehr als 500 oder
a2) einem Gemisch eines derartigen Polykondensationsharzes mit bis zu 100 Gew.-%, bezogen auf das Gewicht des Polykondensationsharzes, mindestens eines wasserverdünnbaren, Hydroxylgruppen aufweisenden Polymerisationsharzes mit einem Molekulargewicht Mn von mehr als 500 besteht;
ausgenommen Bindemittel, in denen die Komponente a) zu 5 bis 70 Gew.-% bezogen auf das Gewicht der Komponente a1) oder a2), aus einem Reaktivverdünner besteht, der eine wasserlösliche, bei Normaldruck nicht destillierbare oder einen Siedepunkt von mindestens 150 C aufweisende Verbindung mit einem unter 500 liegenden Molekulargewicht Mn und mindestens einer gegenüber Isocyanatgruppen reaktionsfähigen Gruppe ist.
2. Verfahren zur Herstellung eines Lackes gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß man in einer wäßrigen oder wäßrig-organischen Lösung oder Dispersion einer Polyolkomponente bestehend im wesentlichen aus
a1) einem wasserverdünnbaren, Hydroxylgruppen aufweisenden, urethangruppen- und sulfonatgruppenfreien Polykondensationsharz mit einem Molekulargewicht Mn von mehr als 500 oder
a2) einem Gemisch eines derartigen Polykondensationsharzes mit bis zu 100 Gew.-%, bezogen auf das Gewicht des Polykondensationsharzes, mindestens eines wasserverdünnbaren, Hydroxylgruppen aufweisenden Polymerisationsharzes mit einem Molekulargewicht Mn von mehr als 500
eine Polyisocyanatkomponente aus organischen Polyisocyanaten mit freien Isocyanatgruppen und einer Viskosität bei 23 C von 50 bis 10000 mPa.s emulgiert, wobei
das Äquivalentverhältnis von Isocyanatgruppen der Polyisocyanatkomponente zu alkoholischen Hydroxylgruppen in der Lösung und/oder Dispersion der Polyolkomponente 0,5:1 bis 5:1 beträgt;
ausgenommen Verfahren, in denen die Polyolkomponente zu 5 bis 70 Gew.-% bezogen auf das Gewicht der Komponente a1) oder a2), aus einem Reaktivverdünner besteht, der eine wasserlösliche, bei Normaldruck nicht destillierbare oder einen Siedepunkt von mindestens 150 C aufweisende Verbindung mit einem unter 500 liegenden Molekulargewicht Mn und mindestens einer gegenüber Isocyanatgruppen reaktionsfähigen Gruppe ist.
3. Verwendung der Lacke gemäß Anspruch 1 zur Herstellung von Grundierungen oder Decklackierungen.
4. Verfahren zum Lackieren von Substraten, in dem Lacke gemäß Anspruch 1 auf ein Substrat aufgetragen werden und bei Raumtemperatur bis 160 C vernetzt werden.
5. Lackiertes Substrat erhältlich nach Anspruch 4."
ii) Bezüglich der Klarheit des Wortlauts von Anspruch 1 trug die Beschwerdeführerin vor, daß ein unabhängiger Anspruch gemäß Entscheidung T 32/82 (ABl. EPA 1984, 354, Punkt 15 der Entscheidungsgründe) alle wesentlichen Merkmale angeben müsse, d. h. alle die Merkmale, die zu Lösung der technischen Aufgabe erforderlich sind. Gemäß Entscheidung T 472/88 (CD-ROM Legal 1993/002, Punkt 3 der Entscheidungsgründe) könne die Zusammensetzung eines Anspruchs bei Verwendung der Formulierung "bestehend im wesentlichen aus" bzw. "im wesentlichen aus ... besteht" neben den obligatorischen Komponenten auch weitere Komponenten umfassen, sofern die wesentlichen Charakteristik der Zusammensetzung nicht durch deren Anwesenheit ausschlaggebend ("materially") verändert werde. Alle diese Bedingungen würden durch Anspruch 1 erfüllt, er entspreche daher den Anforderungen des Artikel 84 EPÜ. Gleiches gelte für die anderen durch Rückbeziehung mit Anspruch 1 verbundenen Ansprüche.
iii) Zur Neuheit verwies die Beschwerdeführerin im wesentlichen auf ihr schriftliches Vorbringen und führte ergänzend aus, daß D2 eindeutig keine Lacke, sondern vielmehr mörtelartige Beschichtungsmittel (z. B. Estrichmassen) betreffe, die erhebliche Mengen anorganischer Hydroxide enthielten, und nannte zur Stützung folgende Passagen der Druckschrift: Seite 8, Absatz 3, Seite 9, Absatz 2 und Seite 10, Absatz 2, sowie die Beispiele.
Zusammenfassend hob sie hervor, daß sich der Anmeldungsgegenstand durch drei entscheidende Merkmale von D2 unterscheide: die Eigenschaften als Lack, das Äquivalentverhältnis der NCO-Gruppen zu alkoholischen OH-Gruppen und die eingeschränkte Viskosität der Polyisocyanate.
VII. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Artikel 123(2) EPÜ
2.1. Der Antrag erfüllt die Bedingungen des Artikel 123 (2) EPÜ. Die Änderungen der Ansprüche werden durch folgende Stellen in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung gestützt:
Lacke: Seite 3, Zeile 7; Seite 18, Zeilen 26, 27, 31 und 34; Seite 19, Zeile 1; Seite 20, Zeile 34; Seite 23, Zeile 17;
emulgierbare Polyisocyanatkomponente: Seite 18, Zeilen 4 bis 7; Anspruch 2;
Merkmale der Isocyanatkomponente: Seite 14, Zeilen 19 bis 23;
Lösung und/oder Dispersion a): Seite 3, Zeilen 13 bis 15 und 24; Anspruch 2.
2.2. Der Wortlaut des Disclaimers entspricht der Formulierung der Komponente a2) in Anspruch 1 von D1. Er ist nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern auch zulässig, da er notwendig ist, wie im folgenden dargelegt wird, um Neuheit gegenüber dieser nicht vorveröffentlichten Patentanmeldung zu erreichen (T 4/80, ABl. EPA 1982, 149; T 863/96 vom 4. Februar 1999, CD-ROM Legal Espace 1999/002, Punkt 3.2 der Entscheidungsgründe).
3. Klarheit
Die Kammer hat im Hinblick auf den vorliegenden Wortlaut der Ansprüche keine Einwände unter Artikel 84 EPÜ.
4. Neuheit
4.1. D1 beschreibt ein Zwei-Komponenten-Beschichtungsmittel, dessen Bindemittel im wesentlichen aus einer Kombination aus a) einer in Wasser gelöst und/oder dispergiert vorliegenden Polyolkomponente und b) einer in der wäßrigen Lösung und/oder Dispersion der Polyolkomponente a) emulgiert vorliegenden Polyisocyanatkomponente einer Viskosität bei 23 C von 50 bis 10 000 mPa·s in Mengen besteht, die einem Äquivalentverhältnis von Isocyanatgruppen der Komponente b) zu aktiven Wasserstoffatomen der Komponente a) von 0,5:1 bis 5:1 entsprechen. Das Bindemittel ist dadurch gekennzeichnet, daß die Komponente a) im wesentlichen aus einer Kombination aus
a1) einer höhermolekularen Polyolkomponente, bestehend im wesentlichen aus mindestens einem wasserverdünnbaren, Hydroxylgruppen aufweisenden Polymerisations- oder Polykondensationsharz eines über 500 liegenden Molekulargewichts Mn oder aus einem Gemisch mehrerer derartiger Harze mit
a2) 5 bis 70 Gew.-%, bezogen auf das Gewicht der Komponente a1), eines Reaktivverdünners, bestehend aus mindestens einer wasserlöslichen, bei Normaldruck nicht destillierbaren oder einen Siedepunkt von mindestens 150 C aufweisenden Verbindung mit einem unter 500 liegenden Molekulargewicht Mn mit mindestens einer gegenüber Isocyanatgruppen reaktionsfähigen Gruppe, besteht (Anspruch 1 und Seite 5, Zeile 30 bis Seite 6, Zeile 5).
Das in Beispiel 1 verwendete Harz a1) ist identisch mit dem Polyol der Komponente a) in Beispiel 1 der vorliegenden Anmeldung (D1: Seite 22, Zeilen 5 bis 25; Anmeldung: Seite 20, Zeilen 4 bis 24).
Der Gegenstand von D1 unterscheidet sich demgemäß ausschließlich durch die Abwesenheit der angegebenen Mengen an Reaktivverdünner a2), wie sie durch den Disclaimer ausgeschlossen worden sind.
Die Beschwerdeführerin schloß in der mündlichen Verhandlung auf Grund der hohen Reaktivität der Ausgangsverbindungen aus, daß bei der Herstellung des Polykondensationsharzes a1) das Reaktionsgemisch nach Ende der Reaktion noch 5 bis 70 Gew.-%, bezogen auf a1), eines eingesetzten, nicht reagierten (freien) mehrwertigen Alkohols enthalten kann, der dort auch als ein möglicher Reaktivverdünner beschrieben ist (D1: Seite 14, Zeilen 19 bis 35).
4.2. D2 beschreibt ein Verfahren zur chemikalienbeständigen Beschichtung von Oberflächen unter Verwendung eines Beschichtungsmittels bestehend aus a) einer Polyisocyanatkomponente, b) einer Polyolkomponente, bestehend aus mindestens einer organischen Polyhydroxylverbindung mit einem Gehalt an alkoholischen Hydroxylgruppen von 0,5 bis 15 Gew.-%, c) Wasser in einer Menge von 20 bis 60 Gew.-%, bezogen auf das Gewicht der Komponente b), d) organischen Hilfs- und Zusatzstoffen und e) anorganischen Hilfs- und Zusatzstoffen. Das dazu verwendete Beschichtungsmittel enthält d) Glycerin in einer Menge von 40 bis 200 Gew.-%, bezogen auf das Gewicht der Komponente b) und e) mindestens ein Erdalkalimetallhydroxid oder -oxid in einer Menge von 50 bis 1000 Gew.-%, bezogen auf das Gewicht des Glycerins, sowie gegebenenfalls daneben noch weitere organische und anorganische Hilfs- und Zusatzmittel (Anspruch 1; Seite 1, Zeilen 1 bis 11; Seite 4, Zeilen 8 bis 18; Seite 6, Zeilen 15 bis 17; Seite 8, Zeilen 3 bis 6 und 25).
4.2.1. Bei den zur Herstellung von Beschichtungen in D2 verwendeten Massen handelt es sich offensichtlich nicht um Lacke. Im Verständnis der Kammer bezeichnet dieser Begriff eindeutig ein spezielles Beschichtungsmittel auf der Basis eines bestimmten Bindemittels und weist als solcher wie auch nach seiner Trocknung als Lackierung ein besonderes Eigenschaftsprofil auf (vgl. die Angaben auf Seite 1, Zeile 26 bis Seite 2, Zeile 12; Seite 18, Zeile 19 bis Seite 19, Zeile 5 der Anmeldung). Dies verdeutlichen auch die Definitionen für "Lack" in verschiedenen Lexika, auf die in T 322/95 (vom 10. August 1999; CD-ROM Legal Espace 1999/002; Punkt 2.4.1 der Entscheidungsgründe) verwiesen wurde: "Brockhaus Enzyklopädie in zwanzig Bänden", 17. Auflage, 11. Band, F.A. Brockhaus Wiesbaden 1970, Seiten 16 und 17; Duden Bedeutungswörterbuch, 2. Auflage, Duden Band 10, Bibliographisches Institut Mannheim, 1985, Seite 403; Römpps Chemie-Lexikon, Bd. 3, 8. Auflage, Franckh'sche Verlagshandlung Stuttgart, 1983, Seiten 2300 bis 2302.
4.2.2. Die einzige Kenngröße, die in der Entgegenhaltung auf die Menge des Polyisocyanats hinweist, ist die Isocyanatkennzahl. Diese wird definiert als die Anzahl der Isocyanatgruppen pro 100 gegenüber Isocyanatgruppen reaktionsfähigen Gruppen, wobei Wasser als einzige anorganische Verbindung in die Berechnung eingeht und als zweiwertige Verbindung betrachtet wird (Seite 5, Zeilen 16 bis 19). Die mit den Isocyanatgruppen reaktive Gruppen enthaltenden Komponenten setzen sich demzufolge zusammen aus: der Polyolkomponente b) (Gehalt an alkoholischen Hydroxylgruppen = 0,5 bis 15 Gew.-%); 20 bis 60 Gew.-% Wasser c) und 40 bis 200 Gew.-% Glycerin d), wobei sich die Mengen der Komponenten c) und d) auf das Gewicht der Komponente b) beziehen.
Aus diesen Angaben lassen sich, wie die Beschwerdeführerin in ihrer schriftlichen Eingabe mit Datum vom 10. Juli 2000 gezeigt hat (vgl. Seite 5, Absatz 3 bis Seite 7, Absatz 2), zwar einzelne Verhältnisse von Isocyanatgruppen zu den alkoholischen Hydroxylgruppen errechnen, die aber nicht notwendigerweise innerhalb der entsprechenden Definition in Anspruch 1 liegen (z. B. bei 0,39:1). Zudem beruhen solche Rechnungen zwangsläufig auf einer Reihe von Annahmen hinsichtlich der Mengenverhältnisse der Hydroxylgruppen enthaltenden Komponenten b), c) und d), die ausschließlich unter Kenntnis der Offenbarung des vorliegenden Anmeldungstextes mit bestimmter Zielrichtung getroffen werden können.
4.3. Die Viskosität der Polyisocyanatkomponente wird ausschließlich in Beispiel 1 angesprochen (120 mPa s bei 23. C). Dessen Emulsion enthält aber 1,2,3-Propantriol, d. h. Glycerin, die in Beispiel 3 andere Reaktivverdünner. Nur im Vergleichsbeispiel 2 fehlt eine solche Verbindung. Wie die Beschwerdeführerin auf der Basis der dortigen Angaben in ihrer vorstehend genannten Eingabe dargelegt hat, ergibt sich aus den Angaben in Beispiel 1 ein Äquivalentverhältnis, das mit 10:1 deutlich oberhalb des in Anspruch 1 definierten Bereichs liegt.
4.4. Aus diesen Gründen kommt die Kammer zu dem Schluß, daß das Äquivalentverhältnis der Komponenten a) und b) in Anspruch 1 aus D2 nicht direkt und ohne weiteres entnommen werden kann, geschweige denn in klarem Zusammenhang mit einer bestimmten Viskosität der Polyisocyanatkomponente und der Herstellung eines Lackes. Aus diesen Fakten folgt, daß der Gegenstand gemäß Anspruch 1 der vorliegenden Patentanmeldung die Erfordernisse des Artikel 54 EPÜ erfüllt.
4.5. Gleiches gilt für die Ansprüche 2 bis 5, die alle Merkmale und Einschränkungen von Anspruch 1 enthalten.
5. Zurückverweisung
Nachdem sich die Prüfungsabteilung im bisherigen Verfahren noch nicht zur Frage der erfinderischen Tätigkeit geäußert hat, macht die Kammer von ihrem Recht gemäß Artikel 111 (1) EPÜ Gebrauch und verweist die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung zurück an die Prüfungsabteilung. Im Lichte der Argumentation der Beschwerdeführerin in ihrer Eingabe 10. Juli 2000 wird dabei die vorgeschlagene Formulierung der zu lösenden technischen Aufgabe gegenüber der im Recherchenbericht erwähnten und von der Beschwerdeführerin als nächstliegender Stand der Technik angesehenen Druckschrift
D3 EP-A-0 358 979
und deren Stützung durch die ursprünglichen Unterlagen der vorliegenden Anmeldung zu prüfen sein, ebenso wie die Frage, ob diese technische Aufgabe im gesamten Bereich der Ansprüche gelöst wird. Auch scheinen die derzeitigen Beschreibungsunterlagen eine Überprüfung dahingehend zu erfordern, daß ihr Inhalt nicht in Widerspruch zu den vorgetragenen Argumenten und zum Anspruchswortlaut steht (Artikel 84 EPÜ).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit mit dem in der mündlichen Verhandlung am 8. August 2000 vorgelegten Anspruchssatz wird zur weiteren Entscheidung an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen.