T 0275/89 (Stahlradiatoren) 03-05-1990
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1. Bei einem Antrag auf Verlegung eines Termins für eine mündliche Verhandlung reicht die von einem Vertreter abgegebene Begründung, der vertretene Beteiligte (hier Patentinhaberin) sei akut erkrankt, seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung sei jedoch erforderlich, jedenfalls ohne Darlegung näherer Umstände, weshalb die Teilnahme des vertretenen Beteiligten notwendig ist, nicht aus, um eine Aufhebung des Termins zu rechtfertigen.
2. Die Vorschriften des Artikels 101 (2) EPÜ und der Regel 58 (3) EPÜ können nicht dahingehend ausgelegt werden, daß die Einspruchsabteilung verpflichtet ist, in jedem Fall mindestens einen Bescheid zu erlassen.
Antrag auf Aufhebung eines Termins für eine mündliche Verhandlung (abgelehnt)
Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr (abgelehnt)
Sachverhalt und Anträge
I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 85 100 650.2, die am 23. Januar 1985 unter Inanspruchnahme der Priorität aus einer Voranmeldung vom 21. März 1984 (DE-84 085 99U) angemeldet worden war, ist am 28. Oktober 1987 das europäische Patent Nr. 0 158 010 mit einem einzigen Patentanspruch erteilt worden. Dieser Anspruch lautet:
"Glied für Stahlradiatoren ..."
II. Gegen das erteilte Patent hat die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) am 14. April 1988 Einspruch eingelegt und den Widerruf des Patents wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit beantragt. Zur Stützung ihres Vorbringens ...
III. Mit Entscheidung vom 11. April 1989 hat die Einspruchsabteilung das Patent widerrufen. ...
IV. Gegen diese Entscheidung hat der Beschwerdeführer (Patentinhaber) am 19. April 1989 unter gleichzeitiger Zahlung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung wurde am 22. Juli 1989 eingereicht. Der Beschwerdeführer beantragt:
1. Die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten.
2. Die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.
3. Die Sache an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.
4. Über die vorstehenden Anträge Nr. 2 und 3 vorab zu entscheiden.
5. Hilfsweise, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
V. Was den Antrag auf Zurückzahlung der Beschwerdegebühr anbelangt, wurde vorgetragen, daß seitens der Einspruchsabteilung
i) Artikel 101 (2) sowie Regel 58 (3) EPÜ nicht beachtet und
ii) der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verletzt worden sei und somit schwerwiegende Verfahrensfehler vorlägen.
Zur näheren Begründung wurde vom Beschwerdeführer ausgeführt, daß die Vorschriften gemäß Artikel 101 (2) und Regel 58 (3) EPÜ nur dahingehend aufgefaßt werden könnten, daß vor Beschlußfassung dem Patentinhaber in zumindest einem Bescheid die der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstehenden Gründe mitgeteilt werden sollten. Dies wurde im vorliegenden Fall unterlassen. Weiter sei die Zeit zwischen dem am 10. März 1989 eingegangenen Schreiben der Einsprechenden vom 22. Februar 1989 und der am 11. April 1989 ausgefertigten Beschlußfassung zu kurz gewesen, um eine rechtzeitige sachliche Äußerung hierauf zu ermöglichen. Zudem sei der Beschluß tatsächlich lange vor dem Ausfertigungstag gefaßt worden. Die Eingabe vom 10. April 1989 sei in dem Beschluß nicht mehr berücksichtigt worden.
VI. Zur Frage der von der Einspruchsabteilung verneinten erfinderischen Tätigkeit führte der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung und weiteren Schriftsätzen im wesentlichen folgendes aus: ...
VII. In der einer Ladung zur mündlichen Verhandlung für den 3. Mai 1990 beiliegenden Mitteilung der Kammer vom 22. Januar 1990 wurden die Parteien davon unterrichtet, daß nach vorläufiger Auffassung der Kammer bei dem Gegenstand des einzigen Patentanspruchs aufgrund der Offenbarungen der D1 und D2 eine erfinderische Tätigkeit zu fehlen scheine.
VIII. In einem am 30. April 1990, 15.16 Uhr beim EPA eingegangenen Telefax beantragte der Vertreter des Beschwerdeführers, den Termin für die mündliche Verhandlung aufzuheben, mit der Begründung, daß der Patentinhaber akut erkrankt, seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung jedoch erforderlich sei.
In der mündlichen Verhandlung, welche nach Ablehnung des obigen Antrags durch die Kammer am 3. Mai 1990 stattfand, ist seitens des Beschwerdeführers niemand erschienen.
IX. Die Beschwerdegegnerin hat im schriftlichen Verfahren und während der mündlichen Verhandlung folgendes vorgetragen: (...)
X. Die Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde des Patentinhabers. (...)
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ; sie ist daher zulässig.
Verfahrensrechtliche Fragen
2. Antrag auf Aufhebung der mündlichen Verhandlung seitens des Beschwerdeführers.
2.1. In der Mitteilung der Vizepräsidenten der Generaldirektionen 2 und 3 vom 14. Februar 1989 über mündliche Verhandlungen vor dem EPA (ABl. EPA 1989, 132) wird darauf hingewiesen, daß das Amt grundsätzlich bestrebt ist, die Verfahren möglichst rasch zum Abschluß zu bringen (wie dies übrigens auch von der Beschwerdeführerin in Punkt VIII der Beschwerdebegründung ausdrücklich verlangt wurde). Dies setzt nach Auffassung der Kammer voraus, daß nach Ergehen einer Ladung zur mündlichen Verhandlung einem Antrag auf Änderung des festgesetzten Termins nur stattgegeben werden kann, wenn unvorhergesehene, außergewöhnliche Umstände eintreten, die eine Verhandlung entweder unmöglich machen (z. B. akute Erkrankung des Vertreters bzw. eines unvertretenen Beteiligten) oder für den Verfahrensablauf entscheidungswesentliche Folgen nach sich ziehen können (z. B. unvorhergesehene Verhinderung eines wichtigen Zeugen oder Sachverständigen).
Im vorliegenden Fall machte die Erkrankung des Patentinhabers die Verhandlung nicht unmöglich, denn er hatte ja einen durch allgemeine Vollmacht bestellten Vertreter, durch den seine prozessuale Anwesenheit gesichert gewesen wäre. Daß der Patentinhaber trotz Bestellung eines Vertreters auch unmittelbar im Verfahren vor der Kammer hätte handeln können, steht dem nicht entgegen. Hinsichtlich der Frage, ob die Anwesenheit des Beschwerdeführers für die zu treffende Entscheidung möglicherweise hätte wesentlich sein können, stellt die Kammer fest, daß in dem am 30. April 1990 eingegangenen Telefax jegliche Begründung für die Behauptung, daß die Teilnahme des Beschwerdeführers an der mündlichen Verhandlung erforderlich ist, fehlt. Die Kammer kann von sich aus bei dem sachlich klaren technischen Sachverhalt und im Hinblick auf die umfangreichen schriftlichen Äußerungen des Beschwerdeführers zu den anstehenden technischen und patentrechtlichen Fragen keine Umstände erkennen, die eine Anwesenheit des Patentinhabers bei der Verhandlung hätten erforderlich machen können.
Hierbei ist zu beachten, daß etwaige Handlungen oder Äußerungen des Patentinhabers im Verfahren nicht als Handlungen oder Erklärungen eines Zeugen oder Sachverständigen betrachtet werden können.
Zusammenfassend ist die Kammer der Auffassung, daß bei einem Antrag auf Verlegung eines Termins für eine mündliche Verhandlung die von einem Vertreter abgegebene Begründung, der vertretene Beteiligte (hier Patentinhaber) sei akut erkrankt, seine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung sei jedoch erforderlich, jedenfalls ohne Darlegung näherer Umstände, weshalb die Teilnahme des vertretenen Beteiligten notwendig ist, nicht ausreicht, um eine Aufhebung des Termins zu rechtfertigen. Der Antrag auf Aufhebung der mündlichen Verhandlung war somit zurückzuweisen.
Aufgrund der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit war eine vorherige schriftliche Entscheidung über diesen Antrag ausgeschlossen.
Bei dieser Sachlage war gemäß Regel 71 (2) EPÜ das Verfahren ohne den Beschwerdeführer fortzusetzen.
3. Anträge 2 bis 4 des Beschwerdeführers
3.1. Im Hinblick auf diese Anträge ist es nach Auffassung der Kammer zweckmäßig, vor der Prüfung der eigentlichen Beschwerde zu untersuchen, ob ein Verfahrensfehler der Einspruchsabteilung vorliegt, der eine Zurückverweisung an diese Instanz und die Zurückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigen würde.
3.2. Die zur Stützung seines Einwands der Verletzung des rechtlichen Gehörs geäußerte Ansicht des Beschwerdeführers, daß er gemäß Artikel 101 (2) und Regel 58 (3) EPÜ vor Beschlußfassung Anspruch auf mindestens einen Bescheid hätte, in dem ihm die der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstehenden Gründe hätten mitgeteilt werden müssen, findet in diesen Vorschriften keine Stütze.
Artikel 101 (2) EPÜ fordert nach Auffassung der Kammer nämlich nicht grundsätzlich, in allen Fällen die der Aufrechterhaltung des Patents entgegenstehenden Gründe in einem Bescheid mitzuteilen, sondern nur in den Fällen, in denen dies "erforderlich" ist. Ein derartiges "Erfordernis" kann sich aus der Sicht der Kammer nur im Hinblick auf eine weitere Sachaufklärung oder aufgrund der Vorschrift des Artikels 113 (1) EPÜ ergeben, wonach die Entscheidung sich nur auf Gründe stützen darf, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten. Die Einspruchsabteilung muß also nur dann einen Bescheid erlassen, wenn sie dies für erforderlich hält, um beispielsweise neue, noch nicht vorgebrachte sachliche oder rechtliche Gründe aufzugreifen oder etwa bestehende Unklarheiten aufzuzeigen. Die Regel 58 (3) EPÜ, welche lediglich Anweisungen bezüglich des Inhalts der ggf. zu erlassenden Bescheide gibt, trägt zu der vorstehenden grundsätzlichen Überlegung nichts bei.
Die Vorschriften des Artikels 101 (2) EPÜ und der Regel 58 (3) EPÜ können daher nach Auffassung der Kammer nicht dahingehend ausgelegt werden, daß die Einspruchsabteilung verpflichtet ist, in jedem Fall mindestens einen Bescheid zu erlassen.
3.3. Die Überprüfung der Sachumstände ergibt im vorliegenden Fall, daß die in der Entscheidung aufgeführten Dokumente DE-U-1 994 815 (D1) und DE-U-1 915 661 (D2) und ihre sachliche und rechtliche Würdigung schon im Einspruchsschriftsatz vom 11. April 1988 enthalten waren. Der Patentinhaber hatte ausreichend Gelegenheit, sich zu diesem Vorbringen zu äußern (siehe die Eingabe vom 18. Januar 1989). Die Entscheidung der Einspruchsabteilung ist im übrigen nur auf den eindeutigen Offenbarungsgehalt von D1 und D2 gestützt, insbesondere nimmt sie zu D2 nur auf die schriftlichen Unterlagen (also ohne Zuhilfenahme des später eingereichten Fotos) Bezug. Eine Verletzung des Artikels 113 EPÜ hat daher insoweit nicht stattgefunden.
Hinsichtlich des hierzu erhobenen weiteren Einwands, die Zeit zwischen Zustellung einer Eingabe der Einsprechenden und Beschlußfassung sei zu kurz gewesen, als daß sie noch eine Möglichkeit zur Stellungnahme gehabt hätte, ist zu bemerken, daß die Einspruchsabteilung etwas mehr als einen Monat gewartet hat, bevor sie ihre Entscheidung traf, wobei es entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht darauf ankommt, wann sie möglicherweise mit den Entscheidungsvorbereitungen begonnen hat, sondern allein auf den Ausfertigungstag, bis zu dem ein etwaiges weiteres Vorbringen der Beteiligten berücksichtigt werden konnte. Eine (im vorliegenden Fall überschrittene) einmonatige Frist für ein ohne Fristsetzung lediglich zur Kenntnisnahme zugestelltes Schreiben ist nach Auffassung der Kammer in der Regel noch ausreichend, auch in dieser Hinsicht den Erfordernissen des Artikels 113 EPÜ zu entsprechen. Jedenfalls sind im vorliegenden Fall keine Umstände erkennbar oder geltend gemacht worden, die es dem Beschwerdeführer unmöglich gemacht haben könnten, zu den sich im Rahmen der bisherigen Diskussion haltenden Argumenten der Beschwerdegegnerin Stellung zu nehmen.
Im Hinblick auf die obenstehenden Feststellungen kann den Anträgen 2 und 3 des Beschwerdeführers nicht stattgegeben werden. Sachliche Prüfung der Beschwerde
4. (...)
5. Neuheit
6. Erfinderische Tätigkeit (...)
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. (...)
3. Der Antrag der Beschwerdegegnerin auf Kostenerstattung wird zurückgewiesen.