G 0002/06 (Verwendung von Embryonen/WARF) 25-11-2008
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1. Der Antrag, dem Europäischen Gerichtshof die angegebenen Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen, wird als unzulässig zurückgewiesen.
2. Die der Großen Beschwerdekammer vorgelegten Fragen werden wie folgt beantwortet:
Frage 1: Regel 28 c) EPÜ (früher Regel 23d c) EPÜ) ist auf alle anhängigen Anmeldungen anzuwenden, auch auf solche, die vor dem Inkrafttreten der Regel eingereicht wurden.
Frage 2: Regel 28 c) EPÜ (früher Regel 23d c) EPÜ) verbietet die Patentierung von Ansprüchen auf Erzeugnisse, die - wie in der Anmeldung beschrieben - zum Anmeldezeitpunkt ausschließlich durch ein Verfahren hergestellt werden konnten, das zwangsläufig mit der Zerstörung der menschlichen Embryonen einhergeht, aus denen die Erzeugnisse gewonnen werden, selbst wenn dieses Verfahren nicht Teil der Ansprüche ist.
Frage 3: Diese Frage bedarf keiner Antwort, da die Fragen 1 und 2 bejaht wurden.
Frage 4: Im Rahmen der Beantwortung von Frage 2 ist es nicht relevant, dass nach dem Anmeldetag dieselben Erzeugnisse auch ohne Rückgriff auf ein Verfahren hergestellt werden konnten, das zwangsläufig mit der Zerstörung menschlicher Embryonen einhergeht.
Zulässigkeit der Vorlage (bejaht)
Vorlage zur Vorabentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof (verneint) - Antrag unzulässig, da das EPÜ zu einer solchen Vorlage keine Befugnis verleiht
Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ anwendbar auf anhängige Anmeldungen, die vor dem Inkrafttreten der Regel eingereicht wurden (bejaht)
Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ ist intra vires Artikel 53 a) EPÜ und im Einklang mit Artikel 27 TRIPS (bejaht)
Ausnahmen von der Patentierbarkeit nach Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ anwendbar, wenn das beanspruchte Erzeugnis ausschließlich durch ein Verfahren hergestellt werden kann, das zwangsläufig mit der Zerstörung von Embryonen einhergeht, auch dann, wenn dieses Verfahren nicht explizit Teil der Ansprüche ist (bejaht)
Bei der Beurteilung der Ausnahmen von der Patentierbarkeit nach Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ sind technische Entwicklungen nach dem Anmeldetag nicht relevant
Sachverhalt und Anträge
I. Mit der Entscheidung T 1374/04 (ABl. EPA 2007, 313) Stammzellen/WARF hat die Technische Beschwerdekammer 3.3.08 die Große Beschwerdekammer mit folgenden Rechtsfragen befasst:
1. Ist Regel 23d c) [jetzt 28 c)] EPÜ auf eine Anmeldung anzuwenden, die vor dem Inkrafttreten der Regel eingereicht wurde?
2. Falls die Frage 1 bejaht wird, verbietet Regel 23d c) [jetzt 28 c)] EPÜ die Patentierung von Ansprüchen auf Erzeugnisse (hier: menschliche embryonale Stammzellkulturen), die - wie in der Anmeldung beschrieben - zum Anmeldezeitpunkt ausschließlich durch ein Verfahren hergestellt werden konnten, das zwangsläufig mit der Zerstörung der menschlichen Embryonen einhergeht, aus denen die Erzeugnisse gewonnen werden, wenn dieses Verfahren nicht Teil der Ansprüche ist?
3. Falls die Frage 1 oder 2 verneint wird, verbietet Artikel 53 a) EPÜ die Patentierung solcher Ansprüche?
4. Ist es im Rahmen der Fragen 2 und 3 relevant, dass nach dem Anmeldetag dieselben Erzeugnisse auch ohne Rückgriff auf ein Verfahren hergestellt werden konnten, das zwangsläufig mit der Zerstörung menschlicher Embryonen einhergeht (hier: z. B. Gewinnung aus vorhandenen menschlichen embryonalen Zelllinien)?
(Zum besseren Verständnis sind im Folgenden die Regeln der Ausführungsordnung zum Europäischen Patentübereinkommen entsprechend der neuen Nummerierung in der am 13. Dezember 2007 in Kraft getretenen geänderten Ausführungsordnung zum Europäischen Patentübereinkommen angegeben. Die frühere Nummer steht in Klammern dahinter, es sei denn, es werden Entscheidungen, die Rechtsprechung oder Vorlagefragen zitiert.)
II. Die vor der vorlegenden Kammer 3.3.08 anhängige Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 13. Juli 2004 über die Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung Nr. 96 903 521.1. Diese Entscheidung bezog sich auf einen Anspruchssatz mit den Ansprüchen 1 bis 10, dessen Anspruch 1 wie folgt lautete:
"1. Zellkultur mit embryonalen Stammzellen von Primaten, die i) sich in einer In-vitro-Kultur über ein Jahr lang vermehren können, ii) einen Karyotyp bewahren, in dem alle für die Primatenart normalerweise charakteristischen Chromosomen vorhanden sind und sich durch über ein Jahr langes Kultivieren nicht erkennbar verändern, iii) während des Kultivierens ihr Potenzial bewahren, zu ento-, meso- und ektodermal abgeleitetem Gewebe zu differenzieren, und iv) an der Differenzierung gehindert werden, wenn sie auf einer Nährschicht aus Fibroblasten kultiviert werden."
III. Die Prüfungsabteilung wies die Anmeldung nach Artikel 97 (1) EPÜ 1973 mit der Begründung zurück, dass die Ansprüche 1 bis 7 sowie 9 und 10 nicht den Erfordernissen des Artikels 53 a) EPÜ 1973 in Verbindung mit Regel 23d c) [jetzt 28 c)] EPÜ genügten, weil die Verwendung menschlicher Embryonen als Ausgangsmaterial für die Herstellung menschlicher embryonaler Stammzellkulturen in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung als unerlässlich beschrieben worden sei. Die Verwendung eines menschlichen Embryos als Ausgangsmaterial für die Herstellung eines gewerblich anwendbaren Erzeugnisses (hier: der beanspruchten embryonalen Stammzellkulturen) sei gleichbedeutend mit seiner Verwendung zu industriellen Zwecken im Sinne der Regel 23d c) [jetzt 28 c)] EPÜ und somit durch diese Vorschrift in Verbindung mit Artikel 53 a) EPÜ 1973 vom Patentschutz ausgeschlossen. Regel 23d c) [jetzt 28 c)] in Verbindung mit Artikel 53 a) EPÜ 1973 gelte nicht allein für den Anspruchsgegenstand, sondern beziehe sich vielmehr auf Erfindungen und schließe somit alle Aspekte ein, die den Anspruchsgegenstand der Öffentlichkeit offenbarten. In der Beschreibung sei nur eine Quelle für die Ausgangszellen genannt, und zwar ein Präimplantationsembryo. Es sei daher unerheblich, dass sich der beanspruchte Gegenstand auf Zellkulturen und nicht auf ein Verfahren zur Herstellung dieser Kulturen beziehe.
IV. Die Beschwerdekammer 3.3.08 hielt die Frage der Patentierbarkeit menschlicher embryonaler Stammzellen und der dafür geltenden Voraussetzungen für eine Rechtsfrage von ausgesprochen großer Bedeutung im Sinne des Artikels 112 (1) a) EPÜ, die eine Entscheidung der Großen Beschwerdekammer erfordert.
V. Die Große Beschwerdekammer forderte die Präsidentin des Europäischen Patentamts (nachstehend "EPA") auf, sich zu dem Fall zu äußern, und erließ ferner eine Einladung an Dritte, Stellungnahmen einzureichen. Am 20. März 2008 versandte die Große Beschwerdekammer eine Ladung zur mündlichen Verhandlung nebst einer Mitteilung, in der auf Rechtsfragen von potenzieller Bedeutung hingewiesen wurde.
VI. Die Hauptargumente, die die Beschwerdeführerin in ihren schriftlichen Vorbringen vom 31. Oktober 2006 und vom 22. Mai 2008 sowie in der mündlichen Verhandlung am 24. Juni 2008 dargelegt hat, lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Eingangsbemerkung:
- 1998 sei der genannte Erfinder der Erste gewesen, der mithilfe des in der Anmeldung beschriebenen Verfahrens erfolgreich menschliche embryonale Stammzellen, die in vitro wachsen könnten, isoliert und kultiviert habe. Dies sei ein bedeutender wissenschaftlicher Durchbruch und eine bahnbrechende, patentwürdige Erfindung, die ein neues und hochinteressantes Forschungsfeld mit großem Potenzial für vielversprechende therapeutische Behandlungen und andere Anwendungen eröffne.
Bezüglich der Anrufung des Europäischen Gerichtshofs (nachstehend EuGH):
- Da Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ den Wortlaut von Artikel 6 (2) c) der Richtlinie 98/44/EG vom 6. Juli 1998 (nachstehend "Richtlinie") enthalte, lege die Große Beschwerdekammer bei der Auslegung der Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ das Recht der Europäischen Union (nachstehend "EU") aus und sei gemäß Artikel 234 der konsolidierten Fassung des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, die am 1. Februar 2003 unter dem am 26. Februar 2001 unterzeichneten Vertrag von Nizza (nachstehend "EG-Vertrag") in Kraft getreten sei, als Gericht eines Vertragsstaats, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln angefochten werden könnten, in der gegenwärtigen Situation, da es Zweifel an der Auslegung von Artikel 6 (2) c) der Richtlinie gebe (der also kein "acte clair" sei), zur Anrufung des EuGH verpflichtet.
- Die Große Beschwerdekammer sei nach den Kriterien des EuGH ein Gericht, und der EuGH-Fall C-337/95 ("Dior v. Evora") sei ein Präzedenzfall für die Anrufung des Gerichtshofs durch ein in einem internationalen Vertrag vorgesehenes Gericht mit Zuständigkeit für mehr als einen EU-Mitgliedstaat. Überdies seien die meisten EPÜ-Vertragsstaaten auch Mitgliedstaaten der EU, und der Sitz der Großen Beschwerdekammer befinde sich in einem solchen.
- Werde der EuGH jetzt nicht angerufen, bestehe die Gefahr, dass nationale Gerichte später eine Auslegung von Artikel 6 der Richtlinie anwenden würden (und müssten), die nicht mit der vom EPA angewandten übereinstimme.
Zu Frage 1:
- Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ sei auf anhängige europäische Patentanmeldungen anzuwenden, die vor dem Inkrafttreten der Regel eingereicht worden seien. Die Regel ändere weder das Recht, noch mache sie Handlungen unmoralisch, die dies vorher nicht gewesen seien, und ebenso wenig lege sie neue Kategorien von Handlungen fest, die gegen die öffentliche Ordnung verstießen.
Zu den Fragen 2 und 3:
- Das Verbot nach Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ sei im Kontext von Artikel 53 a) EPÜ und Artikel 27 (2) des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (nachstehend "TRIPS-Übereinkommen") so auszulegen, dass es nur dann greife, wenn die gewerbliche Verwertung der Erfindung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoße. Die verbotene Verwertung müsse etwas sein, das die zugrunde liegenden Rechtsgrundsätze aller Vertragsstaaten verletze.
- Die korrekte Vorgehensweise bei Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ sei es, das beanspruchte Monopol zu identifizieren und zu überlegen, ob dieses Monopol die "Verwendung eines Embryos zu industriellen oder kommerziellen Zwecken" umfasse. Ein auf eine embryonale Stammzelle gerichteter Anspruch sei kein Monopol auf "die Verwendung eines Embryos" und erst recht nicht auf die "Verwendung eines Embryos zu industriellen oder kommerziellen Zwecken". Eine embryonale Stammzelle sei allenfalls ein Erzeugnis, das letztlich aus einem Embryo gewonnen werde. Da es keine gemeinsame Verfassungstradition der Mitgliedstaaten gebe, der zufolge ein weniger als 14 Tage alter Embryo nicht für die Stammzellforschung verwendet werden dürfe (die ihrerseits weder gegen die Werte der Gemeinschaft verstoße noch durch einen internationalen Vertrag geächtet sei), gebe es keinen Grund, die Patentierung einer Nutzung zu verbieten, die - wie in der Anmeldung beschrieben - die Entnahme einiger Zellen aus einem Präembryo umfasse (einem Embryo, der nach medizinischem Sprachgebrauch jünger als 14 Tage sei). Die Gewinnung einer Zelle aus der inneren Zellmasse eines Embryos als Ausgangspunkt für eine Stammzelllinie, mit der bahnbrechende Therapien entwickelt würden, sei nicht wirklich eine industrielle oder kommerzielle Handlung.
- Hätte die Richtlinie Handlungen ausschließen sollen, die außerhalb des beanspruchten Monopols lägen, unter Umständen aber der Ausführung einer Erfindung vorausgehen müssten, so hätte man dies anders ausdrücken können und hätte es auch getan. Insbesondere wenn die Richtlinie Erzeugnisse von der Patentierbarkeit hätte ausschließen sollen, die aus menschlichen Embryonen gewonnen würden, wäre dies explizit zum Ausdruck gebracht worden. Manche Verwendungen von Embryonen - beispielsweise in Patenten, die nicht direkt auf industrielle und kommerzielle Zwecke, sondern auf bahnbrechende Therapien ausgerichtet seien - seien daher nicht von der Patentierbarkeit auszuschließen. Ein solches Verständnis der Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ entspreche dem, woran Anstoß genommen werde, nämlich der Vermarktung von Embryonen selbst im Unterschied zu Geweben oder Zellen, die aus Embryonen gewonnen würden.
- Die Frage nach der Patentierbarkeit von Verfahren, die Embryonen beträfen, sei erstmals in der Stellungnahme Nr. 9 der Beratergruppe für ethische Fragen der Biotechnologie bei der Europäischen Kommission (GAEIB) in einem Bericht vom 28. Mai 1997 aufgeworfen worden, worin Bedenken gegen das Klonen von Menschen geäußert worden seien, nicht aber der Wunsch, die therapeutische Stammzellforschung zu behindern. Im Lichte dieser Stellungnahme sei vorgeschlagen worden, die Patentierung von "Methoden, bei denen menschliche Embryonen verwendet werden" zu verbieten. Der Ministerrat schließlich habe den aktuellen Wortlaut der Bestimmung festgelegt, wonach "die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken" vom Patentschutz ausgeschlossen sei. Diese Änderung sei unter dem Einfluss von Vorbringen der britischen Regierung zustande gekommen, wonach auf der Grundlage einer im Vereinigten Königreich geltenden Rechtsvorschrift für die Verwendung von weniger als 14 Tage alten Embryonen zu Forschungszwecken oder zur Behandlung von Krankheiten Lizenzen zu erteilen seien. Vor dem Hintergrund der Position des Vereinigten Königreichs habe man durch den Wortlaut "die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken" in der Richtlinie zwischen inakzeptablen und akzeptablen Verwendungen unterscheiden wollen. Dass innerhalb der EU Verhandlungen auf höchster Ebene stattgefunden hätten, bedeute, dass die Verwendung der Worte "industriell" und "kommerziell" in Artikel 6 (2) c) der Richtlinie nicht als bloßer Verweis auf die Patentierungsvoraussetzung der "gewerblichen Anwendbarkeit" verstanden werden könne.
Zu Frage 4:
- Dass die technischen Entwicklungen nach dem Anmeldetag die Herstellung des beanspruchten Gegenstands ohne Rückgriff auf ein Verfahren ermöglicht hätten, das mit der Verwendung von Embryonen einhergehe, sei nicht relevant. Die Verwendung von Embryonen im vorliegenden Fall sei ohnehin von dem Verbot nach Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ ausgenommen.
VII. Die Hauptargumente, die die Präsidentin des Europäischen Patentamts schriftlich und in der mündlichen Verhandlung vorgebracht hat, lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Bezüglich der Anrufung des EuGH:
- Die Beschwerdekammern des EPA seien keine Gerichte eines Mitgliedstaats der EU und nach dem EPÜ nicht befugt, dem EuGH Fragen vorzulegen.
Zu Frage 1:
- Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ gelte mit sofortiger Wirkung und sei auch auf vor ihrem Inkrafttreten eingereichte europäische Anmeldungen anzuwenden. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes und/oder der wohlerworbenen Rechte könne nicht dahin gehend ausgelegt werden, dass diese Regel nicht auf die künftigen Auswirkungen von Situationen anwendbar wäre, die sich aus den früheren Regeln ergäben.
Zu Frage 2:
- Die ratio legis von Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ sei das Verbot der inakzeptablen Nutzung oder der Kommodifizierung von Embryonen.
- Bei dem in Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ verankerten Patentierungsverbot gehe es um die Frage, ob der technische Beitrag zum Stand der Technik, der auf der Grundlage der einschlägigen Offenbarung zu bestimmen sei, auf die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken hinauslaufe. Die Anspruchskategorie per se sei nicht von Bedeutung. Wenn also der Fachmann die Erfindung nur dann erfolgreich ausführen oder nacharbeiten könne, wenn er die Schritte bestimmter, in der Anmeldung offenbarter technischer Mittel oder Verfahren nachvollziehe, die Bestandteil des technischen Beitrags zum Stand der Technik seien, dann seien diese technischen Mittel oder Verfahren für die Zwecke der Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ mit zu berücksichtigen.
- Die im Erwägungsgrund 42 der Richtlinie genannte Ausnahme von Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ solle auf jeden Fall dann Anwendung finden, wenn aus der betreffenden Erfindung zu schließen sei, dass sie einem therapeutischen oder diagnostischen Zweck für den verwendeten Embryo diene. Die Nützlichkeit für den jeweiligen Embryo setze voraus, dass es den verwendeten Embryo noch gebe und er nicht endgültig zerstört worden sei.
- Dass der Gesetzgeber den Begriff "Embryo" verwendet habe, ohne ihn genau zu definieren, sei Absicht gewesen und bedeute, dass "Embryo" nicht in einem speziell eingeschränkten Sinn auszulegen sei.
Zu Frage 3:
- In den Fällen, in denen Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ anzuwenden sei, habe der Gesetzgeber in inhaltlicher und zeitlicher Hinsicht eine echte europäische öffentliche Ordnung und gute Sitten präjudiziert, die unter den für die zuständigen Stellen des EPA bindenden Artikel 53 a) EPÜ fielen.
VIII. Es gingen zahlreiche Stellungnahmen Dritter ein, manche wurden in identischer Form von Hunderten von Einzelpersonen eingereicht. Darin wurde u. a. Folgendes vorgebracht:
Zu Frage 1:
- Die große Mehrheit war der Auffassung, dass Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ auch auf Anmeldungen anzuwenden sei, die bei Inkrafttreten der Regel anhängig waren, doch es wurde auch die Meinung zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Gesetzesänderung handle, die nur auf Anmeldungen Anwendung finden sollte, die nach ihrem Inkrafttreten eingereicht würden.
Zu Frage 2:
Zugunsten einer Patentierung wurde vorgebracht,
- dass die Patentierung nicht verboten sein sollte, wenn die Verwendung eines menschlichen Embryos nicht in den Ansprüchen erwähnt werde,
- dass Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ angesichts des potenziellen Nutzens für die Menschheit eng ausgelegt werden sollte, sodass die Patentierung in diesem Fall möglich wäre.
Gegen eine Patentierung wurde vorgebracht,
- dass es unerheblich sei, ob die Verwendung eines menschlichen Embryos explizit in den Ansprüchen stehe oder nicht: wenn für die Ausführung einer beanspruchten Erfindung menschliche Embryonen verwendet werden müssten, dann falle ein solcher Anspruch unter das Verbot, sonst wäre es ein Leichtes, das Verbot zu umgehen,
- dass es die klare Absicht des Gesetzgebers gewesen sei, die Kommerzialisierung von Embryonen zu verhindern. Die klare Absicht des Gesetzgebers sowie allgemeine moralische und ethische Überlegungen verböten es, Verwendungen von Embryonen zu patentieren, die zu deren kommerzieller Verwertung führen würden.
IX. Die mündliche Verhandlung fand am 24. Juni 2008 statt. Die Vertreter der Beschwerdeführerin beantragten,
Frage 1 der Vorlage zu bejahen,
Frage 2 der Vorlage zu verneinen,
Frage 3 der Vorlage zu verneinen,
Frage 4 der Vorlage zu verneinen.
Überdies wurde beantragt, dass die Große Beschwerdekammer dem Europäischen Gerichtshof folgende Fragen zur Entscheidung vorlegt:
1. Darf gemäß Artikel 6 (2) c) der Richtlinie 98/44/EG vom 6. Juli 1998 ein Mitgliedstaat die Patentierung von Ansprüchen auf Erzeugnisse (hier: menschliche embryonale Stammzellkulturen) verbieten, die - wie in der Anmeldung beschrieben - zum Anmeldezeitpunkt ausschließlich durch ein Verfahren hergestellt werden konnten, das zwangsläufig mit der Zerstörung der menschlichen Embryonen einhergeht, aus denen die Erzeugnisse gewonnen werden, wenn dieses Verfahren nicht Teil der Ansprüche ist?
2. Falls Frage 1 verneint wird, bedeutet dann Artikel 6 (1) der Richtlinie, dass ein Mitgliedstaat die Patentierung solcher Ansprüche verbieten darf?
X. Am Ende der mündlichen Verhandlung erklärte der Vorsitzende die sachliche Debatte für beendet und kündigte an, dass die Entscheidung schriftlich ergehen werde.
Entscheidungsgründe
Zulässigkeit
1. Die Große Beschwerdekammer ist der Überzeugung, dass mindestens eine Beantwortung der Vorlagefragen 1 und 2 für die vorlegende Kammer erforderlich ist, um das vor ihr anhängige Beschwerdeverfahren auf der richtigen Rechtsgrundlage zum Abschluss zu bringen. Die Vorlage ist daher zulässig.
Ersuchen um Vorabentscheidung durch den Europäischen Gerichtshof
2. Da die Beschwerdeführerin die Anrufung des EuGH mit dem Argument beantragt, dass Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ den Wortlaut von Artikel 6 (2) c) der Richtlinie enthalte und die Große Beschwerdekammer daher bei der Auslegung der Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ das Recht der Europäischen Union auslege, weshalb diesbezüglich der EuGH angerufen werden solle, ist es zweckmäßig, sich zunächst hiermit zu befassen.
3. Weder im EPÜ noch in seiner Ausführungsordnung ist vorgesehen, dass eine Instanz des EPA dem EuGH Rechtsfragen vorlegt. Die Beschwerdekammern gehen auf das EPÜ zurück, und ihre Befugnisse beschränken sich auf die im EPÜ vorgesehenen. Prima facie muss die Folgerung daraus lauten, dass eine Vorlage in Ermangelung einer entsprechenden Bestimmung nicht möglich ist.
4. Ebenso wenig scheint Artikel 234 EG-Vertrag, wonach der EuGH im Wege der Vorabentscheidung u. a. über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe der Gemeinschaft - wie z. B. der Richtlinie - entscheidet, eine Grundlage dafür zu bieten, dass eine Beschwerdekammer des EPA den EuGH um eine Entscheidung in einer ihr vorliegenden Frage ersucht. Artikel 234 EG-Vertrag legt fest, dass die Frage in einem schwebenden Verfahren bei einem Gericht eines EU-Mitgliedstaats gestellt werden muss. Nun wurden die Beschwerdekammern des EPA zwar als Gerichte anerkannt, doch sind sie nicht Gerichte eines EU-Mitgliedstaats, sondern einer internationalen Organisation, deren Vertragsstaaten gar nicht alle der EU angehören.
5. Der Verwaltungsrat der EPO als für die Ausführungsordnung zuständiger Gesetzgeber hat es für notwendig befunden, die jetzigen Regeln 26 bis 29 (früher 23b bis 23e) EPÜ aufzunehmen, sodass die Bestimmungen des EPÜ denen der Richtlinie entsprechen. Damit haben alle Vertragsstaaten des EPÜ, auch diejenigen, die nicht der EU angehören, ihrem Willen Ausdruck verliehen, dass diese Regeln bei der Auslegung des EPÜ in der Frage, ob ein Patent erteilt wird oder nicht, angewandt werden sollen. Dies kann aber nicht so verstanden werden, dass den Beschwerdekammern damit die Befugnis übertragen oder die Auflage gemacht wurde, den EuGH mit der Auslegung des EPÜ oder seiner Ausführungsordnung zu befassen. Und ganz gewiss kann bei den EPÜ-Vertragsstaaten, die nicht der EU angehören, nicht davon ausgegangen werden, dass sie dem EuGH eine gerichtliche Zuständigkeit übertragen haben.
6. Der bloße identische Wortlaut von Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ und Artikel 6 (2) c) der Richtlinie kann nicht zu dem Schluss führen, dass der EuGH nun dafür zuständig ist, für das EPA Entscheidungen nach Maßgabe des EPÜ zu treffen. Die Beschwerdekammern wenden diese Bestimmung an, weil sie eine Rechtsvorschrift der Ausführungsordnung zum EPÜ ist, und nicht, weil die Richtlinie eine unmittelbar anzuwendende Rechtsquelle ist. Dies wird durch die Tatsache gestützt, dass Regel 26 (1) (früher 23b (1)) EPÜ lediglich besagt, dass die Richtlinie bei der Auslegung der Regeln 26 bis 29 (früher 23b bis 23e) EPÜ ergänzend heranzuziehen ist.
7. Gemäß Artikel 23 (3) EPÜ sind die Mitglieder der Kammern bei ihren Entscheidungen an Weisungen nicht gebunden und nur dem EPÜ unterworfen. Aus Artikel 23 (3) EPÜ in seiner derzeitigen Fassung schließt die Große Beschwerdekammer, dass weder sie selbst noch irgendeine andere Beschwerdekammer des EPA befugt ist, eine Entscheidung des EuGH über die Auslegung von Artikel 6 (2) c) der Richtlinie als verbindlich anzusehen und sie auf Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ anzuwenden.
8. Der Großen Beschwerdekammer ist kein Präzedenzfall bekannt, in dem der EuGH um eine beratende Stellungnahme gebeten wurde, und es ist fraglich, ob sich der EuGH überhaupt mit einem solchen Antrag befassen würde, wenn unklar wäre, wer dazu berechtigt ist, sich vor dem EuGH zu den Vorlagefragen zu äußern.
9. Die Beschwerdeführerin versucht, die EuGH-Rechtssache C-337/95 ("Dior v. Evora") als Präzedenzfall für eine Anrufung des EuGH durch die Große Beschwerdekammer anzuführen, weil seinerzeit dem Benelux-Gerichtshof gestattet wurde, den EuGH in Fragen anzurufen, die ihm von den höchsten Gerichten Belgiens, der Niederlande und Luxemburgs vorgelegt worden waren. Bei näherem Hinsehen stellt sich allerdings heraus, dass dies kein geeigneter Präzedenzfall ist. Wenn nämlich die Große Beschwerdekammer den EuGH gemäß Artikel 234 EG-Vertrag anrufen kann, dann müsste dies auch allen anderen Beschwerdekammern des EPA möglich sein, weil es auch gegen deren Entscheidungen kein Rechtsmittel gibt und sie nicht zur Befassung der Großen Beschwerdekammer verpflichtet sind. Die Position einer Beschwerdekammer lässt sich nicht mit der eines der höchsten Gerichte Belgiens, der Niederlande und Luxemburgs vergleichen, von denen jedes eindeutig ein nationales Gericht eines EU-Mitgliedstaats ist, das befugt ist, den EuGH anzurufen. Die Vorlageentscheidung in der Sache Dior v. Evora stammte vom Hoge Raad der Niederlande, der von der Prämisse ausging, dass entweder er selbst oder der Benelux-Gerichtshof den EuGH anrufen könne, und der wissen wollte, ob er selbst dazu verpflichtet sei oder es dem Benelux-Gerichtshof als der höchsten Gerichtsbarkeit für Angelegenheiten unter dem Benelux-Vertrag überlassen könne. Dieser ist zudem ein Sondervertrag, der mit Erlaubnis der Organe der Europäischen Gemeinschaft als regionaler Vertrag festgelegt wurde. Das Benelux-Gericht setzt sich aus drei Richtern aus dem jeweils höchsten Gericht Belgiens, der Niederlande und Luxemburgs zusammen, und die Position als nationaler Richter ist die Voraussetzung dafür, dem Benelux-Gericht angehören zu können. Das Benelux-Gericht kann also bei Angelegenheiten, für die es nach dem Benelux-Vertrag zuständig ist, als höchstes nationales Gericht eines jeden dieser drei EU-Staaten aufgefasst werden. Im Gegensatz dazu kann es sein, dass einige oder womöglich sogar alle Mitglieder einer Beschwerdekammer nicht einmal Staatsangehörige eines EU-Staats sind. Die Große Beschwerdekammer kann aus der Sache Dior v. Evora nichts ableiten, was darauf schließen ließe, dass der EuGH eine Vorlage von einer Beschwerdekammer des EPA nach Artikel 234 EG-Vertrag für statthaft erachten würde.
10. Dass sich der Sitz der Beschwerdekammern des EPA in einem EU-Mitgliedstaat, nämlich Deutschland, befindet, ändert nichts an ihrem Status als Teil einer internationalen Organisation mit den im EPÜ verankerten Zuständigkeiten. Die Beschwerdekammern des EPA werden nicht und wurden noch nie als Gerichte ihres Sitzstaats behandelt.
11. Aus den oben genannten Gründen kommt die Große Beschwerdekammer zu dem Schluss, dass sie nach den bestehenden Bestimmungen des EPÜ nicht befugt ist, den EuGH um eine Vorabentscheidung zu ersuchen, sodass der Antrag, dem Europäischen Gerichtshof die Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen, als unzulässig zurückzuweisen ist.
Frage 1: Ist Regel 23d c) [jetzt 28 c)] EPÜ auf eine Anmeldung anzuwenden, die vor dem Inkrafttreten der Regel eingereicht wurde?
12. Mit Beschluss vom 16. Juni 1999 fügte der Verwaltungsrat der EPO ein neues Kapitel VI (jetzt V) mit dem Titel "Biotechnologische Erfindungen" in den zweiten Teil der Ausführungsordnung zum EPÜ ein. Diese neuen Bestimmungen traten am 1. September 1999 in Kraft, womit die Richtlinie über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen in europäisches Patentrecht umgesetzt wurde. Regel 26 (1) (früher 23b (1)) EPÜ legt ausdrücklich fest, dass die maßgebenden Bestimmungen des Übereinkommens auf europäische Patentanmeldungen und Patente, die biotechnologische Erfindungen zum Gegenstand haben, in Übereinstimmung mit den Vorschriften dieses neuen Kapitels anzuwenden sind und dass die Richtlinie hierfür ergänzend heranzuziehen ist. Es wurden keine Übergangsbestimmungen für anhängige Fälle verabschiedet. Regel 28 (früher 23d) EPÜ über die "Ausnahmen von der Patentierbarkeit" verweist ausdrücklich auf Artikel 53 a) EPÜ.
13. Das Einfügen dieses neuen Kapitels ohne jegliche Übergangsbestimmungen kann nur so verstanden werden, dass diese detaillierte Weisung zur Patentierbarkeit bzw. Nichtpatentierbarkeit in ihrer Gesamtheit auf alle damals anhängigen Anmeldungen angewandt werden sollte. Es wurde nicht behauptet, dass Regel 28 (früher 23d) EPÜ oder die Richtlinie die Möglichkeit zunichte gemacht hätte, etwas zu patentieren, was früher nach Artikel 53 a) EPÜ für patentfähig erachtet worden wäre (s. dazu die Aufnahme des Wortlauts von Artikel 53 a) EPÜ in Art. 6 (1) der Richtlinie, sowie Artikel 1 (2), in dem auf das TRIPS-Übereinkommen Bezug genommen wird). Bereits 1984 (s. Dolder, Mitteilungen der Deutschen Patentanwälte, 1984, 1, "Schranken der Patentierbarkeit biotechnologischer Erfindungen nach dem Europäischen Patentübereinkommen") wurde die Instrumentalisierung des menschlichen Körpers (im Gegensatz zu Teilen davon) und damit seine Degradierung zum Objekt der Technik als Schranke der Patentierbarkeit aufgefasst. Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die gewerbliche Verwertung von menschlichen Embryonen jemals für patentierbar gehalten wurde.
14. In Anbetracht der obigen Ausführungen muss die Antwort auf Vorlagefrage 1 lauten, dass Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ auf alle anhängigen Anmeldungen anzuwenden ist, auch auf die, die vor dem Inkrafttreten der Regel eingereicht wurden. Da die Beschwerdeführerin selbst und die Präsidentin des EPA diese Auffassung teilen und sie auch in der großen Mehrheit der Amicus-curiae-Schriftsätze vertreten wird, ist dem nichts hinzuzufügen.
Frage 2: Falls die Frage 1 bejaht wird, verbietet Regel 23d c) [jetzt 28 c)] EPÜ die Patentierung von Ansprüchen auf Erzeugnisse (hier: menschliche embryonale Stammzellkulturen), die wie in der Anmeldung beschrieben zum Anmeldezeitpunkt ausschließlich durch ein Verfahren hergestellt werden konnten, das zwangsläufig mit der Zerstörung der menschlichen Embryonen einhergeht, aus denen die Erzeugnisse gewonnen werden, wenn dieses Verfahren nicht Teil der Ansprüche ist?
15. Die hier beanspruchte Erfindung hat u. a. menschliche embryonale Stammzellkulturen zum Gegenstand, die zum Anmeldezeitpunkt ausschließlich durch ein Verfahren hergestellt werden konnten, das zwangsläufig mit der Zerstörung der menschlichen Embryonen einhergeht, aus denen sie gewonnen werden, wobei dieses Verfahren nicht Teil der Ansprüche ist. In Regel 28 (früher 23d) EPÜ ist u. a. Folgendes festgelegt: "Nach Artikel 53 a) werden europäische Patente insbesondere nicht erteilt für biotechnologische Erfindungen, die zum Gegenstand haben: c) die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken". Die Frage ist daher, ob die hier beanspruchte Erfindung unter das Verbot gemäß dieser Bestimmung fällt.
16. Betrachtet man die vorbereitenden Arbeiten zur Aufnahme der Regeln 26 bis 29 (früher 23b bis e) EPÜ, so zeigt sich, dass es das Ziel war, das EPÜ an die Richtlinie anzugleichen. Dies folgt aus der Mitteilung vom 1. Juli 1999 über die Änderung der Ausführungsordnung zum Europäischen Patentübereinkommen (ABl. 1999, 575) und wird auch durch die Tatsache belegt, dass gemäß Regel 26 (1) (früher 23b (1)) EPÜ die Richtlinie bei der Auslegung ergänzend heranzuziehen ist. Die Große Beschwerdekammer wendet sich also der Auslegung von Artikel 6 (2) der Richtlinie zu, der Regel 28 (früher 23d) EPÜ entspricht. Obwohl die Richtlinie kein Vertrag ist, wird die Große Beschwerdekammer in Anbetracht des oben genannten Verweises in Regel 26 (1) EPÜ und im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung (siehe z. B. G 5/83, ABl. 1985, 64, G 1/84, ABl. 1985, 299, J 16/96, ABl. 1998, 347) die im Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge enthaltenen allgemeinen Auslegungsregeln entsprechend anwenden. Sie wird daher die gewöhnliche, der Bestimmung in ihrem Zusammenhang und im Lichte ihres Zieles und Zweckes zukommende Bedeutung einschließlich der vorbereitenden Dokumente prüfen.
17. Die ersten Entwürfe der Richtlinie enthielten kein spezifisches Verbot der Verwendung menschlicher Embryonen. In der Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses des Europäischen Parlaments vom 11. Juli 1996 (Amtsblatt der EG vom 7.10.96, Seiten C 295/11 - 18) wurde vorgeschlagen, speziell den menschlichen Embryo von der Patentierbarkeit auszuschließen (s. Abschnitt 4.3.2) und Verfahren zur inakzeptablen Nutzung menschlicher Embryonen entschieden zu unterbinden (s. Abschnitt 4.7.2). Der von der Kommission 1997 vorgelegte geänderte Vorschlag für die Richtlinie (Amtsblatt der Europäischen Union vom 11.10.97, Seiten C 311/12 - 30) enthielt folgende Fassung des Artikels:
Artikel 6
1. Erfindungen, deren gewerbliche Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde, sind von der Patentierbarkeit ausgenommen, dieser Verstoß kann nicht allein daraus hergeleitet werden, dass die Verwertung durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften verboten ist.
2. Im Sinne von Absatz 1 gelten als nicht patentierbar:
a) ...
b) ...
c) Methoden, bei denen menschliche Embryonen verwendet werden,
d) ...
In dem vom Rat am 26. Februar 1998 festgelegten Gemeinsamen Standpunkt (EG) Nr. 19/98 (Amtsblatt der EG vom 8.4.98, C 110/17) schließlich wurde Artikel 6 (2) c) in den Wortlaut "die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken" geändert. Dieser Wortlaut entspricht Artikel 6 (2) c) in der endgültigen Fassung der Richtlinie, die am 6. Juli 1998 erlassen wurde.
18. Auf den ersten Blick ist Artikel 6 (2) c) der Richtlinie und damit auch Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ unmissverständlich und verbietet die Patentierung, wenn ein menschlicher Embryo zu industriellen oder kommerziellen Zwecken verwendet wird. Diese Lesart entspricht dem Anliegen des Gesetzgebers, eine inakzeptable Nutzung im Sinne einer Kommodifizierung menschlicher Embryonen zu verhindern (s. Entscheidung des deutschen Bundespatentgerichts (BPatG) vom 5. Dezember 2006, 3 Ni 42/04, Nr. IV 2.2 i.f.), und einem der Hauptziele der gesamten Richtlinie, nämlich die Menschenwürde zu schützen. Dieses Anliegen wird auch durch das selektive Vorgehen der Gemeinschaft bei der Finanzierung der Stammzellenforschung belegt. Die Beschwerdeführerin argumentiert hingegen, schon die Tatsache, dass die Gemeinschaft solche Forschungsvorhaben finanziere, zeige, dass der Gesetzgeber Aktivitäten, wie sie der beanspruchten Erfindung zugrunde lägen und die mit der Verwendung (und Zerstörung) menschlicher Embryonen einhergingen, nicht ausschließen wollte. In der Pressemitteilung des Rats Nr. 11554/06 (Presse 215) vom 24. Juli 2006 heißt es jedoch auf Seite 7 betreffend das EG-Forschungsrahmenprogramm: "... bekräftigte die Kommission, sie werde an der derzeitigen Praxis festhalten und dem Regelungsausschuss keine Vorschläge für Projekte vorlegen, die Forschungsaktivitäten beinhalten, bei denen menschliche Embryonen - etwa zur Gewinnung von Stammzellen - zerstört werden. Weitere Schritte, die sich an diese nicht förderfähige Forschungsstufe anschließen und bei denen humane embryonale Stammzellen verwendet werden, sind von einer Gemeinschaftsfinanzierung jedoch nicht ausgenommen." Diese selektive Finanzierung stützt die Position der Beschwerdeführerin keineswegs.
19. Dagegen, dass Regel 28 c) (früher 23d (c)) EPÜ auf die in diesem Fall beanspruchte Erfindung anzuwenden ist, hat die Beschwerdeführerin mehrere Argumente vorgebracht. Erstens argumentiert sie, dass mit "Embryo" etwas ganz Bestimmtes gemeint sei, nämlich nach medizinischem Sprachgebrauch ein Embryo ab einem Alter von 14 Tagen.
20. Weder der EU-Gesetzgeber noch der EPÜ-Gesetzgeber hat den Begriff "Embryo", wie er in der Richtlinie oder nun in Regel 28 (früher 23d) EPÜ verwendet wird, definiert. Dies steht im Gegensatz zum deutschen Recht (Gesetz zum Schutz von Embryonen vom 13. Dezember 1990, § 8), wonach unter den Begriff "Embryo" auch befruchtete Eizellen fallen, oder zum britischen Recht (Human Fertilisation and Embryology Act 1990, Section 1 (1)), wonach auch die zweizellige Zygote und ein Ei während des Befruchtungsprozesses als Embryo definiert werden. Es ist anzunehmen, dass die Gesetzgeber der EU und des EPÜ die in den nationalen Embryonenschutzgesetzen verwendeten Definitionen kannten und trotzdem bewusst von einer Definition des Begriffs absahen. Vor dem Hintergrund, dass die Menschenwürde geschützt und die gewerbliche Verwertung von Embryonen verhindert werden sollte, kann die Große Beschwerdekammer nur vermuten, dass dem Begriff "Embryo" in Regel 28 (früher 23d) EPÜ keine restriktive Bedeutung gegeben werden sollte, denn dies hätte die Absicht des Gesetzgebers unterminiert, und dass die Frage, was ein Embryo ist, eine im Zusammenhang mit der jeweiligen Patentanmeldung zu betrachtende Tatsachenfrage ist.
21. Zweitens argumentiert die Beschwerdeführerin, dass die Verwendung menschlicher Embryonen beansprucht werden müsse, damit das Verbot nach Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ greife.
22. In dieser Regel (und in der entsprechenden Bestimmung der Richtlinie) werden Ansprüche jedoch gar nicht erwähnt, vielmehr wird auf die "Erfindung" im Kontext ihrer Verwertung Bezug genommen. Was es zu betrachten gilt, ist nicht nur der explizite Wortlaut der Ansprüche, sondern die gesamte technische Lehre der Anmeldung im Hinblick darauf, wie die Erfindung auszuführen ist. Bevor menschliche embryonale Stammzellkulturen verwendet werden können, müssen sie hergestellt werden. Da in dem der Großen Beschwerdekammer vorgelegten Fall die einzige Lehre, wie die Erfindung der Herstellung menschlicher embryonaler Stammzellkulturen auszuführen ist, in der Verwendung (und damit der Zerstörung) menschlicher Embryonen besteht, fällt diese Erfindung unter das Verbot nach Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ (vgl. Entscheidung des BPatG vom 5. Dezember 2006, a. a. O., Nr. IV 2.1 bis 2.3). Die Anwendung der Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ darauf zu beschränken, was ein Anmelder explizit in seinem Anspruch erwähnt, hätte die unerwünschte Folge, dass es lediglich einer klugen und geschickten Abfassung eines solchen Anspruchs bedürfte, um das Patentierungsverbot zu umgehen.
23. In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem sich die Lehre von der Gewinnung der beanspruchten menschlichen embryonalen Stammzellen auf die Verwendung (einschließlich der Zerstörung) menschlicher Embryonen beschränkt, ist das Argument der Beschwerdeführerin, das Patentierungsverbot der Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ ginge viel zu weit, wenn alle einer Erfindung vorausgehenden Schritte in Betracht gezogen würden, nicht relevant.
24. Die Beschwerdeführerin hat des Weiteren vorgebracht, die Verwendung menschlicher Embryonen zur Herstellung der beanspruchten menschlichen embryonalen Stammzellkulturen sei keine "Verwendung zu industriellen oder kommerziellen Zwecken" im Sinne der Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ, sondern eine andere Form der Verwendung, die durch diese Regel nicht verboten werde.
25. Ein beanspruchtes neues und erfinderisches Erzeugnis muss zunächst hergestellt werden, bevor es verwendet werden kann. Dieses Herstellen ist der gewöhnliche Weg, die beanspruchte Erfindung gewerblich zu verwerten, und fällt unter das erteilte Monopolrecht, denn wer eine Patentanmeldung mit einem auf dieses Erzeugnis gerichteten Anspruch besitzt, erlangt mit der Erteilung des Patents das Recht, anderen die Herstellung oder Verwendung dieses Erzeugnisses zu untersagen. Die Herstellung des beanspruchten Erzeugnisses ist auch dann eine kommerzielle oder industrielle Verwertung der Erfindung, wenn beabsichtigt wird, dieses Erzeugnis für weitere Forschungen zu nutzen. Faktisch muss die Kammer bei der Beantwortung der Vorlagefrage 2 davon ausgehen, dass die Herstellung des beanspruchten Erzeugnisses mit der Zerstörung menschlicher Embryonen einhergeht. Diese mit Zerstörung einhergehende Verwendung ist damit ein integraler und wesentlicher Bestandteil der industriellen oder kommerziellen Verwertung der beanspruchten Erfindung und verstößt damit gegen das Verbot nach Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ.
26. Vor dem Hintergrund des in Regel 28 (früher 23d) EPÜ und Artikel 6 (2) c) der Richtlinie verwendeten Wortlauts "zu industriellen oder kommerziellen Zwecken" hat die Beschwerdeführerin auf die Entstehungsgeschichte der Richtlinie hingewiesen und argumentiert, dass das Ersetzen des Wortlauts "Methoden, bei denen menschliche Embryonen verwendet werden" durch "die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken" eine Einschränkung der Bestimmung bedeute, wodurch Erfindungen wie die vorliegende nicht mehr unter das Patentierungsverbot fielen.
27. Die Kammer kann jedoch eine solche Einschränkung nicht erkennen. In Nummer 37 des Gemeinsamen Standpunkts wird diese Änderung damit begründet, dass man zwischen einer Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen und kommerziellen Zwecken, die von der Patentierbarkeit ausgeschlossen ist, und Erfindungen, die therapeutische oder diagnostische Zwecke verfolgen und auf menschliche Embryonen zu deren Nutzen angewandt werden und für die dieser Ausschluss nicht gilt, unterscheiden wollte. Zur Klarstellung dieser Ausnahme von der Ausnahme wurde ein neuer Erwägungsgrund 42 in die Richtlinie aufgenommen. So erhärtet diese Begründung sogar die von der Kammer vertretene Auffassung, dass im vorliegenden Fall menschliche Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken verwendet werden, denn patentierbar sollte eine Erfindung ja nur dann sein, wenn sie dem Embryo selbst nützt (vgl. Entscheidung des BPatG vom 5. Dezember 2006, a. a. O., Nr. IV 3). Dass dies hier nicht zutrifft, ist offensichtlich, da die zur Ausführung der Erfindung verwendeten Embryonen zerstört werden.
28. Hinsichtlich des Verhältnisses von Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ zu Artikel 53 a) EPÜ bringt die Beschwerdeführerin vor, dass die Regel, wenn sie so ausgelegt würde, dass Erfindungen wie die hier vorliegende von der Patentierbarkeit ausgeschlossen wären, über Artikel 53 a) EPÜ hinausginge und damit ultra vires wäre (Art. 164 (2) EPÜ). Damit verstieße sie auch gegen Artikel 27 TRIPS-Übereinkommen, der in diesem Bereich nur Ausnahmen von der Patentierbarkeit im Rahmen von Artikel 53 a) EPÜ zulasse.
29. Die Große Beschwerdekammer teilt nicht die Auffassung, dass Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ durch eine solche Auslegung ultra vires wird. Gemäß Artikel 53 a) EPÜ sind Erfindungen von der Patentierbarkeit ausgeschlossen, deren gewerbliche Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstößt. Dazu sei auf die Punkte 25 bis 27 verwiesen, wo erläutert wurde, warum diese Kammer die Ausführung dieser Erfindung als gewerbliche Verwertung auffasst. In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass nicht die Patentierung an sich als Verstoß gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten angesehen wird, sondern die Ausführung der Erfindung, die einen Schritt umfasst (die Verwendung einschließlich der Zerstörung menschlicher Embryonen), den man als Verstoß gegen diese Konzepte ansehen muss.
30. Es sollte noch erwähnt werden, dass der Wortlaut von Artikel 53 a) EPÜ sich jetzt geringfügig von dem des Artikels 53 a) EPÜ 1973 unterscheidet. Er lautet jetzt "Erfindungen, deren Veröffentlichung oder gewerbliche Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde; ein solcher Verstoß kann nicht allein aus der Tatsache daraus hergeleitet werden, dass die Verwertung der Erfindung in allen oder einem Teil der einigen Vertragsstaaten durch Gesetz oder Verwaltungsvorschrift verboten ist" - Streichungen im Vergleich zum EPÜ 1973 sind durchgestrichen, Hinzufügungen durch Kursivdruck hervorgehoben. Die Änderungen sind für die in dieser Entscheidung erörterten Fragen nicht relevant.
31. Aus den oben genannten Gründen gelangt die Große Beschwerdekammer zu dem Schluss, dass die Gesetzgeber (sowohl der Gesetzgeber der Ausführungsordnung zum EPÜ als auch der Gesetzgeber der Richtlinie) Erfindungen wie die dieser Vorlage zugrunde liegende von der Patentierbarkeit ausschließen wollten, und dass sie dabei nicht über Artikel 53 a) EPÜ und das TRIPS-Übereinkommen hinausgegangen sind. Angesichts dieses Ergebnisses ist es nicht notwendig und erst recht nicht angemessen, die im Verfahren vorgebrachten Argumente und Sichtweisen weiter zu diskutieren, wie etwa, ob der Standard für die öffentliche Ordnung und die guten Sitten ein europäischer sein sollte oder nicht, ob es von Bedeutung ist, dass in manchen europäischen Ländern eine mit der Zerstörung menschlicher Embryonen einhergehende Forschung erlaubt ist, ob der Nutzen einer Erfindung für die Menschheit gegen den Schaden des Embryos abgewogen werden sollte oder zu welchem Zeitpunkt es die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten gemäß Artikel 53 a) EPÜ zu bewerten gilt. Die Gesetzgeber haben entschieden und sind dabei nicht über den Geltungsbereich von Artikel 53 a) EPÜ hinausgegangen; es gibt keinen Auslegungsspielraum.
Frage 3: Falls die Frage 1 oder 2 verneint wird, verbietet Artikel 53 a) EPÜ die Patentierung solcher Ansprüche?
32. Frage 3 bedarf keiner Antwort, da die Große Beschwerdekammer der Auffassung ist, dass Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ anzuwenden ist, dass sie nicht über den Geltungsbereich von Artikel 53 a) EPÜ hinausgeht und dass sie die Patentierung von Erzeugnissen verbietet, die zum Anmeldezeitpunkt ausschließlich durch ein Verfahren hergestellt werden konnten, das zwangsläufig mit der Zerstörung der menschlichen Embryonen einhergeht, aus denen die Erzeugnisse gewonnen werden, weshalb die Fragen 1 und 2 zu bejahen sind.
Frage 4: Ist es im Rahmen der Fragen 2 und 3 von Bedeutung, dass nach dem Anmeldetag dieselben Erzeugnisse auch ohne Rückgriff auf ein Verfahren hergestellt werden konnten, das zwangsläufig mit der Zerstörung menschlicher Embryonen einhergeht (hier: z. B. Gewinnung aus vorhandenen menschlichen embryonalen Zelllinien)?
33. Bei der Prüfung, ob ein Anspruch gegen Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ verstößt, können technische Entwicklungen, die erst nach dem Anmeldetag öffentlich zugänglich gemacht wurden, nicht berücksichtigt werden. Es kann nicht relevant sein, ob später entweder der Anmelder selbst oder andere etwas zugänglich gemacht haben, womit das Erzeugnis auf unschädliche Art und Weise hätte hergestellt werden können. Ähnlich wie im Fall einer Erfindung, die in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung so unzulänglich beschrieben wird, dass sie nicht ausgeführt werden kann, lässt sich das Fehlen einer Offenbarung, die dem Fachmann die Ausführung der Erfindung im Einklang mit der Regel 28 c) (früher 23d c)) EPÜ erlauben würde, nicht durch spätere technische Entwicklungen beheben. Jede andere Schlussfolgerung hätte Rechtsunsicherheit zur Folge und drohte demjenigen zum Schaden zu gereichen, der später ein unschädliches Verfahren zur Ausführung der Erfindung entwickelt.
34. Frage 4 ist also dahin gehend zu beantworten, dass es nicht relevant ist, dass nach dem Anmeldetag dieselben Erzeugnisse auch ohne Rückgriff auf ein Verfahren hergestellt werden konnten, das zwangsläufig mit der Zerstörung menschlicher Embryonen einhergeht.
35. In Anbetracht der Vorlagefragen befasst sich diese Entscheidung nicht mit der allgemeinen Patentierbarkeit von Erfindungen, die menschliche Stammzellen oder menschliche Stammzellkulturen zum Gegenstand haben. Laut dieser Entscheidung sind Erfindungen nicht patentierbar, wenn sie Erzeugnisse zum Gegenstand haben (hier menschliche embryonale Stammzellkulturen), die nur unter der Verwendung einschließlich der Zerstörung menschlicher Embryonen hergestellt werden können.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Der Antrag, dem Europäischen Gerichtshof die besagten Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen, wird als unzulässig zurückgewiesen.
2. Die der Großen Beschwerdekammer vorgelegten Fragen werden wie folgt beantwortet:
Frage 1: Regel 28 c) (früher Regel 23d c)) EPÜ ist auf alle anhängigen Anmeldungen anzuwenden, auch auf solche, die vor dem Inkrafttreten der Regel eingereicht wurden.
Frage 2: Regel 28 c) (früher Regel 23d c)) EPÜ verbietet die Patentierung von Ansprüchen auf Erzeugnisse, die - wie in der Anmeldung beschrieben - zum Anmeldezeitpunkt ausschließlich durch ein Verfahren hergestellt werden konnten, das zwangsläufig mit der Zerstörung der menschlichen Embryonen einhergeht, aus denen die Erzeugnisse gewonnen werden, selbst wenn dieses Verfahren nicht Teil der Ansprüche ist.
Frage 3: Diese Frage bedarf keiner Antwort, da die Fragen 1 und 2 bejaht wurden.
Frage 4: Im Rahmen der Frage 2 ist es nicht relevant, dass nach dem Anmeldetag dieselben Erzeugnisse auch ohne Rückgriff auf ein Verfahren hergestellt werden konnten, das zwangsläufig mit der Zerstörung menschlicher Embryonen einhergeht.