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T 0753/16 14-01-2021
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VERFAHREN ZUM ERSTELLEN VON INDIVIDUELLEN REGALBILDERN FÜR VERSCHIEDENE VERKAUFSSTELLEN
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - nicht naheliegende Alternative
I. Die Beschwerde der Anmelderin richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung Nr. 12 718 907.4 zurückzuweisen.
Der einzige im Prüfungsverfahren vorliegende Antrag wurden wegen mangelnder Neuheit (Art. 54 (1), (2) EPÜ) und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Art. 52 (1) und 56 EPÜ) zurückgewiesen.
II. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer beantragte die Beschwerdeführerin, die Entscheidung der Prüfungsabteilung aufzuheben und ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:
Ansprüche:
Nr. 1 bis 12 gemäß Hauptantrag, eingereicht mit Schreiben vom 16. Mai 2013;
Beschreibung:
Seiten 1, 3 und 6 bis 15 der veröffentlichten Fassung;
Seiten 2 und 2a, eingereicht mit Schreiben vom 8. Februar 2013;
Seiten 4 und 5, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2021;
Zeichnungen:
Blätter 1/9 bis 9/9 der veröffentlichten Fassung.
III. Es wird auf folgendes Dokument verwiesen:
D1: US 2007/0288296 A1
IV. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt, wobei die in der Beschwerdebegründung angeführte Merkmalsgliederung mit den Merkmalen 1.1 bis 1.8 von der Kammer eingefügt wurde:
Verfahren zum Betreiben mindestens einer Daten-verarbeitungsanlage gemäß mindestens einem Programm zum Erstellen von individuellen Regalbildern für eine Vielzahl verschiedener Verkaufsstellen eines Handelsunternehmens, bei dem
(1.1) das Programm auf Sortimentsdaten zugreift, die für jede Verkaufsstelle ein individuelles Sortiment aus verschiedenen Artikeln mit zugehörigen Attributen definieren,
(1.2) das Programm einem Anwender anbietet, interaktiv über Ein- und Ausgabegeräte verschiedene Blöcke zu definieren, die jeweils Artikel mit einem Attribut umfassen, das für den jeweiligen Block spezifisch ist,
(1.3) das Programm nach erfolgter Definition von Blöcken durch den Anwender auf die Blöcke in einem Datenspeicher zugreift,
(1.4) das Programm auf Regaldaten mit den individuellen Daten mindestens eines Regals jeder Verkaufsstelle in einem Datenspeicher zugreift,
(1.5) das Programm dem Anwender anbietet, interaktiv eine sequentielle Reihenfolge von Platzierungsregeln zu erstellen, die die Platzierung verschiedener Blöcke in Regalen betreffen und vorgeben, nach welchen Regeln die verschiedenen Blöcke in den Regalen zu platzieren sind,
(1.6) das Programm nach erfolgter Eingabe auf die sequentielle Reihenfolge von Platzierungsregeln in einem Datenspeicher zugreift und
(1.7) das Programm für jede Verkaufsstelle nacheinander die gespeicherten Platzierungsregeln entsprechend ihrer Reihenfolge auf die gespeicherten Blöcke mit den Artikeln aus dem Sortiment der Verkaufsstelle anwendet und unter Berücksichtigung der Regaldaten die Stellplätze der verschiedenen Artikel in dem Regal der Verkaufsstelle ermittelt und
(1.8) das Programm die Stellplätze der verschiedenen Artikel in einem Regalbild darstellt.
1. Neuheit
1.1 Das in Anspruch 1 definierte Verfahren ist aus den im Folgenden erläuterten Gründen neu gegenüber der aus dem Dokument D1 bekannten Lehre.
1.2 Das Dokument D1 zeigt ein Verfahren zum Betreiben mindestens einer Datenverarbeitungsanlage gemäß einem Programm zum Erstellen von individuellen Regalbildern für eine Vielzahl verschiedener Verkaufsstellen eines Handelsunternehmens (Zusammenfassung; Absätze [0001], [0007], [0008], [0023] und [0024]).
Hierbei greift das Programm, wie in Merkmal 1.1 definiert, auf Sortimentsdaten zu, die für jede Verkaufsstelle ein individuelles Sortiment aus verschiedenen Artikeln mit zugehörigen Attributen definieren (Absätze [0023], [0024], [0026] und [0030]).
Ebenso greift das Programm, wie in Merkmal 1.4 definiert, auf Regaldaten mit den individuellen Daten mindestens eines Regals jeder Verkaufsstelle in einem Datenspeicher zu (Absatz [0027]) und stellt, wie in Merkmal 1.8 definiert, die Stellplätze der verschiedenen Artikel in einem Regalbild dar (Absatz [0026]).
Auch bietet das Programm einem Anwender an, interaktiv über Ein- und Ausgabegeräte (Absatz [0058], letzter Satz) verschiedene Blöcke zu definieren ("fixture blocks"), die jeweils Artikel mit einem Attribut umfassen, das für den jeweiligen Block spezifisch ist (Absätze [0039] und [0040]). Dass die Blöcke ("fixture blocks") nach ihrer Einteilung abgespeichert werden, um im iterativen Verfahren auf diese wieder zugreifen zu können, ergibt sich aus Absatz [0039], sodass auch die Merkmale 1.2 und 1.3 in Dokument D1 gezeigt sind.
1.3 Dokument D1 offenbart nicht, dass die einzelnen, spezifischen Blöcke, welche gemäß Merkmal 1.2 festgelegt wurden, entsprechend den Merkmalen 1.5 und 1.7 in den Regalen platziert werden. Im vorliegenden Verfahren werden Platzierungsregeln interaktiv gemäß Merkmal 1.5 festgelegt, welche in Merkmal 1.6 gespeichert werden, um dann in Merkmal 1.7 abgerufen zu werden. Diese Platzierungsregeln werden auf die zuvor festgelegten Blöcke angewandt, um diese auf die Regale der Verkaufsstelle zu verteilen und hierdurch die Stellplätze der jeweiligen Artikel in den Regalen der jeweiligen Verkaufsstelle zu ermitteln.
In D1 hingegen sind die Blöcke ("fixture blocks") fester Bestandteil der Regale; sie stellen eine Art Unterabteilung im Regal dar, eine Unterteilung der Regalfläche in eine zweidimensionale Gitterstruktur (vgl. Absatz [0008]). Auf diese zuvor festgelegten Blöcke werden die Artikel gemäß dem zuvor zugeteilten Attribut verteilt, wobei, wenn ein Block für eine Artikelmenge zu klein ist, die verbleibenden Artikel in einem angrenzenden Block angeordnet werden.
Zusammenfassend kann vereinfacht gesagt werden, dass im vorliegenden Verfahren zunächst die Artikel einem Attribut entsprechend auf hierdurch definierte Blöcke verteilt werden und diese Blöcke dann in die Regale geräumt werden. Im Gegensatz hierzu sind in der D1 die Blöcke in den Regalen verankert und ihre Größe wird dort angepasst. Erst dann werden die Artikel in die zugewiesenen Blöcke und somit in die Regale eingeräumt.
Die Merkmale 1.5 bis 1.7 sind somit in dem Dokument D1 nicht offenbart.
1.4 Die Prüfungsabteilung, welche die Neuheit gegenüber Dokument D1 verneint hat, hat in ihrer Argumentation nicht mitberücksichtigt, dass die dem Merkmal 1.2 entsprechend festzulegenden Blöcke in dem Dokument D1 bereits an Regalbereiche gebunden sind (D1: Absätze [0008], [0039]). Erst nach Festlegung der Blöcke in den Regalen werden die Blöcke mit Produkten bzw. Artikeln gefüllt. In der Lehre der D1 hat zwar jeder Block gemäß dem Merkmal 1.2 für ihn spezifische (bevorzugte) Attribute, sodass Merkmal 1.2 noch auf die Lehre der D1 gelesen werden kann. Hinsichtlich der Platzierungsregeln gemäß den Merkmalen 1.5 bis 1.7, die dann auf die mit Artikeln gefüllten Blöcke anzuwenden sind, hat die Prüfungsabteilung die Absätze [0028], [0029], [0039] und [0041] aus der D1 zitiert (sh. Entscheidung Seite 3, letzte zwei Absätze). In diesen Textstellen werden aber die Platzierungsregeln bzw. die Platzierungsreihenfolge (Priorisierung) nicht auf die Blöcke angewandt, sondern auf die Artikel, was eben den entscheidenden, oben erläuterten Unterschied ausmacht.
2. Erfinderische Tätigkeit
Das Dokument D1 wird als nächstliegender Stand der Technik herangezogen, da es sich, wie oben erläutert, ebenfalls mit einer optimalen Regalbefüllung in Verkaufsstellen beschäftigt.
Die gegenüber der Lehre des Dokuments D1 unterscheidenden Merkmale 1.5 bis 1.7 haben den technischen Effekt, ein für die Verkaufsstelle individuelles Regalbild mit Hilfe der für jede Verkaufsstelle individuellen Daten der Artikel, Regalinformationen und bevorzugten Artikelplatzierungen zu erstellen.
Somit wird die objektive technische Aufgabe der Erfindung darin gesehen, ein alternatives Verfahren für die Erstellung von Regalbildern zu dem aus Dokument D1 bekannten Verfahren zur Verfügung zu stellen.
Dies wird insbesondere durch die Merkmale 1.5 bis 1.7 des unabhängigen Anspruchs 1 gelöst.
Weder in Dokument D1 noch auf Grund sonstiger verfügbarer Information oder durch das allgemeine Fachwissen ist das hier definierte Verfahren, zunächst die Artikel auf Blöcke zu verteilen, welche unabhängig von den Regalen sind, und dann diese Blöcke auf die Regale gemäß den interaktiv festgelegten Platzierungsregeln zu verteilen, nahegelegt. Es ist kein Grund erkennbar, warum die Rangfolge der Befüllungsschritte, so wie sie in Dokument D1 offenbart ist, ausgetauscht werden sollte, um zur nun definierten Rangfolge zu gelangen. Insbesondere sind in D1 die Blöcke fest im Regal verankert, deren Größe durch die Regalgrößen der jeweiligen Verkaufsstelle festgelegt ist. Die Blöcke von dem Regal zu entkoppeln, ist für die Kammer nicht naheliegend.
Auch ist es nicht gleichbedeutend, ob zuerst die Blöcke in dem Regal entsprechend der Regalabmessungen der individuellen Verkaufsstelle festgelegt werden, um die Regale optimal auszunutzen, und dann mit Ware zu befüllen (wie in Dokument D1), oder ob zuerst die Blöcke mit Hilfe von Attributen der Artikel definiert werden und dann diese Blöcke und somit auch die Artikel auf die Regale verteilt werden (wie in Anspruch 1 definiert). In Dokument D1 werden den Blöcken zwar allgemeine Artikel-Attribute zugeordnet (sh. D1, Absätze [0008], [0039] und [0040]), beim Verteilen der Artikel auf die Blöcke können aber überschüssige Artikel auch in einem angrenzenden Block Platz finden (sh. D1, Absatz [0041]). Dies trifft auf das Verfahren gemäß Anspruch 1 nicht zu. Hieraus ergibt sich in beiden Verfahren im Endergebnis ein anderes Regalbild, sodass die Austauschbarkeit der beiden Befüllungsschritte nicht gegeben ist.
Schließlich bleibt noch festzustellen, dass die Unterschiede, welche hier zur erfinderischen Tätigkeit diskutiert werden, technischer Art sind. Die Definition von Blöcken unabhängig von den Regalen, das Zuteilen der Ware/Artikel auf diese einzelnen Blöcke sowie das "Einräumen" dieser Blöcke in die Regale wird als technisch beurteilt. Die Abfolge einzelner Ausführungsschritte des Regalbefüllungsvorgangs und die daraus resultierenden Unterschiede des Regalbefüllungsvorgangs sind zunächst unabhängig von marktstrategischen oder administrativen Überlegungen. Es handelt sich um konkrete technische Schritte die Befüllung des Regals betreffend, auch wenn diese zur Erstellung des Regalbildes nur innerhalb eines Algorithmus auf Grundlage eingelesener Daten erfolgen.
Somit beruht der im unabhängigen Anspruch 1 definierte Gegenstand auf einer erfinderischen Tätigkeit gemäß Artikel 56 EPÜ.
3. Da Anspruch 1 der einzige unabhängige Anspruch ist und die Ansprüche 2 bis 12 entweder direkt oder indirekt von Anspruch 1 abhängig sind, erfüllen auch diese die Erfordernisse der Artikel 52 (1), 54 (1), (2) und 56 EPÜ.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:
Ansprüche:
Nr. 1 bis 12 gemäß Hauptantrag, eingereicht mit Schreiben vom 16. Mai 2013;
Beschreibung:
Seiten 1, 3 und 6 bis 15 der veröffentlichten Fassung;
Seiten 2 und 2a, eingereicht mit Schreiben vom 8. Februar 2013;
Seiten 4 und 5, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2021;
Zeichnungen:
Blätter 1/9 bis 9/9 der veröffentlichten Fassung.