Fragen und Antworten zu Patenten im Zusammenhang mit dem Coronavirus
Fragen:
- Was sind Patente, und was schützen sie?
- Warum brauchen wir Patente für Arzneimittel?
- Verleiht ein Patent das Recht, die Erfindung praktisch zu nutzen?
- Wie lange gilt der Patentschutz?
- Wie entscheidet das EPA, ob es ein Patent erteilt?
- Wie kann der Zugang zu patentierten Arzneimitteln politisch und rechtlich gewährleistet werden?
- Können Viren wie das Coronavirus patentiert werden?
- Wie viele Patentanmeldungen wurden beim EPA für Technologien im Zusammenhang mit Coronaviren eingereicht?
1. Was sind Patente, und was schützen sie?
Patente gewähren rechtlichen Schutz für technische Erfindungen auf allen Gebieten der Technik. Sie verleihen ihren Inhabern in einem oder mehreren Ländern ein ausschließliches Recht auf eine Erfindung. Ein Patent gilt für einen begrenzten Zeitraum, in der Regel bis zu 20 Jahre ab dem Anmeldetag, und muss durch Zahlung von Jahresgebühren an die nationalen Patentämter der Länder, in denen es in Kraft ist, aufrechterhalten werden. Wenn das Patent nicht mehr aufrechterhalten wird oder seine Laufzeit abgelaufen ist, ist die Erfindung nicht mehr geschützt und kann von jedem frei verwendet werden.
Im Gegenzug für den Patentschutz müssen Erfinder ihre Erfindung in der Anmeldung vollständig offenlegen. Patentanmeldungen werden 18 Monate nach dem Prioritätstag veröffentlicht und sorgen dank ihrer öffentlichen Zugänglichkeit für Transparenz über neueste technologische Entwicklungen. So kann bei Forschungen im selben Bereich auf die Erfindungen anderer aufgebaut werden. Das Patentsystem spielt daher eine wichtige Rolle bei der Innovationsförderung, unter anderem auch in der Medizintechnik und bei Arzneimitteln, wo jedes Jahr eine Vielzahl von Patentanmeldungen eingereicht wird.
Nach der Veröffentlichung der Patentanmeldung ist die Korrespondenz zwischen Anmelder und EPA über die Online-Akteneinsicht des Amts, das Europäische Patentregister, öffentlich einsehbar. So kann jeder die Entwicklungen in den beim EPA anhängigen Anmeldungen verfolgen. Darüber hinaus bietet die kostenlose Online-Patentdatenbank Espacenet des EPA Zugriff auf über 130 Millionen Dokumente und ist damit eine der bedeutendsten Informationsquellen für Erfindungen und technische Entwicklungen weltweit.
2. Warum brauchen wir Patente für Arzneimittel?
Patente sind ein wichtiger Anreiz für die Forschung und Entwicklung neuer Arzneimittel, weil sie die Möglichkeit eröffnen, Investitionen einzuwerben und die F&E-Ausgaben wieder zu erwirtschaften. Dies ist insbesondere in Bereichen von Bedeutung, in denen die Entwicklungskosten hoch sind oder viel Startkapital benötigt wird. Ein Patent verleiht seinem Inhaber das Recht, Dritten, z. B. Wettbewerbern, zu untersagen, die Erfindung ohne seine Zustimmung kommerziell zu nutzen. Dritte, die die Erfindung nutzen oder vertreiben möchten, können jedoch einen Lizenzvertrag abschließen. Patente dienen daher u. a. häufig dazu, eine Brücke für die Zusammenarbeit zwischen Erfindern zu schlagen, F&E-Aktivitäten mehrerer Unternehmen zu bündeln und Standards in bestimmten Technologien zu setzen. Außerdem schaffen sie eine wirksame Barriere gegen die illegale Nachahmung von Medikamenten und schützen vor Gesundheitsrisiken durch Fälschungen.
3. Verleiht ein Patent das Recht, die Erfindung zu nutzen?
Ein Patent verleiht dem Inhaber nicht das Recht, eine Erfindung zu nutzen oder zu verwerten. Die Nutzung und Verwertung von Technologien unterliegt weiterhin nationalen Gesetzen und Vorschriften. Im Pharmabereich sind Sonderbehörden für die Zulassung von Arzneimitteln zuständig (Europäische Arzneimittel-Agentur, US-amerikanische Zulassungsstelle FDA usw.).
4. Wie lange gilt der Patentschutz?
Nach dem Europäischen Patentübereinkommen erlischt ein europäisches Patent spätestens 20 Jahre nach dem Anmeldetag. In der Europäischen Union und einigen anderen europäischen Ländern ist es möglich, den Schutz für Arzneimittel zu verlängern, um die langen Marktzulassungsverfahren bei nationalen oder europäischen Arzneimittelbehörden auszugleichen. Nach Erlöschen des Patents ist die Erfindung nicht mehr geschützt und kann von allen ohne Entrichtung von Nutzungsgebühren frei verwendet werden. Nach Angaben der Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) sind 95 % der Medikamente, die auf der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stehen, nicht mehr durch Patente geschützt (Quelle: WIPO-Studie (Englisch), 2016).
5. Wie entscheidet das EPA, ob es ein Patent erteilt?
Im EPA durchläuft jede Patentanmeldung ein strenges Recherchen- und Prüfungsverfahren, in dem entschieden wird, ob ein Patent erteilt werden kann. Das auf europäische Patente anwendbare Patentrecht hat seine Grundlage im Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ), wonach Patente nur für technische Erfindungen erteilt werden können, die neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Patentorganisation haben ihr nationales Recht weitgehend an die Rechtsnormen des EPÜ angepasst.
Das Erteilungsverfahren wird von drei hoch qualifizierten Patentprüferinnen und -prüfern durchgeführt, d. h. von auf das jeweilige technische Gebiet spezialisierten Wissenschaftlern oder Ingenieurinnen. Anhand der vorläufigen Stellungnahme zu den Chancen, ein Patent für die Erfindung zu erhalten, können die Anmelder eine fundierte Entscheidung darüber treffen, ob sie ihre Anmeldung weiter verfolgen wollen oder nicht. Viele Patentanmeldungen führen daher gar nicht zur Erteilung eines Patents. Außerdem wird im Prüfungsverfahren häufig der beantragte Schutzumfang eingeschränkt, um die Erteilungskriterien des EPÜ zu erfüllen.
6. Wie kann der Zugang zu patentierten Arzneimitteln politisch und rechtlich gewährleistet werden?
Das Patentrecht vieler Länder enthält Schutzvorkehrungen, damit Patentinhaber ihre Marktstellung nicht missbrauchen können. So sind wettbewerbswidrige Praktiken verboten, und staatliche Behörden können Zwangslizenzen anordnen. Mit einer Zwangslizenz kann der Staat in Fällen, in denen ein erhebliches öffentliches Interesse besteht, das Recht des Patentinhabers außer Kraft setzen, anderen die Nutzung der Erfindung zu untersagen. Ein solcher Fall wäre beispielsweise die Bereitstellung lebensrettender Medikamente. Dieses Instrument wird allerdings in Europa nicht sehr oft eingesetzt (einen allgemeinen Überblick bietet die EPA-Veröffentlichung Compulsory Licensing in Europe: a country-by-country overview (Englisch), 2018). Zwangslizenzen können nur aus wenigen Gründen erteilt werden und unterliegen in allen Ländern, in denen sie möglich sind, einer erheblichen gerichtlichen bzw. behördlichen Kontrolle.
7. Können Viren wie das Coronavirus patentiert werden?
In der medizinischen Forschung werden bei der Entwicklung neuer diagnostischer Tests, Behandlungen oder Impfstoffe biologische Materialien wie Viren isoliert. Für solches Material und seinen Einsatz bei der Prävention, Diagnose oder Heilung einer Krankheit kann Patentschutz beantragt werden. Nach europäischem Patentrecht kann biologisches Material wie Viren und Bakterien, das mit Hilfe eines technischen Verfahrens hergestellt oder aus seiner natürlichen Umgebung isoliert wird, patentiert werden. Das isolierte Virus (oder sein Genom oder Teile davon) muss dafür nicht nur neu (d. h. nicht als bereits vorhanden bekannt) sein, sondern auch eine erfinderische Lösung für eine technische Aufgabe bereitstellen, wie die Entwicklung eines Diagnosekits zum Nachweis einer Infektion oder die Herstellung eines Impfstoffs zum Schutz davor. Solche Patente beschreiben die Erfindung und oft das Virus selbst im Detail, sodass die patentierte Technologie offengelegt wird. Dadurch kann das Diagnosekit bzw. der Impfstoff von anderen Spezialisten reproduziert werden und als Grundlage für weitere Entwicklungen dienen. Auch berücksichtigt das europäische Patentrecht ethische Erwägungen und verbietet die Patentierung von Erfindungen, deren gewerbliche Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde.
8. Wie viele Patentanmeldungen wurden beim EPA für Technologien im Zusammenhang mit Coronaviren eingereicht?
Während für Patentanmeldungen im Zusammenhang mit dem aktuellen Coronavirus-Ausbruch noch keine Zahlen verfügbar sind, zeigt eine Recherche in unseren Patentdatenbanken (s. Espacenet), dass zwischen 1978 und 2016 (dem Jahr, für das die umfangreichsten Daten vorliegen) insgesamt 390 Patentanmeldungen für Technologien im Zusammenhang mit Coronaviren beim EPA eingegangen sind (s. Grafik unten). Sie betreffen Erfindungen zu verschiedenen Aspekten im Zusammenhang mit dem Virus (z. B. Diagnostik, Nachweis, Impfstoffe, Arzneimittel zur Behandlung von Infektionen) sowie zu allen Coronavirus-Typen, einschließlich solcher, die Tiere und Menschen infizieren. Erteilt wurden in diesem Zeitraum 152 europäische Patente für solche Erfindungen.
Die Statistiken zeigen, dass die Patentierung von Technologien im Zusammenhang mit Coronaviren insgesamt zunimmt. Verschiedene Ausbrüche neuer Coronavirus-Infektionen haben zu einem starken Anstieg der Patentanmeldungen auf diesem Gebiet geführt, wobei Spitzen in den Jahren unmittelbar nach den schweren Ausbrüchen von SARS (2002) und in geringerem Umfang MERS (2012) zu erkennen sind. Seit 2014 ist die Nachfrage nach Patenten in diesem Bereich relativ hoch. Der aktuelle Ausbruch der durch SARS-CoV-2 verursachten Coronavirus-Krankheit dürfte zu einer rapiden Zunahme der Patentierungstätigkeit führen, da in Forschung und Industrie an der Entwicklung von Impfstoffen, Diagnosetests und Medikamenten zur Bekämpfung der Pandemie gearbeitet wird.
The statistics show that the patenting of technologies associated with coronaviruses is increasing overall. Various outbreaks of new coronavirus infections have led to a sharp increase in patenting activity in the field, with peaks in patent filings visible for the years immediately following the severe outbreaks of SARS (2002) and, to a lesser extent, MERS (2012). Since 2014, demand for patents in the field has remained relatively high. The current outbreak of the coronavirus disease caused by SARS-CoV-2 is expected to spur a rapid and strong increase in patenting activity as researchers and companies work on developing vaccines, diagnostic tests and medicines to tackle the pandemic.
Weitere Auskünfte erteilt die Pressestelle des EPA: press@epo.org