Fragen und Antworten zu Pflanzenpatenten
Fragen:
- Warum gibt es „Pflanzenpatente“?
- Aber im Gesetz steht doch ausdrücklich, dass Pflanzensorten nicht patentiert werden dürfen?
- Können konventionell gezüchtete Pflanzen patentiert werden?
- Wieso liest man in den Medien immer wieder von patentierten Paprika, Tomaten, Melonen aus klassischer Züchtung etc.?
- Kann das Patentverbot für biologisch hergestellte Pflanzen durch einen Verweis auf einen technischen Eingriff nicht leicht umgangen werden?
- Ich finde es merkwürdig, dass "technische Pflanzen" patentiert werden können, wenn das fragliche Merkmal in der Natur bereits existiert oder bekannt ist.
- Kann der Inhaber eines „Pflanzenpatents“ anderen alles verbieten und hat letztlich auch Zugriff auf das Gemüse und Bier in meinem Kühlschrank?
- Wer entscheidet über „Pflanzenpatente“?
- Werden die „Pflanzenpatente“ genutzt, um Züchtern (KMUs, Bierbrauereien etc.) ihre Entwicklungen zu verbieten?
- Es entsteht häufig der Eindruck, dass es eine Vielzahl von „Pflanzenpatenten“ gibt. Stimmt das?
- Führen Patente auf genetisch modifizierte Pflanzen zu einer Zunahme von „Gen-Gemüse und Obst“ in meinem Supermarkt?
- Berücksichtigt das EPA im Bereich „Pflanzenpatente“ die Vorgaben der EU?
1. Warum gibt es „Pflanzenpatente“?
Die Entwicklung von Pflanzen, die resistenter gegen Krankheiten oder veränderte Umweltbedingungen sind, ertrag- oder nährstoffreicher sind oder zum Anbau weniger Ressourcen wie Wasser, Dünger oder Pflanzenschutzmittel benötigen sind von herausragender Bedeutung für eine nachhaltige Landwirtschaft und den Erhalt der Ernährungssicherheit. Die Züchtung solcher verbesserter Pflanzen ist jedoch mit hohem Aufwand, Kosten und Risiko verbunden. Um Forschung und Entwicklung auf diesem Gebiet zu erleichtern und Anreiz für Investitionen zu schaffen, hat der Gesetzgeber entschieden, dass Erfindungen im Bereich der Pflanzen patentiert werden können. Durch die Veröffentlichung von Patentanmeldungen wird Dritten zugleich die Möglichkeit gegeben, auf existierendem Know-How aufzubauen und dieses kontinuierlich weiterzuentwickeln.
2. Aber im Gesetz steht doch ausdrücklich, dass Pflanzensorten nicht patentiert werden dürfen?
Das ist richtig. Für Pflanzensorten werden keine Patente erteilt. Sorten sind bestimmte Untergruppen einer Pflanzenart, die sich aufgrund spezieller erblicher Merkmale von anderen Sorten unterscheiden. So sind beispielsweise "Granny Smith" und "Cripps Pink" bekannte Apfelsorten. Mit dem Patentausschluss für Pflanzensorten hat der Gesetzgeber jedoch nicht Pflanzen als solche von der Patentierbarkeit ausgenommen. Eine Vielzahl von Erfindungen im Bereich der Pflanzen – z.B. die Einfügung einer Krankheitsresistenz – sind nicht auf bestimmte Sorten begrenzt, sondern können in einer Vielzahl von Pflanzen angewandt werden. Solche Erfindungen und die betreffenden Pflanzen können daher grundsätzlich patentiert werden. (Allgemeine Informationen zu Erfindungen und Patenten finden Sie unter "Sind Patente Neuland für Sie?").
Pflanzensorten werden durch ein anderes geistiges Eigentumsrecht geschützt, das Sortenschutzrecht. Dieses wird in der EU vom Gemeinschaftlichen Sortenamt der Europäischen Gemeinschaft (CPVO) erteilt und verwaltet. Das EPA unterhält seit vielen Jahren eine enge Kooperation mit dem CPVO.
3. Können konventionell gezüchtete Pflanzen patentiert werden?
Pflanzen, die durch Auswahl und Kreuzung gezüchtet werden, sind von der Patentierbarkeit ausgeschlossen. Auf solche Pflanzen werden vom EPA keine Patente erteilt, ebenso wenig wie für das angewandte Verfahren selbst. Diese Züchtungsmethode wird häufig als "biologisch", "klassisch", "herkömmlich" oder auch "konventionell" bezeichnet, im Unterschied zu z. B. gentechnischen Methoden.
Der Patentausschluss (Regel 28 (2) EPÜ) umfasst auch Teile biologisch hergestellter Pflanzen wie Samen, Früchte oder anderes Vermehrungsmaterial.
4. Wieso liest man in den Medien immer wieder von patentierten Paprika, Tomaten, Melonen aus klassischer Züchtung etc.?
Der Patentausschluss für biologisch hergestellte Pflanzen wurde vom Gesetzgeber im am 1. Juli 2017 in das Patentgesetz eingefügt. Auf Patentanmeldungen, die vor diesem Datum eingereicht worden sind, kann das Patentierungsverbot jedoch nicht angewandt werden. Das ist von der höchsten Gerichtsinstanz des EPA, der Großen Beschwerdekammer des EPA, ausdrücklich so festgelegt worden und muss vom Amt in der Prüfungspraxis befolgt werden. Bei diesem sog. Rückwirkungsverbot handelt es sich um ein allgemein anerkanntes Rechtsprinzip, damit Handlungen, die im Vertrauen auf geltendes Recht vor einer Rechtsänderung vorgenommen wurden, geschützt sind. Das ist auch in anderen Rechtsgebieten so, beispielsweise im Steuer-, Straf- und Völkerrecht.
Beim EPA sind deshalb noch rund 270 Verfahren anhängig, die unter dieses Rückwirkungsverbot fallen, und daher – wenn alle anderen Patentierbarkeitserfordernisse erfüllt sind – zu Patenten auf biologisch hergestellte Pflanzen führen können.
Zum anderen werden in solchen Medienberichten häufig Patente erwähnt die sich auf Pflanzen beziehen, welche durch technische Verfahren und nicht ausschließlich mittels biologischer Methoden der Kreuzung und Auswahl erzeugt werden. Pflanzen, die mit technischen Verfahren gewonnen werden, sind nach Maßgabe des Gesetzgebers patentierbar. Das betrifft z. B. Pflanzen, welche durch gentechnische Methoden hergestellt werden, oder wenn eine genetische Veränderung in einer Pflanze (sog. Mutation) mit technischen Mitteln hervorgerufen wird.
5. Kann das Patentverbot für biologisch hergestellte Pflanzen durch einen Verweis auf einen technischen Eingriff nicht leicht umgangen werden?
Laut Gesetz sind Pflanzen, die ausschließlich durch auf natürlichen Phänomenen beruhenden biologischen Zuchtverfahren wie Kreuzung und Selektion gewonnen werden, nicht patentierbar. Diese Definition ist von der unabhängigen Gerichtsinstanz des EPA präzisiert worden und wird von den Patentprüfern des EPA strikt befolgt. Der Patentausschluss kann allein durch den Verweis auf den Einsatz technischer Mittel bei Züchtung der Pflanze nicht umgangen werden, wenn die Erzeugung des fraglichen Merkmals (z. B. höherer Ertrag) trotzdem auf Kreuzung und Selektion beruht. Umgekehrt greift der Patentausschluss nicht, wenn durch einen technischen Eingriff selbst (z. B. mittels einer sog. "Gen-Schere"/CRISPR-Cas) ein Merkmal in eine Pflanze eingefügt oder dort verändert wird.
Um sicherzustellen, dass sich Patente auf "technische erzeugte Pflanzen" nicht auf Pflanzen erstrecken können, die mittels biologischer Verfahren hergestellt worden sind und die gleichen Merkmale aufweisen, verlangt das EPA die Einfügung eines sog. "Disclaimers" in das Patent. Im dem Teil des Patents auf die technische hergestellte Pflanze, der genau festlegt, was geschützt werden soll (die sog. Patentansprüche) muss daher ausgeführt werden, dass das Patent nicht auf biologischem Wege erzeugte Pflanzen betrifft. Dieser Disclaimer gilt für alle seit dem 1. Juli 2017 eingereichte Anmeldungen. Eine Anwendung auf frühere Fälle ist wegen des Rückwirkungsverbots ausgeschlossen (s. o.).
6. Ich finde es merkwürdig, dass "technische Pflanzen" patentiert werden können, wenn das fragliche Merkmal in der Natur bereits existiert oder bekannt ist.
Der Gesetzgeber hat entschieden, dass eine durch ein technisches Verfahren erzeugte Pflanze auch dann patentierbar ist, wenn das betreffende Merkmal (wie z. B. Farbe, Schädlingsresistenz, Ertrag, Wuchskraft etc.) in der Natur bereits vorhanden war. Gefördert bzw. belohnt werden soll dadurch die Erfindung, das Merkmal mithilfe eines technischen Verfahrens in eine Pflanze einzufügen und die damit verbundene technische Lehre der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen, was gewöhnlich viel schneller und gezielter abläuft als bei einem natürlichen Prozess und daher für die Pflanzenzüchtung zahlreiche Vorteile mit sich bringt. Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass das Bekanntsein oder das Vorhandensein eines Pflanzenmerkmals in der Natur bei der Prüfung der Kriterien Neuheit und erfinderische Tätigkeit einer zum Patent angemeldeten Erfindung eine Rolle spielen kann. Nach diesen grundlegenden Patentierbarkeitsvoraussetzungen wird ein Patent nur dann erteilt, wenn eine Erfindung neu ist und sich außerdem nicht in naheliegender Weise aus bereits Bekanntem ergibt. Um sicherzustellen, dass die Prüfungsabteilung des EPA bei der Patentprüfung den gesamten relevanten Stand der Technik berücksichtigt, existiert unter anderem auch ein Datenaustausch mit dem Gemeinschaftlichen Sortenamt der Europäischen Gemeinschaft (CPVO). Dieser ermöglicht es den Patentprüfern festzustellen, ob z. B. Pflanzen mit einem bestimmten Merkmal aus beim CPVO geschützten Pflanzensorten bekannt sind.
7. Kann der Inhaber eines „Pflanzenpatents“ anderen alles verbieten und hat letztlich auch Zugriff auf das Gemüse und Bier in meinem Kühlschrank?
Zunächst gilt ein Patent immer nur spezifisch für die beanspruchte Erfindung. "Pflanzenpatente" gelten nicht für sämtliche Arten von Gerste, Paprika etc. und deren Produkte, also nicht für "Bier als solches" etc. Zudem erstreckt sich der Patentschutz nicht auf die von Kunden gekauften Produkte.
Der Patentinhaber kann anderen, z. B. seinen Wettbewerbern, verbieten, die vom Patent geschützte Pflanze mit Hilfe technischer Verfahren herzustellen und die erzeugten Pflanzen dann zu vermarkten.
Aufgrund einer bevorstehenden Rechtsänderung im Rahmen der Einführung des Einheitspatents wird es Züchtern in naher Zukunft erlaubt sein, Pflanzenmaterial, das durch ein vom EPA erteiltes Patent geschützt ist, frei für eigene Züchtungen zu verwenden (sog. Züchterprivileg).
8. Wer entscheidet über „Pflanzenpatente“?
Die Entscheidung, welche Erfindungen im Bereich Pflanzen patentierbar sind und welche nicht, wird vom Gesetzgeber getroffen: Das anwendbare Recht wurde von der EU (Richtlinie über den Schutz biotechnologischer Erfindungen) bzw. den 39 Mitgliedstaaten der Europäischen Patentorganisation (Europäisches Patentübereinkommen) verabschiedet.
Die gesetzlichen Vorgaben werden vom EPA in der Prüfungspraxis streng befolgt. Patentanmeldungen werden von einem Gremium bestehend aus drei technisch hoch spezialisierten Prüferinnen und Prüfern geprüft, im Falle von "Pflanzenanmeldungen" also Biotechnologie-Experten mit speziellen Kenntnissen im Bereich Pflanzen und Pflanzenzüchtung. In Sonderfällen kann ein viertes Mitglied aus der Patentrechtsabteilung hinzugezogen werden. Für die Erteilung eines Patents genügt es nicht, dass eine Erfindung nicht vom Patentschutz ausgenommen ist. Vielmehr müssen auch alle anderen Patentierbarkeitserfordernisse erfüllt, insbesondere Neuheit und erfinderische Tätigkeit. Außerdem muss der Anmelder seine Erfindung in der Patentanmeldung so vollständig und klar beschreiben, dass eine Fachperson (z. B ein Wettbewerber) sie verstehen und umsetzen kann. Dass die Prüfung beim EPA sehr genau ist, zeigt sich u. a. auch daran, dass in der Regel nur die Hälfte der eingereichten europäischen Patentanmeldungen zu einem Patent führen, in der Biotechnologie gar weniger als 30 %.
Zu berücksichtigen ist auch, dass jedermann gegen ein erteiltes Patent vor dem EPA Rechtsmittel, einen sog. Einspruch, einlegen kann. Die Einwände gegen die Patenterteilung werden dann in einem separaten Verfahren von einer neuen Abteilung aus drei bzw. vier spezialisierten Prüfern überprüft. Hält diese Abteilung das erteilte Patent aufrecht, kann die Entscheidung vor der unabhängigen Gerichtsinstanz des EPA (den Beschwerdekammern) erneut angefochten werden. Zudem unterliegen die vom EPA erteilten Patente der Kontrolle durch das EPG und die nationalen Patentgerichte der Mitgliedstaaten.
9. Werden die „Pflanzenpatente“ genutzt, um Züchtern (KMUs, Bierbrauereien etc.) ihre Entwicklungen zu verbieten?
Klagen wegen Patentverletzung fallen in die Zuständigkeit der nationalen Gerichte. Dem EPA ist bis heute kein Fall bekannt geworden, in dem der Inhaber eines "Pflanzenpatents" einem Züchter Versuche untersagt oder diesen auf Schadensersatz verklagt hat.
Nach der seit 1. Juli 2017 geltenden Rechtslage erstrecken sich europäische Patente für technische hergestellte Pflanzen ja nicht auf Pflanzen mit dem selben Merkmal, die auf biologischem Wege erzeugt worden sind. Ein Pflanzenzüchter kann daher grundsätzlich die gleiche Pflanze unabhängig von dem patentgeschützten technischen Verfahren durch Kreuzung und Selektion züchten.
Unabhängig davon sieht das Einheitspatent vor, dass Züchter Pflanzenmaterial, das durch ein vom EPA erteiltes Patent geschützt ist, frei für eigene Züchtungen verwenden dürfen (sog. Züchterprivileg, s. o.).
10. Es entsteht häufig der Eindruck, dass es eine Vielzahl von „Pflanzenpatenten“ gibt. Stimmt das?
Die Gesamtzahl der seit 1995 veröffentlichten europäischen Patentanmeldungen zu konventionellen Pflanzen und Pflanzenzüchtungen (einschließlich der für die Züchtung verwendeten Instrumente) lag Ende August 2023 bei etwas über 1 000. Von diesen Fällen wurden in mehr als 25 Jahren weniger als 100 europäische Patente erteilt, welche biologisch hergestellte Pflanzen betreffen. Rund 400 Fälle sind derzeit beim EPA anhängig.
Die große Mehrzahl der Patentanmeldungen und erteilten Patente im Bereich Pflanzen betrifft genetisch veränderte Pflanzen. Hier wurden seit 1995 rund 9 100 Patente angemeldet und ca. 3 300 europäische Patente erteilt.
Zum Vergleich: Beim EPA wurden im Jahr 2023 allein insgesamt, d. h. auf allen technischen Gebieten, über 199 000 Patentanmeldungen eingereicht und fast 105 000 europäische Patente erteilt.
11. Führen Patente auf genetisch modifizierte Pflanzen zu einer Zunahme von „Gen-Gemüse und Obst“ in meinem Supermarkt?
Ein europäisches Patent, für dessen Prüfung und Erteilung das EPA zuständig ist, gibt dem Inhaber lediglich das Recht, anderen, beispielsweise Wettbewerbern, die gewerbliche Verwendung der Erfindung zu untersagen. Ein Patent beinhaltet jedoch keine Erlaubnis, die patentgeschützte Erfindung gewerblich zu verwenden, also z. B. eine gentechnisch veränderte patentierte Pflanze zu vermarkten oder anzubauen. Patente bedeuten keine Zulassung irgendwelcher Art.
Für die Genehmigung, gentechnisch veränderte Organismen (GVO) anzubauen oder in Lebensmitteln zu verwenden, existieren auf europäischer und nationaler spezielle Rechtsvorschriften und es gibt eigens zuständige Behörden (wie z. B. die EFSA – European Food Safety Authority).
12. Berücksichtigt das EPA im Bereich „Pflanzenpatente“ die Vorgaben der EU?
Das EPA hat die Vorschriften der EU-Biopatentrichtlinie, die sich mit der Patentierbarkeit von pflanzenbezogenen Erfindungen befassen, bereits 1999 in das Europäische Patentübereinkommen übernommen. Die Richtlinie, einschließlich ihrer Erwägungsgründe, wird bei der Patentprüfung durch das EPA berücksichtigt. Das betrifft auch Entscheidungen des Gerichtshofs der EU, welche sich mit der Auslegung der EU-Biopatentrichtlinie befassen. Das bedeutet, dass Recht und Praxis des EPA ganz im Einklang mit der EU-Biopatentrichtlinie stehen.