Programm für verstärkte Partnerschaft
Mit seinem Programm für verstärkte Partnerschaft möchte das EPA zur weiteren Integration und Festigung des globalen Patentsystems beitragen, indem es den Partnerämtern direkten Zugang zu den Arbeitsergebnissen seiner mehr als 4 300 hoch qualifizierten und spezialisierten Patentprüferinnen und ‑prüfer gewährt. Dies wiederum wird die Anmeldung von Patenten weltweit erleichtern und die Innovation fördern, da die Partnerämter in die Lage versetzt werden, ihre Dienstleistungen für Anmelder im eigenen Land zu verbessern.
Die verstärkte Partnerschaft basiert auf einem flexiblen Kooperationsmodell, das an die besonderen Anforderungen und Prioritäten unserer Partnerämter angepasst wird. Umgesetzt wird sie durch ein umfassendes Programm der technischen Zusammenarbeit mit folgenden Bestandteilen:
- gezielte Schulung zur Wiederverwendung von Arbeitsergebnissen des EPA für Sachprüfung und Recherche
- Zugang zu den neuesten Tools und Lösungen des EPA für Recherche und Arbeitsteilung
- Integration nationaler Patentdaten und Zugang zur Sammlung des EPA zum Stand der Technik weltweit
- Kontakte zwischen Experten und Austausch bewährter Verfahren auf Gebieten von gemeinsamem Interesse
- Kapazitätsaufbau im Patentwesen für lokale Interessenträger
Unterstützung des nationalen Ökosystems für Innovationen
Von der Erteilung nationaler Patente an Gebietsfremde geht ein Anreiz für ausländische Direktinvestitionen und Technologietransfer aus. Dazu müssen sich allerdings Investoren auf die Rechtssicherheit der Patente und Anmelder auf die Durchsetzbarkeit ihrer Rechte verlassen können. Auch für innovative Unternehmer und potenzielle Wettbewerber vor Ort spielt die Rechtssicherheit von Patenten ausländischen Ursprungs eine wichtige Rolle. Sie brauchen Klarheit über den Schutzbereich, um keine Technologien zu entwickeln, mit denen sie die Rechte anderer verletzen.
Im Gegensatz dazu gehen nationale Patentanmeldungen, die von Gebietsansässigen eingereicht werden, in der Regel auf Forschung und Entwicklung im eigenen Land zurück. Das nationale Patentsystem soll dazu beitragen, das wirtschaftliche Potenzial solcher Erfindungen für die sozioökonomische Entwicklung zu nutzen. Erst die mit diesen Patentanmeldungen und Patenten verbundene Rechtssicherheit versetzt die inländischen Patentinhaber in die Lage, den Nutzen ihrer Erfindungen voll auszuschöpfen, sei es durch Vermarktungsstrategien wie Lizenzierung, durch die erfolgreiche Verhinderung von Nachahmungen oder durch den Schutz auf ausländischen Märkten.
In der Regel handelt es sich bei Patentanmeldern von Gebietsansässigen um "Erstanmeldungen", da der Anmelder für dieselbe Erfindung noch keine Patentanmeldungen in anderen Rechtsordnungen eingereicht hat. Pünktlichkeit ist bei Erstanmeldungen ein wesentlicher Faktor. Möglichst bald, auf jeden Fall vor Ablauf der zwölfmonatigen Prioritätsfrist ab dem Anmeldetag, müssen die Anmelder erfahren, ob ihre Erfindung patentierbar ist. Ohne diese frühzeitige Gewissheit über die Patentierbarkeit fehlt ihnen die Grundlage für die Entscheidung, ob sie ihre Erfindung weiterentwickeln und vielleicht den Schutz auf andere Rechtsordnungen ausdehnen sollten, um in den Export und Außenhandel einzusteigen.
Allerdings müssen Patentämter im Fall von Erstanmeldungen in der Regel umfassende Recherchen vornehmen und die Patentierbarkeit von Grund auf prüfen, da keine Mitglieder der Patentfamilie herangezogen werden können. Daher ist die Prüfung für gewöhnlich zeitraubender und komplizierter als bei Zweitanmeldungen, für die oftmals Arbeitsergebnisse anderer Patentämter verfügbar sind. Hinzu kommt, dass es vielen Patentämtern aufgrund eingeschränkter Kapazitäten an qualifizierten Prüfern mangelt, um die wachsende Zahl an Technologiebereichen zu bearbeiten.
Verbesserung des Patenterteilungsprozesses durch systematische Wiederverwertung der Arbeitsergebnisse des EPA
Bei vielen Patentämtern entfällt der größte Anteil der nationalen Patentanmeldungen auf Zweitanmeldungen. Durch verstärkte Partnerschaften können Partnerämter ihre Produktivität deutlich steigern und die Prüfung von Zweitanmeldungen pünktlicher abschließen, indem sie unsere Arbeitsergebnisse effektiv wiederverwenden. Viele Zweitanmeldungen haben EP-Familienmitglieder, für die wir bereits Recherchen- und Prüfungsergebnisse erarbeitet haben, oftmals in unserer Funktion als Internationale Recherchenbehörde und mit der internationalen vorläufigen Prüfung beauftragte Behörde im Rahmen des PCT. Die Wiederverwendung im Rahmen des Programms für verstärkte Partnerschaft ist daher besonders wirkungsvoll. Da unsere Patentprüfer hoch qualifiziert und spezialisiert sind, in unseren Abteilungen zu dritt zusammenarbeiten und die gesamte Bandbreite der Technologiebereiche abdecken, sind unsere Arbeitsergebnisse von besonders hoher Qualität und bieten somit auf allen technischen Gebieten eine sehr zuverlässige Grundlage für die Prüfung verwandter Zweitanmeldungen. Allerdings nehmen unsere Partnerämter die Sachprüfung grundsätzlich nach ihren eigenen nationalen/regionalen Rechtsvorschriften vor und entscheiden unabhängig über die Erteilung oder Zurückweisung einer Patentanmeldung.
Wenn unsere Partnerämter über mehr freie Kapazitäten verfügen, können sie mehr Prüfer für Erstanmeldungen einsetzen und diese im Hinblick auf Pünktlichkeit und Qualität priorisieren. Die Prüfer haben die nötige Zeit, um Anmelder aus dem Inland durch den Patenterteilungsprozess zu geleiten und speziell auf die Nutzer vor Ort zugeschnittene Dienstleistungen erbringen. Darüber hinaus können sie an den Initiativen zur Sensibilisierung für IP-Themen und zum Kapazitätsaufbau mitwirken, die von den nationalen IP-Behörden für Interessenträger vor Ort ausgerichtet werden.
Weitere Informationen zur Wiederverwendung im Rahmen des Programms für verstärkte Partnerschaft finden Sie in den Antworten auf häufig gestellte Fragen.
Vorteile für unsere Partner
- Eine langfristige strategische Partnerschaft auf der Grundlage einer gemeinsamen Vision, das Patentsystem gemeinsam weiterzuentwickeln und zu einem Katalysator für Innovation, Technologietransfer und sozioökonomischen Fortschritt zu machen.
- Technisch und inhaltlich verbesserter Zugang zu den Arbeitsergebnissen unserer 4 300 hoch qualifizierten und spezialisierten Patentprüferinnen und ‑prüfer.
- Ein maßgeschneidertes Wiederverwendungsverfahren im Rahmen der nationalen/regionalen Rechtsvorschriften, das durch eine intelligente Nutzung der Arbeitsergebnisse des EPA freie Kapazitäten für Recherche und Prüfung schafft.
- Kontakte zu Patentprüfern zwecks Austauschs von Know-how, Erfahrungen und bewährten Verfahren und Zugang zu fachspezifischer Weiterbildung, z.B. zu neu entstehenden Technologiebereichen, Prüfungen von Erstanmeldungen, Klassifizierung und zu Tools des EPA für Recherche und Prüfung.
- Privilegierter Zugang zu den neuesten Recherchelösungen, IT-Tools und Datenbanken zum Stand der Technik des EPA.
- Teilnahme an "Train-the-Trainer"-Programmen zur Sensibilisierung für IP-Themen und zum Aufbau lokaler Kapazitäten, um das Patentsystem effektiver nutzen zu können.
- Teilnahme an Austauschprogrammen für Experten beider Ämter und Besuch der öffentlichen Veranstaltungen und Konferenzen des Partners.
Vorteile für die Nutzer
- Sowohl einheimische als auch gebietsfremde Anmelder profitieren von mehr Berechenbarkeit, Pünktlichkeit und letztlich auch Rechtssicherheit des Patenterteilungsprozesses.
- Das Leistungsangebot der Partnerämter für die Bearbeitung der Patentanmeldungen wird quantitativ und qualitativ verbessert.
- Regelmäßige Konsultationen und regelmäßiger Informationsaustausch zur Umsetzung des Programms für verstärkte Partnerschaft im Hinblick auf die Bedürfnisse der Nutzer.
- Diverse technische Unterstützungsmaßnahmen, die gemeinsam mit den Partnerämtern angeboten werden, von der Ausbildung von Patentanwälten bis zur Einführung von Lehrveranstaltungen zum Thema IP an Hochschulen.
- Integrierter Zugang zu den Patent- und Rechtsstandsdaten des Partneramts über die Patentinformationsprodukte und -Tools des EPA, z. B. Espacenet
Abkommen über verstärkte Partnerschaft
Seit 2018 hat das EPA mit IP-Ämtern aus dreizehn Ländern und mit einer regionalen IP-Organisationen zwölf Vereinbarungen über verstärkte Partnerschaft abgeschlossen, nämlich mit Äthiopien, Argentinien, Brasilien, Chile, Indonesien, Kolumbien, Malaysia, Mexiko, Peru, Saudi-Arabien Südafrika, Ukraine und der Afrikanischen Regionalen Organisation für geistiges Eigentum (ARIPO). In den nächsten Jahren dürfte das Netz der Partnerorganisationen noch deutlich wachsen.