https://www.epo.org/de/news-events/in-focus/ict/hardware-and-software

Hardware und Software

Die digitale Technologie, die in den letzten Jahrzehnten stark gewachsen ist, umfasst zwei komplementäre und voneinander abhängige Elemente. Die Hardware umfasst die physischen Komponenten, wie z. B. Mikroprozessorchips und digitale Speicher im Computer, sowie externe, vom Computer gesteuerte Geräte. Die Software hingegen enthält sämtliche Protokolle und Anweisungen, die der Hardware mitteilen, was sie wann und wie tun soll. Ohne Software ist die Hardware nutzlos, und umgekehrt kann die Software ohne Hardware nicht funktionieren.

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Patente können für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik erteilt werden, sofern sie neu sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen und gewerblich anwendbar sind. Das heißt, eine Erfindung ist patentierbar, solange sie eine Aufgabe auf neue, nicht naheliegende Weise löst. Dagegen sind abstrakte Konzepte und Ideen wie Geschäftsmethoden und Handlungsstränge für ein neues Computerspiel keine Erfindungen auf einem Gebiet der Technik. Patente werden in der Regel auch nicht erteilt für die bloße Umsetzung von abstrakten Konzepten und Ideen durch konventionelle Hardware. 

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Patente können neue und erfinderische Erzeugnisse (wie physische Hardware) sowie neue und erfinderische Prozesse schützen, auch wenn die Schrittabfolgen in diesen Prozessen mithilfe von Software auf einem Computer ausgeführt werden. Solche neuen und erfinderischen Erzeugnisse und Verfahren sind bekannt als "computerimplementierte Erfindungen" (CII).

 

Ihr Smartphone erfüllt viele dieser Kriterien - es umfasst Hunderte von Patenten für Chips, Speicher, Sensoren, Empfänger, Sender und Batterien im Inneren sowie für die vielen Prozesse, Instruktionen und Operationen, die mittels Software ausgeführt werden. Diese Patente sind die finanzielle Belohnung für Tausende von Erfindern, die die Technologien entwickelt haben, und bilden gleichzeitig eine Grundlage, auf der Technologieunternehmen ihre Erfindungen gegenseitig lizenzieren können.


Wird Software nicht durch Urheberrecht geschützt?

Original-Quellcode und Objektcode sind durch das Urheberrecht geschützt - als wäre das Programm Literatur wie ein Gedicht oder ein Roman. Während aber das Urheberrecht den ursprünglichen Ausdruck eines Konzepts durch dessen Schöpfer schützt, gilt dies nicht für das zugrunde liegende technische Konzept an sich. Bei einem Quellcode beispielsweise, der beim Betrieb auf einem Computer die Temperatur eines klimatisierten Raums auf neue und erfinderische Weise steuert, schützt das Urheberrecht im Wesentlichen nur die Software an sich vor Nachahmung. Das Urheberrecht bietet keinen Schutz für die tatsächliche neue und erfinderische Lösung. Patente hingegen können technische Lösungen in Form von Erzeugnissen, Verfahren und Computerprogrammen schützen.

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Im Fall von computerimplementierten Erfindungen kann auf Software, die eine technische Aufgabe nicht auf neue und nicht naheliegende Weise löst, kein Patent erteilt werden. Dagegen kommt ein Verfahren, das eine Reihe von Schritten zur Lösung einer technischen Aufgabe umfasst, für Patentschutz infrage, auch wenn das Verfahren mittels Software ausgeführt wird. Das betreffende Verfahren kann externe Hardware (wie einen Roboterarm oder ein GPS-Gerät) steuern oder rein intern in einem Computer laufen (wie Software zur Verbesserung des Speicherzugriffs oder zur Datenkomprimierung). Beispielsweise kann ein Systemingenieur, der eine neue Methode der Lastverteilung (Definition, welcher Computer welche Aufgabe ausführt) in einem Computernetzwerk erfindet, die Erfindung in Gänze in der Software implementieren. Wenn diese Art der Lastverteilung neu und erfinderisch ist, kann sie durch ein Patent geschützt werden, sodass Wettbewerber an der Nutzung der Erfindung gehindert werden, sofern sie dem Patentinhaber keine Gebühr zahlen.

 

Für solche technischen Prozesse ist der Softwarecode selbst automatisch durch das Urheberrecht geschützt. Die Funktionalität des Codes jedoch, d. h. was der Code tut, wenn er auf einem Computer läuft, ist das entscheidende Element, das durch ein Patent geschützt werden kann.

Somit kann zusätzlich zum Urheberrechtsschutz für Softwareprogramme ein Patent für den von der Software auszuführenden technischen Prozess erworben werden (s. nachstehende Beispiele). Gemeinsam sind das Urheberrecht und Patente komplementäre Mittel, mit denen Erfinder computerimplementierter Erfindungen ihre Investitionen schützen und sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen können.

Beispiele für CII und ihre Erfinder

Lars Liljeryd

Lars Liljeryd

Ohne den Beitrag dieses Erfinders wären ein komfortables Audiostreaming und eine effektive Speicherung und Wiedergabe von Audiodaten kaum vorstellbar. Unter Verschmelzung seiner lebenslangen Liebe zur Musik mit seinen im Wesentlichen autodidaktisch erworbenen Kenntnissen der Elektronik entwickelte er einen der weltweit am weitesten verbreiteten Audiocodecs für die Audiodatenkompression.

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Joan Daemen, Pierre-Yvan Liardet

Joan Daemen, Pierre-Yvan Liardet und Team

Dieses Team aus belgischen und französischen Kryptografen hat wegweisende Forschung auf dem Gebiet der doppelten Smartcard-Verschlüsselung geleistet, damit bei der Herstellung von Smartcards für größere Sicherheit gesorgt ist.

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David Gow

David Gow

Der innovative modulare Aufbau der von David Gow entwickelten i-LIMB-Hand ermöglicht es dem Träger, einzelne Finger zu bewegen und komplexe Greifmuster auszuführen. Es handelt sich um die erste "voll bewegliche" künstliche Hand weltweit. Dabei werden Muskelbewegungen aus dem Armstumpf registriert.

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Wie sehen Patente für CII aus?

Wenn ein Patent für eine computerimplementierte Erfindung keine Auflistung des Programmcodes ist, wie würde ein solches Patent dann aussehen? Was würde es offenbaren?

Patente auf CII umfassen Ansprüche auf Computer, Computernetze oder andere programmierbare Vorrichtungen, wobei mindestens ein Merkmal durch ein Computerprogramm realisiert wird. Betrifft die Erfindung Software, die in einen Speicher geladen, über ein Netzwerk übertragen oder auf einem Datenträger verbreitet werden kann, so kann es neben einem Anspruch auf ein computerimplementiertes Verfahren auch einen Anspruch auf ein "Computerprogramm" oder "Computerprogrammprodukt" geben. Zwar sind bei solchen Erfindungen unterschiedliche Anspruchsstrukturen möglich, doch beginnt der Anspruchssatz in der Regel mit einem Verfahrensanspruch, der die von einem Computer oder anderen Datenverarbeitungsmitteln für Software ausgeführten Schritte definiert, um die gewünschte technische Wirkung zu erzielen.  

Ein häufiger Typ von CII-Patenten betrifft Gegenstände, bei denen sämtliche Verfahrensschritte vollständig durch Computerprogrammbefehle ausgeführt werden können, die z. B. auf einem PC, den Prozessoren in einem Smartphone oder einem Drucker laufen. Andere Arten von CII-Patenten betreffen Erfindungen, bei denen bestimmte Verfahrensschritte außerhalb eines Computers durchgeführt werden und spezifische technische Mittel wie etwa ein Sensor erforderlich sind. Bei einem Verfahren zum automatischen Bremsen in einem selbstfahrenden Fahrzeug etwa messen Sensoren die Distanz zum vorausfahrenden Fahrzeug, und die von den Sensoren empfangenen und erzeugten Signale werden zur Steuerung des Bremsprozesses verwendet. Physische Vorrichtungen wie Sensoren liefern Input und Output für die Erfindung, doch die Entscheidungen zum Funktionieren der Vorrichtungen werden von einem Computer anhand von Parametern und Instruktionen, d. h. Software getroffen. Ein Patent für eine solche Erfindung würde die Kombination aus Vorrichtungen und dem das neue Verfahren ausführenden Computer schützen.

Während mechanische Erfindungen in Patenten mithilfe technischer Zeichnungen dargestellt werden, enthält ein CII-Patent oft ein Flussdiagramm für das Verfahren, in dem die Entscheidungsschritte sowie Interaktionen mit Vorrichtungen und externe Inputs und Outputs dargestellt sind. Für das oben genannte Verfahren kann das Flussdiagramm zum automatischen Bremsen in einem selbstfahrenden Fahrzeug wie folgt aussehen:

 

Abbildung: Flussdiagramm für ein automatisches Bremssystem in einem selbstfahrenden Fahrzeug

Anspruchsformulierungen für CII

Beispiele für Anspruchsformulierungen:

i) Verfahrensanspruch (Anspruch 1)

Computerimplementiertes Verfahren, umfassend die Schritte A, B, ... Von einem Computer ausgeführtes Verfahren, umfassend die Schritte A, B, ...

 

Empfangen von Signalen in einer Steuervorrichtung, die von Sensoren kommen, die so eingerichtet sind, dass ein Blockieren der Räder erkannt wird, während auf die Bremsen des Fahrzeugs Druck ausgeübt wird,

Steuern des Bremsdrucks durch Betätigen der Steuervorrichtung, um die Räder abwechselnd zu blockieren und zu deblockieren,

sodass ein dauerhaftes Blockieren der Räder verhindert wird.

2 System zum Steuern des Bremsprozesses in einem Fahrzeug, wobei das System Sensoren und eine Steuervorrichtung umfasst, die Sensoren so eingerichtet sind, dass während eines Bremsvorgangs das Blockieren der Räder erkannt wird und entsprechende Signale erzeugt werden, die Steuervorrichtung während des Bremsvorgangs so eingerichtet ist, dass die Signale empfangen und der Bremsdruck  gesteuert wird, um die Räder abwechselnd zu blockieren und zu deblockieren, sodass ein dauerhaftes Blockieren der Räder verhindert wird.

3 Computerprogramm(produkt), umfassend Instruktionen, die beim Laden und Laufen auf dem System nach Anspruch 2 dazu führen, dass die Steuervorrichtung die entsprechenden Schritte nach Anspruch 1 durchführt.

4 Computerlesbares Medium, auf dem das Computerprogramm(produkt) nach Anspruch 3 gespeichert ist.

Anmerkungen: Das Verfahren weist Schritte auf, die durch spezifische technische Mittel (die Sensoren und die Steuervorrichtung) ausgeführt werden, die daher im Vorrichtungsanspruch definiert werden müssen, weil sie wesentliche Merkmale für die Ausführung des Verfahrens darstellen. In diesem Beispiel kann im Vorrichtungsanspruch auf den Verfahrensanspruch 1 Bezug genommen werden, weil klar ist, wie die Mittel zur Ausführung dieses Verfahrens umzusetzen sind. Ein Computerprogramm, in dem nur auf Anspruch 1 Bezug genommen wird, wäre dagegen nicht gestützt, weil ein solches Programm z. B. auf einem Universalrechner, der keine Sensoren und keine Steuervorrichtung aufweist, nicht ausgeführt werden könnte. Daher muss aus dem Programmanspruch klar hervorgehen, dass das Programm auf dem spezifischen System nach Anspruch 2 auszuführen ist.

Beispielansprüche für eine Erfindung, bei der bestimmte Verfahrensschritte außerhalb eines Computers durchgeführt werden und spezifische technische Mittel erforderlich sind

1 Verfahren zum Steuern des Bremsprozesses in einem Fahrzeug, umfassend:

iv) Anspruch auf ein computerlesbares (Speicher)medium/einen computerlesbaren Datenträger (Anspruch 4)

Computerlesbares (Speicher)medium, umfassend Befehle, die bei der Ausführung durch einen Computer diesen veranlassen, das Verfahren/die Schritte des Verfahrens nach Anspruch 1 auszuführen. Computerlesbares (Speicher)medium, umfassend Befehle, die bei der Ausführung durch einen Computer diesen veranlassen, die Schritte A, B, ... auszuführen. Computerlesbarer Datenträger, auf dem das Computerprogramm[produkt] nach Anspruch 3 gespeichert ist. Datenträgersignal, das das Computerprogramm[produkt] nach Anspruch 3 überträgt.

iii) Anspruch auf ein Computerprogramm[produkt] (Anspruch 3)

Computerprogramm[produkt], umfassend Befehle, die bei der Ausführung des Programms durch einen Computer diesen veranlassen, das Verfahren/die Schritte des Verfahrens nach Anspruch 1 auszuführen. Computerprogramm[produkt], umfassend Befehle, die bei der Ausführung des Programms durch einen Computer diesen veranlassen, die Schritte A, B, ... auszuführen.

ii) Vorrichtungs-/Systemanspruch (Anspruch 2)

Vorrichtung/System zur Datenverarbeitung, umfassend Mittel zur Ausführung [der Schritte] des Verfahrens nach Anspruch 1. Vorrichtung/System zur Datenverarbeitung, umfassend Mittel zur Ausführung von Schritt A, Mittel zur Ausführung von Schritt B, ... Vorrichtung/System zur Datenverarbeitung, umfassend einen Prozessor, der so angepasst/konfiguriert ist, dass er das Verfahren/die Schritte des Verfahrens nach Anspruch 1 ausführt.
Rechtsgrundlage für CII

Ausgangspunkt für die Beurteilung der Patentierbarkeit computerimplementierter Erfindungen ist die grundlegende Vorschrift, wonach ein Patent für Erfindungen auf allen Gebieten der Technik zu erteilen ist, sofern sie neu, erfinderisch, gewerblich anwendbar und nicht ausdrücklich vom Patentschutz ausgeschlossen sind. Nach Artikel 52 EPÜ werden bestimmte Gegenstände nicht als patentierbare Erfindung betrachtet, so z. B. Entdeckungen, wissenschaftliche Theorien und mathematische Methoden, ästhetische Formschöpfungen, Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten, für Spiele oder für geschäftliche Tätigkeiten sowie Programme für Datenverarbeitungsanlagen und die Wiedergabe von Informationen. 

Patentschutz für technische Schöpfungen

Im EPÜ werden zwar die Erfordernisse der Neuheit, der erfinderischen Tätigkeit und der gewerblichen Anwendbarkeit relativ ausführlich dargelegt (Art. 54, 56 und 57 EPÜ), eine rechtliche Definition des Begriffs "Erfindung" fehlt hingegen. Es entspricht jedoch europäischer Rechtstradition seit den Anfängen des Patentsystems, dass der Patentschutz technischen Schöpfungen vorbehalten ist. Die Rechtsgrundlage für dieses Erfordernis ist in Artikel 52 und in den Regeln 42 und 43 EPÜ enthalten sowie in der einschlägigen Rechtsprechung der EPA-Beschwerdekammern. Der Gegenstand des Schutzbegehrens muss daher "technischen Charakter" aufweisen oder, genauer gesagt, eine "Lehre zum technischen Handeln" beinhalten, d. h. eine an den Fachmann gerichtete Anweisung, mit bestimmten technischen Mitteln eine bestimmte technische Aufgabe zu lösen.

Die von der Erfindung gelöste Aufgabe muss daher eine technische sein und nicht etwa eine rein finanzwirtschaftliche, kaufmännische, kognitive oder mathematische Aufgabe. Diese Bedingung muss erfüllt sein, damit die Erfindung nicht von der Patentierbarkeit ausgeschlossen ist.

Eine Definition der "Erfindung" ist im EPÜ nicht zu finden; dafür enthält es aber eine nicht erschöpfende Auflistung von Gegenständen und Tätigkeiten, die nicht als "Erfindungen" gelten, darunter z. B. "Programme für Datenverarbeitungsanlagen". Hier ist zu betonen, dass die aufgelisteten Gegenstände und Tätigkeiten nur dann ausgeschlossen sind, wenn sich die europäische Patentanmeldung oder das europäische Patent auf die genannten Gegenstände oder Tätigkeiten "als solche" bezieht.

Insbesondere ist ein beanspruchtes Computerprogramm nicht von der Patentierung ausgeschlossen, wenn das auf einem Computer laufende oder in einen Computer geladene Programm einen technischen Effekt bewirkt oder bewirken kann, der über die "normale" physikalische Wechselwirkung zwischen dem Programm (Software) und dem Computer (Hardware), auf dem es läuft, hinausgeht. Die normalen physikalischen Wirkungen der Ausführung eines Programms, z. B. elektrische Ströme, reichen allein noch nicht aus, um einem Computerprogramm technischen Charakter zu verleihen; eine weitere technische Wirkung ist erforderlich. Diese weitere technische Wirkung kann im Stand der Technik bekannt sein.

Rechtsprechung

Die Rechtsprechung der Beschwerdekammern

Im Bereich der computerimplementierten Erfindungen haben die Beschwerdekammern in zahlreichen Entscheidungen die im EPÜ verankerten Vorschriften zum Begriff der "Erfindung" ausgelegt und auf diese Weise Anhaltspunkte dafür geliefert, was patentierbar ist. Nach der Rechtsprechung des EPA ist die Steuerung oder Ausführung eines technischen Verfahrens nicht von der Patentierbarkeit ausgeschlossen, unabhängig davon, ob das Verfahren mithilfe von Hardware oder von Software durchgeführt wird.

Ob das Verfahren mittels spezieller Schaltkreise oder mittels eines Computerprogramms durchgeführt wird, hängt von wirtschaftlichen und technischen Faktoren ab; die Patentfähigkeit sollte nicht allein mit der Begründung verneint werden, dass ein Computerprogramm eingesetzt wird.

Eine besondere Anspruchsform für den Schutz computerimplementierter Erfindungen lautet "Computerprogramm/Computerprogrammprodukt". Sie wurde eingeführt, um einen besseren rechtlichen Schutz für Computerprogramme zu schaffen, die auf einem Datenträger verbreitet werden und nicht Teil eines Computersystems sind.

Diese Anspruchsform ist nicht zu verwechseln mit dem Begriff "Computerprogramm" im Sinne einer Liste von Befehlen. Ein Gegenstand, der in dieser Form beansprucht wird, ist nicht von der Patentierbarkeit ausgeschlossen, wenn das aus der Umsetzung des entsprechenden Verfahrens hervorgehende, auf einem Computer laufende oder in einen Computer geladene Computerprogramm eine "weitere technische Wirkung" hervorbringen kann, die über die "normale" physikalische Wechselwirkung zwischen dem Computerprogramm und der Computerhardware, auf der es läuft, hinausgeht.

Die normalen physikalischen Wirkungen der Ausführung eines Programms, z. B. elektrische Ströme, reichen allein noch nicht aus, um einem Computerprogramm technischen Charakter zu verleihen; eine weitere technische Wirkung ist erforderlich. Würde das Erfordernis einer weiteren technischen Wirkung fallen gelassen und würde jedes Computerprogramm als Erfindung betrachtet, würde dies den Ausschluss der meisten in Artikel 52 EPÜ genannten Gegenstände praktisch umgehen. In der Praxis wären dann Gegenstände wie Geschäftsmethoden, mathematische Methoden oder Verfahren für gedankliche Tätigkeiten patentierbare Erfindungen, sofern sie als Computerprogramm implementiert würden. Das Erfordernis einer weiteren technischen Wirkung bei Computerprogrammen dient genau diesem Zweck, nämlich der Konformität mit Artikel 52 EPÜ und ermöglicht gleichzeitig die Patentierung technischer Erfindungen, die ganz oder teilweise als Computerprogramme implementiert werden.

Diese weitere technische Wirkung kann z. B. in der Steuerung eines industriellen Prozesses, der Arbeitsweise eines Geräts oder in der internen Funktionsweise des Computers selbst unter dem Einfluss des Programms zu finden sein (z. B. Speicherorganisation, Steuerung der Programmausführung).

Beispielsweise kann ein Verfahren zur Kodierung von Audiodaten in einem Kommunikationssystem dazu dienen, durch Kanalrauschen bedingte Verzerrungen zu verringern. Auch wenn der diesem Verfahren zugrunde liegende Gedanke auf einer mathematischen Methode beruht, ist das Kodierungsverfahren insgesamt keine mathematische Methode "als solche" und damit nicht nach Artikel 52 (2) a) und (3) EPÜ von der Patentierbarkeit ausgeschlossen. Ebenso kann ein Verfahren zum Verschlüsseln/Entschlüsseln oder Signieren von elektronischen Nachrichten als technisches Verfahren angesehen werden, selbst wenn es sich wesentlich auf mathematische Verfahren stützt.

Nicht patentierbar sind dagegen "Pläne, Regeln und Verfahren für (...) geschäftliche Tätigkeiten", während ein neues Verfahren zur Lösung einer technischen und nicht rein kaufmännischen, finanzwirtschaftlichen, kognitiven oder administrativen Aufgabe durchaus patentierbar sein kann.

Rechtsprechung der EPA-Beschwerdekammern und die Prüfungspraxis

Die derzeitige Praxis des EPA ist in zwei maßgeblichen Entscheidungen der Beschwerdekammern festgelegt: T 641/00 (Zwei Kennungen/COMVIK) vom 26.9.2002 und T 258/03 (Auktionsverfahren/HITACHI) vom 21.4.2004. In der ersten entschied die Kammer wie folgt:

"Bei einer Erfindung, die aus einer Mischung technischer und nichttechnischer Merkmale besteht und als Ganzes technischen Charakter aufweist, sind in Bezug auf die Beurteilung des Erfordernisses der erfinderischen Tätigkeit alle Merkmale zu berücksichtigen, die zu diesem technischen Charakter beitragen, wohingegen Merkmale, die keinen solchen Beitrag leisten, das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit nicht stützen können."

In der zweiten heißt es:

"Ein Verfahren, das technische Mittel umfasst, ist eine Erfindung im Sinne des Artikels 52 (1) EPÜ."

Infolge dieser beiden Entscheidungen ist der heutige Ansatz im Wesentlichen ein zweistufiges Verfahren. Im ersten Schritt wird mehr oder wenig formell das Erfordernis des technischen Charakters behandelt. Im zweiten Schritt hingegen werden die Merkmale der beanspruchten Erfindung untersucht, und es wird klargestellt, dass erfinderische Tätigkeit nur durch technische Merkmale gestützt wird.

Im Einzelnen wird im ersten Schritt beurteilt, ob der beanspruchte Gegenstand eine Erfindung im Sinne des Artikels 52 EPÜ ist. Bei Vorrichtungsansprüchen ist dies immer der Fall. Bei Verfahrensansprüchen gilt der Anspruch dann als Erfindung nach Artikel 52 EPÜ, wenn er technische Mittel umfasst (z. B. die Nutzung eines Computers oder des Internets). Ist dies der Fall, erfolgt im zweiten Schritt eine Beurteilung der verbleibenden Erfordernisse des EPÜ (Neuheit, erfinderische Tätigkeit).

Im zweiten Schritt dieses Ansatzes lässt die Prüfungsabteilung bei der Beurteilung, ob Neuheit und erfinderische Tätigkeit vorliegen, alle Merkmale außer Acht, die nicht zum technischen Charakter der beanspruchten Erfindung beitragen.

Die derzeitige Praxis wurde in zwei weiteren Entscheidungen der Beschwerdekammern bestätigt:

In T 930/13 (Virtuelles Mobilkommerz-Bezahlsystem/QUALCOMM) vom 2.3.2017 wurde bestätigt, dass finanzielle und/oder administrative Merkmale im Anspruch das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit nicht stützen können.

In T 2330/13 (Prüfung von Auswahlbedingungen in einem Produktkonfigurationssystem/SAP) vom 9.5.2018 wurde bestätigt: Auch wenn die durch den Hauptanspruch ausgeführte Aufgabe nichttechnischer Art ist, können die spezifischen technischen Merkmale des Rechenverfahrens, das die Aufgabe ausführt, zum technischen Charakter der Erfindung beitragen und damit das Vorliegen von erfinderischer Tätigkeit stützen.