T 1072/16 (Korrosionsschutzbehandlung/TESA) 19-05-2021
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VERFAHREN ZUR KORROSIONSSCHUTZBEHANDLUNG VON METALLOBERFLÄCHEN
Ausreichende Offenbarung - (ja)
Neuheit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag und Hilfsantrag I (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag II (ja)
Änderungen - zulässig Hilfsantrag II (ja)
Zulassung - Hilfsanträge (ja)
I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, wonach das Streitpatent in der Fassung des Hauptantrags (eingegangen mit Schreiben vom 27. November 2015) die Erfordernisse des EPÜ erfüllt.
II. Die Einsprechende hatte den Widerruf des Patents im gesamten Umfang auf Grundlage der Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit) und Artikel 100 b) EPÜ beantragt.
III. Im Rahmen des Verfahrens vor der Einspruchsabteilung wurden unter anderem die folgenden Dokumente eingereicht:
D5: DE 10 2007 052 069 A1
D9: Technisches Datenblatt zu "3M Schmelzabdichtband
MST 5230, 5231, 5232"
D11: DE 10 2007 016 950 A1
IV. Anspruch 1 des Hauptantrags, der der angegriffenen Entscheidung zugrunde lag, lautet wie folgt:
"Verfahren zur Korrosionsschutzbehandlung von Metalloberflächen, insbesondere an Kanten und Übergängen der Metallbauteile, dadurch gekennzeichnet, dass auf die Metalloberfläche ein selbstklebendes Klebeband aufgebracht wird und das selbstklebende Klebeband mindestens eine Schicht mit einer Masse enthält, die derart erwärmt wird, dass die Masse auf die Metalloberfläche aufgeschmolzen [sic] und so eine Korrosionsschutzschicht bildet, wobei als Masse der mindestens einen Schicht des selbstklebenden Klebebandes als Haftklebemasse eine Polyacrylatmasse mit einem Klebharze als Hauptkomponente aufweisenden Klebrigmacher verwendet wird."
V. Die Einspruchsabteilung hat unter anderem entschieden, dass die Erfindung so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann sie ausführen könne, und der beanspruchte Gegenstand gegenüber den zitierten Dokumenten neu sei und gegenüber D5 als nächstliegendem Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
VI. Mit der Beschwerdeerwiderung reichte die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) Hilfsanträge I bis III ein.
VII. Die Kammer erließ eine Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK und teilte ihre vorläufige Meinung mit, dass das in Anspruch 1 des Hauptantrags beanspruchte Verfahren gegenüber D5 als nächstliegendem Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
VIII. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer reichte die Beschwerdegegnerin einen (neuen) Hilfsantrag II ein, der den bisherigen (alten) Hilfsantrag II ersetzte und sich von diesem nur dadurch unterscheidet, dass der abhängige Anspruch 6 gestrichen ist.
IX. Anspruch 1 des Hauptantrags und Hilfsantrags I entspricht Anspruch 1 des Hauptantrags, der der angegriffenen Entscheidung zugrunde lag (siehe den vorstehenden Punkt IV).
Anspruch 1 des Hilfsantrags II unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass am Ende des Anspruchs das Merkmal "wobei die Polyacrylatmasse vernetzt wird und zur Vernetzung der Polyacrylatmasse eine Kombination aus einem multifunktionellen Epoxids [sic] und einem Urethan- und/oder Harnstoffderivats [sic] verwendet wird" eingefügt worden ist.
Die Ansprüche 2 bis 13 des Hilfsantrags II sind abhängige Verfahrensansprüche.
X. Anträge
Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde (Hauptantrag), hilfsweise das angegriffene Patent auf der Grundlage des mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsantrags I, des in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten Hilfsantrags II oder des mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsantrags III aufrechtzuerhalten.
HAUPTANTRAG
1. Ausführbarkeit
1.1 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass der Gegenstand der Ansprüche 1, 2 und 12 des Hauptantrags aufgrund der verwendeten, angeblich unklaren Begriffe "Korrosionsschutz", "glatte Oberfläche" und "gesundheitsunbedenklich[...])" nicht ausführbar sei. Auch der Gegenstand der Ansprüche 14 und 15 des Hauptantrags sei nicht ausführbar, da im Patent nicht beschrieben sei, wie zu beurteilen sei, ob das selbstklebende Klebeband temperaturbeständig sei. Darüber hinaus sei die Erfindung nicht über den gesamten beanspruchten Bereich ausführbar und im Patent sei kein Weg zur Ausführung der Erfindung gezeigt worden.
1.2 Aus den folgenden Gründen teilt die Kammer diese Einschätzung nicht.
1.2.1 Selbst wenn die in den Ansprüchen 1, 2 und 12 des Hauptantrags verwendeten Begriffe "Korrosionsschutz", "glatte Oberfläche" und "gesundheitsunbedenklich[...]" breit auszulegen wären und eine gewisse Zweideutigkeit implizieren würden, so kann dies zu keinem Mangel der Ausführbarkeit führen. Ein Fachmann auf dem einschlägigen Gebiet ist mit diesen Begriffen vertraut.
1.2.2 In ähnlicher Weise kann die Kammer nicht erkennen, dass der Ausdruck "temperaturbeständig" in den Ansprüchen 14 und 15 des Hauptantrags die Ausführbarkeit in Frage stellen könnte. Bestenfalls kann dieser Ausdruck als unklar angesehen werden, was jedoch nicht ausreicht, um die Ausführbarkeit in Frage zu stellen.
1.2.3 Der Einwand der Beschwerdeführerin hinsichtlich der mangelnden Ausführbarkeit über die gesamte beanspruchte Breite von Anspruch 1 beruht auf unsubstantiierten Vermutungen und ist durch keine nachprüfbaren Tatsachen bzw. experimentellen Beweise gestützt. Das behauptete Fehlen wesentlicher Merkmale in Anspruch 1 ("Vernetzung der selbstklebenden Masse") ist allenfalls eine Frage der Klarheit, nicht aber der Ausführbarkeit. Somit kann auch dieser Einwand nicht durchgreifen.
1.2.4 Nach Ansicht der Beschwerdeführerin sei im Patent kein Weg zur Ausführung der Erfindung gezeigt, da Beispiel 1 des Patents kein Klebeband, sondern lediglich eine selbstklebende Masse betreffe.
Selbst wenn Beispiel 1 kein trägerloses Klebeband zeigen sollte, sondern lediglich eine selbstklebende Masse, so verdeutlicht es dennoch, dass eine Polyacrylatmasse mit einem Klebharz als Haftklebemasse geeignet ist, nach Aufschmelzen eine Korrosionsschutzschicht zu bilden. Die über Beispiel 1 hinausgehenden ausführlichen Erklärungen in der Beschreibung des Patents hinsichtlich geeigneter Polyacrylate und Klebharze, des Aufbaus des selbstklebenden Klebebandes, etc. versetzen einen Fachmann zweifelsfrei in die Lage, die Erfindung auszuführen.
Somit erfüllt die Erfindung die Anforderung des Artikels 83 EPÜ.
2. Neuheit
2.1 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags gegenüber D9 nicht neu sei. Ihrer Ansicht nach sei zwar in D9 nicht explizit erwähnt, dass die klebende Acrylklebstoffschicht (benachbart zu dem Abdeckpapier) ein Klebharz enthält. Dies sei jedoch als implizit in D9 offenbart anzusehen.
2.2 Aus den folgenden Gründen teilt die Kammer diese Einschätzung nicht.
2.2.1 D9 betrifft ein technisches Datenblatt, in dem verschiedene Schmelzabdichtbänder beschrieben sind. Der Aufbau dieser Bänder umfasst eine Schicht aus Acrylklebstoff zur Wärmehärtung (klebfreier Typ), eine Schicht aus Acrylklebstoff zur Wärmehärtung (klebende Schicht) und ein Abdeckpapier. Diese Bänder werden als einseitig klebende Bänder offenbart, die eine gute Verarbeitung und eine gute Abdichtung an Karosserienähten ermöglichen.
2.2.2 Zwar ist in D9 beschrieben, dass diese Bänder einseitig klebende Bänder sind und eine gewisse Anfangsklebkraft aufweisen, was impliziert, dass die dem Abdeckpapier benachbarte Acrylklebstoffschicht selbstklebend ist. D9 enthält jedoch keine Angabe dahingehend, dass der Acrylklebstoff dieser Klebeschicht Klebharze enthält. Die Beschwerdeführerin hat keine Beweise vorgebracht, dass die dem Abdeckpapier benachbarte klebende Acrylklebstoffschicht der D9 zumindest implizit ein Klebharz enthält.
Somit ist der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags gegenüber D9 neu.
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1 Die Beschwerdeführerin trug unter anderem einen Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von D5 als nächstliegendem Stand der Technik vor. D5 wurde auch von der Beschwerdegegnerin als nächstliegender Stand der Technik angesehen.
3.2 Aus den nachfolgenden Gründen beruht der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags gegenüber D5 in Kombination mit D9 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
3.3 D5 betrifft ein Verfahren zur Korrosionsschutzbehandlung von Metalloberflächen, in dem auf die Metalloberfläche eine selbstklebende Masse aufgebracht wird und diese derart erwärmt wird, dass sie aufgeschmolzen wird und eine Korrosionsschutzschicht bildet (siehe Anspruch 1). Auch die Verwendung von Klebharzen als Hauptkomponente eines Klebrigmachers wird in D5 offenbart (siehe Anspruch 6 und Paragraph [0016]).
Anspruch 1 von D5 beschreibt eine selbstklebende Masse im Allgemeinen, die aufgeschmolzen wird und so eine Korrosionsschutzschicht bildet. D5 ist nicht auf die Verwendung einer selbstklebenden Masse auf Basis eines spezifischen Polymers beschränkt. Klebmassen auf Basis von Blockpolymeren, wie in Anspruch 3 von D5 beschrieben, bzw. Styrolblockcopolymeren, wie in Anspruch 5 von D5 beschrieben, sind lediglich bevorzugte Ausführungsformen in D5.
3.4 Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheidet sich von D5 durch die Verwendung einer Polyacrylatmasse als Bestandteil der Haftklebemasse.
3.5 Ein aus diesem Unterscheidungsmerkmal resultierender Effekt wurde von der Beschwerdegegnerin nicht geltend gemacht und ist dem Patent auch nicht zu entnehmen. Somit besteht die objektive technische Aufgabe in der Bereitstellung eines weiteren Verfahrens zur Korrosionsschutzbehandlung von Metalloberflächen.
3.6 Schließlich ist zu beurteilen, ob der vor dieser Aufgabe gestellt Fachmann ausgehend von D5 in naheliegender Weise zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangt wäre.
3.6.1 Gemäß der Beschwerdeführerin sei der Gegenstand von Anspruch 1 durch eine Kombination aus D5 und D9 nahegelegt.
3.6.2 Der Satz "Diese Schmelzabdichtbänder sind geeignet die herkömmliche Nahtabdichtung mit PVC zu ersetzen und eine verbesserte Funktionalität und Erscheinungsbild zu erzeugen." in D9 (siehe den letzten Satz unter "Allgemeine Informationen" von D9) bezieht sich auf eine auch in Paragraph [0003] von D5 erwähnte üblicherweise verwendete Korrosionsschutzbeschichtung aus PVC. Aufgrund dieser Übereinstimmung in D5 und D9 würde ein Fachmann auf der Suche nach einem alternativen Verfahren D9 in Betracht ziehen.
3.6.3 Aus D9 erhält ein Fachmann die Information, dass das in D9 beschriebene Schmelzabdichtband eine Alternative zu einer Karosserienahtabdichtung aus PVC ist. In analoger Weise betrifft auch die in D5 beschriebene selbstklebende Masse, die vorzugsweise auch in Form einer Schicht vorliegen kann (siehe Abschnitt [0022] und Anspruch 11 von D5), eine Alternative zu einer Karosserienahtabdichtung aus PVC.
3.6.4 Eine gute Abdichtfunktion nach Aushärtung zum Versiegeln von Karosserienähten, wie in D9 erwähnt, bewirkt implizit auch einen Korrosionsschutz, da die Karosserie von Automobilen aus Metallen aufgebaut ist. In D9 ist auch beschrieben, dass die Bänder eine hohe Elastizität vor der Aushärtung aufweisen und eine gleichförmige Schichtdicke der Abdichtung erreichbar ist. Dies entspricht den Anforderungen an eine Korrosionsschutzschicht.
Ein Fachmann entnimmt somit der D9, dass der in den Schmelzabdichtbändern verwendete Acrylklebstoff (beider Schichten) bei Erwärmen aufschmilzt und eine Schutzschicht bildet, wie auch in D5 beschrieben.
3.6.5 Ein Fachmann erkennt somit, dass eine Polyacrylmasse, wie sie in D9 beispielsweise für die dem Abdeckpapier benachbarte Klebeschicht beschrieben wird, geeignet ist, um in einer selbstklebenden Masse eingesetzt zu werden, die aufgeschmolzen wird und eine Schutzschicht bildet.
3.6.6 Nach Ansicht der Beschwerdegegnerin würde ein Fachmann allenfalls in Erwägung ziehen, die acrylatbasierten Massen im Schmelzabdichtband nach D9 unverändert gegen die in D5 beschriebenen Massen auszutauschen.
Hingegeben würde nach Ansicht der Kammer ein Fachmann D9 auch entnehmen, dass das aufschmelzbare Polyacrylat der Klebeschicht geeignet ist, in der selbstklebenden Masse der D5 eingesetzt zu werden, um nach Aufschmelzen eine Schutzschicht zu bilden. D5 vermittelt die Lehre, dass eine selbstklebende Masse einsetzbar ist, die geeignet ist aufzuschmelzen und eine Schutzschicht zu bilden. Nach Ansicht der Kammer ist dies keine zergliedernde Betrachtungsweise der Lehre der D5 oder D9. Vielmehr würde ein Fachmann aus D9 erkennen, dass ein Polyacrylat geeignet ist, in dem Verfahren der D5 eingesetzt zu werden.
3.6.7 Es ist somit eine naheliegende Maßnahme, die in D9 beschriebene Polyacrylatmasse als Alternative zu der in D5 beschriebenen Masse zu verwenden, um die gestellte objektive technische Aufgabe zu lösen.
Somit beruht der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags gegenüber D5 in Kombination mit D9 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
HILFSANTRAG I
4. Da Anspruch 1 des Hilfsantrags I und Anspruch 1 des Hauptantrags identisch sind, gilt die Schlussfolgerung der mangelnden erfinderischen Tätigkeit in gleicher Weise für Hilfsantrag I.
HILFSANTRAG II
5. Zulassung des Hilfsantrags II
5.1 Die Beschwerdeführerin beantragte nicht ausdrücklich, den (in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten) Hilfsantrag II nicht zum Verfahren zuzulassen. Ein entsprechender Antrag richtete sich jedoch gegen den mit der Beschwerdeerwiderung eingereichten (alten) Hilfsantrag II, der sich nur dadurch von dem geltenden Hilfsantrag II unterscheidet, dass der abhängige Anspruch 6 gestrichen ist. Somit gilt dieser Antrag der Beschwerdeführerin auch für den Hilfsantrag II und wird somit behandelt.
5.2 Nach Ansicht der Beschwerdeführerin sei der mit der Beschwerdeerwiderung eingereichte Hilfsantrag II nicht zum Verfahren zuzulassen, da bei Einreichen dieses Antrags die gegenüber dem Hauptantrag durchgeführten Änderungen nicht erläutert worden seien und keine Argumente vorgetragen worden seien, aus denen sich ergeben könne, warum der darin beanspruchte Gegenstand die erhobenen Einwände ausräumen könne. Ferner trug die Beschwerdeführerin vor, dass die Beschwerdegegnerin bei Einreichen des Hilfsantrags II nicht ihren vollständigen Sachvortrag vorgebracht habe, was gegen Artikel 12 VOBK verstoße.
5.3 Es ist zwar zutreffend, dass die Beschwerdegegnerin mit Einreichen des (alten) Hilfsantrags II keine ausführlichen Erläuterungen zu diesem Antrag vorgebracht hat. Die Kammer ist jedoch der Ansicht, dass die in Anspruch 1 durchgeführten Änderungen eher selbsterläuternd sind, da sich die eingefügten Merkmale im Wesentlichen aus abhängigen Ansprüchen des Patents wie erteilt ergeben. In jedem Fall gab die Kammer in ihrer Mitteilung gemäß Regel 100(2) EPÜ eine vorläufige Einschätzung zu diesem Antrag ab. Die Beschwerdeführerin erhob ihren Einwand erst nach dieser Mitteilung der Kammer. Unter diesen Umständen ist für die Kammer kein Grund ersichtlich, den Hilfsantrag II nicht im Verfahren zu berücksichtigen (Artikel 12(4) VOBK 2007).
6. Artikel 123(2) EPÜ
6.1 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags II unzulässig erweitert worden sei, da es keine Basis für das Merkmal "wobei die Polyacrylatmasse vernetzt wird" (Hervorhebung durch die Kammer) gebe. Nach ihrer Ansicht sei in Anspruch 4 der eingereichten Anmeldung lediglich eine Offenbarung dafür zu finden, dass die Masse vernetzt werde, nicht aber die Polyacrylatmasse.
6.2 Anspruch 1 basiert auf einer Kombination der Ansprüche 1, 3, 4, 5, 7 und 11 der eingereichten Anmeldung.
Anspruch 3 der eingereichten Anmeldung bietet eine Offenbarung für die Einschränkung der Masse der mindestens einen Schicht des selbstklebenden Klebebandes auf ein Polyacrylat. Da Anspruch 4 der eingereichten Anmeldung, der auch auf Anspruch 3 rückbezogen ist, von einer Vernetzung der Masse spricht, ist offensichtlich, dass damit die Polyacrylatmasse gemeint ist. Die Umformulierung von "die Masse der mindestens einen Schicht des selbstklebenden Klebebandes vernetzt wird" (siehe Anspruch 4 der eingereichten Anmeldung) in "die Polyacrylatmasse vernetzt wird" führt daher zu keiner unzulässigen Erweiterung.
Die weiteren in Anspruch 1 des Hilfsantrags II eingefügten Merkmale, d.h. "Haftklebemasse", "Klebharze" und "zur Vernetzung der Polyacrylatmasse eine Kombination aus einem multifunktionellen Epoxids [sic] und einem Urethan- und/oder Harnstoffderivats [sic] verwendet wird", sind durch die Ansprüche 5, 7 und 11 der eingereichten Anmeldung gestützt. Dies wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.
Somit erfüllt der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags II die Anforderung des Artikels 123(2) EPÜ.
7. Erfinderische Tätigkeit
7.1 Die Beschwerdeführerin trug Einwände mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegenüber D5 oder D9 als nächstliegendem Stand der Technik vor.
7.2 Aus den folgenden Gründen kann die Kammer der Beschwerdeführerin nicht folgen.
7.2.1 D5 als nächstliegender Stand der Technik
Wie vorstehend unter Punkt 3.4 erwähnt, unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags II von D5 durch die Verwendung einer Polyacrylatmasse als Bestandteil der Haftklebemasse. D5 ist keine Offenbarung zu entnehmen, zur Vernetzung der Polymermasse eine Kombination aus einem multifunktionellen Epoxid und einem Urethan- und/oder Harnstoffderiat (als "Vernetzersystem") zu verwenden.
Wie bereits für Anspruch 1 des Hauptantrags festgestellt, wurde kein aus den Unterscheidungsmerkmalen resultierender Effekt gezeigt. Gleiches gilt auch für Hilfsantrag II, so dass die objektive technische Aufgabe in der Bereitstellung eines alternativen Verfahrens zur Korrosionsschutzbehandlung zu sehen ist.
Nach Ansicht der Beschwerdeführerin lehre D11 nicht nur die Verwendung eines Polyacrylats für die Haftklebemasse, sondern auch das in Anspruch 1 geforderte Vernetzersystem.
Rein formal ist es zwar zutreffend, dass die gesuchten Unterscheidungsmerkmale in D11 beschrieben sind. In D11 ist jedoch nicht erwähnt, dass die polyacrylatbasierte Klebemasse nach Vernetzung als Teil eines Klebebandes erneut aufgeschmolzen werden kann und eine Schutzschicht bilden kann. Die Schmelzbarkeit und Ausbildung einer Schutzschicht, sowie die Vernetzbarkeit sind jedoch wesentliche Anforderungen des Verfahrens nach D5. Das in D11 beschriebene Polyacrylat mit dem Vernetzersystem wird jedoch schon im Verarbeitungsprozess thermisch vernetzt, um die gewünschte vernetzte Klebemasse zu bilden.
Somit würde ein Fachmann aus D11 keine Anregung erhalten, das in D11 beschriebene Polyacrylat und das geforderte Vernetzersystem in dem in D5 beschriebenen Verfahren einzusetzen, das ein Aufschmelzen und eine nachfolgende Schichtbildung fordert.
Während nämlich D5 trägerfreie selbstklebende Massen betriff, die aufschmelzen und eine Schutzschicht bilden, betrifft D11 ein Verfahren zur thermischen Vernetzung von Polyacrylaten, sowie die Verwendung der dadurch hergestellten vernetzten Polyacrylate als Haftklebemasse bzw. Heißsiegelmasse. In D5 kommt es somit maßgeblich auf die Schmelzbarkeit und nachfolgende Ausbildung einer Schutzschicht an, wohingegen in D11 von einer Aufschmelzbarkeit unter nachfolgender Ausbildung einer Schutzschicht nicht die Rede ist. Nach Vernetzung der Polyacrylate, wie in D11 beschrieben, scheint ein Aufschmelzen unter nachfolgender Ausbildung einer Schutzschicht aus technischer Sicht auch nicht mehr praktikabel zu sein. Zumindest erhält ein Fachmann aus D11 keine Anregung dahingehend, die vernetzten Polyacrylate erneut aufzuschmelzen und in einem Schmelzklebeband einzusetzen.
Somit beruht der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags II gegenüber D5 in Kombination mit D11 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Auch die Hinzunahme der Offenbarung von D9 zur Kombination aus D5 und D11 führt nicht zu einer fehlenden erfinderischen Tätigkeit, da der Fachmann auch hier das in D11 beschriebene Vernetzersystem auswählen müsste, um das Polyacrylat zu vernetzen, auch wenn es, wie zum Hauptantrag ausgeführt, nahe lag, das in D9 offenbarte Polyacrylat in D5 zu verwenden.
Wie bereits ausgeführt, erhält der Fachmann aus D11 keine Anregung, das geforderte Vernetzersystem in dem in D5 beschriebenen Verfahren einzusetzen, das ein Aufschmelzen und eine nachfolgende Schichtbildung fordert.
Somit beruht der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags II gegenüber D5 als nächstliegendem Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit.
7.2.2 D9 als nächstliegender Stand der Technik
Selbst wenn von D9 als nächstliegendem Stand der Technik ausgegangen würde, hätte ein Fachmann keine Veranlassung gehabt, das in D9 beschriebene kommerziell erhältliche und optimierte Schmelzabdichtband dahingehend abzuändern, die dort beschriebenen Acrylatmassen mit Klebharzen abzumischen.
Wie bereits zu D5 ausgeführt, kommt es auch in D9 maßgeblich auf die Schmelzbarkeit und nachfolgende Ausbildung einer Schutzschicht an, wohingegen in D11 von einer Aufschmelzbarkeit unter nachfolgender Ausbildung einer Schutzschicht nicht die Rede ist. Ein Fachmann erhält aus D11 auch keine Anregung, die vernetzten Polyacrylate in einem Verfahren einzusetzen, worin sie aufzuschmelzen sind und nachfolgend eine Schutzschicht bilden. Aus technischer Sicht scheint dies auch nicht mehr praktikabel zu sein.
Ein Fachmann erhält aus D11 auch keine Anregung, das kommerzielle Schmelzklebeband der D9 mit einem anderen Vernetzersystem zu modifizieren, da dies unvorhersehbare Auswirkungen auf die Eigenschaften des Klebebandes hätte.
Somit beruht der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags II gegenüber D9 in Kombination mit D11 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
7.2.3 Zusammenfassend beruht der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags II gegenüber jedem der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwände auf einer erfinderischen Tätigkeit. Gleiches gilt für die abhängigen Ansprüche 2 bis 13 des Hilfsantrags II.
8. Da Hilfsantrag II gewährbar ist, erübrigt sich eine Diskussion des Hilfsantrags III.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung
zurückverwiesen, mit der Anordnung das Patent auf der Basis
der Ansprüche 1 bis 13 des in der mündlichen Verhandlung vor
der Kammer eingereichten Hilfsantrags II und einer daran
anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.