T 1240/17 26-04-2021
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ALKOHOLALKOXYLATE, DIESE ENTHALTENDE MITTEL UND VERWENDUNG DER ALKOHOLALKOXYLATE ALS ADJUVANS FÜR DEN AGROCHEMISCHEN BEREICH
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (nein)
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die am 31. März 2017 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der der Einspruch gegen das Patent EP 2 271 697 zurückgewiesen wurde.
II. Ansprüche 1 und 6 der erteilten Fassung des Streitpatents lauteten:
"1. Mittel, umfassend
(a) wenigstens einen Wirkstoff zur Pflanzenbehandlung;
und
(b) wenigstens einen alkoxylierten Alkohol der Formel
(Ib)
R-O-(C4H8O)x-[(C2H4O)p-(C3H6O)q]co-H (Ib)
worin
R für einen aliphatischen linearen oder verzweigten Rest mit 1 bis 30 Kohlenstoffatomen steht;
x für einen Wert von 0 bis 100 steht;
x größer Null ist;
die Summe aus dem Wert von (4 · x) und der Anzahl der Kohlenstoffatome in R 15 bis 60 beträgt;
p für einen Wert von 0 bis 100 steht;
q für einen Wert von 0 bis 100 steht;
die Summe aus p und q größer Null ist,
wobei der Rest R-O-(C4H8O)x- 2 bis 12 Verzweigungen insgesamt und 0,1 bis 0,3 Verzweigungen pro C-Atom aufweist."
"6. Mittel, umfassend
(a) wenigstens einen Wirkstoff zur Pflanzenbehandlung;
und
(b) wenigstens einen alkoxylierten Alkohol der Formel
(IIb)
R-O-(Cn1H2n1O)o-[(C2H4O)p-(C3H6O)q]co-(C4H8O)x-H (IIb)
worin
R für einen aliphatischen linearen oder verzweigten Rest mit 1 bis 30 Kohlenstoffatomen steht;
n1 für 2 oder 3 steht,
x für einen Wert von 0 bis 100 steht;
x größer Null ist;
der Wert von (4 · x) 15 bis 60 beträgt;
p für einen Wert von 0 bis 100 steht;
q für einen Wert von 0 bis 100 steht;
die Summe aus p und q größer Null ist,
wobei der Rest -(C4H8O)x-H 2 bis 12 Verzweigungen insgesamt und 0,1 bis 0,3 Verzweigungen pro C-Atom aufweist."
III. In der angefochtenen Entscheidung wurde unter anderem auf folgende Dokumente Bezug genommen:|
D1: US 2007/0281860 A1
D2: WO 2005/084435
D15: DE 10 2005 048 539 A1
IV. In Ihrer Entscheidung befand die Einspruchsabteilung unter anderem, dass die erteilten Ansprüche gegenüber D15 neu seien und, dass der Gegenstand der erteilten Ansprüche erfinderisch ausgehend vom D15 als nächstliegendem Stand der Technik sei.
Was die Neuheit betrifft, war die Einspruchsabteilung der Meinung, dass mindestens drei Auswahlschritte in Listen in der allgemeinen Formeln
(Ie) R-O-(-BO-)r-(-EO-)s-R' und
(Id) R-O-(-EO-)p-(-BO-)q-R'
der D15 gemacht werden müssten (bezüglich der Definition von R, R' und entweder q oder r), um zum Alkoxyalkoholat (Ib) gemäß dem erteilten Anspruch 1 oder zum Alkoxyalkoholat (IIb) gemäß dem erteilten Anspruch 6 zu gelangen (Absatz 4c auf Seiten 9 und 10 der angefochtenen Entscheidung).
Was die erfinderische Tätigkeit betrifft, bestehe die gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik D15 gelöste technische Aufgabe in der Bereitstellung eines alternativen Mittels zur Pflanzenbehandlung. In diesem Zusammenhang offenbare D15 keine offene, Butylenoxideinheiten enthaltende Penetrationsförderer. Ferner erscheine die Kombination von mehrfachen Auswahlschritten aus D15 nicht willkürlich, sondern scheine eine Balance an hydrophoben und hydrophilen Eigenschaften herzustellen. Darüber hinaus lehre D1, dass offene Penetrationsförderer "erstaunlicherweise" weniger wirksam als geschlossene seien. Somit scheine D1 von der in den erteilten Ansprüchen beanspruchten Lösung des technischen Problems wegzuführen und das Ausprobieren von alternativen geschlossenen Penetrationsförderern nahezulegen. Aus diesen Gründen sei die Kombination von technischen Merkmalen zur Lösung der Aufgabe im Lichte der D15 alleine oder der Kombination von D15 mit D1 nicht naheliegend.
V. Gegen diese Entscheidung legte die Einsprechende (Beschwerdeführerin) Beschwerde ein. Mit der Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
VI. Mit der Beschwerdeerwiderung beantragte die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) die Zurückweisung der Beschwerde.
VII. In einem Bescheid vom 28. Juni 2019, der der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügt war, teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung mit.
VIII. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 26. April 2021 in Abwesenheit der Beschwerdeführerin, wie mit Schreiben vom 3. März 2021 angekündigt, statt.
IX. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:
Neuheit gegenüber D15
a) Die Merkmale der erteilten Ansprüche 1 und 6 seien in D15 "verknüpft" offenbart. Somit sei der Gegenstand dieser Ansprüche gegenüber D15 nicht neu.
Erfinderische Tätigkeit
b) D15 stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar.
Sollte die Neuheit gegenüber D15 anerkannt werden, unterscheide sich der Gegenstand der Ansprüche 1 und 6 von den Mitteln gemäß D15 dadurch, dass die Formeln (Ib) und (IIb) des Streitpatents in D15, insbesondere in deren Formeln (Id) und (Ie) nicht direkt und unmittelbar offenbart seien und erst nach mehrfacher Auswahl innerhalb der Offenbarung der D15 hergeleitet werden können.
Die gegenüber D15 gelöste technische Aufgabe liege in der Bereitstellung eines alternativen Mittels zur Pflanzenbehandlung.
Es sei naheliegend, diese Aufgabe durch Verwendung irgendeines Penetrationsförderers gemäß der Lehre von D15, insbesondere solche gemäß der Formeln (Id) und (Ie), die den Formeln (Ib) und (IIb) des Streitpatents entsprächen, zu lösen.
X. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin können wie folgt zusammengefasst werden:
Hauptantrag - Neuheit gegenüber D15
a) Mehrere Auswahlschritte innerhalb der Formeln (I-e) und (I-d) der D15 seien nötig, um zu den Formeln (Ib) und (IIb) der Ansprüche 1 und 6 des Streitpatents zu gelangen. Somit sei der Gegenstand der erteilten Ansprüche 1 und 6 gegenüber D15 neu.
Erfinderische Tätigkeit
b) Der Analyse der Beschwerdeführerin bezüglich des nächstliegenden Standes der Technik, der Unterscheidungsmerkmale und der gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik gelösten Aufgabe werde zugestimmt.
Jedoch offenbare D15 keine offenen, Butylenoxid-einheiten enthaltende Penetrationsförderer.
Im schriftlichen Verfahren wurde vorgebracht, dass D1 lehre, dass offene Penetrationsförderer erstaunlicherweise weniger wirksam als geschlossene seien. Somit führe D1 von den in den erteilten Ansprüchen 1 und 6 genannten Formeln (Ib) und (IIb) weg.
Darüber hinaus wurde während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer dargelegt, dass im Absatz 33 der D15 eine einzige Verbindung (I-c-1) angegeben sei, welche die Formel (Ie) illustriere, und im Absatz 34 der D15 eine einzige Verbindung (I-d-1) angegeben sei, welche die Formel (Id) illustriere. Somit seien diese Verbindungen (I-c-1) und (I-d-1) implizit als bevorzugte Ausführungsformen der D15 zu betrachten. Während Formel (I-c-1) ein offener Penetrationsförderer, welcher keine Butylenoxideinheit enthalte, sei, sei Formel (I-d-1) ein geschlossener Penetrationsförderer, welcher eine Butylenoxideinheit enthalte. Ferner sei der Inhalt der D1 am Anmeldetag der D15 durch die Veröffentlichung des Familienmitglieds D2 bekannt gewesen sei. Darüber hinaus seien D1 und D15 vom gleichen Anmelder und nennen einen gemeinsamen Erfinder. Unter solchen Bedingungen würde der Fachmann, angesichts der Lehre von D1 den Gegenstand der Absätze 33 und 34 der D15 so verstehen, dass D15 ausschließlich offene Penetrationsförderer lehre, die keine Butylenoxidreste enthalten. Somit könne D15 auf Butylenoxidreste enthaltende offene Penetrationsförderer gemäß der Formeln (Ib) oder (IIb) des Streitpatents nicht hinweisen.
Aus diesen Gründen sei der Gegenstand der erteilten Ansprüche 1 und 6 erfinderisch.
XI. Die Beschwerdeführerin beantragte im schriftlichen Wege die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
1. Neuheit
1.1 Die von den Beschwerdeführerin vorgebrachten Einwände unter Artikel 54 EPÜ betreffen die Neuheit der erteilten Ansprüche 1 und 6 gegenüber D15, welche von der Einspruchsabteilung anerkannt wurde, weil mehrere Auswahlschritte in der Offenbarung der D15, nötig seien, um zum Gegenstand dieser Ansprüche zu gelangen. Insbesondere seien mehrere Auswahlschritte in den Formeln (Id) und (Ie) der D15 nötig, um zu den Formeln (Ib) oder (IIb) des Streitpatents zu gelangen.
1.2 Anspruch 6 von D15 betrifft eine Zusammensetzung umfassend
- mindestens einen bei Raumtemperatur festen Wirkstoff aus der Reihe der Neonikotinoide,
- mindestens einen bei Raumtemperatur festen Wirkstoff aus der Reihe der Pyrethroide,
- mindestens einen Penetrationsförderer,
- mindestens ein Pflanzenöl,
- Cyclohexanon,
- mindestens ein nicht-ionisches Tensid und/oder mindestens ein anionisches Tensid und
- einen oder mehrere Zusatzstoffe aus den Gruppen der Emulgiermittel, der schaumhemmenden Mittel, der Konservierungsmittel, der Antioxydantien, der Spreitmittel, der Farbstoffe und/oder einen Verdicker,
wobei der Penetrationsförderer z.B. ein Alkanol-Alkoxylat der Formel (I-d) oder (I-e) ist,
R-O-(-EO-)p-(-BO-)q-R' (I-d)
R-O-(-BO-)r-(-EO-)s-R' (I-e)
in welchen
R für geradkettiges oder verzweigtes Alkyl mit 4 bis 20 Kohlenstoffatomen steht,
R' für H, Methyl, Ethyl, n-Propyl, i-Propyl, n-Butyl, i-Butyl, t-Butyl, n-Pentyl oder n-Hexyl steht,
EO für -CH2-CH2-O- steht,
PO für FORMEL/TABELLE/GRAPHIKsteht,
BO für FORMEL/TABELLE/GRAPHIK steht,
n für Zahlen von 2 bis 20 steht,
p, q, r und s für Zahlen von 1 bis 10 steht,
t für Zahlen von 8 bis 13 steht und
u für Zahlen von 6 bis 17 steht.
1.3 Somit ist der Einspruchsabteilung zuzustimmen, dass mehrere Auswahlschritte in der Definition der Formeln (I-e) und (I-d) der D15 nötig sind (R'= H; R und entweder r oder q, so dass die Merkmale "die Summe aus ... 15 bis 60 beträgt" und "wobei der Rest ... 2 bis 12 Verzweigungen insgesamt und 0,1 bis 0,3 Verzweigungen pro C-Atom aufweist" erfüllt sind), um zu den Formeln (Ib) und (IIb) der Ansprüche 1 und 6 des Streitpatents zu gelangen.
1.4 In ihrer Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin Passagen der D15, in denen die Merkmale der erteilten Ansprüche 1 und 6 zu finden sind, zwar angegeben (Seiten 9 und 14: Tabellen 1 und 2, in Bezug auf die erteilten Ansprüche 4 und 9, welche von den Ansprüchen 1 und 6 abhängig sind), jedoch hat die Beschwerdeführerin diesbezüglich lediglich argumentiert, dass diese Merkmale in D15 "verknüpft" offenbart seien (siehe Wortlaut der Beschwerdebegründung "(disclosed) in a linked manner": Seite 8, vorletzte Zeile; Seite 10, erster Absatz; Seite 15, Zeile 1), ohne eindeutig zu erklären, warum eine solche Verknüpfung direkt und unmittelbar aus der D15 herzuleiten sei. Insbesondere wurde nicht erklärt, weshalb die Entscheidung der Einspruchsabteilung unrichtig wäre. Diesbezüglich deutet die Argumentation auf Seite 10 (Absätze "Item 7" und "Item 10") der Beschwerdebegründung sogar darauf hin, dass die Beschwerdeführerin anerkennt, dass mindestens zwei Auswahlschritte in der Offenbarung der D15 nötig sind, um zu dem Gegenstand der erteilten Ansprüche zu gelangen.
1.5 Es ist ferner anzumerken, dass die Beschwerdeführerin keine weiteren Argumente vorgebracht hat, um diese Schlussfolgerung, die im Bescheid der Kammer (Punkt 5) bereits angegeben wurde (und welche lange vor der mündlichen Verhandlung zugestellt wurde), zu entkräften.
1.6 Somit sind die Formeln (Ib) und (IIb) der Ansprüche 1 und 6 des Streitpatents in D15 nicht direkt und unmittelbar offenbart, wie bereits von der Einspruchsabteilung ausgeführt wurde.
1.7 Deshalb gibt es für die Kammer keinen Grund, von der Entscheidung der Einspruchsabteilung bezüglich der Neuheit gegenüber D15 abzuweichen.
2. Erfinderische Tätigkeit
2.1 Die Beschwerdeführerin und die Beschwerdegegnerin sind im Einklang mit der Einspruchsabteilung der Auffassung, dass D15 den nächstliegenden Stand der Technik darstellt. Die Kammer sieht auch keinen Grund davon abzuweichen, wobei die Zusammensetzungen gemäß Anspruch 6, welche einen Penetrationsförderer gemäß den Formeln (Id) und (Ie) enthalten, der D15 besonders relevant sind.
2.2 Wie im Absatz 1 oben in Bezug auf Neuheit erläutert, unterscheidet sich der Gegenstand der erteilten Ansprüche 1 und 6 von einer Zusammensetzung gemäß Anspruch 6, Formeln (Id) und (Ie) der D15 dadurch, dass die Definitionen der Formeln (Ib) und (IIb) des Streitpatents in D15 nicht direkt und unmittelbar offenbart sind und erst nach mehrfacher Auswahl innerhalb der Offenbarung der D15 hergeleitet werden können.
2.3 Es ist zwischen den Parteien nicht strittig, dass die gegenüber D15 gelöste technische Aufgabe in der Bereitstellung eines alternativen Mittels zur Pflanzenbehandlung besteht (Beschwerdebegründung: Absatz zwischen Seiten 10 und 11 und Seite 15, vorletzter Absatz; Antwort zur Beschwerdebegründung: Seite 3, Punkt 2.2, zweiter Absatz). Auch diesbezüglich sieht die Kammer keinen Grund, eine andere Meinung zu vertreten.
2.4 Naheliegen der Lösung
2.4.1 Es ist die Frage zu beantworten, ob es für den Fachmann naheliegend war, den nächstliegenden Stand der Technik so abzuändern, um zum beanspruchten Gegenstand zu kommen, mit dem Zweck, die oben definierte Aufgabe zu lösen.
2.5 Diesbezüglich wurde von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten, dass die Formeln (Ib) und (IIb) gemäß den Ansprüchen 1 und 6 des Streitpatents in D15 zwar nicht explizit offenbart werden, sie können jedoch durch mehrfache Auswahl (von R', R und entweder r oder q) innerhalb der gesamten Offenbarung der D15 erreicht werden.
2.6 Die Beschwerdegegnerin brachte vor, dass der Fachmann diese Auswahlschritte jedoch nicht vornehmen würde, da die Lehre der D1 von den Formeln (Ib) und (IIb) wegführe. Darüber hinaus würde der Fachmann aufgrund der Lehre der D1 die Absätze 33 und 34 des Streitpatents so lesen, dass D15 ausschließlich geschlossene Butylenoxid-enthaltende Penetrationsförderer offenbare.
2.6.1 In diesem Zusammenhang ist zuerst anzumerken, dass die Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung, dass die Lehren von D1 und D15 kombiniert werden können, von der Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren nicht (mehr) bestritten wurde (siehe Seite 11 der angefochtenen Entscheidung: letzter Absatz, erster Satz). Die Kammer sieht auch keinen Grund eine andere Meinung zu vertreten.
2.6.2 Die in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer von der Beschwerdegegnerin vorgebrachte Argumentation, dass der Inhalt der D1 am Anmeldetag der D15 durch die Veröffentlichung des Familienmitglieds D2 bekannt gewesen sei, wird von der Kammer geteilt. Gleichermaßen kann nicht bestritten werden, dass D1 und D15 vom gleichen Anmelder sind und einen gemeinsamen Erfinder nennen.
2.6.3 Es ist ferner der Beschwerdegegnerin zuzustimmen, dass nach der D1, welche das gleiche technische Gebiet von Pflanzenschutzmitteln wie das Streitpatent betrifft offene Penetrationsförderer erstaunlicherweise eine niedrigere biologische Wirksamkeit haben als geschlossene (Absätze 20 und 2 bis 5). In diesem Zusammenhang sind die Penetrationsförderer der D1 "geschlossen", d.h. dass sie gemäß der Formel (I) der D1 R'!= H erfüllen (siehe z.B: Anspruch 10 der D1):
R-O-(AO)m-R' (I)
wobei
R für geradkettiges oder verzweigtes Alkyl mit 4 bis 20 Kohlenstoffatomen steht,
R' für Methyl, Ethyl, n-Propyl, i-Propyl, n-Butyl, i-Butyl, t-Butyl, n-Pentyl oder n-Hexyl steht,
AO für einen Ethylenoxid-Rest, einen Propylenoxid-Rest, einen Butylenoxid-Rest oder für Gemische aus Ethylenoxid- und Propylenoxid-Resten oder für Gemische aus Ethylenoxid- und Butylenoxid-Resten steht und
m für Zahlen von 2 bis 30 steht.
Gemäß Absatz 189 der D1 sind "offene" Penetrationsförderer ähnliche Komponenten mit R' = H.
2.6.4 Es ist jedoch aus der Gesamtoffenbarung der D15 zu entnehmen, dass D15 sowohl offene als auch geschlossene Penetrationsförderer der Formeln (I-d) oder (I-e), welche Butylenoxideinheiten enthalten können, betrifft, wobei die generischen Formeln (I-d) und (I-e) explizit als "besonders bevorzugt" gekennzeichnet sind (D15: Anspruch 6; Absätze 29, 30). Insbesondere ergibt sich aus D15, dass alle Ausführungsformen der Formeln (I-d) und (I-e) als gleichwertige Alternativen anzusehen sind, und dass all diese Ausführungsformen geeignete Penetrationsförderer für die Vorbereitung von Pflanzenschutzmittelzusammensetzungen darstellen. In D15 selbst wird ferner kein Unterschied zwischen geschlossenen und offenen beziehungsweise zwischen Butylenoxid enthaltenden und nicht-enthaltenden Penetrationsförderern gemacht. Zwar wird in D1 offenbart, dass geschlossene Penetrationsförderer wirksamer sein können als offene, jedoch ist aus D1 nicht zu schließen, dass offene Penetrationsförderer, insbesondere solche die Butylenoxideinheiten enthalten, keine geeigneten Penetrationsförderer sind. Aus diesem Grund hält die Lehre der D1 den Fachmann nicht davon ab, eine Alternative Zusammensetzung zu der gemäß D15, durch Verwendung irgendeines Penetrationsförderers gemäß der Lehre der D15, insbesondere durch Verwendung eines Penetrationsförderers der Formeln (Ib) oder (IIb) gemäß den erteilten Ansprüche 1 und 6, welche durch gezielten Auswahl in der Offenbarung der Formeln (I-d) und (I-e) der D15 erhalten werden können, bereitzustellen.
2.6.5 Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer brachte die Beschwerdegegnerin vor, dass in Kenntnis der Lehre von D1, der Fachmann die Absätze 33 und 34 der D15 so lesen würde, dass diese ausschließlich offene Penetrationsförderer, die keine Butylenoxideinheiten enthalten, beträfen.
Die von der Beschwerdegegnerin genannten Absätze 33 und 34 der D15 lauten wie folgt:
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Somit werden in den Absätzen 33 und 34 der D15 die Formeln (I-c-1) und (I-d-1) lediglich "als Beispiel" angegeben, d.h. dass sie als illustrativ für die Gesamtlehre der D15 zu betrachten sind. Selbst wenn die in D15 angegebenen Formeln (I-c-1) und (I-d-1) auf bevorzugte Ausführungsformen der Formeln (I-c) und (I-d) der D15 hindeuten, schränken sie jedoch in keiner Weise die Lehre der D15, dass jede Verbindung der Formeln (I-d) oder (I-e), unabhängig davon, ob diese geschlossen oder offen sind bzw. ob diese Butylenoxid enthalten , ein geeigneter Penetrationsförderer ist. Darüber hinaus erscheint für die Kammer die von der Beschwerdegegnerin aufgrund der Lehre der D1 gezogene Schlussfolgerung auch deswegen nicht überzeugend, weil sie im Widerspruch zu der sonst eindeutigen Lehre der D15 steht, wonach die dort angegebenen Formeln (I-d) und (I-e) sowohl offene als auch geschlossene Butylenoxid-enthaltende Penetrationsförderer beschreiben.
2.6.6 Aus diesen Gründen folgt die Kammer dem Argument der Beschwerdegegnerin, wonach die Lehre der D1 von den Formeln (Ib) und (IIb) gemäß den Ansprüchen 1 und 6 des Streitpatents wegleite, nicht .
2.7 Es scheint, dass die Einspruchsabteilung ihre Entscheidung unter anderem auf den Umstand, dass die oben identifizierten unterscheidenden Merkmale "nicht willkürlich" erscheinen (angefochtene Entscheidung: Seite 11, letzter voller Absatz), gestützt hat. Dieses Argument wurde jedoch von den Parteien nicht angesprochen. Auch für die Beschwerdekammer ist es nicht ersichtlich, inwiefern dieser Umstand zur erfinderischen Tätigkeit beitragen kann.
2.8 In Anbetracht des Vorstehenden ist es naheliegend, eine Alternative zu D15, durch Vorbereitung irgendeiner Ausführungsform der D15, auch gemäß der Formeln (Ib) und (IIb) des Streitpatents, bereitzustellen.
2.9 Aus diesen Gründen ist der Gegenstand der Ansprüche 1 und 6 des Streitpatents nicht erfinderisch.
3. Da der einzige Antrag der Beschwerdegegnerin den Erfordernissen des Artikels 56 EPÜ nicht genügt, ist das Patent zu widerrufen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.