T 1917/17 03-12-2021
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Ansteuerschaltung für Pockelszelle
Vorlage an die Große Beschwerdekammer - (nein)
Vorlage an die Große Beschwerdekammer - keine uneinheitliche Rechtsprechung und keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung
Beweismittel - allein in der Hand eines Verfahrensbeteiligten (nein)
Beweismaß - Abwägung der Wahrscheinlichkeiten (ja)
Einspruchsgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit - steht der Aufrechterhaltung entgegen (ja)
Hilfsantrag - Berücksichtigung im Verfahren (ja)
Hilfsantrag - erfinderische Tätigkeit (nein)
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, die am 4. Juli 2017 zur Post gegeben wurde und mit der das europäische Patent Nr. 2 310 902 aufgrund des Artikels 101 (3) b) EPÜ widerrufen worden ist.
Die Einspruchsabteilung war zu dem Schluss gekommen, dass der Gegenstand des unabhängigen Anspruchs des Streitpatents in der erteilten Fassung und in der Fassung gemäß damaligem ersten und zweiten Hilfsantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber den Dokumenten A20 und A13 beruhe.
II. Es wird Bezug auf die folgenden Dokumente genommen:
A13 |Datenblatt: Model 828A "Solid State Pockels' Cell Driver", Analog Modules Inc, 05/95 |
A14 |Datenblatt: Model 8261A, "High Repetition Rate Pockels Cell/Shutter Driver for BBO Crystals", Analog Modules Inc, 01/2006 |
A20 |Chardon, A. et al.: "Low-voltage Q-switching of diode-pumped Er:Yb:glass laser by a BBOPockels cell" in: Photonics Devices and Systems, Hrabovsky M. et al. editorsProceedings of SPIE Vol. 4016 (2000)|
A25 |Eidesstattliche Erklärung "Affidavit of Ian D Crawford, Founder and President of Analog Modules Inc." vom 9. Januar 2017 |
A26 |Schaltplan: "Schematic, Pockel's Cell Driver Power Supply, Models 827 (3KV) OR 828 (2KV)", Analog Modules, Inc., final approval 900813 |
A30/1|Email von Ian D Crawford an Hubert Adamietz (Beschwerdegegner) vom 17.Januar 2018 |
A30/2|Schwarz-Weiß Druck einer Fotografie eines umgeknickten Datenblattes zum Model 828A, Anhang zur Email A30/1 |
K1 |Skizze der Beschwerdeführerin zur Bedeutung des Begriffes "push-pull" Schaltung |
K3 |"Fast High-Voltage Transistor Switches", Broschüre der Firma Behlke Electronics GmbH |
K8 |"Products Under Development - High Speed Pockels Cell Driver", Auszug aus der Web-Seite der Firma Analog Modules Inc. vom 10. Januar 2017 |
K10,K11|Auszug aus einer Web-Seite zu einer Auktion für ein "Cynosure Tattoo Laser Trigger Board", letzte Aktualisierung 5. September 2015 und Fotografie des Trigger Boards.|
K9,K12,K13|Schaltskizzen der Beschwerdeführerin zu Verschaltungsmöglichkeiten zweier 828A Module mit positiver Ausgangsspannung |
III. Am 3. Dezember 2021 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt, welche mit der Zustimmung der Verfahrensbeteiligten als Videokonferenz durchgeführt wurde.
Die Anträge der Verfahrensbeteiligten waren wie folgt:
Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte,
die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent wie erteilt aufrechtzuerhalten,
hilfsweise, das Patent auf der Grundlage des Hilfsantrags, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, aufrechtzuerhalten.
Weiterhin beantragte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 27. Oktober 2021, der Großen Beschwerdekammer zwei Rechtsfragen vorzulegen.
Der Beschwerdegegner (Einsprechende) beantragte,
die Beschwerde zurückzuweisen.
IV. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, also wie erteilt, lautet wie folgt:
"Ansteuerschaltung für eine Pockelszelle, mit
- einer Spannungsquelle zur Bereitstellung eines ersten elektrischen Potentials (HV1), eines zweiten elektrischen Potentials (HV2), eines dritten elektrischen Potentials (HV3) und eines vierten elektrischen Potentials (HV4), und
- genau vier Schaltern (S1A, S1B, S2A, S2B), nämlich einem ersten Schalter (S1B), einem zweiten Schalter (S1A), einem dritten Schalter (S2B) und einem vierten Schalter (S2A),
- einem ersten Schaltungsknoten (P1), der mit einem ersten Anschluss der Pockelszelle (CP) verbindbar ist, und einem zweiten Schaltungsknoten (P2), der mit einem zweiten Anschluss der Pockelszelle (CP) verbindbar ist, wobei
- der erste Schaltungsknoten (P1) durch eine erste Leitung über den ersten Schalter (S1B) mit dem ersten elektrischen Potential (HV1) und durch eine zweite Leitung über den zweiten Schalter (S1A) mit dem zweiten elektrischen Potential (HV2) verbunden ist, und
- der zweite Schaltungsknoten (P2) durch eine dritte Leitung über den dritten Schalter (S2B) mit dem dritten elektrischen Potential (HV3) und über den vierten Schalter (S2A) mit dem vierten elektrischen Potential (HV4) verbunden ist, wobei
- das erste elektrische Potential (HV1) positiver als das zweite elektrische Potential (HV2) und das dritte elektrische Potential (HV3) positiver als das vierte elektrische Potential (HV4) ist, und wobei
- die Differenz zwischen dem ersten elektrischen Potential (HV1) und dem vierten elektrischen Potential (HV4) größer ist als die Differenz zwischen dem ersten elektrischen Potential (HV1) und dem zweiten elektrischen Potential (HV2), und dass
- die Differenz zwischen dem ersten elektrischen Potential (HV1) und dem vierten elektrischen Potential (HV4) größer ist als die Differenz zwischen dem dritten elektrischen Potential (HV3) und dem vierten elektrischen Potential (HV4)."
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag hat gegenüber Anspruch 1 gemäß Hauptantrag zusätzlich das Merkmal:
"und wobei die Ansteuerschaltung ferner konfiguriert ist, die vier Schalter (S1A, S1B, S2A, S2B) derart zu betreiben, dass eine von der Pockelszelle (CP) benötigte Schaltspannung (U) mit einer maximal möglichen Repetitionsrate (f) ein- und ausgeschaltet wird, wobei die maximal mögliche Repetitionsrate durch den maximal möglichen elektrischen Leistungsverbrauch an einem der Schalter (S1A, S1B, S2A, S2B) begrenzt wird."
am Ende des Anspruchs.
V. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden:
Vorlagefragen zur Entscheidung der Großen Beschwerdekammer
Die folgenden zwei Fragen sollten der Großen Beschwerdekammer zur Entscheidung vorgelegt werden:
a) Darf generell in Fällen einer behaupteten offenkundigen Vorbenutzung, in denen die Beweismittel ganz in der Sphäre des Einsprechenden liegen, die zuständige Beschwerdekammer das Kriterium des "Abwägens der Wahrscheinlichkeiten" anstelle der Kriterien der "absoluten Gewissheit" und dem "Prinzip der Lückenlosigkeit" anwenden?
b) Ist - unabhängig von der Antwort auf a) - auf den vorliegenden Fall bezogen das Vorbringen des Einsprechenden und Beschwerdegegners bezüglich des Zeugen Mr. Ian Crawford und der Offenkundigkeit des Inhalts des Dokuments A13 geeignet und ausreichend, um ein Offenkundigwerden des Dokuments A13 und des Moduls 828A-2 mit negativer Ausgangsspannung ganz oder teilweise festzustellen?
Gemäß ihrer vorläufigen Meinung, beabsichtige die Kammer von der gefestigten Rechtsprechung abzuweichen, da sie im vorliegenden Fall als Beweismaß das Abwägen der Wahrscheinlichkeiten in Betracht ziehe, obwohl alle Beweismittel in der Hand des Einsprechenden lägen. Stattdessen hätte das Kriterium der "absoluten Gewissheit" Anwendung finden sollen, mit der Folge, dass die Unstimmigkeiten zwischen den vorgelegten Beweismitteln nicht zur Annerkennung der Offenkundigkeit des Dokuments A13 durch die Kammer führen sollten. Selbst, wenn die Beweismittel nicht gänzlich in der Hand des Einsprechenden lägen, so läge doch ein Ungleichgewicht vor, da die Beschwerdeführerin selbst gar keinen Zugang zu Beweismitteln habe. Selbst dann wäre eine Abwägung der Wahrscheinlichkeiten nicht das angemessene Kriterium.
Offenkundigkeit des Dokumentes A13
An das Beweismittel A13 und die Aussagen von Ian Crawford seien höchste Anforderungen hinsichtlich des Beweismaßes zu stellen, da der "Zeuge" Ian Crawford, welcher der Präsident und Gründer der Firma Analog Modules Inc. ist, massives Interesse am Widerruf des Streitpatents habe. Seine Firma stelle nämlich ausweislich des Dokuments K8 Pockelszellentreiber her, die mutmaßlich das Streitpatent verletzten. Der Vortrag des Beschwerdegegners erfülle jedoch das hohe anzulegende Beweismaß der "absoluten Gewissheit" nicht.
Es liege kein eindeutiger Beleg vor, dass die beiden Seiten von A13 tatsächlich zusammengehörten. Der Beschwerdegegner habe die Seiten geschickt als Doppelseite vorgelegt, um ihre Zusammengehörigkeit zu suggerieren. Es sei jedoch nie ein Original vorgelegt worden, und es sei sehr leicht, für die Fotografie A30/2 ursprünglich nicht zusammengehörige Seiten als Vorder- und Rückseite eines einzelnen Blattes "zusammenzukopieren". Die Einspruchsabteilung habe elementare Regeln der Beweisführung missachtet, da das angeblich stimmige Seitenlayout, die Abwesenheit von inhaltlichen Überschneidungen und die Tatsache, dass auf beiden Seiten augenscheinlich vom selben Produkt die Rede sei, lediglich notwendige aber keine hinreichende Bedingung für die Zusammengehörigkeit der Seiten seien. Zudem sei die zweite, besonders entscheidende Seite mit dem Stempelaufdruck "obsolete", also "überholt" oder "nicht mehr in Gebrauch" versehen. Ein solcher Stempelaufdruck werde normalerweise auf der Vorderseite aufgebracht. Es handele sich allem Anschein nach bei den Modulen 828A, zumindest bei denjenigen mit negativer Ausgangsspannung, nur um eine kurzzeitige firmeninterne Entwicklung oder gar nur um ein Gedankenspiel, aber ein entsprechendes Produkt oder die zwei Seiten der A13 seien nie offenkundig geworden. Vielmehr seien die entsprechenden Entwicklungsversuche wegen mangelnden Erfolges und existierenden Produkten der Konkurrenz mit überlegenen Eigenschaften eingestellt worden. Die entsprechende, bereits gedruckte Seite 2 sei mit dem Stempelaufdruck "obsolete" versehen worden. Es existierten überdies technische Zweifel an der Existenz von Modulen mit negativer Ausgangsspannung. Sowohl der schematische Schaltkreis auf der zweiten Seite von A13, als auch die vorgelegte detaillierte Schaltung A26 seien technisch widersinnig. Ein negatives Modul benötige p-Typ MOSFETs als Schalter, die aber, anders als n-Typ MOSFETs, nicht in ausreichender Spannungsfestigkeit erhältlich gewesen seien.
Selbst wenn man annehme, die Seiten der A13 seien nicht nur "zusammenkopiert", bestünden weiterhin erhebliche Zweifel daran, dass ein ausweislich eines Datenblattes mit Stempelaufdruck "obsolete" im Jahr 1995 erhältliches Modul fünf Jahre später im Jahr der Veröffentlichung von A20 immer noch erhältlich gewesen sei.
Des Weiteren gehe aus der A26, dem angeblichen Schaltplan der Module 828A und 827 hervor, dass es auch ein Modul 827 mit 3kV Ausgangsspannung gegeben habe. Daher liege es nahe, dass es auch ein Modul 828A mit 4kV Ausgangsspannung gegeben habe, welches die Autoren von A20 als "push-pull" Schalter bezeichnet haben könnten. Die Existenz von Modulen 828A mit 4 kV werde durch die Anlagen K10 und K11 bewiesen. Diese belegten, dass bei einer Auktion auf der Auktionsplattform Ebay ein Modul 828A zur Ansteuerung einer QX 1020 Pockelszelle von Cleveland Crystals aus der Triggerschaltung eines "Cynosure Tattoo Laser" angeboten wurden. Typisch für den benannten Laser sei eine Wellenlänge von 755nm oder 1064nm Wellenlänge, wofür Viertelwellenspannungen von 2.8kV oder 4kV erforderlich seien.
Die eidesstattliche Erklärung von Ian Crawford, eingereicht als A25, könne die schwerwiegenden Zweifel an der Darstellung des Beschwerdegegners nicht zerstreuen. Die Aussagen von Ian Crawford seien wahrscheinlich bewusst schwammig gehalten. Dass keine Verkaufsnachweise vorgelegt worden seien, belege nur, dass es diese nicht gebe. Der Verweis in A25 auf den Schaltplan gemäß Anlage A26 belege ebenso wenig die Existenz eines Moduls 828A-2 mit negativer Ausgangsspannung, denn es ginge aus A26 nicht hervor, wie der Kaskadengleichrichter, dessen Polarität zwar leicht durch Umkehrung der Polarität der einzelnen Dioden umkehrbar sei, mit passend hoher Wechselspannung versorgt werden solle, noch wie die Ausgangspannung dieses Gleichrichters geregelt oder stabilisiert werden solle. Laser mit höheren Repetitionsraten seien erst ab 2005 auf den Markt gekommen, so dass die Firma Analog Modules überdies keinen Anlass gehabt hätte, Schalter für höhere Repetitionsraten, wie die patentgemäße Brückenschaltung, mit negativen Modulen, zu entwickeln.
Erfinderische Tätigkeit des Hauptantrages
Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag beruhe gegenüber den Dokumenten A20 und A13 auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die Kombination der Dokumente führe schon deshalb nicht zum Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, weil es Module 828A mit negativer Ausgangsspannung nicht gegeben haben. Des Weiteren gingen aus dem Dokument A13 die beanspruchten Potenziale nicht hervor. Das Gleiche gelte für die Skizze A23 des Beschwerdegegners oder den Schaltplan A26.
Da es negative Module 828A-2 nicht gegeben habe, könne die Schrift A20 nicht im Sinne des Beschwerdegegners verstanden werden. Zunächst sei anzumerken, dass der Beschwerdegegner und Ian Crawford den Begriff push-pull Schalter so benützten, als sei damit eine anspruchsgemäße Brückenschaltung gemeint. Die fachübliche Verwendung bezeichne aber lediglich eine Schaltung mit einem High- und einen Low-Schalter, wie sie in der Anlage K1 der Beschwerdeführerin selbst, oder K3 der Firma Behlke skizziert sei. (Die weiteren Beweismittel K4 bis K7 sind für die Frage nicht von Bedeutung und daher in der Darstellung des Sachverhalts nicht eigens identifiziert.) Damit müsse die A20 so verstanden werden, dass deren Autoren - in fachüblicher Weise - die einzelnen Module 828A-1 mit positiver Ausgangsspannung selbst als "push-pull" Schalter bezeichnet hätten. Mit diesem Verständnis wären ausgehend von A20 die im Nachfolgenden dargelegten Möglichkeiten gegeben 4kV Ausgangsspannung zu erreichen, die alle naheliegender gewesen seien, als eine anspruchsgemäße Brückenschaltung.
Zunächst hätten die Autoren von A20 mit ihrer Aussage möglicherweise zwei Schalter mit 4kV Ausgangsspannung gemeint. Solche Schalter mit 4kV müssten unter der Seriennummer 828A von der Firma Analog Modules erhältlich gewesen sein, wie die Dokumente K10 und K11 bewiesen. Außerdem bestätige Ian Crawford in A30/1, dass sein Unternehmen auch Sonderanfertigungen hergestellt habe. Die Autoren der A20 hätten sich zunächst für Schalter der amerikanischen Firma Analog Modules entschieden, da sie an einer amerikanischen Universität forschten, obwohl bessere Schalter von der Firma Behlke erhältlich gewesen seien. Da die Anstiegszeit eines einzelnen Schalters 828A mit ausreichender Spannungsfestigkeit von 4kV zu schlecht gewesen sei, habe man zwei Schalter mit 4kV Ausgangsspannung parallel geschaltet, was die Anstiegszeit verbessere.
Als zweitwahrscheinlichste Möglichkeit, und damit naheliegender als die anspruchsgemäße Brückenschaltung, sei es gewesen, zwei identische "push-pull Schalter" mit +2kV in Reihe zu schalten, wie in K9 gezeigt.
Eine weitere Möglichkeit sei eine Spannungsver-dopplerschaltung zweier identischer "push-pull-Schalter" gemäß K13 gewesen.
Eine anspruchsgemäße Brückenschaltung mit zwei unterschiedlichen Modulen biete vor dem Hintergrund der A20 gegenüber den eben genannten Varianten überhaupt keinen Vorteil, da es in A20 nicht um die streitpatentgemäße Aufgabe einer hohe Repetitionsrate bei gleichzeitiger Verringerung des Leistungsverbrauchs ginge.
Zulässigkeit des Hilfsantrages
Der Hilfsantrag solle von der Kammer im Verfahren berücksichtigt werden. Die Einspruchsabteilung habe den Beteiligten zunächst eine für die nun beschwerdeführende Patentinhaberin günstige vorläufige Meinung mitgeteilt, diese dann aber mit Mitteilung vom 3. Januar 2017 erst sehr kurz vor der mündlichen Verhandlung vom 12. Januar 2017 auf der Grundlage der Dokumente A20 und A13 geändert. Die beschwerdeführende Patentinhaberin habe damals zwar vorsichtshalber die damaligen Hilfsanträge 1 und 2 vorbereitet und eingereicht, jedoch sei die Zeit zu kurz gewesen, um den vollen Offenbarungsgehalt des Streitpatents auszuschöpfen.
Erfinderische Tätigkeit des Hilfsantrages
Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag beruhe gegenüber den Dokumenten A20 und A13 auf einer erfinderischen Tätigkeit. Selbst wenn man davon ausginge, dass der Fachmann A20 und A13 kombiniert hätte, und so zur Schaltung gemäß Anspruch 1 des Hauptantrages gekommen wäre, so wäre doch der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrages immer noch nicht nahegelegt gewesen. Die Anregung ausgehend von A20 bestünde lediglich darin, die Ausgangsspannung zu erhöhen. Ausweislich der "Description" von A13 sei das Ziel einer push-pull Schaltung ebenfalls lediglich die Ausgangsspannung zu erhöhen. Das Anwendungsgebiet beider Schriften seien Güteschalter für Laser. Bei solchen Schaltern käme es nur auf eine kurze Anstiegszeit, nicht jedoch auf eine hohe Repetitionsrate an. Daher habe der Fachmann auf der Grundlage der A20 und der A13 keinerlei Veranlassung gehabt, sich mit der Erhöhung der Repetitionsrate zu befassen.
VI. Die für die Entscheidung relevanten Argumente des Beschwerdegegners können wie folgt zusammengefasst werden:
Vorlagefragen zur Entscheidung der Großen Beschwerdekammer
Eine Vorlage von Rechtsfragen zur Entscheidung der Großen Beschwerdekammer sei nicht gerechtfertigt. In der vorliegenden Konstellation läge gar nicht der Fall einer angeblich offenkundigen Vorbenutzung vor. Vielmehr stütze der Beschwerdegegner seine Einwände auf Dokumente mit Veröffentlichungsdaten, insbesondere Dokument A13. Es ginge vorliegend also nur darum zu entscheiden, ob Dokument A13 zum Stand der Technik gehöre. Selbst wenn man den Fall als offenkundige Vorbenutzung betrachten möchte, lägen die Beweismittel im vorliegenden Fall nicht allein in der Hand des Beschwerdegegners.
Offenkundigkeit des Dokumentes A13
Das Dokument A13 sei offenkundig gewesen. Wegen der angefochtenen Zusammengehörigkeit der Seiten von A13 werde auf die Begründung der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Des Weiteren werde auf die Fotografie A30/2 Bezug genommen, welche das Datenblatt A13 in einem geknickten Zustand zeige. Auch diese Fotografie belege, dass die beiden Seiten von A13 zusammengehörten. Der Stempelaufdruck "obsolete" sei erst vor wenigen Jahren aufgebracht worden, um für den internen Gebrauch zu markieren, dass die Serie 828A nicht mehr vertrieben werde. Sie sei aber in der Vergangenheit erhältlich gewesen. Zur Erhältlichkeit von Modulen mit negativer Ausgangsspannung, sei zu bemerken, dass es überhaupt keinen Zweifel hieran gebe. Des Weiteren käme es auf eine Erhältlichkeit des eigentlichen Produktes nicht an, sondern nur auf die Lehre des Dokuments A13 und dessen Offenkundigkeit.
Erfinderische Tätigkeit des Hauptantrages
Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber den Dokumenten A20 und A13. Gemäß A13 seien zwei Varianten der Module 828A erhältlich gewesen, ein Modul 828A-1 mit positiver Ausgangsspannung und ein Modul 828A-2 mit negativer Ausgangsspannung. Jede Variante des Treibers 828A umfasse gemäß A13 eine Halbbrücke mit zwei Schaltern. Die Schalter würden wechselseitig geschaltet, um die unter dem Schaltbild gezeigten Pulse zu erzeugen. Dokument A20 beschreibe in dem Absatz unter Figur 1, dass zwei gepulste Treiber vom Modell 828A in einer Push-/Pull-Konfiguration verwendet worden seien, wobei Spannungen von bis zu 3.8kV erreicht worden seien. Dokument A23 zeige ein vom Beschwerdegegner angefertigtes Schaltbild, in dem die beiden Halbbrücken-Varianten der Serie 828A zu einer Vollbrücke kombiniert worden seien. Auf der linken Seite befinde sich dabei die positive Variante (828A-1) und auf der rechten Seite die negative Variante (828A-2). Schließe man nun eine Pockelszelle zwischen die beiden dafür vorgesehenen Anschlüsse "HV Pulse", erhalte man genau die in Figur 2 des Streitpatents dargestellte Schaltung. Die Beschwerdeführerin lege mit den Anlagen K9, K12 und K13 verschiedene Versionen von Ansteuerschaltungen vor, die jeweils mit zwei identischen Modulen 828A mit positiver Ausgangsspannung aufgebaut seien. Diese stellten angeblich naheliegendere Alternativen zu der Verschaltung gemäß Dokument A23 dar, die ein Fachmann angeblich anstelle der Verschaltung von Dokument A23 gewählt hätte. Die dort gezeigten Schaltungen seien alle weitaus komplizierter als die Dokument A13 zufolge bestimmungsgemäße Zusammenschaltung zweier Module mit unterschiedlichen Ausgangsspannungen. Bezüglich des Postulats der Beschwerdeführerin auf Basis der Dokumente K10 und K11 die Existenz von Modulen mit 4kV betreffend, sei zu erwähnen, dass Pockelszellen, wie in A20 bestätigt, nicht unbedingt die volle Viertelwellenspannung bereitstellen müssten, um als Güteschalter zu arbeiten.
Zulässigkeit des Hilfsantrages
Der Hilfsantrag solle von der Kammer im Verfahren unberücksichtigt bleiben, denn die Beschwerdeführerin habe im erstinstanzlichen Verfahren bereits ausreichend Möglichkeiten gehabt ihn vorzulegen. Mit ihm werde ein völlig neuer Gegenstand erstmalig im Beschwerde-verfahren zur Prüfung vorgelegt.
Erfinderische Tätigkeit des Hilfsantrages
Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Das hinzugefügte Merkmal beschreibe lediglich eine spezielle Betriebsart der Ansteuerschaltung, bei der die Schaltung "am Limit" betrieben werde, wobei sich wenigstens einer der Schalter im Bereich des maximalen möglichen elektrischen Leistungsverbrauchs befinde. Prinzipiell könne jede Vollbrückenschaltung mit maximaler Repetitionsrate betrieben werden. Der Fachmann könne je nach Anforderungen des Laseraufbaus selbstverständlich verschiedene Repetitionsraten einstellen und, sofern gewünscht, auch eine maximale Repetitionsrate wählen. Letztere sei dann naturgemäß auch durch den maximalen elektrischen Leistungs-verbrauch der Schalter begrenzt.
1. Zulässigkeit der Beschwerde
Die Beschwerde erfüllt die Anforderungen der Artikel 106 und 108 EPÜ, sowie der Regel 99 EPÜ. Sie ist daher zulässig.
2. Vorlage von Rechtsfragen zur Entscheidung der Großen Beschwerdekammer
2.1 Die Kammer weist den Antrag der Beschwerdeführerin zurück, der Großen Beschwerdekammer die in Punkt V. des Sachverhalts wiedergegebenen Rechtsfragen zur Entscheidung vorzulegen.
2.2 Gemäß Artikel 112 (1) a) EPÜ, befasst die Beschwerdekammer, bei der ein Verfahren anhängig ist, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung oder wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten die Große Beschwerdekammer, wenn sie hierzu eine Entscheidung für erforderlich hält.
Die Vorlagefragen erfüllen diese Voraussetzungen aus folgenden Gründen nicht.
2.3 Selbst wenn im vorliegenden Fall der in Frage stehende Stand der Technik eine offenkundige Vorbenutzung wäre und kein schriftlicher Stand der Technik, würden in der vorliegenden Fallkonstellation nicht alle Beweismittel allein in der Hand eines Beteiligten liegen. Der Beschwerdegegner hat als Beweismittel für seinen Vortrag eine allgemein zugängliche wissenschaftliche Veröffentlichung, das Dokument A20, und ein Datenblatt zu einem Produkt der Firma Analog Modules, Dokument A13, vorgelegt. Dass der Beschwerdegegner mit der Firma Analog Modules in irgendeiner Form in Verbindung stünde, ist anhand der vorliegenden Dokumente weder ersichtlich, noch wurde dies von der Beschwerdeführerin vorgetragen oder belegt.
Es ist zutreffend, dass die Firma Analog Modules eine Konkurrentin der Beschwerdeführerin ist, da beide Treiberschaltungen für Pockelszellen verkaufen. Da davon auszugehen ist, dass die Firma Analog Modules eher einen Vorteil vom Widerruf des Streitpatents hat, mag der Zugang zu gewissen Beweismitteln für den Beschwerdegegner leichter sein, als für die Beschwerdeführerin. Allerdings ist der Vortrag der Beschwerdeführerin, sämtliche Beweismittel lägen allein in der Hand des Beschwerdegegners, unzutreffend. Auch dieser erhält, wie der Email-Wechsel A30-1 beispielhaft zeigt, die Beweismittel auf Anfrage von der Firma Analog Modules. Darüber hinaus ist die Kammer auch nicht davon überzeugt, dass die Beschwerdeführerin gar keine Möglichkeit hat, Beweismittel beizubringen. So war die Beschwerdeführerin beispielsweise in der Lage, im Internet eine Auktion zu ermitteln, siehe Dokumente K10 und K11, bei der eine Ansteuerung eines Lasers angeboten wurde, welche ein Modul 828A der Firma Analog Modules umfasst, weil sie damit ihre Vermutung stützen will, dass es auch Module mit 4kV Ausgangsspannung gegeben habe. Ebenso wäre sie nicht gehindert gewesen, ihre Mutmaßung über angeblich patentverletzende Treiberschaltungen der Firma Analog Modules durch Erwerb solcher Treiberschaltungen zu überprüfen.
Da im vorliegenden Fall die Beweismittel nicht allein in der Hand des Einsprechenden und Beschwerdegegners liegen, steht eine freie Beweiswürdigung mit Abwägung der Wahrscheinlichkeiten unter Berücksichtigung aller Umstände nicht im Widerspruch zur gefestigten Rechtsprechung. Im Gegenteil würde die Anwendung des Kriteriums der "absoluten Gewissheit" und des Prinzips der Lückenlosigkeit unter diesen Umständen nicht der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern entsprechen. Daher ist die erste vorgelegte Rechtsfrage nicht zur Wahrung einheitlicher Rechtsprechung erforderlich.
Insofern die Beschwerdeführerin argumentiert, die Kammer wäge die Umstände des Einzelfalles nicht korrekt gegeneinander ab, läge keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, sondern diese wäre nur für den vorliegenden Einzelfall von Bedeutung.
2.4 Letzteres gilt auch für die zweite Vorlagefrage. Sie ist in so offensichtlicher Weise nur für den vorliegenden Einzelfall von Bedeutung, dass hier eindeutig nicht eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt, die sich für eine Vielzahl anhängiger Verfahren stellen könnte.
3. Offenkundigkeit der beiden Seiten des Dokumentes A13
3.1 Die Kammer ist zu dem Schluss gekommen, dass die beiden als A13 vorgelegten Seiten Teil desselben Dokuments sind und zum Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ gehören.
3.2 Augenscheinlich und nach Angabe des Beschwerdegegners handelt es sich bei den Seiten des Dokuments A13 um ein Datenblatt für ein Produkt der Firma Analog Modules, nämlich für einen Pockelszellentreiber mit der Modelbezeichnung 828A.
3.3 Nach Auffassung der Kammer sprechen für die Zusammengehörigkeit und Offenkundigkeit der beiden Seiten von A13 die folgenden Gründe:
Für die Kammer ist der überzeugendste Grund für die Offenkundigkeit von Dokument A13 der indirekte Beweis durch das Dokument A20.
Das Dokument A20 ist eine wissenschaftliche Publikation aus dem Jahr 2000. Auf Seite 289, letzter Absatz des Abschnitts 2, heißt es:
"The BBO Pockels cell was driven with two pulsed drivers (Analog Modules Model 828A) used in a push/pull configuration. These delivered voltages up to 3.8 kV."
Es ist für die Kammer ersichtlich, und nichts Gegenteiliges wurde vorgetragen, dass die Autoren von A20 beim Abfassen der Publikation circa neun Jahre vor dem Anmeldetag des Streitpatents keinerlei Interesse am Ausgang des vorliegenden Verfahrens hätten haben können. Des Weiteren sind die Autoren von A20 Wissenschaftler. Es ist davon auszugehen, dass die Autoren von A20 im Einklang mit guter wissenschaftlicher Praxis korrekt über die Details der experimentellen Apparatur, hier insbesondere die Anzahl und Bezeichnung verwendeter Geräte, berichten.
Die Angaben aus A20 bestätigen, dass Pockelszellentreiber mit der Bezeichnung 828A von der Firma Analog Modules im Jahr 2000 öffentlich zugänglich waren. Daher folgt für die Kammer, dass auch etwaige zugehörige Datenblätter wie das Dokument A13 mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit öffentlich zugänglich waren.
Die Aussagen aus A20 decken sich auch inhaltlich mit denen des Dokuments A13. Zunächst wird auch dort offenbart, dass es sich bei den Modulen 828A um Pockelszellentreiber handelt, siehe Titel, die laut dem Kästchen am unteren Rand der ersten Seite insbesondere als Güteschalter für Laseranwendungen gedacht sind. Dies ist genau die Anwendung der A20, in welcher es um den Aufbau eines gütegeschalteten Er:Yb:Glass Lasers geht. Des Weiteren wird in A20 angegeben, dass zwei Treiber zu einer "push-pull configuration" verschaltet werden, die eine Spannung von 3.8kV bereitstellt. Dies deckt sich nach Auffassung der Kammer mit der Angabe aus A13, dass es Module 828A-1 mit +2kV, und 828A-2 mit -2kV Ausgangsspannung gab, siehe erste Seite, Abschnitt "Specifications", rechte Spalte, und weiterhin mit der Angabe, dass sich die Serie 828A laut der ersten Seite, Abschnitt "Description", für die Anwendung als push-pull-Schaltung eignet, um die Ausgangsspannung zu erhöhen.
Nach Auffassung der Kammer bezeichnet der Fachmann mit dem Begriff "push-pull"-Schaltung ein Schaltung, die die Fähigkeit hat, an eine Last Spannungen mit unterschiedliche Polarität anzulegen. Das Dokument K3, ist ein Datenblatt für Pockelszellentreiber der Firma Behlke, siehe Seite 3, rechte Spalte erster Absatz, welches auf Seite 1, rechte Spalte Kasten "HTS-31-GSM" eine push-pull Schaltung schematisch zeigt, welche hier reproduziert wird.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK |
Reproduktion einer Abbildung aus K3|
Diese Skizze stützt das Verständnis der Kammer. Es ist erkennbar, dass auch hier eine positive Spannung +HV und eine negative Spannung -HV an eine Pockelszelle angelegt wird. Allerdings bemerkt die Kammer, dass in K3 die Treiber insgesamt als push-pull Treiber bezeichnet werden. Gemäß dem untersten Kasten auf Seite 3, soll dieser Begriff in K3 ganz verschiedene Möglichkeiten umfassen, wie Spannungspulse mit unterschiedlicher Polarität an eine Last angelegt werden können. K3 zeigt also auch, dass der Begriff push-pull mit einer gewissen Breite verwendet wird. Die Dokumente K4 bis K7 sind nicht von Bedeutung, da sie das Gesagte weder widerlegen noch bestätigen.
Mit dem von der Kammer als fachüblich eingestuften Verständnis erschließt sich, dass zwei Module 828A mit +2kV und -2kV in einer push-pull Schaltung wie in A20 angegeben in etwa 4kV Spannung für die Pockelszelle liefern sollten, was gut mit den in A20 angegebenen 3.8kV vereinbar ist. Kleinere Verluste in der Größenordnung von 5% dürften hier nicht überraschen.
Die beiden als A13 vorgelegten Seiten betreffen augenscheinlich beide dasselbe Produkt, nämlich die Module 828A-1 und -2. Es gibt keine für die Kammer erkenntlichen Unstimmigkeiten hinsichtlich des Layouts. Die erste Seite von A13 zeigt eine unternehmenstypische Gestaltung, welche auf der zweiten Seite nicht zu finden ist. Dies ist aber nach der Erfahrung der Kammer generell für Datenblätter nicht untypisch. Insbesondere zeigt das vom Beschwerdegegner eingereichte Dokument A14, ein weiteres Datenblatt der Firma Analog Modules, das gleiche Layout wie A13.
Nach Ansicht der Kammer ergänzen sich die Texte auf beiden Seiten, sie sind konsistent und es gibt keine inhaltlichen Redundanzen, wie etwa textliche Wiederholungen, die darauf hindeuten könnten, dass die Seiten nicht Teil desselben Dokumentes sein könnten.
Dokument A13 trägt auf dem unteren Rand der ersten Seite das Datum "05/95". Auch diese Datumsangabe ist in den Augen der Kammer stimmig mit dem Veröffentlichungs-datum des Dokuments A20 im Jahr 2000 (siehe unten). Es entspricht durchaus der Erfahrung, dass spezialisiertes Laserzubehör wie die genannten Pockelszellentreiber aufgrund der Entwicklungsdauer und der sich eher langsam ändernden Anforderungen an solche Produkte über einen Zeitraum von fünf Jahren erhältlich sind, bevor sie durch Folgeprodukte ersetzt werden. In dieser Hinsicht kann auch der Stempelaufdruck "obsolete" auf der zweiten Seite von A13 keine ernsthaften Zweifeln an der Offenkundigkeit begründen, denn das Dokument A13 wurde im November 2012 im Rahmen des Einspruchs eingereicht. Dass das Produkt 828A mindestens fünf Jahre aber nicht 17 Jahren auf dem Markt erhältlich gewesen sein soll, erscheint der Kammer für das technische Gebiet üblich und gibt keinen Anlass zu Zweifeln.
3.4 Die durch die Beschwerdeführerin am Vortrag des Beschwerdegegners geltend gemachten Zweifel und Unstimmigkeiten zwischen den Beweismitteln erschüttern in den Augen der Kammer die Glaubwürdigkeit des Vortrages nicht.
3.4.1 Hinsichtlich der Aussagen des Herrn Ian Crawford gemäß Affidavit in Dokument A25, stellt die Kammer zunächst richtig, dass Herr Ian Crawford zwar im Einspruchsverfahren als Zeuge angeboten war, dieses Angebot dann jedoch zurückgezogen wurde. Er ist also kein Zeuge im vorliegenden Einspruchs- oder Beschwerdeverfahren im Sinne des Artikels 117 1) d) EPÜ.
3.4.2 Die Beschwerdeführerin stützt ihren Vortrag maßgeblich auf ein angebliches massives Interesse des Herren Ian Crawford am Widerruf des Streitpatents. Die Kammer kann der Beschwerdeführerin zwar insofern zustimmen, als dass Herr Crawford Präsident einer konkurrierenden Firma ist. Damit müssen seine Aussage im Rahmen der Beweiswürdigung mit einem angemessen kritischen Blick bewertet werden. Das unterstellte massive Interesse am Widerruf wurde hingegen nicht zur Zufriedenheit der Kammer substantiiert. Die Beschwerdeführerin übersieht, dass die Firma Analog Modules oder Herr Crawford selbst nicht einmal einen eigenen Einspruch gegen das Streitpatent eingelegt haben. Für die Mutmaßung, die Firma Analog Modules stelle Geräte her, die das Streitpatent verletzten, legte die Beschwerdeführerin keinerlei Nachweis vor, obwohl gerade ein solcher Nachweis, durch Erwerb und Überprüfung in Verdacht stehender Treiberschaltungen, in ihrer Macht gestanden hat. Die Kammer bemerkt überdies, dass die Beschwerdeführerin ein ähnliches wirtschaftliches Interesse am Fortbestand des Streitpatents haben dürfte wie der Beschwerdegegner oder Herr Crawford am Widerruf.
3.4.3 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin lassen sich
- die fehlende Vorlage eines Originals von A13,
- stattdessen die Vorlage einer leicht zu manipulierenden Fotografie des angeblich geknickten Originals A30-2,
- das Schweigen des Beschwerdegegners zu den Vorwürfen gegen Ian Crawford
- die fehlende Bereitschaft zur Zeugenaussage von Ian Crawford,
- seine ausweislich Dokument A30-1 fehlende Bereitschaft, über die bloße Ankündigung hinaus Testverfahren und Verkaufsaufzeichnungen bereitzustellen, und
- die in der Bewertung der Beschwerdeführerin bewusst schwammig gehaltenen Formulierungen im Affidavit A25
mit dem von ihr postulierten massiven Interesse Ian Crawfords und ihrer Theorie erklären, dass es wahlweise kein Original von A13 gibt, oder dass dessen Vorlage klar zutage treten lassen würde, dass A13 nie offenkundig wurde, oder die Seiten nicht zusammengehörten, oder dass es keine Verkaufsaufzeichnungen gibt und dass Herr Crawford bewusste Falschaussagen in einer eidesstattlichen Erklärung vermeiden möchte.
Dies sind nach Auffassung der Kammer lediglich Mutmaßungen, für die die Beschwerdeführerin im Verfahren auch trotz expliziter Nachfrage in der mündlichen Verhandlung überzeugende Nachweise schuldig geblieben ist. Nach Auffassung der Kammer lassen sich einige der oben genannten Punkte auch mit einem relativ geringen Interesse von Ian Crawford am Ausgang des Verfahrens und der nachvollziehbaren Zögerlichkeit, einer Konkurrentin Einblick in Verkaufszahlen oder Schaltpläne zu gewähren, erklären.
Jedoch konzediert die Kammer zu Gunsten der im Ergebnis unterlegenen Beschwerdeführerin, dass das Dokument A25, und die Fotografie A30-2, sowie die Email A30-1 eine sehr geringe Beweiskraft haben, und lässt diese Beweismittel insoweit außer Acht, wie sie den Vortrag des Beschwerdegegners stützen könnten.
Die Kammer kann der Beschwerdeführerin allerdings eindeutig nicht hinsichtlich der Schlussfolgerungen zustimmen, die sie aus den oben genannten Aspekten ziehen will. Keiner der oben genannte Punkte ist geeignet zu belegen, dass Herr Ian Crawford so weit gehen würde, falsche Aussagen zu machen (wie die Behauptung der Existenz eines in Wirklichkeit nie existierenden Moduls mit negativer Ausgangsspannung) und diese durch gefälschte Beweismittel (wie die Vorlage eines in Wirklichkeit nie offenkundig gewordenen zusammenkopierten Datenblattes) untermauern zu wollen.
3.4.4 Die Beschwerdeführerin beanstandet, dass die Einzelbetrachtungen der Einspruchsabteilung hinsichtlich des Seitenlayouts und des inhaltlich stimmigen Inhalts ohne Überschneidungen die elementaren Regeln der Beweisführung verletzten, da es sich um notwendige, jedoch keine hinreichenden Voraussetzungen handele.
Die Beschwerdeführerin verkennt hierbei, dass die Einspruchsabteilung ihre Schlussfolgerungen auf eine Gesamtbetrachtung aller vorgebrachten Tatsachen und Beweise gestützt hat und nicht auf die beanstandeten Einzelbetrachtungen alleine. Damit wendet sich die Beschwerdeführerin aber gegen ein Strohmann-Argument, auf das die Einspruchsabteilung ihre Schlussfolgerung gar nicht gestützt hat. Die Kammer stimmt der Einspruchsabteilung insofern zu, dass die genannten Punkte die Richtigkeit der Aussagen bezüglich einer Zusammengehörigkeit der Seiten und Offenkundigkeit von A13 stützen.
3.4.5 Die Erklärungsversuche bezüglich des Stempelaufdrucks "obsolete" durch die Beschwerdeführerin überzeugen die Kammer ebenfalls nicht. Sie sieht es als höchst unwahrscheinlich an, dass Unternehmen Datenblätter bereits drucken lassen, bevor die zugehörigen Produkte fertig entwickelt sind. Hierbei handelt es sich nach Auffassung der Kammer nicht um vernünftige Zweifel. Die Ausführung bezüglich des zeitlichen Abstandes hat die Kammer weiter oben unter Punkt 3.3 schon aufgegriffen und für nicht überzeugend befunden. Aus der Tatsache, dass der Stempelaufdruck auf der Rück- anstelle der Vorderseite aufgebracht ist, lässt sich nach Auffassung der Kammer keinerlei zuverlässiger Schluss ableiten. Es würde die Kammer zumindest nicht überraschen, wenn ein kleines und mittleres Unternehmen wie Analog Modules für das Archivieren von ausrangierten Datenblättern keinen großen Aufwand betreibt. Zudem scheint die Vorderseite weniger Platz für den besagten Stempelaufdruck zu bieten als die Rückseite. Überdies ist auch auf der ersten Seite von A13 von den Modulen 828A-2 mit negativer Ausgangsspannung die Rede. Das Argument, der Stempelaufdruck auf der zweiten Seite belege, dass es negative Module nicht gegeben habe, ist also nicht schlüssig.
Auch die Mutmaßung der Beschwerdeführerin, die Produktlinie 828A sei nicht auf den Markt gebracht worden, da bereits zum damaligen Zeitpunkt Schalter mit besseren Leistungscharakteristiken auf dem Markt waren, erscheint der Kammer sehr wenig überzeugend. Die Behauptung bezüglich einer mangelhaften Leistungscharakteristik der Analog Modules Treiber wird ohne jeglichen Beleg präsentiert. Die Annahme, ein Unternehmen gebe eine ganze Produktlinie auf, weil die Konkurrenz bessere Produkte anbiete, ist lebensfremd.
3.4.6 Ebenso wenig sind die Behauptungen der Beschwerdeführerin überzeugend, es sei unmöglich gewesen, Module 828A-2 mit negativer Ausgangsspannung herzustellen. Diese Behauptung fußt auf der unbelegten Behauptung, die für Module mit negativer Ausgangsspannung benötigten p-Kanal MOSFETs seien in ausreichender Spannungsfestigkeit nicht erhältlich gewesen. Dies würde nämlich auch für die anspruchsgemäßen Schalter gelten, ebenso wie für die push-pull Schalter der Firma Behlke gemäß K3. Dort jedoch zweifelt die Beschwerdeführerin aber in inkonsistenter Weise nicht die Machbarkeit solcher Schalter an.
3.4.7 Die Ausführungen der Beschwerdeführerin bezüglich A26 sind für den vorliegenden Fall unbedeutsam. Offensichtlich stellt A26 nur einen Ausschnitt aus dem Gesamtschaltplan dar. In den gezeigten Aspekten ist er mit der schematischen Schaltskizze aus A13 übereinstimmend. Auch hier erklärt die Beschwerdeführerin nicht in nachvollziehbarer Weise, wieso die Schaltung nicht funktionieren solle, sondern bemängelt, dass für den Vortrag völlig unrelevante Details wie die Wechselspannungsversorgung und -stabilisierung nicht im Detail gezeigt seien. Hier bemerkt die Kammer nochmals, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um eine Mitbewerberin der Firma Analog Modules handelt. Dass letztere unter diesen Umständen nicht freimütig mehr Details ihrer Produkte herausgibt, kann ihre Glaubwürdigkeit nicht beschädigen.
3.4.8 Die Behauptungen der Beschwerdeführerin bezüglich der Aussagen aus A20 überzeugen die Kammer noch weniger. Nach Ansicht der Beschwerdeführerin hätten die Autoren von A20 - nach Auffassung der Kammer guter wissenschaftlicher Praxis folgende Wissenschaftler - ihre ursprüngliche Aussage in der wissenschaftlichen Publikation A20 unverändert gelassen, obwohl sie zunächst zwei 828A Module benutzen wollten, dies aber wegen angeblicher mangelhafter Anstiegszeiten verworfen hätten. Sodann hätten sie, entgegen der unmissverständlichen Aussage in A20, dass eine "push-pull configuration" mit zwei 828A Modulen verwendet wurde, eine Parallelschaltung zweier Module mit 4kV Ausgangsspannung ausprobiert, um akzeptable Anstiegszeiten zu erreichen. Alternativ hätten die Autoren angeblich ein oder mehrere Module mit 4kV Ausgangsspannung verwendet, und wiederum dennoch in A20 von einer "push-pull configuration" gesprochen. Dieser Erklärungsversuch beruht auf so vielen unbelegten Annahmen, dass er die Kammer nicht überzeugt.
Die Behauptung, die Autoren von A20 würden von einer "push-pull configuration" zweier 828A Module sprechen, wenn sie in Wirklichkeit die Parallelschaltung einer Spezialanfertigung eines solchen Moduls oder ein anderes Serienmodul benutzt haben, das die geforderte Ausgangsspannung erreichen kann, scheint aus der Luft gegriffen, so dass der entsprechende Vortrag schon in seiner Prämisse scheitert. Vielmehr stehen die Aussagen der Autoren von A20 über die Modellbezeichnung, die Anzahl der verwendeten Modelle und die Verwendung einer push-pull Konfiguration für die Kammer außer Frage.
3.4.9 Der Erklärungsversuch der Beschwerdeführerin, die Autoren von A20 hätten angeblich mit "push-pull configuration" die einzelnen Module 828A für sich genommen bezeichnet, kann die Kammer auch nicht überzeugen. Dieser Erklärungsversuch lässt sich schon nicht mit dem eindeutigen Wortlaut der A20, nach dem die Pockelszelle mit zwei gepulsten Treibern in push-pull Konfiguration betrieben wurde, in Einklang bringen. ("The BBO Pockels cell was driven with two pulsed drivers (Analog Modulus Model 828A) used in a push/pull configuration.") Das Wort "configuration" kann nicht als Schalter oder Treiber übersetzt werden, sondern bezieht sich eindeutig auf die Zusammenschaltung zweier Module.
Dieser Erklärungsversuch verkennt darüber hinaus auch den Unterschied im Aufbau der Module 828A und dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Diagramm K1, welches angeblich zeige, was im fachüblichen Sprachgebrauch ein "push-pull Schalter" sei.
Zunächst sieht die Kammer die von der Beschwerdeführerin vorgelegte und im Folgenden reproduzierte Skizze K1 nicht als Beleg dafür, dass der Fachmann unter dem Begriff push-pull ausschließlich die dort dargestellte Schaltung verstehen würde, sondern lediglich als eine mögliche Ausführungsart einer
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Reproduktion der Skizze K1 der Beschwerdeführerin zur Bedeutung des Begriffes "push-pull Schalter".|
solchen push-pull-Schaltung. Diese Schaltung ist insofern im Einklang mit dem Verständnis des Begriffes push-pull der Kammer, als dass auch in K1 eine positive und eine negative Spannung an die Pockelszelle angelegt wird.
Im Gegensatz zu der Schaltskizze gemäß K1 wird bei den Modulen 828A-1 oder -2 gemäß A13 für sich genommen eine positive beziehungsweise negative Spannung über zwei Schalter gegenüber der Signal-Erdung und nicht gegenüber einer Spannung mit entgegengesetzter Polarität -HV angelegt, siehe die weiter unten reproduzierte Schaltskizze der A13. Jedes Modul 828A für sich genommen stellt also keine positive und negative Spannung bereit, sondern entweder nur eine positive oder eine negative Spannung. Die einzelnen Module selbst können also nicht als ein "push-pull" Treiber bezeichnet werden, da der Aspekt des Anlegens zweier Spannungen entgegengesetzter Polarität durch sie nicht verwirklicht wird. Dies ist im Einklang mit dem von der Beschwerdeführerin vorgelegten Beweismittel K3.
Die Beschwerdeführerin versäumt es überdies darzulegen, wieso ausweislich des Schaltplans A26 die Module mit 2kV Ausgangsspannung die Serienbezeichnung 828A tragen und die Module mit 3kV die Serienbezeichnung 827, hingegen das postulierte Modell mit 4kV Ausgangsspannung dann wieder die Seriennummer 828 tragen sollte.
3.4.10 Da aus den vorangehenden Gründen die Ausführungen der Beschwerdeführerin nicht mit den unmissverständlichen Aussagen der A20 vereinbar wären, selbst wenn unumstößlich bewiesen wäre - was es nach Auffassung der Kammer nicht ist - dass Module mit 4kV Ausgangsspannung mit der Serienbezeichnung 828 existiert hätten, erübrigt es sich, auf die weiteren Details des weitgehend spekulativen Vortrages der Beschwerdeführerin zur Existenz von 4kV Modulen und zu den Beweismitteln K10 und K11 einzugehen.
3.5 Aus all diesen Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass nach Abwägung der Wahrscheinlichkeit das zweiseitige Dokument A13 zum Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ gehört.
4. Hauptantrag - Einspruchsgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit
4.1 Der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ steht der Aufrechterhaltung des Streitpatents entgegen, da der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, also wie erteilt, gegenüber den Dokumenten A20 und A13 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
4.2 Es ist unbestritten, dass A20 den nächstliegenden Stand der Technik bildet.
4.3 Nach Auffassung der Kammer offenbart Dokument A20, bei fachüblichem Verständnis des Begriffes push-pull in der Passage
"The BBO Pockels cell was driven with two pulsed drivers (Analog Modules Model 828A) used in a push/pull configuration. These delivered voltages up to 3.8 kV."
unbestritten eine Ansteuerschaltung für eine Pockelszelle mit einer Spannungsquelle zur Bereitstellung von Potenzialen, so dass an der Pockelszelle eine Potenzialdifferenz von 3.8kV anliegt. Hierbei sind die jeweiligen 828A Module nicht näher beschrieben.
Es kann dahinstehen, ob die Merkmale aus dem Dokument A13 als inhärente Merkmale der in A20 offenbarten Schalter anzusehen sind.
4.4 Geht man davon aus, dass sämtliche weiteren Merkmale von Anspruch 1 Unterscheidungsmerkmale sind, so ist die technische Wirkung vom anspruchsgemäßen Gegenstand gegenüber A20 lediglich in der Angabe einer konkreten Ausgestaltung der in A20 erwähnten push-pull-Schaltung zu sehen.
Die Beschwerdeführerin sah es als Aufgabe an, die Treiberspannung auf 3.8kV zu erhöhen. Dabei verkennt sie aber, dass diese technische Wirkung einerseits bereits in A20 erzielt wird und andererseits die anspruchsgemäße Treiberschaltung nicht hinsichtlich ihrer Ausgangsspannung beschränkt ist.
4.5 Die Kammer hat keinen Zweifel, und es wurde auch nicht bestritten, dass der Fachmann zur konkreten Ausgestaltung der push-pull-Schaltung gemäß A20 das Datenblatt der dort verwendeten Module 828A konsultieren würde.
Dem Dokument A13 entnimmt er, dass Module 828A-1 mit Ausgangsspannung von 0 bis +2KV und Module 828-2 mit negativer Ausgangsspannung von 0 bis -2kV erhältlich waren, siehe Seite 1, Abschnitt "Specifications", rechte Spalte "Output" und ebenso das Kästchen ganz oben auf der Seite 2 von A13. Der "Description" von Seite 1 entnimmt er, dass die Module in einer push-pull-Schaltung für Anwendungen mit erhöhter Ausgangsspannung zusammengeschaltet werden können. ("The series can be used push/pull for increassd voltage applications.")
Der Schaltskizze "828A-1 Equivalent Simplified Circuit" auf Seite 2, welche hier reproduziert ist, entnimmt der Fachmann, dass die Module einen Kondensator haben, der je nach gewünschter Ausgangsspannung positiv oder negativ gegenüber Erde geladen wird, siehe den Kondensator rechts oben, und die Polung der Dioden mit der Kennzeichnung (-1) und (-2), welche dem Zusatz der Seriennummer entspricht. Der Schaltkreis eines Moduls stellt ein erstes und zweites elektrisches Potenzial bereit, nämlich "HV Pulse" und "HV RTN".
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Reproduktion der Schaltskizze auf Seite 2 von A13|
Der Ausgang "HV Pulse" ist über einen ersten Schalter mit der Spannungsquelle und der Pockelszelle verbunden. Damit entnimmt der Fachmann der Schaltskizze der A13, dass ein erster Schaltungsknoten (P1), nämlich "HV Pulse" vorhanden ist, welcher mit dem Anschluss der Pockelszelle verbindbar ist, und weiter, dass dieser Schaltungsknoten, über einen ersten Schalter und eine Leitung mit dem ersten Potenzial "0 bis +2kV" und über eine Leitung und einen zweiten Schalter, mit dem zweiten Potenzial "0V" verbunden ist. Bei einem Modul mit negativer Ausgangsspannung gilt ausweislich A13 ganz analog, dass die Pockelszelle über den zweiten Schaltungsknoten (P2) und über entsprechende dritte und vierte Schalter mit einem vierten Potenzial 0kV bis -2kV und einem dritten Potenzial von 0kV, der Erde verbunden ist.
Der Fachmann entnimmt der schematischen Skizze der Pulsausgänge der A13, wie oben dargelegt, dass die beiden Schalter der jeweiligen Module nacheinander von einem Trigger über den "FET Driver" geöffnet werden, um die nachfolgend gezeigte Pulsform zu erzeugen.
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Reproduktion des Diagramms der Pulsformen von Seite 2 der A13|
Die Kammer hat schon dargelegt, dass der Fachmann aufgrund seines Fachwissens unter einer "push-pull" Schaltung versteht, dass hier eine positive und negative Spannung gleichzeitig an die Last so anzulegen ist, dass die Gesamtspannungsdifferenz erhöht wird. Im vorliegenden Fall schaltet der Fachmann zwei Module mit +/- 2kV maximaler Ausgangsspannung so zusammen, dass insgesamt 3.8kV erreicht werden. Alleine der Begriff "push-pull", welcher in A20 und A13 benutzt wird, reicht dem Fachmann als Hinweis, ein positives ("push") und eine negatives ("pull") Modul an die Pockelszelle anzuschließen und synchronisiert zu triggern.
Dabei ergeben sich, wie schon im obigen Diagramm der A13 dargestellt, zwei Pulsformen, die sich an der Pockelszelle überlagern und so eine gesamte Potenzialdifferenz von 2kV - (-2kV) = 4kV erzeugen. Durch das bloße Anschließen der Module in der dafür vorgesehen Weise für eine "push-pull" Schaltung ergibt sich daher wie anspruchsgemäß gefordert, dass
- das erste elektrische Potenzial (+2kV) positiver als das zweite elektrische Potenzial (0kV) und das dritte elektrische Potenzial (0KV) positiver als das vierte elektrische Potenzial (-2kV) ist, und dass
- die Differenz zwischen dem ersten elektrischen Potenzial (+2kV) und dem vierten elektrischen Potenzial (-2kV) größer ist - nämlich +4kV - als die Differenz zwischen dem ersten elektrischen Potenzial (+2kV) und dem zweiten elektrischen Potenzial (0kV) - nämlich 2kV - und dass die Differenz zwischen dem ersten elektrischen Potenzial (+2kV) und dem vierten elektrischen Potenzial (-2kV) größer ist - nämlich +4kV - als die Differenz zwischen dem dritten elektrischen Potential (0kV) und dem vierten elektrischen Potential (-2kV) - also 2kV.
Dies entspricht im Übrigen genau der Skizze A23 des Beschwerdegegners und der bevorzugten Ausführungsform gemäß Figur 2 des Streitpatents.
4.6 Damit führt die Lehre des Dokuments A13 den Fachmann lediglich unter Anwendung seines Fachwissens zur anspruchsgemäßen Lösung der eingangs gestellten Aufgabe, eine konkrete Ausgestaltung der Ansteuerschaltung gemäß A20 anzugeben.
4.7 Die Gegenargumente der Beschwerdeführerin können nicht überzeugen.
4.7.1 Die Argumente der Beschwerdeführerin beruhen zwingend auf der Prämisse, dass es keine negativen Module 828A-2 gegeben habe. Dies hat die Kammer schon aus den oben genannten Gründen nicht überzeugt. Allein aus diesem Grund überzeugt die entsprechende Argumentationslinie der Beschwerdeführerin nicht.
4.7.2 Die Kammer hält aber auch die gesamte vorgetragene Argumentationslinie der Beschwerdeführerin für ungeeignet, um die gewünschte Schlussfolgerung, nämlich dass die beanspruchte Lösung nicht nahelag, zu stützen. Das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit bei der Lösung einer technischen Aufgabe ist ihrer Natur nach eine qualitative - also mit Ja oder Nein zu beantwortenden - Frage. Die Gegenüberstellung von verschiedenen Lösungen als "naheliegender" oder "weniger naheliegend" hingegen, wie es die Beschwerdeführerin tut, hält die Kammer für wenig sinnvoll, da eine solche Beurteilung inhärent willkürlich wäre. Insofern die Beschwerdeführerin also argumentiert, die angeblichen Lösungen gemäß K9, K12 und K13 seien "naheliegender" als die anspruchsgemäße Lösung, ist dies nicht überzeugend. Aus dem vorgenannten Grund ist das Naheliegen einer bestimmten Lösung insbesondere auch völlig unabhängig davon, ob, und falls ja, wie viele weitere naheliegende Lösungen es gegeben haben mag. Selbst wenn man entgegen der Auffassung der Kammer annähme, die vorgeschlagenen Alternativlösungen gemäß K9, K12 und K13 seien mit der unmissverständlichen Aussage aus A20 vereinbar und hätten das gewünschte Ergebnis, so würde daraus immer noch nicht folgen, dass die anspruchsgemäße Lösung nicht nahegelegen habe.
4.8 Daher ist der Hauptantrag der Beschwerdeführerin nicht gewährbar.
4.9 Da der Einwand wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Beschwerdegegners erfolgreich ist, muss der Einwand wegen mangelnder Neuheit gegenüber einem anderen Dokument des Standes der Technik in dieser Entscheidung nicht weiter erörtert oder im Sachverhalt dargestellt werden.
5. Hilfsantrag - Zulässigkeit
5.1 Die Kammer übt Ihr Ermessen gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007, anwendbar aufgrund von Artikel 25 (2) VOBK 2020, dahingehend aus, den Hilfsantrag zu berücksichtigen.
5.2 Es ist zutreffend, dass die Einspruchsabteilung zunächst die - wohlgemerkt vorläufige und nicht bindende - Ansicht geäußert hat, A13 könne keine Grundlage für eine Merkmalsanalyse darstellen. Diese Meinung revidierte sie in der Kurzmitteilung vom 3. Januar 2017 dahingehend, dass nun doch die Kombination der Dokumente A13 und A20 unter Hinzunahme der Zeugenaussage von Herrn Ian Crawford für die erfinderische Tätigkeit relevant sein könne. Daraufhin nahm der Einsprechende das Angebot der Aussage von Ian Crawford zurück. Entgegen der im Schreiben vom 3. Januar 2017 geäußerten vorläufigen Auffassung, die Aussage von Ian Crawford sei entscheidend, kam die Einspruchsabteilung dann in der mündlichen Verhandlung vom 12. Januar 2017 auch ohne die Aussage von Ian Crawford zu der Entscheidung, der Hauptantrag sei nicht gewährbar.
Die Beschwerdeführerin hatte ausweislich des Punktes 32 der Niederschrift die Gelegenheit, zwei Hilfsanträge während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung einzureichen, um dem Einwand basierend auf den Dokumenten A13 und A20 zu begegnen. Gemäß Punkt 39 der Niederschrift wurde ihr noch eine weitere Gelegenheit gegeben, weitere Hilfsanträge einzureichen.
Nach Auffassung der Kammer ist die Bewertung der Situation damit nicht eindeutig. Der Zeitraum für die Ausarbeitung einer vollständigen Reaktion war mit lediglich 8 Tagen in der Tat sehr knapp. Zusätzlich wurde der Hilfsantrag bei erster Gelegenheit mit der Beschwerdebegründung vorgelegt.
Auch wenn der im Beschwerdeverfahren vorgelegte Hilfsantrag keine Weiterentwicklung der bereits im Einspruchsverfahren vorgelegten Hilfsanträge zu sein scheint, sondern ein erneuter Versuch, den an sich bereits seit langem bekannten Einwand auszuräumen, sieht die Kammer keine zwingenden Gründe von ihrer Befugnis nach Artikel 12 (4) VOBK 2007 Gebrauch zu machen den Antrag nicht zuzulassen.
6. Hilfsantrag - mangelnde erfinderische Tätigkeit
6.1 Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag beruht gegenüber den Dokumenten A20 und A13 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ.
Der anspruchsgemäße Gegenstand mit dem zusätzlichen Merkmal, gemäß dem die
Ansteuerschaltung ferner konfiguriert ist, die vier Schalter (S1A, S1B, S2A, S2B) derart zu betreiben, dass eine von der Pockelszelle benötigte Schaltspannung (U) mit einer maximal möglichen Repetitionsrate (f) ein- und ausgeschaltet wird, wobei die maximal mögliche Repetitionsrate durch den maximal möglichen elektrischen Leistungsverbrauch an einem der Schalter begrenzt wird,
lag auch nahe.
6.2 Ausgehend von A20 liegt die objektive technische Aufgabe darin, eine konkrete Ausgestaltung der Ansteuerschaltung anzugeben, die nur durch die intrinsische Leistungsgrenze der Schalter begrenzt ist.
Die Beschwerdeführerin formulierte in ihrem Vortrag keine objektive technische Aufgabe, stellte aber im Wesentlichen auf eine angebliche hohe Repetitionsrate der anspruchsgemäßen Schaltung ab. Hierbei verkennt sie, dass die anspruchsgemäße Schaltung die verwendeten Schalter nicht einschränkt und demzufolge auch die maximal mögliche Repetitionsrate völlig offen lässt. Die Repetitionsrate zu erhöhen, kann daher gegenüber A20 keine Aufgabe sein, die über die volle Breite des Anspruchs gelöst wird.
Auch der Beschwerdegegner formulierte keine Aufgabe in seinem Vortrag. Er stellte darauf ab, dass die oben genannte Maßnahme nur intrinsische Merkmale von Schaltern beträfen, und die Repetitionsrate ins Belieben des Fachmanns gestellt sei.
Die Kammer kann diesem Vortrag insofern zustimmen, dass, wie im Streitpatent dargestellt, der Leistungsverbrauch eines Schalters mit der zu schaltenden Spannung und der Frequenz zunimmt, und dass Schalter daher eine intrinsische Leistungsgrenze aufweisen. Dies ist mithin kein Lösungselement, sondern lediglich eine dem Fachmann bekannte inhärente Eigenschaft von Schaltern, die die Beschwerdeführerin lediglich im Anspruch ausformuliert. Die Aufnahme dieses Aspekts in die Formulierung der zu lösenden Aufgabe ist damit statthaft.
6.3 Wie schon im Zusammenhang mit dem Hauptantrag dargelegt, würde der Fachmann A13 konsultieren und so zum anspruchsgemäßen Gegenstand gemäß Hauptantrag gelangen. Darüber hinaus ist dem einschlägigen Fachmann bekannt, dass es der Zweck einer Pockelszelle als Güteschalter ist, unerwünschte Moden in einer gepulst betriebenen Laserkavität zu dämpfen, damit alle zur Verfügung stehende Energie des Lasermediums in die gewünschten Lasermoden fließen kann. Bei gepulsten Lasern laufen die Laserpulse in der Laserkavität um, und nehmen bei jedem Umlauf Energie auf. Die Länge der Laserkavität bestimmt daher die benötigte Repetitionsrate für den Güteschalter, also die Pockelszelle. Die Längen von Laserkavitäten sind aber nicht normiert oder anderweitig festgelegt, sondern variieren. Daher muss die Pockelszelle getriggert betrieben werden, wie es in A13 oder K3 beschrieben wird. Das heißt, dass die Spannungspulse zur Synchronisation mit den umlaufenden Laserpulsen durch den Triggereingang ausgelöst werden. Mit diesem Basiswissen konsistent, kann die Modulserie 828A über einen Bereich der Repetitionsrate getriggert werden. Es geht aus A13 hervor, dass die Trigger Repetitionsrate über einen Bereich "up to 1000 pps" betrieben werden kann. Dies sind 1000 pulses per second, oder in anderen Worten über einen Bereich bis zu einer Frequenz von einem 1kHz.
Daher ist es unzutreffend, wenn die Beschwerdeführerin argumentiert, es käme in A13 lediglich auf hohe Ausgangsspannungen und schnelle Anstiegszeiten an. Bei Pockelszellen-Treiberschaltungen in der Regel, und auch in A13 im Speziellen, ist die Repetitionsrate über einen möglichst weiten Bereich einstellbar, um sie für alle erdenklichen Laserkavitäten benutzen zu können.
Vor diesem Hintergrund sagt das anspruchsgemäße Merkmal lediglich aus, dass die Repetitionsrate nur durch die Leistungsgrenze der Schalter bestimmt sein solle.
Anspruch 1 enthält strenggenommen keine obere Limitierung für die Repetitionsrate, und es wird anspruchsgemäß schlicht in Kauf genommen, dass die Schalter zerstört werden können. Man könnte den Anspruchswortlaut möglicherweise noch dahingehend verstehen, dass in nicht näher spezifizierter Weise die Repetitionsrate gerade unterhalb der Leistungsgrenze der Schalter begrenzt wird, um so Zerstörung zu verhindern.
Die Beschwerdeführerin hat versäumt vorzutragen, wieso der Fachmann ein Interesse daran haben sollte, den Bereich der Repetitionsrate im Allgemeinen mehr als nötig zu beschränken, um die Schalter vor der Zerstörung zu schützen. Sie hat auch nicht dargelegt, ob der in A13 offenbarte Wert der Repetitionsrate von 1 kHz in objektiver Weise weiter von der Leistungsgrenze der dort verwendeten Schalter entfernt liegt als gemäß wohlwollend gelesenem Anspruch.
Die Kammer kommt daher zu dem Ergebnis, dass Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag lediglich in vager Weise aussagt, die Ansteuerschaltung solle bei möglichst hoher Frequenz ohne Zerstörung der Schalter betrieben werden. Dies wird aber durch A13 deutlich nahegelegt. Wenn der offenbarte Wert nicht schon nahe genug an der Leistungsgrenze liegt, wäre es für den Fachmann naheliegend, die Begrenzung der Repetitionsrate noch weiter an die durch die Leistungsgrenze der Schalter gesetzte Obergrenze zu führen, um ein größeres Spektrum an Laserkavitätslängen bedienen zu können, wie der Beschwerdegegner im Kern auch vorgetragen hat.
6.4 Damit ist auch der Hilfsantrag der Beschwerdeführerin nicht gewährbar.
7. Schlussfolgerungen
Die Kammer weist den Antrag auf Vorlage von Rechtsfragen zur Entscheidung der Großen Beschwerdekammer zurück. Da weder der Hauptantrag noch der Hilfsantrag der Beschwerdeführerin gewährbar ist, gibt die Kammer dem Antrag des Beschwerdegegners statt.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.