T 2378/17 15-02-2021
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System und Verfahren zur Konfiguration eines Überwachungsbereiches einer optoelektronischen Überwachungseinrichtung
I. Die Beschwerde der Anmelderin richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die die europäische Patentanmeldung Nr. 13 162 699.6 wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ) gegenüber folgenden Dokumenten zurückgewiesen hat:
D1: EP 2 048 557 A1,
D4: EP 2 053 538 A1.
II. Die Kammer teilte der Beschwerdeführerin in einer Mitteilung gemäß Regel 100 (2) EPÜ ihre vorläufige Meinung mit, dass zwar der Gegenstand des Anspruchs 1 neu und erfinderisch sei, der im damaligen Anspruch 10 definierte Gegenstand jedoch nicht neu.
III. Die Beschwerdeführerin reichte hierauf einen neuen Anspruchssatz ein und beantragt die Aufhebung der Entscheidung und die Erteilung eines europäischen Patents auf der Grundlage folgender Unterlagen:
Ansprüche:
- Nr. 1 bis 10 eingereicht mit Schreiben vom 11. November 2020;
Beschreibung:
- Seiten 1, 2, 4 bis 8 und 11 eingereicht am 13. Juni 2016;
- Seiten 3, 9 und 10 eingereicht am 11. November 2020;
- Seiten 12 bis 21 in der ursprünglichen Fassung;
Zeichnungen:
- Blätter 1/7 bis 3/7 und 5/7 bis 7/7 eingereicht am 24. April 2013;
- Blatt 4/7 eingereicht am 28. Oktober 2014.
IV. Unabhängige Ansprüche 1 und 10 lauten wie folgt:
1. System zur Konfiguration eines Überwachungsbereiches (38, 38') eines Laserscanners (30), mit
(a) einer Sequenzerzeugungseinheit (10, 50, 60, 70) zur Erzeugung zeitlich veränderlicher unterscheidbarer optischer Sequenzen, die eine Auswahleinrichtung (20, 22, 24) zur Auswahl einer optischen Sequenz und eine Auslöseeinrichtung zum Auslösen der Erzeugung der ausgewählten optischen Sequenz durch die Sequenzerzeugungseinheit (10, 50, 60, 70) aufweist, und
(b) einem Laserscanner (30) zur ortsaufgelösten Überwachung eines Überwachungsbereiches (38, 38'), wobei der Laserscanner (30) folgendes aufweist:
(bl) eine optische Empfangseinrichtung zur Detektion des von der Sequenzerzeugungseinheit (10, 50, 60, 70) erzeugten optischen Sequenz,
(b2) eine erste Speichereinrichtung, in der eine Zuordnung zwischen (i) den an der Sequenzerzeugungseinheit auswählbaren optischen Sequenzen einerseits und (ii) Formelementen, die zur Charakterisierung der Form eines zu konfigurierenden Überwachungsbereiches (38, 38') dienen können, andererseits abgelegt ist,
(b3) eine zweite Speichereinrichtung zum Abspeichern einer Form eines Überwachungsbereiches (38, 38'), und
(b4) eine Auswerteeinrichtung (42) zur Bestimmung der Form eines Überwachungsbereiches (38, 38') aus den detektierten optischen Sequenzen und den in der ersten Speichereinrichtung abgelegten, diesen optischen Sequenzen zugeordneten Formelementen und zum Abspeichern der so festgelegten Form des Überwachungsbereiches (38, 38') in der zweiten Speichereinrichtung.
10. Konfigurationsverfahren zur Festlegung eines Überwachungsbereiches eines Laserscanners, bei dem
(a) eine Sequenzerzeugungseinheit (10, 50, 60, 70) eines Systems nach einem der Ansprüche 1 bis 9 an einem ausgewählten Ort (44, 45, 46, 47, 48, 49) eines zu bestimmenden Überwachungsbereiches (38, 38') platziert wird,
(b) mit der Auswähleinrichtung (20, 22, 24) der Sequenzerzeugungseinheit (10, 50, 60, 70) eine optische Sequenz ausgewählt wird, die einem Formelement entspricht, das die Form des zu bestimmenden Überwachungsbereiches (38, 38') an dem ausgewählten Ort (44, 45, 46, 47, 48, 49) charakterisiert,
(c) die Erzeugung der ausgewählten optischen Sequenz ausgelöst wird,
(d) mit dem Laserscanner (30) des Systems die erzeugte optische Sequenz am ausgewählten Ort (44, 45, 46, 47, 48, 49) detektiert wird und das der detektierten optischen Sequenz gemäß der in der ersten Speichereinrichtung abgelegten Zuordnung zugeordnete Formelement festgestellt wird,
(e) gegebenenfalls die Schritte (a) bis (d) so oft wiederholt werden, bis die Form des zu bestimmenden Überwachungsbereiches (38, 38') ausreichend charakterisiert ist, und
(f) Abspeichern der durch die festgestellten Formelemente charakterisierten Form des Überwachungsbereiches (38, 38').
1. Die Erfindung
Die Anmeldung betrifft ein optoelektronisches System und ein dazugehöriges Verfahren zur Konfiguration eines Überwachungsbereiches. Dies erfolgt mit einer Sequenzerzeugungseinheit und einem Laserscanner, welcher eine Empfangseinrichtung, Speichereinrichtungen und eine Auswerteeinrichtung umfasst. Für die Konfiguration des Überwachungsbereichs werden unterscheidbare optische Sequenzen zum Aussenden ausgewählt, welche auf Grund einer vorab abgespeicherten Zuordnungsvorschrift bestimmten Formelementen des Überwachungsbereichs zugeordnet sind. Auf diese Weise kann der Überwachungsbereich sehr schnell und auf intuitive Weise festgelegt und eingelernt werden.
2. Erfinderische Tätigkeit
2.1 Nächstkommender Stand der Technik
Das Dokument D4 wurde von der Prüfungsabteilung zu Recht als nächstkommender Stand der Technik angesehen. Es wurde zum gleichen Zweck entwickelt wie die beanspruchte Erfindung, nämlich zur Bereitstellung eines Systems und Verfahrens zur Konfiguration eines Überwachungsbereichs einer optoelektronischen Vorrichtung, und hat die wichtigsten technischen Merkmale mit ihr gemein (siehe Punkt 2.2 unten).
2.2 Unterschiedsmerkmale
2.2.1 Dokument D4 betrifft einen optoelektronischen Sensor zur Erfassung von ortsaufgelösten Informationen, welche es erlauben, einen Überwachungsbereich mit Hilfe optischer Signale zu bestimmen (Absätze [0026]-[0029]). Eine Beleuchtungsquelle, beispielsweise ein Laser (siehe Absatz [0027]), beleuchtet den Überwachungsbereich, wobei mit Hilfe einer Empfangseinrichtung Bilder mittels eines Bildsensors aufgenommen werden, welche zur Bestimmung des Überwachungsbereichs herangezogen werden. Hierzu kann ein visuelles Merkmal, beispielsweise eine mit bestimmter Pulsfolge betriebene Lichtquelle, im Raum bewegt werden, welches von dem Bildsensor aufgenommen wird, sodass hierdurch der Überwachungsbereich eingelernt werden kann (Absätze [0036]-[0039]). Dieser eingelernte Überwachungsbereich muss dann in einem Speicher abgelegt werden, um bei der Überwachung aufgerufen zu werden.
Das Dokument D4 offenbart im Hinblick auf den unabhängigen Anspruch 1 folglich die Merkmale (a), (b1), (b3) und den Teil des Merkmals (b4), welcher nicht die im ersten Speicher abgelegte Zuordnung betrifft.
2.2.2 Die Kammer stimmt mit der Prüfungsabteilung darin überein (siehe Entscheidungsgründe, Punkt 14), dass Dokument D4 keinen Laserscanner offenbart (Merkmal (b)). Entgegen der Auffassung der Prüfungsabteilung sieht die Kammer die Merkmale (b2) und den Teil des Merkmals (b4), welcher die im ersten Speicher abgelegte Zuordnung betrifft, im Dokument D4 nicht offenbart, auch nicht implizit.
Der von der Prüfungsabteilung in diesem Zusammenhang zitierte Absatz [0038] des Dokuments D4 (siehe Entscheidungsgründe, Punkt 13) offenbart nach Meinung der Kammer nur, dass mit Hilfe eines visuellen Merkmals ein Raumbereich gekennzeichnet wird. Eine Zuordnung der detektierten Sequenz (z. B. der von der Lichtquelle emittierten Pulsfolge) zu einem Formelement mit Hilfe einer Zuordnungsvorschrift und die entsprechende Abspeicherung dieser Zuordnung gemäß Merkmal (b2) wird jedoch nicht offenbart. Auch kann die Kammer nicht erkennen, dass dies dem Absatz [0038] implizit zu entnehmen wäre. Dieser Absatz offenbart lediglich, dass im Konfigurationsmodus ein visuelles Merkmal durch den Raum bewegt wird und hierdurch Raumbereiche gekennzeichnet werden, sodass diese gekennzeichneten Raumbereiche abgespeichert werden können. Formelemente werden in diesem Zusammenhang nicht erwähnt und sind auch nicht erforderlich, da die visuellen Merkmale lediglich die Grenzen des Raumbereichs bestimmen. Somit können dem Absatz auch keine abgespeicherten Zuordnungen zwischen auswählbaren optischen Sequenzen und Formelementen entnommen werden.
2.2.3 Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich daher von dem aus Dokument D4 bekannten System durch die Merkmale (b) und (b2) und den Teil des Merkmals (b4), welcher die im ersten Speicher abgelegte Zuordnung betrifft.
2.3 Aufgabe
Die Kammer stimmt mit der Beschwerdeführerin überein, dass die objektive technische Aufgabe darin zu sehen ist, eine schnelle und intuitive Konfiguration eines Überwachungsbereichs einer optoelektronischen Vorrichtung zu ermöglichen (siehe Seite 2, letzter Absatz der Beschwerdebegründung). Dies ist auch im Einklang mit der ursprünglichen Offenbarung der Erfindung (siehe Seite 3, Absatz 2 der Beschreibung).
2.4 Naheliegen
Das in Anspruch 1 definierte Merkmal (b2) ist auch im von der Prüfungsabteilung in Kombination mit Dokument D4 herangezogenen Dokument D1 nicht offenbart. Außerdem wird ein Laserscanner in diesem Dokument lediglich als Alternative zu dem dort ebenfalls beschriebenen Bildsensor offenbart (siehe D1, Absätze [0013] und [0037]). Die Kammer stimmt mit der Beschwerdeführerin darin überein, dass dies unterschiedliche Aufnahmetechniken darstellt. Der Fachmann würde daher einen Laserscanner nicht in dem in Dokument D4 offenbarten System mit einem Bildsensor verwenden.
Die Lehre des Dokuments D4 in Kombination mit Dokument D1 würde den Fachmann daher nicht zu der beanspruchten Erfindung führen.
Sein Fachwissen würde den Fachmann ebenfalls nicht dazu führen, die oben genannten Unterschiedsmerkmale (siehe Punkt 2.2.3) zur Lösung der gestellten Aufgabe im System von D4 zu verwenden, zumal eine Verwendung von Formelementen dort gar nicht notwendig ist.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 weist daher eine erfinderische Tätigkeit auf.
Der Verfahrensanspruch 10 entspricht im Wesentlichen dem Vorrichtungsanspruch 1. Ansprüche 2 bis 9 sind von Anspruch 1 abhängig.
Folglich weist der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 10 eine erfinderische Tätigkeit auf (Artikel 52 (1) und 56 EPÜ).
3. Schlussfolgerung
Da die gegenwärtigen Anmeldungsunterlagen und die Erfindung, die sie zum Gegenstand haben, den Erfordernissen des EPÜ genügen, ist ein Patent auf der Basis dieser Unterlagen zu erteilen (Artikel 97 (1) und 111 (1) EPÜ).
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:
Ansprüche:
- Nr. 1 bis 10 eingereicht mit Schreiben vom 11. November 2020;
Beschreibung:
- Seiten 1, 2, 4 bis 8 und 11 eingereicht am 13. Juni 2016;
- Seiten 3, 9 und 10 eingereicht am 11. November 2020;
- Seiten 12 bis 21 in der ursprünglichen Fassung;
Zeichnungen:
- Blätter 1/7 bis 3/7 und 5/7 bis 7/7 eingereicht am 24. April 2013;
- Blatt 4/7 eingereicht am 28. Oktober 2014.