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T 0092/18 23-09-2021
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WELLE, INSBESONDERE NOCKENWELLE MIT EINEM HOHLEN WELLENABSCHNITT
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung eingelegt, in der festgestellt wurde, dass das europäische Patent 2 670 955 in geänderter Fassung die Erfordernisse des EPÜ erfüllt.
II. Folgender Stand der Technik wurde in der Begründung der angefochtenen Zwischenentscheidung berücksichtigt:
D1: US 5 114 446 A
D2: DE 19 55 966 A1
D3: WO 2006/119737 A1
III. Die Parteien wurden zur mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer geladen und in einer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) über die vorläufige Meinung der Kammer zu der Sache informiert.
IV. Schon bevor die Kammer diese Mitteilung erlassen hatte, erklärte die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) in ihrem Schreiben vom 18. März 2021, dass sie an der Beschwerdesache kein Interesse mehr habe, an der geplanten mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde und um Entscheidung nach Aktenlage bitte. Zu der vorläufigen Meinung der Kammer hat die Beschwerdegegnerin keine Erwiderung mehr eingereicht.
V. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte mit Schreiben vom 20. August 2021 als Hauptantrag die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung zur Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage folgender Unterlagen:
Ansprüche 1 - 12 nach dem ersten Hilfsantrag gemäß der Beschwerdebegründung vom 12. März 2018;
Beschreibung Seiten 1 - 12 eingereicht mit selbigem Schreiben;
Figuren 1 - 4 wie erteilt.
Hilfsweise beantragte sie die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung der Sache zur weiteren Prüfung durch die Einspruchsabteilung auf der Grundlage des ersten Hilfsantrags gemäß der Beschwerdebegründung vom 12. März 2018.
Für den Fall, dass die Kammer dem Hauptantrag bzw. zumindest dem Hilfsantrag im schriftlichen Verfahren stattgibt erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie, entsprechend dem Hinweis gemäß Abschnitt 8. des Ladungsbescheids, den Antrag auf mündliche Verhandlung zurücknimmt und eine 25%ige Erstattung der Beschwerdegebühr beantragt (Regel 103 (4) c) EPÜ).
VI. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde aufgehoben und das Verfahren schriftlich fortgesetzt.
VII. Anspruch 1 des mit der Beschwerdebegründung als Hilfsantrag 1 eingereichten Anspruchssatzes hat folgenden Wortlaut (Merkmalsnummerierung in eckigen Klammern durch die Kammer hinzugefügt, entsprechend der Nummerierung in der angefochtenen Entscheidung/Beschwerdebegründung):
"[M1.1'] Nockenwelle (1) mit einem hohlen Wellenabschnitt (10),
[M1.2] der zumindest eine radiale Eintrittsöffnung (11 a, 11 b) zur Abführung eines Gases durch den hohlen Wellenabschnitt (10) aufweist und
[M1.3] mit einer Spritzschutzeinrichtung (4), die im Bereich der zumindest einen radialen Eintrittsöffnung (11a, 11 b) auf dem hohlen Wellenabschnitt (10) angeordnet ist,
[M1.4] wobei die Spritzschutzeinrichtung (4) einen radial freiliegenden Mantel mit radialen Durchtrittsöffnungen (8) und
[M1.5] Vorsprüngen zwischen den Durchtrittsöffnungen (8) aufweist, und
[M1.6] wobei die Vorsprünge radial gegenüber den Durchtrittsöffnungen vorstehen, und
[M1.7] dass der Mantel einen hülsenförmigen Mittelabschnitt (7) aufweist, von dem die Vorsprünge abstehen."
VIII. Die Argumente der Beschwerdeführerin können wie folgt zusammengefasst werden.
Anspruch 1 sei neu gegenüber D1 und D2, da diese Dokumente zumindest keine Nockenwelle offenbarten, sondern respektive eine Getriebewelle für ein Düsentriebwerk bzw. eine Welle für ein Turbinenstrahlwerk.
Erfinderische Tätigkeit beruhe bereits darauf, dass ein Fachmann auf dem Gebiet der Nockenwellen kein Turbinenstrahltriebwerk für Flugzeuge zur Verbesserung von Nockenwellen in Betracht ziehen würde, da die technischen Gebiete zu weit entfernt seien.
Eine Zurückverweisung zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens sei nicht erforderlich. Unter anderem sei dem Hinweis in der Kammermitteilung auf eine etwaige notwendige Anpassung der Beschreibung Folge geleistet und eine entsprechend angepasste Beschreibung eingereicht worden.
IX. Die Argumente der Beschwerdegegnerin, so weit sie für die vorliegende Entscheidung von Bedeutung sind, können wie folgt zusammengefasst werden.
Anspruch 1 unterscheide sich vom erteilten Anspruch 1 nur dadurch, dass der Begriff "Welle" durch den Begriff "Nockenwelle" ersetzt wurde. Da keine weiteren Merkmale hinzugekommen seien, unterscheide sich die Nockenwelle von der zuvor beanspruchten Welle durch kein einziges weiteres körperliches Merkmal. Der Begriff "Nockenwelle" definiere demnach nur eine Welle, die sich grundsätzlich zur Verwendung als Nockenwelle eigne, wozu sie dann mit entsprechenden Nocken versehen werden müsse. Für die aus D1 bekannte Welle sei nicht ausgeschlossen, dass sich diese als Nockenwelle nutzen lasse, so dass Anspruch 1 nicht neu gegenüber D1 sei.
Darüber hinaus sei der Gegenstand von Anspruch 1 durch D3 in Kombination mit D1 nahegelegt. Die unterscheidenden Merkmale gegenüber der aus D3 bekannten Nockenwelle M1.4 bis M1.7 hätten den Vorteil eines verbesserten Spritzschutzes. Eine Lösung für einen solchen finde der Fachmann beispielsweise in D1.
Artikel 54 EPÜ
1. Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1, der mit der Beschwerdebegründung vom 12. März 2018 eingereicht wurde, ist neu gegenüber dem von der Beschwerdegegnerin genannten Stand der Technik D1 und D2.
1.1 Im Vergleich zum erteilten Anspruch 1 wurde der Gegenstand auf eine Nockenwelle eingeschränkt, die in der erteilten Fassung nur als "bevorzugt", d.h. fakultatives Merkmal im Anspruch definiert war.
1.2 D1 und D2 offenbaren jeweils Wellen, die in Strahltriebwerken verwendet werden. Die dort offenbarten Wellen weisen keine Nocken auf. Das Argument der Beschwerdegegnerin, wonach der auf eine Nockenwelle eingeschränkte Anspruch 1 selbst keine Nocken definiere und die aus D1 bekannte Welle sich prinzipiell mit Nocken versehen ließe, somit kein Unterschied zwischen den beiden Wellen bestünde, widerspricht einer fachmännischen Auslegung des Anspruchs 1 und der D1. Die Beschwerdegegnerin hat dieser, in der Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK dargelegten Auffassung der Kammer nicht widersprochen. Die Kammer hat folglich keinen Grund von ihrer vorläufigen Meinung abzuweichen und bestätigt sie hiermit.
1.3 Da weder D1 noch D2 eine Nockenwelle offenbaren, ist der Gegenstand von Anspruch 1 neu gegenüber diesem Stand der Technik.
2. Folglich ist das Erfordernis der Artikel 54 (1) und (2) EPÜ hinsichtlich des im Beschwerdeverfahren diesbezüglich herangezogenen Stands der Technik erfüllt.
Artikel 56 EPÜ
3. Die Kammer ist zu dem Ergebnis gekommen, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß dem mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrag 1 ausgehend von D3 als nächstliegendem Stand der Technik in Kombination mit D1 oder D2 nicht nahegelegt ist.
3.1 Die aus Figur 3 der D3 bekannte Nockenwelle wurde übereinstimmend von den Parteien als Ausgangspunkt für die Beurteilung erfinderischer Tätigkeit herangezogen. Es ist unbestritten, dass sich der Gegenstand von Anspruch 1 durch Merkmale M1.4 bis M1.7 von dieser bekannten Nockenwelle unterscheidet (siehe zum Beispiel, Beschwerdeerwiderung vom 13. Juli 2018, Seite 4, zweiter Absatz). Die Kammer hat keinen Grund, dies anders zu beurteilen und schließt sich der insoweit unstreitigen Auffassung der Parteien an.
Nur der Vollständigkeit halber merkt die Kammer an, dass der entsprechenden Merkmalsanalyse zwar der erteilte Anspruch zugrunde lag. Die Einschränkung des Gegenstands auf eine Nockenwelle ändert aber an den festgestellten Unterschieden gegenüber D3 nichts (siehe auch Beschwerdeerwiderung, Seite 5, zweiter Absatz).
3.2 Die Kammer hatte in Punkt 5.3.2 ihrer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 ausgeführt, dass der Einwand erfinderischer Tätigkeit, der von der Beschwerdegegnerin in ihrer Beschwerdeerwiderung gegenüber dem erteilten Anspruch 1 erhoben wurde und der auf einer Kombination von D3 (nächstliegender Stand der Technik) mit D1 beruhte, nicht überzeugend sei. Die Kammer folge vielmehr den von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Argumenten, bzw. den nach dem Verständnis der Kammer zentralen Gründen der angefochten Entscheidung zur erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 des dort zugrundeliegenden Hilfsantrags 3, siehe insbesondere letzter Absatz auf Seite 11 bis Seite 12, dritter Absatz der angefochtenen Entscheidung. Auch D2 war nach der vorläufigen Meinung der Kammer eher nicht geeignet, eine andere Schlussfolgerung zuzulassen. Folglich lag der aus D3 mit D1 oder D2 bekannte Stand der Technik den Gegenstand von Anspruch 1 des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrags 1 ausweislich der vorläufigen Meinung der Kammer nicht nahe.
Wie bereits erwähnt, hat die Beschwerdegegnerin zu dieser vorläufigen Meinung der Kammer keine Stellung genommen. Die Kammer hat daher keine Veranlassung, von ihrer vorläufigen Beurteilung abzuweichen und bestätigt diese deshalb. Eine weitere Begründung durch die Kammer ist hier nicht erforderlich, da sich die Kammer der Begründung in der angefochtenen Entscheidung (ibid. sowie Seiten 13 und 14) anschließt (Artikel 15 (8) VOBK 2020). Die Kammer stellt fest, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gegenüber dem hier berücksichtigten Stand der Technik auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
Andere Einwände unter Artikel 56 EPÜ wurden im Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Ausgehend von den im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigenden Einwänden und Dokumenten sind die Voraussetzungen des Artikels 56 EPÜ daher erfüllt.
Hauptantrag
4. Auch wenn die angefochtene Zwischenentscheidung aufzuheben ist, gibt die Kammer dem Hauptantrag der Beschwerdeführerin auf Aufhebung und Zurückverweisung zur Aufrechterhaltung des Patents mit den angegebenen Unterlagen, siehe oben V., nicht statt. Es stellt sich nämlich das Problem, dass die geänderte Beschreibung nicht zu den geänderten Ansprüchen passt. Im einleitenden Absatz der Beschreibung wird zum Beispiel auf den Oberbegriff von Anspruch 1 verwiesen. Anspruch 1 ist im Widerspruch hierzu nicht in der zweiteiligen Form abgefasst.
Folglich weist die Kammer den Antrag auf Zurückverweisung und Aufrechterhaltung des Patents in der beantragten Fassung zurück.
Hilfsantrag
5. Dem Hilfsantrag auf Aufhebung der Zwischenentscheidung zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens wird hingegen stattgegeben zur weiteren Anpassung der Beschreibung, Artikel 111 (1) EPÜ.
Anteilige Rückzahlung der Beschwerdegebühr
6. Mit ihrem Schreiben vom 20. August 2021 hat die Beschwerdeführerin innerhalb der Frist der Regel 103 (4) c) EPÜ erklärt, ihren hilfsweise gestellten Antrag auf mündliche Verhandlung unter der Bedingung zurückzunehmen, dass die Kammer ihrem Hauptantrag oder Hilfsantrag im schriftlichen Verfahren stattgibt. Die Kammer hat dem Hilfsantrag der Beschwerdeführerin im schriftlichen Verfahren stattgegeben. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde entsprechend aufgehoben und die Sache ohne mündliche Verhandlung abgeschlossen. Folglich sind die Bedingungen für eine anteilige Rückzahlung der Beschwerdegebühr in Höhe von 25% nach Regel 103 (4) c) EPÜ erfüllt.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent auf Grundlage der Ansprüche 1 bis 12 des mit der Beschwerdebegründung vom 12. März 2018 eingereichten und dort als Hilfsantrag 1 bezeichneten Antrags und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.