T 1253/18 16-04-2021
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VERFAHREN ZUR HERSTELLUNG VON POLYURETHAN-HARTSCHAUMSTOFFEN
Spät eingereichte Dokumente - zugelassen (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (nein) Hauptantrag und Hilfsanträge 1 und 2
Erfinderische Tätigkeit - (ja) Hilfsantrag 3
I. Die Beschwerden der Patentinhaberin und der Einsprechenden richten sich gegen die am 15. März 2018 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 1 799 736 auf Grundlage der Ansprüche des mit Schreiben vom 18. Dezember 2017 eingereichten Hilfsantrags 3 und einer angepassten Beschreibung.
II. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung beruhte auf den Ansprüchen wie erteilt (Hauptantrag) sowie auf den Hilfsanträge 1 bis 3, die mit Schreiben vom 18. Dezember 2017 eingereicht wurden.
III. Anspruch 1 wie erteilt lautete wie folgt:
"1. Verfahren zur Herstellung von Polyurethan-Hartschaumstoffen durch Umsetzung von
a) Polyisocyanaten mit
b) Verbindungen mit mindestens zwei mit Isocyanatgruppen reaktiven Wasserstoffatomen in Anwesenheit von
c) Treibmitteln,
dadurch gegenzeichnet, dass als Verbindungen mit mindestens zwei mit Isocyanatgruppen reaktiven Wasserstoffatomen b) ein Gemisch aus
b1) einem Polyetheralkohol mit einer Hydroxylzahl von 360 bis 450 mg KOH/g und einer Viskosität bei 25°C von größer 12000 mPa·s, herstellbar durch Anlagerung von Ethylenoxid und/oder Propylenoxid an TDA,
b2) einem Polyetheralkohol mit einer Funktionalität von 5 bis 7,5 und einer Hydroxylzahl von 380 bis 480 mg KOH/g, herstellbar durch Anlagerung von Propylenoxid an Sorbit und/oder Saccharose,
b3) einem Polyetheralkohol mit einer Funktionalität von 2 bis 4 und einer Hydroxylzahl von 140 bis 250 mg KOH/g, herstellbar durch Anlagerung von Ethylenoxid und Propylenoxid an TDA, von TDA verschiedene Amine oder von Propylenoxid an 2-, 3- oder 4-funktionelle Alkohole, oder Ricinusölderivate,
eingesetzt wird".
Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterschied sich von Anspruch 1 des Hauptantrags, indem es zusätzlich spezifiziert wurde, dass "die Polyole b1) in einer Menge von 10 bis 50 Gew.-%, die Polyole b2) in einer Menge von 25 bis 80 Gew.-% und die Polyole b3) in einer Menge von 10 bis 25 Gew.-%, jeweils bezogen auf die Summe der Polyole b1), b2) und b3), eingesetzt werden".
Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterschied sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1, indem es zusätzlich spezifiziert wurde, dass "der Polyetheralkohol b1) eine Viskosität bei 25°C von 12000 bis 75000 mPa·s aufweist".
Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 unterschied sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass "als Polyisocyanat eine Mischung aus einer Komponente a1) mit einem NCO-Gehalt von 30 bis 32 Gew.-% und einer Viskosität von 2000 bis 2200 mPa·s bei 25°C und einer Komponente a2) mit einem NCO-Gehalt von 30 bis 32 Gew.-% und einer Viskosität von100 bis 120 mPa·s bei 25°C eingesetzt wird".
IV. Folgende Dokumente wurden unter anderem im Einspruchsverfahren zitiert:
D1: EP 1 138 709 A1
D6: "Brand-new Trend of the Cyclopentane-Blown Rigid Foam Systems for the Appliance Industry - Combined Systems of Excellent Insulation Performance with Fast Demoldability -", K.NOZAWA, H.ARATANI, O.HAYASHI, and M.SHIBATA, POLYURETHANES EXPO 2002, 13.-16. Oktober, 2002, Seiten 500-507
D8: EP 0 408 048 A2
D10: WO 97/35899
D14: Experimentelle Versuche der Patentinhaberin vom 18. Dezember 2017
D15: "Tailor made HFC-245fa Foam for Appliance Applications", JEFF KING, PHILLIP IRWIN, IKE LATHAM, AND STAN MOORE, POLYURETHANES EXPO 2002, 13.-16. Oktober, 2002, Seiten 455-463
V. Gemäß der Entscheidung der Einspruchsabteilung erfülle der Hauptantrag (Patent in der erteilten Fassung) die Erfordernisse der Ausführbarkeit und der Neuheit. Eine erfinderische Tätigkeit komme dem Patentgegenstand jedoch nicht zu. Dies gelte auch für die Hilfsanträge 1 und 2, da deren Gegenstand keine weiteren Unterscheidungsmerkmale gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik aufweise. Der Gegenstand des Hilfsantrags 3 sei erfinderisch.
VI. Sowohl die Patentinhaberin als auch die Einsprechende legten gegen diese Entscheidung Beschwerde ein.
VII. Die Patentinhaberin reichte mit ihrer Beschwerdebegründung die Hilfsanträge 1 bis 15, die den Hilfsanträgen 1 bis 15 vom 18. Dezember 2017 entsprachen, und das Dokument D16a (Experimentelle Daten vom 25. Juli 2018) ein.
VIII. Die Einsprechende reichte mit ihrer Beschwerdebegründung und mit der Beschwerdeerwiderung auf die Beschwerdebegründung der Patentinhaberin folgende Dokumente ein:
D16: Lupranate® M20S Technical Bulletin, 2001
D17: "New Advances in Polymeric MDI Variants", Thorsten Gurke, EUROCOAT 2002, Barcelona, Spain, Juni 2002
D18: "Long-Term Energy Efficiency of PU-Insulation for Refrigeration", Holger Seifert, Anja Biedermann, POLYURETHANES CONFERENCE 2000, 8.-11. Oktober 2000, Seiten 429-433
D19: US 3 471 543
D20: Versuchsbericht Covestro Deutschland AG, Dr. Elena Rojo-Wiechel, 2018
D21: Versuchsbericht Herstellung von Polyurethan-Hartschäumen
IX. Die Patentinhaberin reichte mit der Beschwerdeerwiderung auf die Beschwerdebegründung der Einsprechenden das Dokument D22 (Experimentelle Daten vom 10. Dezember 2018) ein.
X. Die mündliche Verhandlung, die im Hinblick auf entsprechende Anträge der Parteien anberaumt worden war, fand am 16. April 2021 per Videokonferenz statt.
XI. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Patentinhaberin können wie folgt zusammengefasst werden:
Zulassung von Dokumente
- D15 hätte von der Einspruchsabteilung nicht zugelassen werden sollen. D15 sollte im Beschwerdeverfahren unberücksichtigt bleiben.
- D16a sei in Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung eingereicht worden. Es handele sich dabei um experimentelle Versuche, die einen Effekt gegenüber D10 zeigten. D16a sollte ins Verfahren zugelassen werden.
- D21 der Einsprechenden hätte im Einspruchsverfahren vor der Einspruchsabteilung eingereicht werden können. D21 sollte im Beschwerdeverfahren nicht zugelassen werden.
Hauptantrag
- Das Beispiel 4 von D10 sei der nächstliegende Stand der Technik. Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheide sich von diesem Beispiel durch die Hydroxylzahl des Polyols b3).
- D16a und insbesondere der Vergleich der Polyole D (Beispiel 2) und U (Vergleichsbeispiel A) in der Tabelle 1 zeige, dass die Verwendung eines Polyols gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags zu einem erniedrigten Nachtrieb und somit zu einer verbesserten Entformbarkeit führe. D21 hingegen sei nicht als Vergleich mit D10 geeignet, da die Komponenten im Verfahren der D10 mit Hochdruckrühren gemischt würden, was in D21 nicht der Fall sei. Die Aufgabe sei deshalb die Bereitstellung eines Verfahren zur Herstellung von Polyurethan-Hartschaumstoffen mit verbesserter Entformbarkeit.
- Keins der zitierten Dokumente offenbare, dass durch eine Variation der Polyolkomponente eine Verbesserung der Entformbarkeit der erhaltenen Schaumstoffe erreicht werden könnte. Eine Kombination der Lehre der D1 oder der D10 mit einem oder mehreren der weiteren zitierten Dokumente stelle eine rückschauende Betrachtungsweise dar. Anspruch 1 des Hauptantrags sei somit erfinderisch.
Hilfsanträge 1 und 2
- Die erhaltenen Hartschaumstoffe wiesen gegenüber solchen, die aus dem Stand der Technik bekannt seien, vorteilhafte Eigenschaften auf. Diese seien durch den zitierten Stand der Technik auch nicht nahegelegt. Diesbezüglich werde vollumfänglich auf die Ausführungen zum Hauptantrag Bezug genommen, die umso mehr für den Gegenstand der Hilfsanträge 1 und 2 gälten, der gegenüber dem Hauptantrag weiter eingeschränkt sei. Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 2 sei daher erfinderisch gegenüber D10.
Hilfsantrag 3
- Das Verfahren gemäß Beispiel 4 der D10 sei weiterhin als nächstliegender Stand der Technik für Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 zu sehen. Gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 seien zudem die Isocyanatkomponente weiter spezifiziert.
- Die erhaltenen Hartschaumstoffe wiesen gegenüber solchen, die aus D10 bekannt seien, vorteilhafte Eigenschaften auf. D22 insbesondere zeige, dass das Verfahren bei Verwendung der gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 eingesetzten Isocyanat-Mischungen zu einem niedrigeren Nachtrieb führe als das Verfahren des Beispiels 4 von D10. D20 sei nicht relevant, weil es sich in den Versuchen nicht um ein industrielles Verfahren handele. Die Aufgabe sei somit die Bereitstellung eines Verfahrens zur Herstellung von Polyurethan-Hartschaumstoffen mit verbesserter Entformbarkeit.
- In D10 sei keinen Hinweis auf die Lösung der Aufgabe zu finden. Der Gegenstand vom Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 beruhe somit auf einer erfinderischen Tätigkeit.
XII. Die für die Entscheidung relevanten Argumente der Einsprechende können wie folgt zusammengefasst werden:
Zulassung von Dokumenten
- D15 sei schon von der Einspruchsabteilung zugelassen worden. Dieses Dokument sei somit schon im Beschwerdeverfahren.
- D16a hätte im Einspruchsverfahren vor der Einspruchsabteilung eingereicht werden können. Insbesondere hatte die Einspruchsabteilung in der Ladung zur mündlichen Verhandlung schon auf einen mangelnden Beleg eines Effekts gegenüber D10 hingewiesen. D16a sollte daher nicht ins Beschwerdeverfahren zugelassen werden.
- Bei D21 handele es sich um Gegenversuche der Einsprechenden, die für die Diskussion von D16a relevant seien. Aus diesem Grund sei D21 ins Beschwerdeverfahren zuzulassen.
Hauptantrag
- Das Beispiel 4 von D10 sei der nächstliegende Stand der Technik. In dem erfindungsgemäßen Beispiel 4 der D10 sei ein Schaum hergestellt worden, wobei als Polyol eine Mischung aus 50 Gew.-Teilen eines mit o-Toluoldiamin gestarteten Polyethers auf Basis von Propylenoxid mit einem Molekulargewicht von 560 (würde bei einer Funktionalität von 4 eine Hydroxylzahl von 401 mg KOH/g ergeben), 30 Gew.-Teilen eines mit 80 Gew.-% Saccharose und 20 Gew.-% Propylenglykol gestarteten Polyethers auf Basis von Propylenoxid mit einem Molekulargewicht von 600 (würde einer mittleren Funktionalität von 4,8 und einer OH-Zahl von 451 mg KOH/g entsprechen) und 20 Gew.-Teilen eines mit Propylenglykol gestarteten Polyethers auf Basis von 1,2-Propylenglykol mit einem Molekulargewicht von 1000 (würde bei einer Funktionalität von 2 eine Hydroxylzahl von 112 mg KOH/g ergeben), eingesetzt sei. Anspruch 1 des Hauptantrags unterscheide sich von diesem Beispiel durch die Hydroxylzahl des Polyols b3).
- Der Vergleich der Polyolen D und U in D16a sei nicht geeignet, um einen Effekt gegenüber D10 zu zeigen, denn diese Polyolen seien unterschiedlich aufgebaut. In D21 werde auch gezeigt, dass die Polyole keinen Effekt auf die Entformbarkeit haben. Somit führe das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags nicht zu einer Verbesserung gegenüber D10 und die Aufgabe sei als die Bereitstellung eines weiteren Verfahren zur Herstellung von Polyurethan-Hartschaumstoffen anzusehen.
- Die Verwendung von Polyolen mit unterschiedlichen Hydroxyzahlen seien schon durch Anspruch 1 der D10 nahegelegt. Anspruch 1 des Hauptantrags sei somit nicht erfinderisch.
Hilfsanträge 1 und 2
- Für Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 2 gälten dieselben Argumenten der mangelnden erfinderischen Tätigkeit wie für den Hauptantrag.
Hilfsantrag 3
- Das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 unterscheide sich vom Verfahren des Beispiels 4 der D10 durch die Hydroxylzahl des eingesetzten Polyols b3) und durch die Verwendung einer Mischung aus einem hoch- und einem niedrigviskosen Isocyanat anstatt Roh-MDI.
- Zu dem zweiten Unterschied, die Isocyanatmischung, sei anzumerken, dass das Dokument D10 im Beispiel 4 die Verwendung eines Roh-MDIs (Isocyanatgehalt von 31,5% als einziges Isocyanat, ohne Angabe der Viskosität) offenbare.
- Im Abschnitt 26 des Streitpatents, und auch im Abschnitt 19 der D1, sei beschrieben, dass es sich bei Roh-MDI um ein Gemisch der Isomeren und höherkernigen Homologen des MDI handele. Jedes Roh-MDI stelle also selber ein Gemisch dar, welches man in Fraktionen unterschiedlicher Viskositäten auftrennen könne, um daraus dann wieder Abmischungen herzustellen (siehe auch D17 und D18). Das Gemisch aus Isocyanaten gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 sei somit aus dem Stand der Technik schon bekannt.
- Dem Fachmann sei auch bekannt, dass polymere MDI mit höheren Viskositäten auch höhere Anteile an mehrkernigen Homologen besitzen (D17, Abschnitt 2.6). Der Einsatz von hochviskosen Isocyanaten führe - aufgrund der höheren Funktionalität von mehrkernigen Polyisocyanaten - zu einer höheren Vernetzung im Polymer und als Folge zu einer Verbesserung des Nachtriebs. In D20 sei eindeutig belegt worden, dass es zwischen Produkten aus dem Verfahren des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 3, und Produkten aus einem handelsüblichen Isocyanat mit entsprechend gleicher Viskosität, für Hartschäume keinen Unterschied gebe.
- Darüber hinaus zeige D20, dass die gemessenen Werte des Nachtriebs an Schäumen gemäß D10 und gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 nahezu identisch seien, was die Einstufung als technische Alternative berechtige. Es sei insbesondere auch zu beachten, dass sich der angebliche Effekt auf den Nachtrieb innerhalb der Fehlerquote der Messung befinde. Somit sei dieser Effekt nicht ausreichend, um eine erfinderische Tätigkeit über die gesamte Anspruchsbreite zu begründen. Aus diesem Grund stelle das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 eine Alternative zum Verfahren der D10 dar.
- Es sei auch aus dem Stand der Technik bekannt, dass die Wahl des Isocyanats einen Einfluss auf die Entformbarkeit haben könne (D6, Seite 504, 2. Abschnitt; D15, Seite 460, dritter Absatz). Es sei auch bekannt, anstatt Roh-MDI z.B. ein Lupranat® M20S mit einer Viskosität von ca. 200 cps bei 25°C und einem NCO-Gehalt von 31,5% oder auch das höherfunktionelle und viskose Lupranat® M70L für die Herstellung von Hartschäumen zu verwenden (D8, D16 und D18).
- Der Fachmann hätte also, ausgehend von D10, auf der Suche nach einem alternativen Verfahren ohne erfinderisches Zutun das Roh-MDI durch ein beliebiges anderes polymeres MDI, z.B. eines mit einer Viskosität von ca. 200 mPa.s (Lupranat® M20S: D8, D16 und D18) ersetzt und er hätte auch dieses MDI ohne erfinderisches Zutun aus einer Mischung zweier Isocyanatfraktionen mit unterschiedlichen Viskositäten (D1, D17, D19) hergestellt. In analoger Weise hätte der Fachmann auch das in der D1 verwendete Roh MDI ersetzt. Aus diesem Grund sei Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 nicht erfinderisch gegenüber D10.
XIII. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung (Zurückweisung der Einspruchs), hilfsweise im Umfang eines der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 15.
XIV. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
1. Zulassung von Dokumenten
1.1 D15 wurde von der Einspruchsabteilung ins Einspruchsverfahren zugelassen (Entscheidung, Seite 6, zweiter Absatz). Die Zulassung verspätet vorgebrachter Dokumente ist eine Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung, die nur dann aufzuheben ist, wenn die Kammer zu den Schluss kommt, dass dieses Ermessen nicht nach den richtigen Maßgaben bzw. Kriterien oder in willkürlicher bzw. unangemessener Weise ausgeübt wurde (Rechtsprechung der Beschwerdekammer, 9. Auflage, 2019, Kapitel V.A.3.5.1 b)). Im vorliegenden Fall kann die Kammer keine Indizien erkennen, die Einspruchsabteilung habe ihr Ermessen nicht nach den richtigen Kriterien ausgeübt, noch hat die Patentinhaberin im Beschwerdeverfahren Entsprechendes vorgetragen. Somit bestehen keine Gründe, die Entscheidung über die Zulassung von D15 aufzuheben.
1.2 D16a ist eine Zusammenstellung experimenteller Daten zur Herstellung von Polyurethanschaumstoffen, die mit der Beschwerdebegründung der Patentinhaberin eingereicht wurde. D16a greift explizit einen zentralen, entscheidungswesentlichen Punkt der Begründung der erfinderischen Tätigkeit gegenüber D10 auf, nämlich, dass das Streitpatent einen Effekt in Verbindung mit der Auswahl der Hydroxylzahl des Polyetheralkohols b3) nicht zeige (Abschnitt II.3.3.4 der Entscheidungsgründe). Die Ladung zur mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung enthielt bereits einen Hinweis auf einen fehlenden zutreffenden Vergleich zwischen Anspruch 1 des Hauptantrags und D10 (erster Absatz, Seite 9 der Ladung). In Reaktion auf diesen Hinweis hatte die Patentinhaberin eigentlich schon im Einspruchsverfahren neue experimentelle Versuche mit Schreiben vom 18. Dezember 2017 eingereicht (D13, in Punkt III, Seiten 3 und 4 der Eingabe, das von der Einspruchsabteilung als D14 umnummeriert wurde), die allerdings in der Entscheidung der Einsspruchsabteilung keine Rolle spielten. Die Einreichung von D16a mit der Beschwerdebegründung kann somit als ein berechtigter Versuch der Patentinhaberin angesehen werden, um einen Effekt der Auswahl der Hydroxylzahl des Polyetheralkohols b3) zu zeigen. Folglich kann die Kammer keinen Grund erkennen, ihr Ermessen gemäß Artikel 12(4) VOBK 2007 (der gemäß Artikel 25(2) VOBK 2020 Anwendung findet) derart auszuüben, den Bericht D16a nicht ins Verfahren zuzulassen.
1.3 Aus analogen Gründen kann die Kammer keinen Grund erkennen, den Versuchsbericht D21 der Einsprechenden, welcher als Reaktion auf D16a eingereicht wurde, vom Verfahren auszuschließen.
1.4 Gegen die Zulassung der Dokument D16 bis D20 und D22 wurde kein Einwand erhoben. Die Kammer sieht auch keinen Grund, diese Dokumente vom Verfahren auszuschließen. Insbesondere kann D22 als Reaktion auf den mit der Beschwerdebegründung der Einsprechenden eingereichten Versuchsbericht D20 angesehen werden, sodass auch hier kein Grund besteht, dieses Dokument nicht zu berücksichtigen.
1.5 Zusammenfassend bleibt Dokument D15 im Verfahren und die Dokumente D16 bis D22 und D16a werden ins Verfahren zugelassen.
Hauptantrag
2. Erfinderische Tätigkeit
2.1 D10 betrifft ein Verfahren zur Herstellung von Polyurethan-Hartschaumstoffen aus einem Polyisocyanat und einer Mischung von drei Polyetherpolyolen in Anwesenheit eines Treibmittels (Anspruch 1). D10 wurde in der Entscheidung der Einspruchsabteilung als nächstliegender Stand der Technik angesehen (Seite 12, vorletzter Absatz der Entscheidung). Sowohl die Einsprechende (Beschwerdebegründung, Seite 4, ab dem 5. Absatz und Schreiben vom 7. Dezember 2018) als auch die Patentinhaberin (Beschwerdebegründung, Abschnitt 4.4) sind ebenfalls von Dl0 und insbesondere vom Beispiel 4 der D10 als nächstliegendem Stand der Technik ausgegangen. Die Kammer hat keinen Grund von dieser Auswahl abzuweichen.
2.2 Im Beispiel 4 der D10 wird ein Schaum hergestellt, wobei als Polyol eine Mischung aus 50 Gew.-Teilen eines mit o-Toluoldiamin gestarteten Polyethers auf Basis von Propylenoxid mit einem Molekulargewicht von 560 (ergibt bei einer Funktionalität von 4, wie von der Einsprechenden im Brückenabsatz auf den Seiten 3/4 der Beschwerdebegründung berechnet, eine OH-Zahl von 401 mg KOH/g), 30 Gew.-Teilen eines mit 80 Gew.-% Saccharose und 20 Gew.-% Propylenglykol gestarteten Polyethers auf Basis von Propylenoxid mit einem Molekulargewicht von 600 (entspricht einer mittleren Funktionalität von 4,8 und einer OH-Zahl von 451 mg KOH/g) und 20 Gew.-Teilen eines mit Propylenglykol gestarteten Polyethers auf Basis von 1,2-Propylenglykol mit einem Molekulargewicht von 1000 (ergibt bei einer Funktionalität von 2 eine OH-Zahl von 112 mg KOH/g) (Seite 9, Zeilen 1-17), eingesetzt wird.
2.3 Wie aus der Entscheidung (Seite 12, zweiter Absatz), der Beschwerdebegründung der Einsprechende (Seite 4, zweiter Absatz) und der Beschwerdebegründung der Patentinhaberin (Brückenabsatz Seiten 8/9) einstimmig hervorgeht, unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags vom Beispiel 4 von D10 dadurch, dass die Hydroxylzahl des Polyetheralkohols b3) in einem Bereich von 140 bis 250 mg KOH/g liegt (die Hydroxylzahl dieses Polyetheralkohols ist 112 mg KOH/g in Beispiel 4 von D10).
2.4 Es ist nicht strittig, dass weder die Beispiele des Streitpatents noch die Beispiele in D14, die in diesem Zusammenhang im Einspruchsverfahren zitiert wurden, keinen direkten Vergleich mit dem Verfahren und mit dem Polyurethan-Hartschaumstoff des Beispiels 4 von D10 ermöglichen. Somit sind die Beispiele des Streitpatents und von D14 nicht relevant für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Hauptantrags.
2.5 In diesem Zusammenhang bezog sich die Patentinhaberin auch auf neue experimentelle Daten in D16a (Beschwerdebegründung, Seite 8, letzter Absatz bis Seite 9, zweiter Absatz), in denen im ansonsten vergleichbaren Verfahren anstatt des Polyetheralkohols D gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags (Hydroxylzahl 200 mg KOH/g) ein Polyetheralkohol U (Hydroxylzahl 105 mg KOH/g) eingesetzt wurde. D16a sollte insbesondere zeigen, dass das Verfahren gemäß Anspruch 1 zu einem Schaumstoff führe, der eine bessere Entformbarkeit aufweise, wie die geringeren Werte für den Nachtrieb nach 24 Stunden zeigten.
2.6 Bestimmte günstige Wirkungen oder vorteilhafte Eigenschaften können, wenn sie durch vergleichbare Ergebnisse in geeigneter Weise nachgewiesen werden, unter bestimmten Umständen der Definition der Aufgabe zugrunde gelegt werden, die mit der beanspruchten Erfindung gelöst werden soll, und können grundsätzlich als Anzeichen für erfinderische Tätigkeit gewertet werden. Hierzu eignen sich allerdings nur Vergleichsversuche, die sich an dem der Erfindung strukturell nächsten Stand der Technik orientieren, weil ausschließlich hierin die unerwartete Wirkung zu suchen ist (Rechtsprechung der Beschwerdekammer, 9. Auflage, 2019, Kapitel I.D.4.2).
2.7 Allerdings, wie aus D16a selbst ersichtlich ist (erste Seite), unterscheiden sich die Polyetheralkohole D und U nicht nur durch ihre Hydroxylzahl, sondern auch durch ihre chemische Zusammensetzungen, da die Polyetheralkohole D und U aus unterschiedlichen Monomeren gewonnen wurden. Insbesondere, wurde der Polyetheralkohol D aus vicinalem Toluylendiamin (TDA), Ethylenoxid und Propylenoxid hergestellt, während der Polyetheralkohol U auf Propylenglykol-1,2 und Propylenoxid basierte. Aus diesem Grund kann aus dem Vergleich der Beispiele der D16a nicht auf eine verbesserte Entformbarkeit der Polyurethan-Hartschaumstoffe gegenüber D10 geschlossen werden.
2.8 Im Hinblick auf die Beweislage kann deshalb die objektiv zu lösende technische Aufgabe nur als die Bereitstellung eines alternativen Verfahrens zur Herstellung von Polyurethan-Hartschaumstoffen formuliert werden.
2.9 Im Anspruch 1 von D10 wird offenbart, dass die Propylenglykol-gestarteten Polyether, die den Polyetheralkoholen b3) gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags entsprechen, ein Molekulargewicht von 500 bis 1500 g/mol aufweisen. Dieses Molekulargewicht entspricht in der Berechnung der Einsprechenden, die von der Patentinhaberin nicht bestritten wurde, einer Hydroxylzahl von 75-224 mg KOH/g. Dieser Bereich überlappt mit dem Bereich von 140-250 mg KOH/g gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags. Es wurde auch nicht gezeigt, dass der überlappende Bereich von 140-224 mg KOH/g von einem Fachmann im Hinblick auf D10 nicht in Betracht gezogen würde. Der Verwendung eines Polyetheralkohols b3) mit einer Hydroxylzahl im Bereich von 140-224 mg KOH/g im Verfahren des Beispiels 4 der D10, um weitere Polyurethan-Hartschaumstoffe herzustellen, kann deshalb aufgrund von D10 allein keine erfinderische Tätigkeit zuerkannt werden.
2.10 Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags ist somit nicht erfinderisch gegenüber D10.
Hilfsanträge 1 und 2
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1 Im Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 werden zusätzlich die Mengen der Polyetheralkohole b1) (10 bis 50 Gew.-%), b2) (25 bis 80 Gew.-%) und b3) (10 bis 25 Gew.-%) im Polyolgemisch definiert (siehe Punkt III). Das Polyolgemisch des Beispiels 4 der D10 ist auf Seite 9 beschrieben. Es enthält 50 Gew.-Teile eines mit o-Toluoldiamin gestarteten Polyethers auf Basis von Propylenoxid (entsprechend dem Polyetheralkohol b1) gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 1), 30 Gew.-Teile eines mit Saccharose und Propylenglykol gestarteten Polyethers auf Basis von Propylenoxid (entsprechend dem Polyetheralkohol b2)) und 20 Gew.-Teile eines Propylenglykol gestarteten Polyethers auf Basis von Propylenoxid (entsprechend dem Polyetheralkohol b3)). Die Mengen an Polyetheralkoholen sind somit gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 1. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich folglich vom Verfahren des Beispiels 4 der D10 nur durch die Hydroxylzahl des Polyetheralkohols b3).
3.2 In Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 wurde, zusätzlich zu der Spezifizierung der Menge der Polyetheralkohole b1), b2) und b3) die Viskosität des Polyetheralkohols b1) auf einem Bereich von 12000 bis 75000 mPa·s begrenzt. Die Viskosität des mit o-Toluoldiamin gestarteten Polyethers auf Basis von Propylenoxid in der Komponente A ist in D10 nicht explizit offenbart. Es wurde allerdings in der Entscheidung der Einspruchsabteilung schon festgestellt, dass die Viskosität dieses Polyetheralkohols 26500 mPa·s beträgt und somit in den Bereich des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 fällt (zweiter Absatz, Seite 15 der Entscheidung). Dieser Punkt wurde von der Patentinhaberin nicht bestritten. Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich folglich vom Verfahren des Beispiels 4 der D10 nur durch die Hydroxylzahl des Polyetheralkohols b3).
3.3 Das Verfahren des Beispiels 4 der D10 bleibt weiterhin nächstliegender Stand der Technik für die Hilfsanträge 1 und 2. In Bezug auf die Frage der erfinderischen Tätigkeit gegenüber D10 wurden von den Parteien keine weiteren Argumente vorgetragen als diejenigen, die bereits für den Hauptantrag geltend gemacht wurden. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 und Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheiden sich vom Beispiel 4 der D10, ebenso wie Anspruch 1 des Hauptantrags, nur durch die Hydroxylzahl des Polyetheralkohols b3). Die Begründung und die Schlussfolgerung, wie in den Punkten 2.3 bis 2.10 oben dargelegt, gelten deshalb auch für den Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 2. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 und Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 sind daher nicht erfinderisch gegenüber D10.
Hilfsantrag 3
4. Erfinderische Tätigkeit
4.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass als Polyisocyanat eine Mischung aus einer Komponente a1) mit einem NCO-Gehalt von 30 bis 32 Gew.-% und einer Viskosität von 2000 bis 2200 mPa·s bei 25°C und einer Komponente a2) mit einem NCO-Gehalt von 30 bis 32 Gew.-% und einer Viskosität von 100 bis 120 mPa·s bei 25°C eingesetzt wird. Im Hinblick auf die Isocyanatmischung, die im Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 definiert ist, offenbart das Streitpatent in den Abschnitten 25 bis 28, dass es sich bei den Isocyanaten a1) und a2) um zwei Polyphenylenpolymethylenpolyisocyanate (Roh-MDI) handelt.
4.2 Das Beispiel 4 von D10 wird gemäß den Ausführungen beider Parteien für Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 weiterhin als nächstliegender Stand der Technik angesehen. Im Verfahren gemäß Beispiel 4 der D10 wird als polymeres Isocyanat ein "rohes MDI" mit einem Isocyanatgehalt von 31,5 Gew.-% verwendet (Seite 4, Zeilen 11-13, Komponente B). Das rohe MDI des Beispiels 4 wird in D10 nicht näher definiert, insbesondere wird die Viskosität dieser Komponente nicht offenbart.
4.3 Es wurde im Hinblick auf D17 (vgl. die beiden ersten Absätze der dritten Seite und Abschnitt 2.6) und D18 (Lupranat® M20S, letzter Absatz auf Seite 432) geltend gemacht, dass jedes polymere Isocyanat immer als Mischung von Komponenten unterschiedlicher Viskositäten angesehen werden könnte, und dass die Mischung der Isocyanate a1) und a2) gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 nichts anderes sei als ein bekanntes Roh-MDI. D17 und D18 zeigen zwar, dass polymere Isocyanate miteinander vermischt werden können, um Isocyanate mit angepassten Merkmalen herzustellen, allerdings kann daraus nicht geschlossen werden, dass das undefinierte rohe MDI des Beispiels 4 von D1 notwendigerweise eine Mischung von Isocyanaten a1) und a2) gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 ist.
4.4 Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 unterscheidet sich deshalb vom Verfahren des Beispiels 4 von D10 i) in der Hydroxylzahl des Polyetheralkohols b3) (Punkt 2.3 dieser Entscheidung) und ii) in der Auswahl eines Gemisches an Isocyanaten mit definierten Viskositäten.
4.5 Die Hydroxylzahl des Polyetheralkohols b3) wurde in Bezug auf den Hauptantrag schon behandelt (vgl. die Punkte 2.4 bis 2.8 dieser Entscheidung). Für dieses Merkmal wird kein Effekt anerkannt.
4.6 Für das Gemisch an Isocyanaten wurden die Versuche in D20 und in D22 für relevant gehalten. In diesem Zusammenhang ist die Frage zu beantworten, ob die Verwendung von zwei Isocyanaten mit definierten Viskositäten in den Bereichen von 100-120 mPa.s bei 25°C und 2000-2200 mPa.s bei 25°C vorteilhaft gegenüber D10 ist.
4.7 D20 der Einsprechende und D22 der Patentinhaberin ähneln sich, indem beide Berichte eine Herstellungsreihe von Polyurethan-Hartschaumstoffen beschreiben, die sich lediglich durch die Zusammensetzung der Isocyanaten unterscheiden. Dabei wird im Herstellungsbeispiel 1 beider Berichte ein Isocyanat mit einer Viskosität von 200 mPa.s (Isocyanat 1) und in den anderen Versuchen (Herstellungsbeispiele 2 und 3 der D20 und Herstellungsbeispiele 2 bis4 der D22) eine Mischung variierender Anteile zweier Isocyanate mit Viskositäten von 120 mPa.s und 2200 mPa.s verwendet (Isocyanate 2 und 3). Es wurde auch von beiden Parteien zu Grunde gelegt, dass in beiden Berichten das Isocyanat mit Viskosität 200 mPa.s repräsentativ für das Beispiel 4 der D10 ist und die Mischung von zwei Isocyanaten mit Viskositäten von 120 mPa.s und 2200 mPa.s die Mischung gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 ergibt.
4.8 Sowohl D20 als auch D22 zeigen, dass die Verwendung von Mischungen von Isocyanaten gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 (Isocyanat 2 mit Isocyanat 3) zu niedrigeren Werten des Nachtriebs führt (93,1 mm und 95,2 mm für die Herstellungsbeispiele 2 und 3 von D20 und 93,4-94,5 mm für die Herstellungsbeispiele 2-4 von D22) im Vergleich zum Isocyanat 1 (95,3 mm fürs Herstellungsbeispiel 1 von D20 und 95,0 mm fürs Herstellungsbeispiel 1 von D22). Das gilt insbesondere für die Herstellungsbeispiele 2, die Mischungen von Isocyanaten verwenden, die dieselbe Viskosität wie das Isocyanat 1 aufweisen. Auch wenn der Effekt über den Nachtrieb im Beispiel 2 in D20 und in D22 klein verglichen mit dem Nachtrieb des Beispiels 1 in denselben Dokumenten aussehen kann, zeigen diese Dokumente allerdings, dass dieser Effekt durch zwei unabhängige Messungen festgestellt werden konnte. Auf diese Grundlage und in Abwesenheit gegenteiliger Belege seitens der Einsprechenden kann die Kammer nur schließen, dass der Vergleich zwischen Beispiel 1 und Beispiel 2 in D20 und D22 für die Formulierung der technischen Aufgabe relevant ist.
4.9 Es wurde auch geltend gemacht, dass der Effekt im Beispiel 2 innerhalb der Fehlerquote stünde und somit nicht bedeutsam sei. Dieser Einwand wurde allerdings zum spätesten Zeitpunkt des Beschwerdeverfahrens vorgebracht, nämlich in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer, und wurde nicht durch nachprüfbare Fakten belegt. Aus diesem Grund kann die Kammer nicht feststellen, wie hoch die Fehlerquote bei der Messung des Nachtriebs ist, und ob der geltend gemachte Effekt darunter fällt oder nicht. Somit kann die Argumentation der Einsprechenden in Bezug auf die Fehlerquote der Messung nicht überzeugen.
4.10 Sowohl D20 als auch D22 zeigen einen messbaren Effekt für alle Verfahren, die eine Mischung von Isocyanaten mit Viskositäten von 2200 mPa.s und 120 mPa.s verwenden (Beispiele 2 bis 4 der D22 und Beispiele 2/3 der D20). Das gilt insbesondere, wenn Isocyanate mit derselben Gesamtviskosität verglichen werden. Die Aufgabe, die gegenüber Beispiel 4 der D10 zu formulieren ist, ist deshalb die Bereitstellung eines Verfahrens zur Herstellung von Polyurethan-Hartschaumstoffen mit verbesserter Entformbarkeit (erkennbar an den geringen Werten für den Nachtrieb nach 24 Stunden).
4.11 Es bleibt zu klären, ob es für den Fachmann naheliegend war, den nächstliegenden Stand der Technik so abzuändern, um zum beanspruchten Gegenstand zu gelangen, mit dem Ziel, die definierte Aufgabe zu lösen.
4.11.1 D10 lehrt auf Seite 3, Zeile 24 bis Seite 4, Zeile 17 die Verwendung von Isocyanatkomponenten. In diesem Dokument gibt es allerdings keinen Hinweis auf Isocyanatmischungen unterschiedlicher Viskositäten. D10 deutet somit nicht auf die Verwendung der Isocyanaten a1) und a2) gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 hin.
4.11.2 D15 (Seite 460, dritter Absatz) lehrt, dass die Entformbarkeit von Polyurethan-Hartschaumstoffen von der Länge der Polymernetzwerkkette abhängt. Diese Passage der D15 betrifft allerdings den Einfluss von Polyolmischungen auf die Eigenschaften der hergestellten Polyurethan-Hartschaumstoffe (siehe Titel auf Seite 459 "Relationships between foam properties and polyol blends"). Darin wird die Isocyanatkomponente nicht erwähnt. Somit ist D15 für Isocyanatmischungen unterschiedlicher Viskositäten nicht relevant.
4.11.3 Die Passage auf Seite 504 (zweiter Absatz) der D6 betrifft die Herstellung von Polyurethan-Hartschaumstoffen und lehrt, dass deren Entformbarkeit unter anderem von der Auswahl der Isocyanate abhängt. D6 lehrt allerdings nicht die Verwendung von Isocyanatmischungen unterschiedlicher Viskositäten.
Die vierte Spalte der Tabelle 1 der D6 enthält zwar den Hinweis, dass die Entformbarkeit durch die Verwendung von Materialien mit hohen Funktionalitäten beeinflusst werden kann. Es ist allerdings daraus nicht ersichtlich, ob sich diese Lehre auf Isocyanate oder auf Polyole bezieht; darüber hinaus werden Mischungen nicht angesprochen. In diesem Zusammenhang wurden auch D8, D16 und D18 zitiert. D8 (Tabelle 4) beschreibt zwar die Verwendung von Lupranat® M-20S (auch bekannt aus dem technischen Datenblatt D16) und Lupranat® M-70L, zwei Polyisocyanate, die in D6 allerdings nicht in Kombination miteinander offenbart sind. Auch D18 (Seite 432) offenbart die Verwendung von Lupranat® M20 mit einer Viskosität von 209 mPa.s, allerdings nicht in Kombination mit einem anderen Isocyanat. Es wurde im Kontext der D6, D16 und D18 auch nicht gezeigt, dass die darin erwähnten Lupranat® Polyisocyanate als Mischung von zwei Isocyanaten gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 angesehen werden könnten. Aus diesem Grund ist es nicht ersichtlich, wie D8 oder D18 eine Mischung von Isocyanaten gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 nahelegen können.
4.11.4 Mischungen von Isocyanaten sind zwar aus D19 und D1 allgemein bekannt (D19: Spalte 1, Zeilen 46-53, Spalte 2, Zeilen 11-18 und Spalte 9, Zeilen 35-44; D1: Absätze 19 und 22), allerdings deuten D19 und D1 nicht auf die Verwendung von Isocyanaten unterschiedlicher Viskositäten gemäß Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 hin, um Polyurethan-Hartschaumstoffe mit verbesserter Entformbarkeit herzustellen.
4.11.5 Auch D17 (Abschnitt 2.6) lehrt, dass die Verwendung von Mischungen von Isocyanaten in der Herstellung von Polyurethanen die Eigenschaften des Zweikomponentensystems verändern kann. Allerdings betrifft D17 nur die Herstellung von Beschichtungen und Klebstoffen auf Basis von Polyurethanen (erste Seite, letzter Absatz). Es ist somit fraglich, ob die Lehre der D17 auch für die Herstellung von Schäumen und insbesondere deren Entformbarkeit gelten würde. In D17 ist auch kein Hinweis auf die Verwendung von Isocyanaten unterschiedlicher Viskositäten zu finden. Somit kann auch D17 den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 3 nicht nahelegen.
4.12 Aus den vorstehend genannten Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass sich die Lösung der technischen Aufgabe, nämlich die Bereitstellung eines Verfahrens zur Herstellung von Polyurethan-Hartschaumstoffen mit verbesserter Entformbarkeit, nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt. Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 ist somit erfinderisch gegenüber D10.
5. Da die Kammer zu demselben Ergebnis wie die Einspruchsabteilung gelangt, sind beide Beschwerden zurückzuweisen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerden werden zurückgewiesen.