T 2814/18 28-01-2022
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VERFAHREN UND VORRICHTUNG ZUR ÜBERWACHUNG DER INTENSITÄT EINES ELEKTRONENSTRAHLS
Neuheit - (ja)
Spät eingereichtes Beweismittel E31 - zugelassen (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
I. Die Beschwerde der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. EP 2 422 351 (Streitpatent) in geändertem Umfang gemäß Artikel 101 (3) a) EPÜ.
II. Folgende Dokumente werden in dieser Entscheidung genannt:
E14|US 6 221 216 B1 |
E16|D.R. Kneeland et al., "Industrial use of the real time monitor for quality assurance in electron processing", RADIATION PHYSICS AND CHEMISTRY, ELSEVIER, AMSTERDAM, NL, Bd. 55, Nr. 4, 11. Juli 1999, Seiten 429-436|
E20|US 4 652 763 A |
E21|D. ICKE, "Cold, Dry Sterilization of PET Bottles for Aseptic Applications", PET STRATEGIES CONFERENCE, 30. November 2007 |
E23|"PET Strategies Conference", 8. Oktober 2007 im Internet: URL:http://web.archive.org/web/20071008220720/http:/bnpevents.com/PS/2007/PET/ProgramAgenda.html |
E24|Informations- und Registrationsbröschüre für die "PET Strategies Conference 2007" vom 28. bis 30. November 2007 in Ponte Vedra Beach, FL, USA |
E27|Conference Workbook "PET Strategies 2007" |
E28|Brief vom 21. August 2007 der Firma "Packaging Strategies" an Herrn Icke |
E29|Terminkalender über die "Rehearsal days" von Mittwoch, 28. November bis Freitag, 30. November |
E31|DE 10 2004 042 431 A1 |
E32|E-mail von Herrn Jochen Krüger vom 6. Dezember 2007 |
E33 E34 E35|E-mail von Herrn Hans Hiendl vom 5. Dezember 2007eidesstattliche Versicherung von Herrn Jochen Krüger, 28. Januar 2019eidesstattliche Versicherung von Herrn Hans Hiendl, 28. Januar 2019 |
III. Die Einspruchsabteilung entschied, dass der während der mündlichen Verhandlung eingereichte Hilfsantrag I den Erfordernissen des EPÜ genüge und wertete E21 als nicht vorveröffentlichten Stand der Technik.
IV. Die Beschwerdeführerin beantragt, die Entscheidung aufzuheben und das Streitpatent zu widerrufen.
Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin die weiteren Beweismittel E31 bis E35 ein.
V. Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) beantragt gemäß Hauptantrag die Beschwerde zurückzuweisen.
Hilfsweise beantragt sie, die Entscheidung aufzuheben und das Patent gemäß der mit Schreiben vom 14. Juni 2019 eingereichten Hilfsanträge I und II aufrechtzuerhalten.
Die Beschwerdegegnerin beantragt weiterhin, die Dokumente E31 bis E35 im Beschwerdeverfahren nicht zu berücksichtigen.
Des Weiteren beantragt die Beschwerdegegnerin, die Argumentationslinie der Beschwerdeführerin, dass das Merkmal M2 nicht technisch sei, als verspätet nicht in das Verfahren zuzulassen.
VI. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 11 des Streitpatents haben den folgenden Wortlaut (Merkmalsgliederung durch die Einspruchsabteilung):
Anspruch 1
(M1) Verfahren zur Überwachung der Intensität eines, während seiner Ausbreitung ein Plasma erzeugenden Elektronenstrahls,
(M2) wobei zur Erkennung von Änderungen der Intensität des Elektronenstrahles eine indirekt vom Elektronenstrahl erzeugte elektromagnetische Strahlung detektiert und ausgewertet wird
(M3) und wobei ein zur messtechnischen Erfassung einer indirekt vom Elektronenstrahl erzeugten elektromagnetischen Strahlung ausgebildeter Detektor vorgesehen ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
(M4) der Detektor durch die Wandung eines transparenten oder durchscheinenden Packstoffes auf das Plasma schaut,
(M5) wobei der Detektor die Strahlung des vom Elektronenstrahl generierten Plasmas detektiert.
Anspruch 11
(M11.1) Vorrichtung zur Überwachung der Intensität eines Elektronenstrahles, wobei der Elektronenstrahl während seiner Ausbreitung ein Plasma erzeugt,
(M11.2) wobei ein zur messtechnischen Erfassung einer indirekt vom Elektronenstrahl erzeugten elektromagnetischen Strahlung ausgebildeter Detektor vorgesehen ist,
(M11.3) und wobei der Detektor mit einer Auswertungseinrichtung zur Erkennung von Änderungen
der Intensität der vom Elektronenstrahl erzeugten elektromagnetischen Strahlung verbunden ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
(M11.4) der Detektor so angeordnet ist, dass er durch die Wandung eines transparenten oder durchscheinenden Packstoffes auf das Plasma schaut,
(M11.5) wobei der Detektor die Strahlung des vom Elektronenstrahl generierten Plasmas detektiert.
VII. Der Wortlaut der Ansprüche der Hilfsanträge I und II ist für diese Entscheidung nicht relevant.
VIII. Die relevanten Argumente der Parteien können wie folgt zusammengefasst werden.
a) In der Beschwerdebegründung argumentiert die Beschwerdeführerin, dass der Gegenstand der Ansprüche 1 und 11 bereits aus den Dokumenten E14, E16 und E20 bekannt und somit nicht neu sei (Artikel 52 (1) und 54 (1) und (2) EPÜ).
Weiterhin sei der Gegenstand dieser Ansprüche auch durch eine Kombination eines der Dokumente E14, E16 oder E20 mit dem allgemeinen Fachwissen oder mit Dokument E31 nahegelegt und beruhe somit nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
Der Gegenstand sei auch im Hinblick auf E21 und dem allgemeinen Fachwissen nahegelegt. Bezüglich der Veröffentlichung des Dokuments E21 verweist die Beschwerdeführerin auf die Dokumente E23, E24, E27 bis E29 sowie E32 bis E35. Die Beschwerdeführerin bot die Herren Jochen Krüger und Hans Hiendl als Zeugen an, um die Aussagen der E32 bis E35 zu bestätigen.
Die Beschwerdeführerin argumentiert im Schreiben vom 7. Oktober 2019 ferner, dass der Gegenstand von Anspruch 1 nicht neu gegenüber E21 sei, während in der Beschwerdebegründung ein Teil des Merkmals M2, nämlich die Auswertung der detektierten Strahlung, als Unterscheidungsmerkmal angesehen wurde. Da eine Auswertung auch ein rein gedanklicher Akt sein könne, sei die reine Betrachtung der Folie 32 der E21 bereits eine Auswertung im Sinne von Merkmal M2.
b) Für die Beschwerdegegnerin ist Dokument E21 kein Stand der Technik gemäß Artikel 54 (2) EPÜ.
Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 11 in der von der Einspruchsabteilung aufrecht erhaltenen Fassung sei neu und beruhe auf einer erfinderischen Tätigkeit.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Die Erfindung betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Überwachung der Intensität eines Elektronenstrahls.
Derartige Elektronenstahlen können beispielsweise in röhrenförmigen Vorrichtungen erzeugt werden, die ähnlich zu Röntgenröhren ausgebildet sind und innerhalb derer ein glühendes metallisches Emissionselement angeordnet ist. Die Elektronen werden hierbei durch Glühemission erzeugt und innerhalb der Röhre auf hohe kinetische Energien beschleunigt. Die entsprechend beschleunigten Elektronen treten am Ende der Beschleunigungsstrecke durch ein Austrittsfenster aus der röhrenförmigen Einrichtung aus. Typischerweise wird das Austrittsfenster dünn bzw. schmal ausgebildet und elektrisch auf Erdpotential gelegt. Derartige Einrichtungen werden auch als Elektronenkanonen bezeichnet. Nach dem Verlassen des Austrittsfensters gelangen die Elektronen in die atmosphärische Umgebung und pflanzen sich dort fort, siehe Absätze [0003] und [0004] des Streitpatents.
Eine Anwendung derartiger Elektronenstrahlen kann beispielsweise zur Entkeimung von Oberflächen eines Packstoffes erfolgen. Bei einer solchen Anwendung wird die Oberfläche des Packstoffes durch eine geeignete Ablenkung des Elektronenstrahles und/oder durch eine Bewegung des Packstoffes relativ zur Elektronenquelle zumindest in vorgegebenen Bereichen vollständig vom Elektronenstrahl bestrichen, um eine zuverlässige Entkeimung durchzuführen. Bei Intensitätseinbrüchen des Elektronenstrahles, bei einem kurzzeitigen Ausfall des Elektronenstrahles oder bei einem Energieeinbruch des Elektronenstrahls kommt es somit ohne entsprechende Gegenmaßnahmen zu einer unvollständigen Durchführung des Entkeimungsvorganges, siehe Absatz [0008] des Streitpatents.
Erfindungsgemäß wird die zuverlässige Überwachung der Intensität des Elektronenstrahls durch Detektieren und Auswerten einer indirekt vom Elektronenstrahl erzeugten elektromagnetischen Strahlung durchgeführt, und zwar der Strahlung des vom Elektronenstrahl während seiner Ausbreitung generierten Plasmas.
3. Auslegung der Ansprüche
3.1 In der Beschwerdebegründung legt die Beschwerdeführerin unter Punkt 5. dar, wie die Merkmale der unabhängigen Ansprüche ihrer Meinung nach auszulegen seien.
Zunächst sei zwischen "detektieren" und "auswerten" zu unterscheiden, welche zwei verschiedene Schritte des Verfahrens seien.
Der Detektor detektiere elektromagnetische Strahlung, wobei alle Photonen, für die das Detektionsmaterial empfindlich sei und die sich in geeigneter Richtung ausbreiteten, aufgenommen werden würden. Im Beispiel von E16 nehme der Detektor nicht nur die vom Elektronenstrahl direkt erzeugten Photonen der Röntgenbremsstrahlung auf, sondern auch "Röntgenphotonen" im "Hintergrundrauschen", welche zum Beispiel aufgrund kosmischer Strahlung in der Atmosphäre entstünden oder ihren Ursprung "in spontanen Zerfällen" einzelner Atome/Moleküle hätten. Dazu zählten auch "Röntgenphotonen", die vom Elektronenstrahl beim Durchqueren der Luft indirekt erzeugt würden, also vom Plasma generierte Röntgenstrahlung. Als Beispiel nannte die Beschwerde-führerin vom Plasma erzeugte Röntgenstrahlung, welche durch "Röntgenfluoreszenz" entstünde, wenn der in E16 offenbarte Elektronenstrahl Luft oder ein Inertgas wie Argon (siehe E16, Seite 430, linke Spalte, vorletzte und letzte Zeile, "to reach the product in air or inerting gas") durchquere, siehe Beschwerdebegründung, Seite 12, vorletzter Absatz. Auch diese vom Plasma generierte Röntgenstrahlung werde vom Detektor mitgemessen, selbst wenn ihr Anteil nur beispielsweise ein Prozent der gesamten Röntgenstrahlung ausmache. Das Detektieren in Anspruch 1 beschränke sich somit nicht auf das Detektieren von "Signalen, die die Schwelle von einem gegebenenfalls vorhandenen Hintergrundrauschen übersteigen".
Der Detektion sei dann die Auswertung der vom Detektor generierten Signale nachgeordnet. Nach Lesart der Beschwerdeführerin schließe der Wortlaut des Merkmals M2 auch die Auswertung der vom Plasma generierten Röntgenstrahlung ("Rausch-Signale") ein. Das Streitpatent definiere nirgendwo, dass "die detektierte Signalstärke oberhalb eines ohnehin nicht weiter spezifizierten Rauschens liegen" müsse. Auch mit "schwachen Signalen" könne erkannt werden, ob ein Plasma entstanden sei oder ob ein Elektronenstrahl überhaupt vorhanden sei.
Der Anspruch fordere gemäß dem Merkmal M2 - entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung - nicht, dass die indirekt vom Elektronenstrahl erzeugte Strahlung einen wesentlichen Beitrag zur Bestimmung der Intensität des Elektronenstrahls leiste, sondern lediglich, dass eine Auswertung der Strahlung "zur Erkennung von Änderungen der Intensität" stattfinde. Das umfasse auch Fälle, in denen die indirekt erzeugte elektromagnetische Strahlung aus dem Plasma detektiert werde und in der Auswertungseinrichtung als Teil des Rauschens vom eigentlichen Signal getrennt werde, um daraus Rückschlüsse auf die Intensität des Elektronenstrahls zu ziehen. Anspruch 1 verlange keine bestimmte Signalstärke des detektierten Signals.
Im Schreiben vom 7. Oktober 2019 gibt die Beschwerdeführerin unter Punkt 3. weitere Erläuterungen dazu, wie die Merkmale von Anspruch 1 auszulegen seien. Merkmal M1 sei nicht auf eine permanente oder eine sich über einen bestimmten Zeitraum erstreckende Überwachung beschränkt und schließe auch eine bloße Feststellung mit ein, dass ein Elektronenstrahl vorhanden sei oder nicht. Die Intensität sei definiert als Energie pro Zeit und Fläche. M2 sei nicht auf eine zeitliche Änderung beschränkt, sondern umfasse auch eine räumliche Veränderung. Der Begriff "Auswertung" in M2 schließe auch einen rein gedanklichen Akt eines Beobachters ein und impliziere nicht die Verwendung technischer Mittel. Der Ausdruck "messtechnische Erfassung" in dem Merkmal M3 umfasse auch das Aufnehmen eines Fotos. Das Merkmal M4 umfasse die Möglichkeit, dass sich der Detektor innerhalb und das Plasma außerhalb des Packstoffs befinde oder umgekehrt. Der Begriff "transparent" fordere lediglich eine Transparenz für die zu detektierende elektromagnetische Strahlung. Das Merkmal M5 schließe nicht aus, dass die direkt von den Elektronen erzeugte Strahlung miterfasst wird.
3.2 Die Beschwerdegegnerin bezieht in ihrem Schreiben vom 16. Dezember 2019 Stellung zur Auslegung der Ansprüche durch die Beschwerdeführerin.
Sie beantragt die Argumentation der Beschwerdeführerin, dass das Merkmal M2 nicht technisch sei, als verspätet nicht zuzulassen. Für einen Menschen sei es nicht möglich, die Änderung der Intensität eines Elektronenstrahls zu detektieren und auszuwerten.
3.3 Die Kammer ist der Meinung, dass sich der Begriff Intensität eines Elektronenstrahls auf die Stromstärke I = eN/t bezieht, wobei N die Anzahl von Elektronen darstellt, die in der Zeit t (z. B. eine Sekunde) durch eine senkrecht zum Strahl gedachte Fläche treten, und e die Elementarladung ist. I wird in Ampere gemessen, siehe auch Absatz [0005] des Streitpatents. Im Falle eines Elektronenstrahls bezieht sich der Begriff Intensität daher nicht auf eine Energie pro Fläche und Zeit, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen.
Im Gegensatz zur Beschwerdeführerin ist die Kammer nicht der Auffassung, dass der Begriff "Überwachung" einschließt, dass lediglich geprüft wird, ob überhaupt ein Elektronenstrahl vorhanden ist. Auch gibt es im Streitpatent keinerlei Hinweise darauf, dass eine Überwachung der "räumlichen Änderung der Intensität" des Elektronenstrahls gemeint sein könnte. Das wäre auch nicht mit der genannten Definition der Intensität eines Elektronenstrahls vereinbar. Für den Fachmann ist es vielmehr offenkundig, dass eine zeitliche Überwachung der oben definierten Intensität eines tatsächlich vorhandenen Elektronenstrahls gemeint ist. Dies ist auch in Übereinstimmung mit den Absätzen [0006] bis [0009] der Patentschrift.
Anspruch 1 bezieht sich demnach auf die Überwachung dieser Intensität, wobei die Energie des Elektronenstrahls derart sein muss, dass ein Plasma, also ein Teilchengemisch aus Ionen, freien Elektronen und meist auch neutralen Atomen oder Molekülen, entsteht (siehe Merkmal M1).
Das vom Elektronenstrahl generierte Plasma erzeugt Strahlung, welche die gemäß der Merkmale M2 und M3 "indirekt vom Elektronenstrahl erzeugte elektromagnetische Strahlung" ist. Ein Fachmann würde die Merkmale M2, M3 und M5 so verstehen, dass dieselbe Strahlung gemeint ist. Die vom Plasma generierte Strahlung wird demnach von einem Detektor erfasst ("detektiert", Merkmale M2, M3 und M5) und ausgewertet (Merkmal M2), und zwar mit dem Ziel eine eventuelle Änderung der Intensität des Elektronenstrahls zu erkennen, d. h. die Intensität zu überwachen. Eine Auswertung gemäß dem Merkmal M2 impliziert aus Sicht der Kammer technische Mittel zur Auswertung des vom Detektor erzeugten elektrischen Signals. Ein rein gedanklicher Akt (z. B. das Betrachten eines Fotos eines Plasma) ist keine Auswertung im Sinne von M2. Anders ausgedrückt wird im beanspruchten Verfahren ein elektrisches Nutzsignal zum Zweck der Intensitätsüberwachung ausgewertet, welches von der Detektion der Strahlung des Plasmas herrührt.
Die Kammer teilt daher nicht die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass vom Plasma generierte Strahlung nur als Hintergrundrauschen mitdetektiert und mitausgewertet werde, wobei aber die Erkennung von Änderungen der Elektronenstrahlintensität tatsächlich über andere Wege (z. B. durch die Detektion und Auswertung von Bremsstrahlung) vorgenommen werde.
Merkmal M4 verlangt, dass sich zwischen Plasma und Detektor die Wandung eines transparenten oder durchscheinenden Packstoffs befindet, d. h. der Packstoff ist zumindest für die vom Plasma generierte Strahlung transparent. Diese Strahlung wird zumindest nicht komplett vom Packstoff bzw. seiner Wandung absorbiert oder reflektiert.
Anspruch 11 bezieht sich auf eine entsprechende Vorrichtung, wobei lediglich spezifiziert ist, dass eine Auswertungseinrichtung zur Erkennung von Änderungen der Intensität der vom Elektronenstrahl erzeugten elektromagnetischen Strahlung mit dem Detektor verbunden ist (Merkmal M11.3). Es wird darauf hingewiesen, dass hier nicht die Intensität des Elektronenstrahls gemeint ist, sondern die Intensität der vom Plasma generierten Strahlung. Beide korrelieren jedoch laut Anmeldung, Seite 4, Zeilen 21 bis 24 unmittelbar, sodass ein Erkennen von Änderungen der Intensität der vom Plasma generierten Strahlung eine Überwachung der Intensität des Elektronenstrahls ermöglicht.
4. Neuheit - Artikel 52 (1), 54 (1) und (2) EPÜ
Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 11 ist nicht in den Dokumenten E14, E16 oder E20 offenbart und ist daher neu. Selbst unter der Annahme, dass E21 vorveröffentlichter Stand der Technik ist, ist der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 11 auch gegenüber der Offenbarung der E21 neu.
4.1 Dokument E14
4.1.1 Für die Beschwerdeführerin zeigt Figur 3 aus E14 alle Merkmale M1 bis M5. Spalte 5, Zeilen 11 bis 19 offenbare die Überwachung eines Elektronenstrahls mittels eines "realtime-monitor-detector", also eines Detektors. Ein Plasma in dem Behälter sei implizit aufgrund der verwendeten Energien von 125 bis 300 keV (E14, Spalte 4, Zeilen 38 bis 46) und der Luft in den Behältern vorhanden. Der "realtime-monitor-detector" erfasse Röntgenstrahlung, wobei ein Signal zu einer Datenverarbeitungseinrichtung weitergegeben (Fig. 3, "SIGNAL TO DATA PROCESSING") werde. Die Röntgenstrahlung entstünde beim Auftreffen des Elektronenstrahls auf die Folie ("window foil"). Die Behälter seien Flaschen (Spalte 2, Zeilen 39 bis 45, Zeichnungen 4A bis 4C), welche für Röntgenstrahlung transparent sein müssten. Der Detektor erfasse auch vom Plasma durch Rekombination erzeugte Röntgenstrahlung, welche detektiert und ausgewertet werde.
Spalte 4, Zeilen 26 bis 36 offenbare eine Auswertung zum Ermitteln der Dosis, welche eine aufgenommene Energiemenge in einer bestrahlten Masse sei. Somit werde auch eine "Aussage über die Intensität" gemacht, siehe Schreiben der Beschwerdeführerin vom 7. Oktober 2019, Seite 12, zweiter und dritter Absatz. Spalte 5, Zeilen 12 bis 18 erwähne einen "electron flux", welcher einer elektrischen Stromstärke oder Intensität entspräche.
4.1.2 Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass in E14 kein Verfahren zur Überwachung der Intensität eines Elektronenstrahls und auch kein Plasma beschrieben seien. Die Figur 3 zeige lediglich eine Vorrichtung mit einem "realtime-monitor-detector", welcher Röntgenstrahlung detektiere. In E14, Spalte 5, Zeilen 11 bis 19 gehe es darum, "dose-rate (electron flux) and beam energy" in Echtzeit einer nicht definierten Bremsstrahlung zu messen. Eine Intensität werde nicht überwacht (Merkmal M1). Mittels der Dosisrate, der Energie und der Transportbandgeschwindigkeit ("conveyor velocity") werde dann die tatsächliche Dosis errechnet. Die Beschwerdegegnerin erkennt keinen Zusammenhang zwischen der Bremsstrahlung und der Röntgenstrahlung in Figur 3.
Bezüglich der Merkmale M2, M3 und M5 werde in E14 die Strahlung eines nicht offenbarten Plasmas weder detektiert noch ausgewertet.
4.1.3 Für die Kammer offenbart Dokument E14 ein Verfahren zur Sterilisierung, also zur Keimreduktion im Bereich der Oberfläche eines Packstoffs (z. B. eines Behälters wie einer Flasche), mittels eines Elektronenstrahls. Aufgrund der verwendeten Energien von 125 bis 300 keV (siehe E14, Spalte 4, Zeilen 43 bis 46) ist davon auszugehen, dass der Elektronenstrahl ein Plasma erzeugt. Implizit emittiert das entstandene Plasma somit auch elektromagnetische Strahlung.
Spalte 5, Zeilen 9 bis 19 offenbart, dass vom Elektronenstrahl erzeugte Bremsstrahlung von einem Detektor erfasst und ausgewertet wird, um die Dosisrate ("dose rate (electron flux)") und die Strahlenergie ("beam energy") in Echtzeit ("real-time radiation monitor") zu messen und insofern zu überprüfen ("verify") und die von den Behältern erhaltene Dosis zu berechnen. Für den Fachmann ist die in Figur 3 gezeigte Röntgenstrahlung die in Spalte 5, Zeilen 9 bis 19 genannte Bremsstrahlung. Weder die "dosis rate" noch die gesamte Dosis (in J pro kg) entsprechen jedoch der Intensität des Elektronenstrahls.
Selbst wenn, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, das in E14 nur implizit offenbarte Plasma elektromagnetische Strahlung in Form von Röntgenphotonen aussendet und diese "mitdetektiert" würden, entstünde kein auswertbares Nutzsignal. Insofern teilt die Kammer die Auffassung der Einspruchabteilung, siehe Punkt 2.4.3 der angefochtenen Entscheidung.
Nach Lesart der Kammer (siehe Punkt 3.3 oben) offenbart E14 weder ein Detektieren einer vom Plasma erzeugten Strahlung noch ein Auswerten davon (mit dem Ziel die Intensität des Elektronenstrahls zu überwachen).
4.2 Dokument E16
4.2.1 Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, dass E16 offenbare, wie mit Hilfe eines "Monitorad" genannten Detektors die Dosis für Elektronenstrahlen bzw. deren Intensität in Echtzeit ermittelt werde, siehe Abschnitt "2. Operating principles", erster und vorletzter Absatz. Figur 1 zeige das Detektieren von Röntgenstrahlen, welche beim Durchtritt durch ein Austrittsfenster ("Ti window") von einem Elektronenstrahl erzeugt würden. Ein Plasma sei aufgrund der genannten Energien des Elektronenstrahls implizit vorhanden, und somit auch von dem Plasma emittierte elektromagnetische Strahlung. Das Produktpaket ("product web") sei transparent für Röntgenstrahlung. Der Detektor erfasse implizit vom Plasma erzeugte Strahlung.
4.2.2 Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass E16 ein elektronisches Dosismessgerät für Elektronenstrahlanlagen betreffe. Ein Röntgenstrahldetektor gebe ein zur Intensität einer vom Elektronenstrahl erzeugten Röntgenstrahlung proportionales Signa aus. Dieses werde dann dazu verwendet, die zum Produkt abgegebene Dosis zu berechnen. Eine Überwachung der Intensität des Elektronenstrahls erfolge nicht. Auch sei weder ein Plasma noch die Detektierung einer von einem Plasma erzeugten Strahlung offenbart. Der Packstoff sei nicht transparent.
4.2.3 Die Kammer ist der Auffassung, dass E16 eine Vorrichtung zum Sterilisieren von medizinischen Produkten (z. B. Spritzen) mit einem elektronischen Dosismessgerät offenbart, siehe Seite 429, Zusammenfassung, "1. Introduction", erster Satz. In Echtzeit werden die an ein Produkt abgegebene Dosis sowie die Energie des Elektronenstrahls ermittelt und somit überwacht. E16 offenbart explizit die Überwachung des Strahlstroms, siehe Seite 429, rechte Spalte, erster Satz ("It monitors independently the current and beam energy ..."), und somit der Intensität ("current") des Elektronenstrahls. Dies wird erreicht - wie von der Beschwerdeführerin beschrieben - indem Röntgenstrahlung gemessen wird, welche als Bremsstrahlung erzeugt wird, siehe Seite 430, "2. Operating principles". Der Röntgendetektor erzeugt ein Signal, welches proportional zur Intensität der Röntgenstrahlung ist ("The x-ray detectors used in Monitorad® produce a signal proportional to the intensity of these x-rays"). Mittels dieses Signals wird u. a. der Strahlstrom ("current"), also die Intensität des Elektronenstrahls, berechnet ("The 'primary' signal is proportional to the intensity, or product of voltage and current in the beam. By dividing this signal by the voltage, we derive the electron flux, or current I").
In der Geometrie der Figur 1 durchstrahlt die Röntgenstrahlung das mit Elektronen bestrahlte Produkt, sodass dieses zumindest für die für den Detektor relevante Strahlung transparent sein muss.
E16 offenbart, dass der Elektronenstrahl in Luft auf das zu sterilisierende Produkt trifft, siehe "2. Operating principles", zweiter Satz ("in air or inerting gas"). Angesichts der verwendeten Energien (siehe z. B. die Figuren 3 und 4, "190 kV" entsprechend 190 keV) ist davon auszugehen, dass ein Plasma entsteht.
Wie im Fall von E14 offenbart E16 jedoch weder ein Detektieren einer vom Plasma erzeugten Strahlung noch ein Auswerten davon (mit dem Ziel die Intensität des Elektronenstrahls zu überwachen) gemäß der Lesart der Kammer (siehe Punkt 3.3 oben). Selbst wenn das Plasma
- wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen - "Röntgenphotonen" emittiere, wäre das detektierte Signal vernachlässigbar gering.
Im Vergleich mit dem Wortlaut des Anspruchs 1 offenbart E16 somit aus Sicht der Kammer ein Verfahren zur Überwachung der Intensität eines, während seiner Ausbreitung ein Plasma (implizit) erzeugenden Elektronenstrahls ("2. Operating principles"),
wobei zur Erkennung von Änderungen der Intensität des Elektronenstrahles ("current") eine [deleted: in]direkt vom Elektronenstrahl erzeugte elektromagnetische Strahlung ("X-ray") detektiert und ausgewertet ("2. Operating principles", zweitletzter Abschnitt, "By dividing this signal by the voltage, we derive the electron flux, or current I") wird
und wobei ein zur messtechnischen Erfassung einer [deleted: in]direkt vom Elektronenstrahl erzeugten elektromagnetischen Strahlung ausgebildeter Detektor (Monitorad®) vorgesehen ist, wobei
der Detektor (Monitorad®) durch die Wandlung eines transparenten (für Röntgenstrahlung) oder durchscheinenden Packstoffes (Figure 1, "product web", "glass syringe") auf das Plasma (implizit) schaut,
[deleted: wobei der Detektor die Strahlung des vom Elektronenstrahl generierten Plasmas detektiert].
4.3 Dokument E20
4.3.1 Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, dass E20, Spalte 6, Zeilen 48 bis 59 und Spalte 7, Zeilen 42 bis 46 ein Verfahren zur Überwachung der Intensität eines Elektronenstrahls offenbare, wobei zu diesem Zweck Röntgenstrahlung gemessen werde. Dazu seien sogenannte "thermoluminescent dosimeters" vorgesehen, welche im Inneren des Packstoffs bzw. eines Behälters angeordnet seien, siehe Figur 6, Detektoren an Standorten 5, 6 und 7. Diese Detektoren erfassten ebenso Strahlung des implizit erzeugen Plasmas. Die Figur 2 zeige den Elektronenstrahl B', die Röntgenstrahlung, den Packstoff P sowie den Detektor, d. h. die Merkmale M2, M3 und M5. Die Auswertung zur Dosimetrie sei in Tabelle 1, Spalten 5 und 6 gezeigt. Eine Dosimetrieüberwachung sei eine Intensitätsüberwachung. Die Durchlässigkeit des Packstoffs für Röntgenstrahlung sei in Zeichnung 2a gezeigt.
4.3.2 Die Beschwerdegegnerin merkt an, dass die E20 in der angefochtenen Zwischenentscheidung gar nicht diskutiert werde. Sie beschreibe (wie E14 und E16) eine Dosisüberwachung und keine Überwachung der Intensität eines Elektronenstrahls.
4.3.3 Die Kammer ist der Ansicht, dass E20, wie auch die Dokumente E14 und E16, keine Überwachung der Intensität des Elektronenstrahls mittels der Detektion und Auswertung einer von einem Plasma erzeugten Strahlung offenbart. Lediglich direkt vom Elektronenstrahl erzeugte Röntgenstrahlung wird detektiert, um zu ermitteln, ob das zu sterilisierende Produkt eine ausreichend hohe Dosis erhalten hat.
4.4 Dokument E21
Im Folgenden wird angenommen, dass Dokument E21 vor dem Prioritätsdatum des Streitpatents der Öffentlichkeit zugänglich war.
4.4.1 Die Folien 26 bis 28 der E21 offenbarten laut Beschwerdeführerin die Ausbreitung von Elektronen eines Elektronenstrahls im Vakuum und in Luft. Die Folie 33 zeige ein Bild einer in eine Flasche eingebrachten Elektronenquelle zur Erzeugung eines Elektronenstrahls, der, wie auf der Folie 32 gezeigt, ein Plasma innerhalb der Flasche erzeuge. Das Bild zeige hellere und dunklere Bereich von blauem Licht. Die Lichtmenge innerhalb der Flasche sei nicht konstant und daher "ortsabhängig". Die Kamera, die dieses Bild aufgenommen habe, sei demnach der Detektor gemäß Anspruch 1, welcher die vom Plasma erzeugte Strahlung ortsabhängig detektiere. Dies entspreche der räumlichen Überwachung der Intensität des Elektronenstrahls. Das Resultat der Überwachung seien die Dosisangaben der Folie 33. Die Messung einer Energiedosis sei die Beobachtung der Intensität über einen Zeitraum. Da das Plasma in der Flasche leuchte und die Kamera sich außerhalb befinde, sei auch das Merkmal M4 in E21 offenbart. Folie 32 zeige ferne auch das Merkmal M5.
Da eine Auswertung auch ein rein gedanklicher Akt sein könne, sei die reine Betrachtung der Folie 32 der E21 bereits eine Auswertung im Sinne von Merkmal M2, und zwar die Überwachung der räumlichen Änderung der Intensität des Elektronenstrahls.
4.4.2 Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass die Folien 26 bis 28, 32 und 33 den Gegenstand von Anspruch 1 nicht offenbarten. Insbesondere sei kein Verfahren zum Überwachen der Intensität eines Elektronenstrahls beschrieben. Die Folie 33 offenbare zusammenhanglos dargestellte Dosen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt die Argumentation der Beschwerdeführerin, dass das Merkmal M2 nicht technisch sei, als verspätet nicht in das Verfahren zuzulassen.
4.4.3 Die von der Beschwerdeführerin behauptete Tatsache, dass E21 das Merkmal M2 und daher den Gegenstand von Anspruch 1 offenbare, weil unter einer "Auswertung" auch ein rein gedanklicher Akt durch eine Person beim Betrachten der Folie 32 zu verstehen sei, wurde erstmals im Verfahren von der Beschwerdeführerin im Schreiben vom 7. Oktober 2019 vorgetragen. Der Einwand fehlender erfinderischer Tätigkeit ausgehend von E21 wurde jedoch bereits im Einspruchsverfahren diskutiert.
Bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit müssen grundsätzlich die Unterschiedsmerkmale gegenüber der als nächstliegendem Stand der Technik angesehenen Entgegenhaltung festgestellt werden. Dies stellt im Grunde eine Neuheitsprüfung dar. Die Kammer ist daher der Auffassung, dass der genannte Neuheitsangriff im Beschwerdeverfahren zu diskutieren ist.
Die Kammer teilt jedoch nicht die Meinung der Beschwerdeführerin, dass unter einer Auswertung gemäß Anspruch 1 auch ein rein gedanklicher Akt zu verstehen sei, siehe Punkt 3.3 oben.
Die Kammer akzeptiert, dass die Folie 32 blaues Licht zeigt, welches von dem durch den Elektronenstrahl generierten Plasma erzeugt wird, obwohl keine der Folien der E21 dies ausdrücklich so beschreibt. Auf dem Bild ist allerdings lediglich die Verteilung der Lichtintensität in der Flasche dargestellt. Durch Betrachten (oder gedankliches Auswerten) des Bildes der Folie 32 kann aber keine zeitliche Änderung der Intensität (d. h. der Stromstärke) des Elektronenstrahls ermittelt werden. Die E21 macht auch keine Angaben, wie genau die Dosen auf Folie 33 bestimmt wurden.
Anders ausgedrückt, beschreibt E21 kein Verfahren zur Überwachung der Intensität eines Elektronenstrahls.
5. Zulassung des Dokuments E31
5.1 Die Druckschrift E31 wurde erstmals mit der Beschwerdebegründung eingereicht. Die Beschwerdeführerin gibt an, dass E31 im Rahmen einer für die Beschwerde durchgeführten Recherche gefunden worden sei, wobei die Recherche durch die Interpretation der Einspruchsabteilung der Merkmale M5 und M11.5 veranlasst worden sei. Diese Interpretation sei erst während der mündlichen Verhandlung vorgebracht worden. E31 sei somit nicht verspätet und auch im Hinblick auf die von der Beschwerdegegnerin "völlig neu aufgeworfene Argumentation zur vermeintlichen Neuheit des Anspruchs 1 gegenüber E14, E16 und E20 prima facie hochrelevant".
5.2 Die Beschwerdegegnerin beantragt E31 nicht in das Verfahren zuzulassen. E31 sei verspätet und daher auf seine Prima-facie-Relevanz zu prüfen. Gegen eine Prima-facie-Relevanz spreche, dass E31 von der Beschwerdeführerin nicht als nächstkommender Stand der Technik angesehen werde und nur zu Angriffen mit E14, E16 oder E20 als nächstkommendem Stand der Technik verwendet werde. E31 sei für die Verfahrensökonomie kontraproduktiv.
5.3 Die Kammer merkt dazu an, dass die Einspruchsabteilung in ihrer vorläufigen Meinung die Auffassung vertrat, der Gegenstand der erteilten Ansprüche sei aus E14, E16 und E20 bekannt und der Ausdruck "elektromagnetische Strahlung" schließe auch Röntgenstrahlung ein (siehe den Annex zur Ladung zur mündlichen Verhandlung, Punkt 3.1 auf Seite 8). Die Merkmale M5 und M11.5 wurden erstmals als Reaktion auf die vorläufige Meinung der Einspruchsabteilung im eingereichten Hilfsantrag I eingeführt und erst in der mündlichen Verhandlung diskutiert (siehe Protokoll, nach der Unterbrechung von 11:00 bis 11:07).
Daher konnte die Beschwerdeführerin das Dokument E31 tatsächlich erst nach der mündlichen Verhandlung bzw. nach Erhalt der schriftlichen Entscheidung recherchieren und einreichen. E31 wurde daher zum frühest möglichen Zeitpunkt eingereicht. Es ist auch prima facie für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit relevant, da es ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zu offenbaren scheint, nämlich die Überwachung eines Plasma mittels der vom Plasma emittierten Strahlung. Außerdem kann aus Sicht der Kammer ein spät eingereichtes Dokument auch dann prima facie relevant sein, wenn es nicht der nächstliegende Stand der Technik ist.
In der mündlichen Verhandlung hat die Kammer daher das Dokument E31 in das Beschwerdeverfahren zugelassen (Artikel 12(4) VOBK 2007).
6. Erfinderische Tätigkeit - Artikel 56 EPÜ
Die Kammer ist der Auffassung, dass der Gegenstand der Ansprüche 1 und 11 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
6.1 Dokumente E14, E16, E20 in Kombination mit dem allgemeinen Fachwissen oder mit Dokument E31
6.1.1 Unter der Annahme, dass die Dokumente E14, E16 und E20 keine Überwachung der Intensität des Elektronenstrahls durch die Vorrichtung (Merkmale M1 und M2) offenbaren, argumentiert die Beschwerdeführerin, dass für den Fachmann unter Heranziehen seines Fachwissens eine geeignete Auswertungseinrichtung offensichtlich sei.
In Bezug auf E16 ergänzte die Beschwerdeführerin, es wäre für den Fachmann naheliegend, Argon als Inertgas auszuwählen, sodass eine starke Röntgenfluoreszenz durch den Detektor mitdetektiert und ausgewertet werde.
Weiterhin offenbare die Druckschrift E31 eine Vorrichtung und ein Verfahren, bei dem ein Plasma in einer Beschichtungsanlage für Flaschen überwacht werde, siehe Figur 1, Absatz [0041], Zeilen 1-7. Eine Messeinrichtung sei vorgesehen, welche einen spektralen Parameter des Emissionsspektrums aufnehme. Abschnitt [0041] offenbare weiterhin eine Auswertung. Dadurch werde die "elektromagnetische Energie" überwacht, die das Plasma anrege, siehe Abschnitte [0016] und [0017] sowie Anspruch 19 der E31.
Laut Beschwerdeführerin würde der Fachmann, um eine "Überwachung der Anregung" in E14, E16 und E20 zu erreichen, den aus E31 bekannten Sensor für eine optische Überwachung des Plasmas verwenden. Er würde in naheliegender Weise, einen solchen Sensor und eine Auswertung wie in E31 vorsehen, um durch die Überwachung des Plasmas auch den Elektronenstrahl zu überwachen.
6.1.2 Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass der Fachmann angesichts des der Erfindung zu Grunde liegenden Problems, nämlich bei einem Sterilisationsverfahren kurzzeitige Ausfälle eines Elektronenstrahls im Mikro- bzw. Millisekundenbereich durch Überwachung zu detektieren, die Dokumente E14, E16 oder E20 nicht zu Rate ziehen würde. Aufgrund seines Fachwissens alleine würde er nicht zum Gegenstand von Anspruch 1 gelangen.
E31 beziehe sich nicht auf ein Sterilisationsverfahren, sondern ein Beschichtungsverfahren, wobei ein Plasma nicht durch einen Elektronenstrahl, sondern durch Hochfrequenz- und Mikrowellen entstünde (siehe E31, Abschnitt [0009]). Allein deswegen würde der Fachmann E31 nicht mit E14, E16 oder E20 kombinieren. Selbst wenn er dies täte, würde er nicht zum beanspruchten Gegenstand gelangen.
6.1.3 Die Kammer ist der Meinung, dass alle drei Dokumente E14, E16 und E20 Sterilisationsverfahren mittels Elektronenstrahl beschreiben und somit als nächstliegender Stand der Technik in Frage kommen.
Dokument E16 offenbart explizit die Überwachung des Strahlstroms, also der Intensität des Elektronenstrahls, siehe 4.2.3 oben. Daher ist E16 als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit am besten geeignet. E16 verwendet einen Detektor, der Bremsstrahlung detektiert und ein entsprechendes Signal liefert, welches zur Überwachung ausgewertet wird.
Das Streitpatent nennt keine besonderen Vorteile des beanspruchten Verfahrens im Vergleich zu dem aus Dokument E16 bereits bekannten Verfahren. Auch sonst sind keine besonderen Vorteile ersichtlich. Die objektive technische Aufgabe ist daher die Bereitstellung eines alternativen Detektions- und Auswertungsverfahrens zur Überwachung der Intensität des Elektronenstroms in E16.
Die Kammer kann nicht erkennen, dass die Lösung der objektiven technischen Aufgabe alleine durch das allgemeine Fachwissen bereits nahegelegt ist.
Es ist weiterhin fraglich, ob der Fachmann in E31 eine Lösung dieser Aufgabe finden würde. E31 beschreibt ein Beschichtungsverfahren, wobei mittels "elektromagnetischer Energie" ein Plasma gezündet wird, siehe Abschnitt [0008]. Unter elektromagnetischer Energie, welche in die Beschichtungskammer geleitet wird, werden in E31 insbesondere Hochfrequenzwellen und/oder Mikrowellen verstanden, siehe Abschnitt [0009]. Dieses Plasma wird mittels einer Messeinrichtung überwacht, wobei ein spektraler Parameter gemessen wird, siehe Abschnitt [0010]. Dies ermöglicht es, Lecks in der Beschichtungskammer zu ermitteln. Das aus E31 bekannte Verfahren beschreibt also weder einen Elektronenstrom noch die Überwachung von dessen Intensität mittels eines Detektors. Das Problem der Leckortung gibt es in dem aus E16 bekannten Sterilisationsverfahren auch nicht.
Auch kein anderes der im Beschwerdeverfahren diskutierten Dokumente legt es nahe, die Strahlung eines von einem Elektronenstrahl generierten Plasmas zu detektieren und auszuwerten mit dem Ziel, die Intensität (also die Stromstärke) dieses Elektronenstrahls zu überwachen.
Auch durch die Auswahl von Argon als Inertgas in Dokument E16 gelangt der Fachmann aus den oben genannten Gründen nicht zum erfindungsgemäßen Verfahren oder einer entsprechenden Vorrichtung.
Die Kammer ist daher nicht von den Argumenten der Beschwerdeführerin überzeugt, dass der Fachmann ausgehend von E16 (oder E14 oder E20) aufgrund seines Fachwissens alleine oder in Verbindung mit E31 zum Gegenstand der unabhängigen Ansprüche gelangen würde.
6.2 Dokument E21 in Kombination mit allgemeinem Fachwissen
6.2.1 Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass Dokument E21 die Merkmale M1 und M3 bis M5 sowie das Merkmal M2 offenbare, jedoch ohne dass die indirekt vom Elektronenstrahl erzeugte Strahlung auch ausgewertet werde, siehe Beschwerdebegründung, Punkt 7.2.2 und Schreiben vom 7. Oktober 2019, Punkt 5.3.
Aus Sicht der Beschwerdeführerin wäre es für den Fachmann schon offensichtlich, die Folie 32 mit der Folie 27 zu vergleichen und somit (gedanklich) eine Auswertung vorzunehmen, um festzustellen, ob die simulierten Daten der Folie 27 mit der tatsächlich auftretenden räumlichen Verteilung des Plasmas übereinstimmt.
Weiterhin "wäre der Fachmann angeleitet, als indirektes Maß für die Verteilung der Intensität das blaue Leuchten innerhalb des Behälters der Folie 32 zu nutzen", und zwar um eine zeitliche Änderung der Intensität des Plasmas festzustellen. Da "die E21 bereits die Aufnahme eines einzigen Bildes des Plasmas (also eine Aufnahme des Plasmas zu einer gegebenen Zeit)" offenbare, "wäre es für den Fachmann nahegelegt, zumindest ein weiteres Bild zu einem späteren Zeitpunkt aufzunehmen und die Aufnahmen miteinander zu vergleichen um eine zeitliche Veränderung bestimmen zu können". Somit sei eine Auswertung gemäß Merkmal M2 durch ein wiederholtes Aufnehmen von Einzelbildern, und damit auch ein Überwachen gemäß Merkmal M1, offensichtlich. Ein wiederholtes fotographisches Aufnehmen des blauen Plasmas sei auch eine Überwachung, unabhängig davon, ob ein Elektronenstrahl überhaupt vorhanden sei oder nicht.
6.2.2 Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass die Folien 26 bis 28, 32 und 33 den Gegenstand von Anspruch 1 nicht offenbarten. Insbesondere sei kein Verfahren zum Überwachen der Intensität eines Elektronenstrahls beschrieben.
6.2.3 Wie schon unter Punkt 4.4.3 ausgeführt, offenbart E21 keine Überwachung der Intensität eines Elektronen-strahls. Eine photographische Einzelaufnahme des in der Flasche erzeugten Plasmas würde der Fachmann nicht mit einer solchen Überwachung gleichsetzen.
Die Folie 27 zeigt eine Simulation der Streuung der Elektronen beim Bestrahlen einer dünnen Titaniumschicht, vermutlich der in der Folie 17 gezeigten Titaniumfolie der Elektronenkanone. Die Folie 32 zeigt ein Foto des in einer Flasche entstandenen blau leuchtenden Plasmas. Ein Vergleich der Folien 32 und 27 durch einen Betrachter ist demnach keine Auswertung zur Überwachung der Intensität des Elektronenstrahls.
Die Folie 32 zeigt blaues Licht, welches von dem durch den Elektronenstrahl generierten Plasma erzeugt wird. Bestenfalls könnte noch angenommen werden, dass die Folie eine Intensitätsverteilung des blauen Lichts des Plasmas zeigt. Die Intensität, d. h. die Stromstärke, des Elektronenstrahl ist beim reinen Betrachten des Bildes aber nicht ermittelbar. Selbst wenn der Fachmann mehrere entsprechende Einzelaufnahmen der Intensitätsverteilung der blauen Plasmastrahlung erstellen würde, entspräche dies nicht einer Auswertung mit dem Zweck, die Intensität eines Elektronenstrahls zu überwachen. Ein wiederholtes fotographisches Aufnehmen des Plasmas, um zu ermitteln, ob ein Elektronenstrahl überhaupt vorhanden ist, ist einer Überwachung gemäß den unabhängigen Ansprüchen auch nicht gleichzusetzen.
Die Kammer ist daher nicht von den Argumenten der Beschwerdeführerin überzeugt, dass der Fachmann ausgehend von E21 aufgrund seines Fachwissens zum Gegenstand der unabhängigen Ansprüche gelangen würde.
7. Im Hinblick darauf, dass der Gegenstand der unabhängigen Ansprüche 1 und 11 gegenüber E21 neu ist und nicht durch E21 in Verbindung mit dem allgemeinen Fachwissen nahegelegt wird, können die Frage, ob E21 vorveröffentlichter Stand der Technik ist, sowie die Frage nach der Zulassung der Dokumente E32 bis E35 unbeantwortet bleiben.
8. Die Beschwerdeführerin konnte die Kammer nicht überzeugen, dass die angefochtene Entscheidung aufzuheben ist. Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.