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T 0709/19 (Porenbeton/Xella Baustoffe) 02-06-2022
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Hydrothermal gehärtetes Poren- oder Schaumbetonmaterial sowie Verfahren zu dessen Herstellung
H+H Deutschland GmbH
PORIT GmbH
Bundesverband Porenbetonindustrie e.V.
I. Die vorliegenden Beschwerden richten sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, dass das europäische Patent Nr. EP 2 824 086 B1 in geänderter Fassung auf Basis des dann anhängigen Hilfsantrags 1 die Erfordernisse des EPÜ erfülle.
II. Das Streitpatent bezieht sich auf ein hydrothermal gehärtetes Poren- oder Schaumbetonmaterial sowie ein Verfahren zu dessen Herstellung.
III. Gegen diese Entscheidung legten die Einsprechenden 1-3 (nun Beschwerdeführerinnen 1-3) jeweils Beschwerde ein. Sie beanstandeten unter anderem, dass die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ nicht erfüllt seien.
IV. Die Patentinhaberin (nun Beschwerdegegnerin) verteidigte die von der Einspruchsabteilung für gewährbar befundene Fassung als Hauptantrag und legte insgesamt drei Hilfsanträge vor.
V. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 10 des Hauptantrags lauten wie folgt:
"1. Hydrothermal gehärtetes Poren- oder Schaumbetonmaterial aufweisend ein Feststoffsteggerüst, welches aus einem Schaum resultierende oder durch einen Treibprozess erzeugte Poren umgibt, wobei das Feststoffsteggerüst Calciumsilikathydratphasen, Mikroporen und zumindest einen inerten Zusatzstoff aufweist, wobei
das Feststoffsteggerüst als inerten Zusatzstoff gefälltes Calciumcarbonat aufweist,
dadurch gekennzeichnet, dass
das Feststoffsteggerüst kein gefälltes Calciummagnesiumcarbonat aufweist und der Anteil an gefälltem Calciumcarbonat im Feststoffsteggerüst 8 bis 28 M.-%, insbesondere 13 bis 18 M.-% beträgt, bezogen auf den Feststoffanteil des Feststoffsteggerüsts."
"10. Verfahren zur Herstellung eines hydrothermal gehärteten Poren- oder Schaumbetonformkörpers nach Anspruch 8 oder 9,
gekennzeichnet durch
folgende Verfahrensschritte
a) Herstellen einer gießfähigen Frischbetonmasse enthaltend mindestens eine hydrothermal reagierende CaO-Komponente, mindestens eine hydrothermal reagierende SiO2-Komponente, gefälltes Calciumcarbonat, mindestens ein Treibmittel oder vorgefertigten Schaum, vorzugsweise eine Calciumsulfat-Komponente, und Wasser,
b) Gießen der Frischbetonmasse in eine Gießform, in die gegebenenfalls eine Bewehrung eingehängt ist,
c) Gegebenenfalls Einhängen der Bewehrung in die Gießform,
d) Gegebenenfalls Auftreiben lassen der Frischbetonmasse,
e) Ansteifen lassen der Frischbetonmasse zu einem Poren- oder Schaumbetonkuchen,
f) Schneiden des Poren- oder Schaumbetonkuchens in einzelne Poren- oder Schaumbetonformkörper,
g) Härten der Poren- oder Schaumbetonformkörper im Autoklaven,
dadurch gekennzeichnet, dass
eine Frischbetonmasse hergestellt wird, die kein gefälltes Calciummagnesiumcarbonat enthält und die einen Gehalt an gefälltem Calciumcarbonat von 10 bis 30 M.-%, bevorzugt von 15 bis 25 M.-%, bezogen auf den Feststoffanteil in der Frischbetonmasse, aufweist."
Der unabhängige Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 entspricht Anspruch 10 des Hauptantrags, in dem aber der Rückbezug "nach Anspruch 8 oder 9," durch folgenden Wortlaut ersetzt wurde:
"aufweisend ein Feststoffsteggerüst, welches aus einem Schaum resultierende oder durch einen Treibprozess erzeugte Poren umgibt, wobei das Feststoffsteggerüst Calciumsilikathydratphasen, Mikroporen und zumindest einen inerten Zusatzstoff aufweist, wobei das Feststoffsteggerüst als inerten Zusatzstoff gefälltes Calciumcarbonat und kein gefälltes Calciummagnesiumcarbonat aufweist und der Anteil an gefälltem Calciumcarbonat im Feststoffsteggerüst 8 bis 28 M.-%, insbesondere 13 bis 18 M.-% beträgt, bezogen auf den Feststoffanteil des Feststoffsteggerüsts,".
Der unabhängige Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von dem des Hilfsantrags 1 durch die nachfolgend durch Unterstreichungen kenntlich gemachten Ergänzungen:
"... wobei das Feststoffsteggerüst als inerten Zusatzstoff gefälltes Calciumcarbonat, das hergestellt ist durch Reaktion von Kohlendioxid mit einer Kalkhydrat-Suspension, und kein gefälltes Calciummagnesiumcarbonat, das hergestellt ist durch Einleiten von CO2-haltigem Gas in eine Suspension, die gelöschten Dolomit enthält, aufweist und der Anteil an gefälltem Calciumcarbonat im Feststoffsteggerüst ..."
Anspruch 1 des dritten Hilfsantrags ist mit Anspruch 1 des Hauptantrags identisch.
VI. Die Beschwerdegegnerin argumentierte insbesondere, dass sich das Merkmal, gemäß welchem "das Festoffsteggerüst kein gefälltes Calciummagnesiumcarbonat aufweist", der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung direkt und unmittelbar entnehmen lasse, und verwies auf Seite 6 (erster vollständiger Absatz) und Anspruch 2.
VII. Die Beschwerdeführerinnen 1-3 beantragen, das Patent unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung zu widerrufen.
VIII. Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerden zurückzuweisen, oder hilfsweise das Patent auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 und 2 (eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung am 27. September 2019) bzw. 3 (eingereicht mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2020) aufrechtzuerhalten.
Hauptantrag
1. Artikel 123(2) EPÜ
1.1 Gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags weist das Feststoffsteggerüst kein gefälltes Calciummagnesiumcarbonat auf; der Anteil an gefälltem Calciumcarbonat im Feststoffsteggerüst beträgt 8 bis 28 M.-%.
1.2 Es ist unstrittig, dass das Merkmal, gemäß welchem "das Festoffsteggerüst kein gefälltes Calciummagnesiumcarbonat aufweist", in den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen nicht ausdrücklich genannt wird.
1.3 Es wird dort offenbart: "Um die gewünschten Eigenschaften zu erreichen, weist das Feststoffsteggerüst des erfindungsgemäßen Poren- oder Schaumbetonmaterials dabei vorzugsweise 8 bis 28 M.-%, insbesondere 13 bis 18 M.-%, gefälltes Calciumcarbonat oder Calciummagnesiumcarbonat, bezogen auf den Feststoffanteil des Feststoffsteggerüsts, auf. Die gleichen Mengen gelten für die Summe von PCC und gefälltem Calciummagnesiumcarbonat, wenn beide gefällten Carbonate vorhanden sind. Die Phasenzusammensetzung des Feststoffsteggerüsts wird mittels Röntgenbeugungsanalyse und Auswertung mit der Rietveld-Methode ermittelt" (Seite 6, Zeilen 3-10, entsprechend [0019] der A-Schrift). Ferner sieht der abhängige Anspruch 2 in der ursprünglich eingereichten Fassung vor, dass "der Gesamtanteil an Carbonat in Form von gefälltem Calciumcarbonat und/oder gefälltem Calciummagnesiumcarbonat und/oder Kreide im Feststoffsteggerüst 8 bis 28 M.-%" beträgt.
1.4 Auch wenn man diesem Teil der Beschreibung der ursprünglich eingereichten Anmeldung indirekt eine Ausführungsform entnimmt, bei der das Feststoffsteggerüst 8 bis 28 M.-% gefälltes Calciumcarbonat und kein gefälltes Calciummagnesiumcarbonat aufweist, so bezieht sich dies auf die mittels Röntgenbeugung und Rietveld-Methode ermittelte Phasenzusammenzusetzung. Anspruch 2 in der ursprünglich eingereichten Fassung erwähnt als Bestandteile gefälltes Calciumcarbonat und/oder Calciummagnesiumcarbonat und/oder Kreide, d.h. der Wortlaut bezieht sich nicht eindeutig und zweifelsfrei auf gefälltes Calciumcarbonat frei von gefälltem Calciummagnesiumcarbonat. Zudem nennt Anspruch 2 die Röntgenbeugungsanalyse und Auswertung mittels Rietveld-Methode zwar nicht ausdrücklich, bezieht sich aber ebenfalls auf den "Gesamtanteil an Carbonat", d.h. auf eine mit einer quantitativen Messmethode bestimmte Phasenzusammensetzung.
1.5 Die hier betrachtete Anspruchsfassung ist jedoch so zu verstehen, dass das Vorliegen von gefälltem Calciummagnesiumcarbonat im Feststoffsteggerüst gänzlich auszuschließen ist ("kein gefälltes Calciummagnesiumcarbonat aufweist"). Dies ist ein anderes - strikteres - Erfordernis, als eine mit einer bestimmten Methode quantitativ zu erfassende Menge auszuschließen. Während die Nachweisgrenze bei der im Streitpatent genannten Methode bei 1% liegt, wie von der Beschwerdegegnerin angegeben, darf anspruchsgemäß nun überhaupt kein Calciummagnesiumcarbonat mehr detektierbar sein, auch nicht in Spuren, unabhängig von der verwendeten Methode.
1.6 In der ursprünglich eingereichten Anmeldung ist keine Lehre zu erkennen, das Vorliegen von gefälltem Calciummagnesiumcarbonat im Feststoffgerüst gänzlich auszuschließen, d.h. jeden möglichen Eintrag von Calciummagnesiumcarbonat zu vermeiden. Hierzu reicht es nicht aus, gefälltes Calciumcarbonat und kein gefälltes Calciummagnesiumcarbonat als Einsatzstoff zu wählen. Vielmehr ist ein Eintrag von gefälltem Calciummagnesiumcarbonat auch durch Verunreinigungen des - üblicherweise aus natürlichen Einsatzstoffen hergestellten - gefällten Calciumcarbonats oder durch Porenbetonmehl möglich, dessen Zugabe in der Beschreibung ausdrücklich genannt wird (Seite 10, Zeilen 20-25). Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin wird dort nicht lediglich die Zugabe von erfindungsgemäß hergestelltem, d.h. kein gefälltes Calciummagnesiumcarbonat aufweisendem, Porenbetonmehl gelehrt.
1.7 Das Argument der Beschwerdegegnerin, dass auch möglicherweise verunreinigtes Calciumcarbonat als Calciumcarbonat im Sinn des Anspruchs zu verstehen sei und nicht zusätzlich als Quelle von Calciummagnesiumcarbonat, ist im Lichte des strikt formulierten Ausschlusses im Anspruch (wonach "das Feststoffsteggerüst kein gefälltes Calciummagnesiumcarbonat aufweist") nicht überzeugend.
1.8 Zwar wurde im Rahmen der Phasenanalyse in den Beispielen des Streitpatents kein Calciummagnesiumcarbonat genannt. Auch hier handelt es sich jedoch um eine quantitative Bestimmung mittels Röntgenbeugung und Auswertung mit der Rietveld-Methode. Aus den Beispielen ergibt sich nicht das Ziel, das Vorliegen von gefälltem Calciummagnesiumcarbonat im Feststoffsteggerüst auszuschließen.
1.9 Aus diesen Gründen ist das Merkmal, dass das Feststoffsteggerüst kein gefälltes Calciummagnesiumcarbonat aufweist, in der ursprünglich eingereichten Anmeldung nicht unmittelbar und eindeutig offenbart.
1.10 Auch das Merkmal in Anspruch 10, gemäß welchem "eine Frischbetonmasse hergestellt wird, die kein gefälltes Calciummagnesiumcarbonat enthält", schließt das Vorliegen von gefälltem Calciummagnesiumcarbonat in der Frischbetonmasse gänzlich aus.
Die vorstehend genannten Gründe treffen auch für dieses Merkmal zu, das somit in der ursprünglich eingereichten Anmeldung ebenfalls nicht unmittelbar und eindeutig offenbart wird.
Hilfsantrag 1
2. Anspruch 1 geht auf Anspruch 10 des Hauptantrags zurück, in den die Merkmale von Anspruch 1 des Hauptantrags aufgenommen wurden. Anspruch 1 enthält ebenfalls die Merkmale, dass "das Feststoffsteggerüst ... kein gefälltes Calciummagnesiumcarbonat aufweist" und "eine Frischbetonmasse hergestellt wird, die kein gefälltes Calciummagnesiumcarbonat enthält". Daher erfüllt auch Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ nicht.
Hilfsantrag 2
3. Anspruch 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 darin, dass zusätzlich definiert ist, dass "das [gefällte Calciumcarbonat] hergestellt ist durch Reaktion von Kohlendioxid mit einer Kalkhydrat-Suspension" und "das [gefällte Calciummagnesiumcarbonat] hergestellt ist durch Einleiten von CO2-haltigem Gas in eine Suspension, die gelöschten Dolomit enthält".
Anspruch 1 verlangt weiterhin, dass "eine Frischbetonmasse hergestellt wird, die kein gefälltes Calciummagnesiumcarbonat enthält". Somit treffen jedenfalls die im Hinblick auf den Hauptantrag gemachten Ausführungen (Punkt 1.10) weiterhin zu, unabhängig davon, ob die genannten zusätzlichen Merkmale zu weiteren Beanstandungen führen könnten.
Daher erfüllt auch Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ nicht.
Hilfsantrag 3
4. Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 ist identisch mit dem des Hauptantrags, so dass auch dieser die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ nicht erfüllt.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.