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T 0818/19 21-09-2021
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Verfahren zum Garen eines Garguts und Gargerät
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
I. Das Europäische Patent mit der Nummer 2 789 918 (im Folgenden: "das Patent") betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Garung eines Garguts in einem Garraum.
II. Die Einspruchsabteilung hatte bezüglich des Patents mit der angefochtenen Zwischenentscheidung festgestellt, dass der damalige Hilfsantrag 2 den Erfordernissen des EPÜ genügt.
III. Am 21. September 2021 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt. Die Schlussanträge lauteten wie folgt:
Die Patentinhaberin (im Folgenden "Beschwerdeführerin") beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag), hilfsweise auf Grundlage der Ansprüche des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrages 1.
Die Einsprechende (im Folgenden "Beschwerdegegnerin") beantragte, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
IV. Die folgenden Dokumente sind für die Entscheidung relevant. Sie waren bereits Bestandteil des Einspruchsverfahrens.
D1: EP 0 723 115 A2;
D5: EP 2 469 173 A2;
D8: EP 2 537 418 A1;
E16: DE 10 2007 033656 A1.
V. Der unabhängige Verfahrensanspruch 1 des Hauptantrages (Patent wie erteilt) lautet (die Merkmalsgliederung wurde in Anlehnung an die Beschwerdebegründung in "[]" hinzugefügt):
"[M1.1] Verfahren zum Garen eines Garguts (2) in einem Gargerät mit einem Garraum (1) während einer Gardauer,
[M1.2] bei welchem eine Garguttemperatur (TGG) gemessen wird
[M1.3] und wobei mindestens während einer Garguttemperatur-Regelphase der Gardauer
[M1.4] eine Garraumtemperatur (TGR) im Garraum ausserhalb des Garguts (2) derart gesteuert wird, dass die Garguttemperatur (TGG) einem zeitabhängigen Garguttemperatur-Sollwertverlauf (TGGS) folgt,
dadurch gekennzeichnet, dass
[M1.5] das Gargut (2) in den Garraum (1) eingebracht wird
[M1.6] und der Garguttemperatur-Sollwertverlauf (TGGS) mindestens zwei Bereiche mit unterschiedlicher Steigung aufweist,
[M1.7] wobei der zweite, auf den ersten folgende Bereich eine geringere Steigung aufweist als der erste Bereich."
Das Patent enthält weiterhin einen unabhängigen Vorrichtungsanspruch 11, der im Beschwerdeverfahren nicht diskutiert wurde.
VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen:
a) Hauptantrag - Neuheit
Der Gegenstand von Anspruch 1 sei neu über die Offenbarung von D8. D8 offenbare einen Verlauf des Garguttemperatur-Sollwerts mit nur einem einzigen linearen Bereich konstanter Steigung, und zwar zwischen den in Figur 2 gezeigten Zeitpunkten t1 und t4. Der steilere Istwertverlauf zwischen t1 und t3 zeige nicht mehr als die anfängliche Abweichung der Regelgröße vom Sollwert, die lediglich dazu führe, dass der Regler den Garraum und somit das Gargut unter Berücksichtigung des oberen Grenzwerts für die Garraumtemperatur möglichst schnell aufheize, um so die Garguttemperatur (TGG) an den Sollwertverlauf heranzuführen. Auch sei der Begriff "monoton" in Absatz [0011] der D8 keine implizite Offenbarung zweier unterschiedlicher Steigungsbereiche. Somit seien die Merkmale M1.6 und M1.7 in D8 nicht offenbart.
b) Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit
Der Gegenstand von Anspruch 1 sei erfinderisch im Hinblick auf D8 als Ausgangspunkt. Im Hinblick auf die Unterscheidungsmerkmale M1.6 und M1.7 sei die technische Aufgabe, ein Garverfahren bereitzustellen, mit welchem im Vergleich zu D8 schneller gegart werden könne, ohne die Qualität des Garergebnisses zu beeinträchtigen. Dieser Effekt hänge nicht notwendigerweise mit dem Erreichen der Gargutendtemperatur zusammen, sondern würde stets dann erzielt, wenn nach einer schnellen Aufheizphase Zeit zum Temperaturausgleich im Gargut gelassen werde. Dass die Fachperson ausgehend von D8 lediglich zwischen den Steigungsverläufen "streng monoton steigend" und "monoton aber nicht streng monoton steigend" auswählen müsse, sei eine rückschauende Betrachtung, da die Fachperson zunächst die Modifikation des TGG-Sollwertverlaufs als Möglichkeit zur Lösung der Aufgabe erkennen müsse. Auch stelle die Offenbarung in Absatz [0011] der D8 keine eindeutige und unmittelbare Offenbarung eines "monoton aber nicht streng monoton" steigenden Gargutverlaufs dar.
VII. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen:
a) Hauptantrag - Neuheit
Die Offenbarung von D8 nehme den Gegenstand von Anspruch 1 neuheitsschädlich vorweg. Der Bereich zwischen t0 oder t1 und dem Schwellwert t3 für den linearen TGGS-Verlauf bilde ebenfalls einen linearen Verlauf, in dem ein schneller Anstieg der TGG erwünscht sei und der durch Vorgabe von Startwert und Zielwerten einen Sollwertverlauf darstelle. Dieser Verlauf müsse so geregelt sein, dass der Schwellwert t3 auch tatsächlich vor der Gargutendtemperatur erreicht werde. Daher seien zwei Bereiche unterschiedlicher Garguttemperatur-Sollwertverläufe mit in der Abfolge abnehmender Steigung im Sinne der Merkmale M1.6 und M1.7 in D8 offenbart.
b) Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit
Der Gegenstand von Anspruch 1 sei auch nicht erfinderisch ausgehend von D8 als Ausgangspunkt in Hinblick auf das Fachwissen, gegebenenfalls dokumentiert durch D5 und E16. Durch den fehlenden Bezug auf eine Gargutendtemperatur und die fehlende Beschränkung auf positive Steigungen werde mit den Merkmalen M1.6 und M1.7 weder die in Absatz [0038] des Patents genannte Aufgabe, nämlich ein Nachgaren des Garguts nach Beendigung des Garvorgangs zu begrenzen, noch die in der Entscheidung verwendete Aufgabe eines schnellen und schonenden Garens des Garguts über die gesamte Breite des Anspruchs gelöst. Die von der Beschwerdeführerin definierte Aufgabe sei aus der Offenbarung nicht abzuleiten und ebenfalls nicht gelöst. Die technische Aufgabe sei daher dahingehend umzuformulieren, ein alternatives Garverfahren zu dem aus D8 bekannten Verfahren bereitzustellen. Die Lösung dieser Aufgabe mit den Unterscheidungsmerkmalen sei jedoch naheliegend. Dies gelte umso mehr, wenn der Fachperson tatsächlich die Fähigkeit zugeschrieben werde, die von der Beschwerdeführerin formulierte Aufgabe abzuleiten. Der generische Begriff monotone, insbesondere streng monotone Steigung in D8, Absatz [0011] impliziere nämlich bereits die Möglichkeit einer Steigungsänderung und somit zwei Bereiche mit unterschiedlicher Steigung. Da abseits des linearen Verlaufs lediglich zwei verschiedene Möglichkeiten im Sinne von Merkmal M1.6 bestünden, den Sollwert zu führen und keine dieser Möglichkeiten einen Effekt aufweise, unterliege die Auswahl gemäß des Merkmals M1.7 nicht einer erfinderischen Tätigkeit. Der steile Aufheizbereich in D8, Figur 2, zwischen t0 und t3 lege zudem die Verwendung eines zweiten Sollwertbereichs mit höherer Steigung bereits nahe.
Hauptantrag - Neuheit
1. Bezüglich der Offenbarung von D8 war streitig, ob das Dokument die Merkmale M1.6 und M1.7 offenbart.
1.1 Der in der Ausführungsform von Figur 2 von D8 offenbarte Verlauf des Gargutsollwertes (TGGS) umfasst lediglich einen Bereich konstanter Steigung (gestrichelte Linie). Wie sowohl Figur 2 als auch den Absätzen [0025] und [0026] zu entnehmen ist, wird die Garguttemperatur (TGG)-Regelphase (d.h. mit vorgegebenem TGG- Sollwertverlauf) zwischen t1 und t4 ausgeführt. Der Garguttemperatur-Sollwert steigt in diesem Bereich "linear an", weist also lediglich einen einzigen Bereich konstanter Steigung auf. Dabei ist zur Regelung des TGG-Istwertes auf den Sollwert als Stellgröße eine Garraumtemperaturregelung im Sinne einer Kaskadenregelung untergeschaltet (vergleiche Figur 1).
1.2 Die in Figur 2 sichtbare Differenz zwischen dem Soll- und dem Istwertverlauf der Garguttemperatur (also die Regelabweichung) bis zum Zeitpunkt t3 wird durch die Regelung der Garraumtemperatur (GRT) durch maximales Aufheizen derselben (mit der Obergrenze TLIM) ausgeglichen (vgl. Absatz [0027]). Somit stellt der Zeitpunkt t3 keinen "Schwellwert" dar, bei dem von einem TGG-Sollwertverlauf auf einen anderen umgeschaltet wird, sondern lediglich den Zeitpunkt der TGG-Regelung, ab dem "eine eigentliche Regelung der Garguttemperatur TGG auf den jeweiligen Sollwert TGGS stattfinden kann" (Absatz [0028]). Der TGG-Sollwertverlauf weist somit im Bereich t1 bis t4 nur einen einzigen Bereich konstanter Steigung auf (siehe auch Absatz [0026]).
1.3 Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin, dass die Punkte der gemessenen Garguttemperatur zwischen der Anfangstemperatur bei t0 und der bei t3 erreichten Temperatur einen linearen Verlauf bildeten, ist im Hinblick auf die Merkmale M1.6 und M1.7 unerheblich, da es sich hier lediglich um den Ist- und nicht um einen "Anfangs- Sollwertverlauf der Garguttemperatur" handelt.
Der Istwert des Garguts bei t0 oder t1 ist kein vom Garverfahren vorgegebener Sollwert, sondern ergibt sich aus den jeweiligen faktischen Umständen des Einzelfalls, z.B. aus der Art und Weise, wie das Gargut aufbewahrt wurde (Kühlschrank? Raumtemperatur?).
Auch der Istwert bei t3 ist kein vorgegebener Sollwert. Vielmehr wird in dem Zeitraum t1 bis t3 bei einer Abweichung zwischen Isttemperatur und Sollwerttemperatur des Garguts die Garraumtemperatur erhöht. Die Garguttemperatur folgt der Garraumtemperatur abhängig von physikalischen Gegebenheiten wie der Masse und Wärmekapazität des Garguts. Wann die Garguttemperatur-Sollwert Kurve (d.h. der Zeitpunkt t3) erreicht wird, ist daher ebenfalls nicht vorab festgelegt, sondern hängt von den jeweiligen faktischen Umständen des Einzelfalles ab.
1.4 Der Einspruchsabteilung kann insoweit zugestimmt werden, dass unter den Begriff "monoton steigend" u.a. folgende Fälle fallen:
a) lineare Verläufe konstanter Steigung (D8, Figur 2 - im Zusammenhang mit einem Garverfahren ist die Steigung dabei positiv),
b) Verläufe, die Bereiche enthalten, in denen ein erster Bereich eine größere Steigung aufweist als der zweite (abflachend oder rechtsgekrümmt) oder
c) Verläufe, die Bereiche enthalten, in denen ein erster Bereich flacher verläuft als der zweite (ansteigend oder linksgekrümmt).
Die Verläufe a) sind immer streng monoton steigend, bei den Verläufen b)- c) ist dies der Fall, wenn keine der Steigungen einen Wert <= 0 erreicht.
Somit fällt unter die generischen Begriffe "monoton steigend" oder "streng monoton steigend" zwar auch die "Möglichkeit einer Steigungsänderung" gemäß der spezifischen Ausführungsformen b) und c), wie die Beschwerdegegnerin zurecht feststellt. Allerdings offenbart ein generischer Begriff nicht die darunter subsumierbaren spezifischen Ausführungsarten.
1.5 Die Kammer folgt insbesondere der Schlussfolgerung in der angefochtenen Entscheidung nicht, der generische Begriff "monoton steigend" offenbare implizit einen TGG-Sollwertverlauf mit zwei Bereichen unterschiedlicher Steigung und nehme somit die Merkmale M1.6 und M1.7 vorweg (vergleiche Punkt II.3.2.2.7, "mehrere, d.h. zumindest zwei, Bereiche, die unterschiedliche Steigungen aufweisen"). Diese Schlussfolgerung steht im Widerspruch dazu, dass in der angefochtenen Entscheidung unter Punkt 3.2.2.3 Merkmal M1.6 als Unterscheidungsmerkmal benannt wurde. Weiterhin ist bei der Bestimmung des Offenbarungsgehaltes eines Dokumentes das Dokument im Gesamtzusammenhang auszulegen (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9.Auflage, 2019, C.I.4.1). In der gesamten Offenbarung von D8 gibt es jedoch keine Hinweise, andere als linear steigende Sollwertverläufe (mit einem einzigen Bereich konstanter Steigung) in Betracht zu ziehen.
1.6 Aus der generischen Formulierung eines "monoton, insbesondere streng monoton" ansteigenden Garguttemperatur-Sollwertverlaufs, die lediglich in Absatz [0011] von D8 verwendet wird, lässt sich zudem keine spezifische Offenbarung eines "monoton, aber nicht streng monoton" steigenden Verlaufs ableiten. Insbesondere finden sich in D8 keine Hinweise auf einen Bereich mit der Steigung "null", der hierfür erforderlich wäre. Das einzige Ausführungsbeispiel in Figur 2 zeigt lediglich einen streng monoton steigenden, linearen TGG-Sollwertverlauf mit nur einer einzigen Steigung (vergleiche auch Absatz [0002], "Rampe").
1.7 Die generische Offenbarung von monoton oder streng monoton verlaufenden TGG-Sollwertverläufen in D8 nimmt somit nicht den spezifischen Verlauf gemäß den Merkmalen M1.6 und M1.7 vorweg.
1.8 Daher sind die Merkmale M1.6 und M1.7 in D8 weder explizit (vergleiche angefochtene Entscheidung, Punkt II.3.1.3) noch implizit offenbart. Der Gegenstand von Anspruch 1 ist somit neu gegenüber der Offenbarung von D8.
Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit
2. Dokument D8 offenbart einen Prozesses zum Garen eines Gargutes unter Vorgabe eines TGG-Sollwertverlaufs. Wie das Patent (Absätze [0003] und [0004]) beschäftigt sich D8 mit der Aufgabe einer schnellen und schonenden Garung (Absatz [0003]) und ist unstreitig als nächstliegender Stand der Technik geeignet.
3. Die objektive technische Aufgabe
Wie oben diskutiert unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 von der Offenbarung der D8 in den Merkmalen M1.6 und M1.7.
3.1 Die Beschwerdeführerin sah die zu lösende Aufgabe darin, "ein Garverfahren bereitzustellen, mit welchem im Vergleich zu D8 schneller gegart werden kann, ohne die Qualität des Garergebnisses zu beeinträchtigen". Nach Ansicht der Kammer ist dies eine geeignete Aufgabenstellung, da die Lösung dieser Aufgabe mit den Merkmalen M1.6 und M1.7 erzielbar ist. Die Aufteilung in zwei Steigungsbereiche gemäß der spezifischen Ausführungsform b) (siehe oben) hat den Effekt, einen zusätzlichen Freiheitsgrad in der TGG-Regelung zu schaffen, der die Problematik des Überschwingens der TGG von der der Steigerung der Gargeschwindigkeit entkoppelt. Damit kann, wie von der Beschwerdeführerin erläutert, ein Bereich schneller Aufheizung mit einem Bereich, in dem sich das Temperaturprofil im Gargut ausgleicht, kombiniert werden. Dies entnimmt die Fachperson der Offenbarung des Patents, insbesondere bei Betrachtung der Figur 2. Dass die Steigung im Bereich der Gargutendtemperatur begrenzt ist, ist bereits der D8 zu entnehmen (Absatz [0002]). Der Effekt ist jedoch für die Fachperson erkennbar nicht auf diesen Bezugspunkt beschränkt, zumal eine übermäßige, die Qualität des Garguts beeinflussende Überhitzung der Gargutoberfläche schon bei Temperaturen unterhalb der (willkürlich festlegbaren) Gargutendtemperatur auftreten kann. Es wurde seitens der Beschwerdeführerin nicht bestritten, dass das Merkmal M1.7 sowohl eine Steigung von null als auch negative Steigungen umfassen kann. Solche Steigungen im zweiten Bereich können jedoch ebenfalls zur Problemlösung beitragen (vergleiche auch D8, Absatz [0031]). Ausführungsformen mit zwei negativen Steigungen (also ein Kühlprozess) würde der Fachmann im Hinblick auf den beanspruchten Garprozess als technisch nicht sinnvoll betrachten und daher nicht in Betracht ziehen. Der Effekt ist somit über den gesamten technisch sinnvollen Bereich des Anspruchs erzielbar.
3.2 Mangelnde Offensichtlichkeit der Lösung
3.2.1 Die Beschwerdegegnerin hat argumentiert, die Fachperson sei, wenn sie denn in der Lage sein sollte, die nun definierte objektive Aufgabe aus der Lehre der Patentschrift zu erkennen, gleichermaßen in der Lage, zu erkennen, dass eine Modifikation des Garguttemperatur-Sollwertverlaufs wie beansprucht zur Lösung dieser Aufgabe geeignet sei. Der Anspruchsgegenstand sei daher naheliegend.
3.2.2 Diese Argumentation überzeugt nicht. Bei der Formulierung der objektiven Aufgabe steht das Wissen aus der Offenbarung der Patentschrift insofern zur Verfügung, als dafür der technische Effekt, der mit der beanspruchten Erfindung gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik erzielt wird, herangezogen wird. Bei der Frage, ob die Lösung dieser Aufgabe der Fachperson ausgehend von D8 naheliegend gewesen wäre, kann auf das Wissen der Patentschrift aber gerade nicht zurückgegriffen werden. Dies wäre eine rückschauende Betrachtungsweise, die unzulässigerweise von der Kenntnis der Erfindung Gebrauch macht.
3.2.3 D8 enthält keinerlei Hinweis darauf, dass in der Wahl eines anderen TGG-Sollwertverlaufs eine Möglichkeit zur Lösung der formulierten Aufgabe liegen könnte. Auch wurden keine Belege für ein entsprechendes allgemeines Fachwissen vorgebracht. Die Lösung liegt daher schon aus diesem Grund nicht nahe.
3.2.4 Es sind in D8 zwar generisch monotone TGG-Sollwertverläufe offenbart, aber eine Abweichung von dem linearen Verlauf gemäß Ausführungsform a) wird nicht in Betracht gezogen (vgl. die Neuheitsdiskussion oben). In der Problemstellung, die in D8 diskutiert wird (Absatz [0002]) wird direkt Bezug zu D1 genommen und festgestellt, dass die "Rampe [also ein linearer Verlauf im Sinne von Ausführungsform a)] des Garguttemperatur-Sollwertverlaufs nicht zu steil gewählt werden darf". Der lineare Verlauf konstanter Steigung ist auch in dem Dokument D1 die einzige offenbarte spezifische Ausführungsform. Obwohl D1 bereits generisch monotone und streng monotone Verläufe des TGG-Sollwerts offenbart, wird eine Abweichung von dem linearen Verlauf auch in D8 nicht in Betracht gezogen (vgl. die Ausführungen zur Neuheit oben). D8 beschäftigt sich selbst in Kenntnis der Limitierungen, die bezüglich der Steigung des TGG-Sollwertverlaufs zur Verhinderung von Überhitzung des Garguts bestehen, nicht mit einer Modifizierung derselben (vergleiche D8, Absatz [0002]). In D8 gilt das Augenmerk vielmehr der Erhöhung des Energieeintrags in das Gargut unter Verwendung von Dampf und einem Gargutbeutel (vergleiche D8, Absatz [0004]).
3.2.5 Ein Anlass, die theoretisch möglichen Interpretationen der in D8 verwendeten Formulierung "monoton, insbesondere streng monoton steigend" auszuloten, insbesondere Garguttemperatur-Sollwertverläufe aufzufinden welche monoton steigend, aber nicht streng monoton steigend sind, und diese dann dahingehend zu prüfen, ob sie die Merkmale 1.6 und 1.7 erfüllen könnten, besteht für die Fachperson angesichts der gestellten Aufgabe somit nicht.
3.2.6 Auf die anderen von der Beschwerdegegnerin im schriftlichen Verfahren in Zusammenhang mit dem allgemeinen Fachwissen angeführten Dokumenten D5 und E16 wurde hinsichtlich der in der mündlichen Verhandlung von der Beschwerdeführerin neu formulierten Aufgabe nicht mehr zurückgegriffen. Im schriftlichen Verfahren wurde seitens der Beschwerdegegnerin insbesondere nicht gezeigt, inwieweit D5 oder E16 die Fachperson dazu motivieren könnten, zur Lösung der objektiven technischen Aufgabe den linearen Verlauf des TGGS im Sinne der Merkmale M1.6 und M1.7 zu modifizieren. Zudem offenbaren weder D5 noch E16 eine Regelung mit der Garguttemperatur als Regelgröße. D5 schlägt als vorzugebenden zeitabhängigen Sollwert das Wärmeflussintegral, E16 die Garraumtemperatur vor.
3.2.7 Auch das Argument der Beschwerdegegnerin, dass die Fachperson den Anstieg zwischen t0 und t3 mit einer TGGS-Regelung in offensichtlicher Weise und in Rückgriff auf ihr allgemeines Fachwissen abbilden würde, überzeugt nicht. D8 lehrt, dass diese Phase im Wesentlichen zum schnellen Aufheizen dient. Zu diesem Zweck ist im Bereich t1 bis t3 bereits der TGGS vorgegeben, der jedoch zunächst - bis zum Punkt t3 - nicht erreicht wird, so dass der untergeordnete Regelkreis auf die maximal mögliche Garraumtemperatur regelt. Vor Erreichen der GGTS-Kurve mit dem Istwert ist die exakte Vorgabe des GGT-Zeitverlaufs daher nicht relevant, die Zeit t1 bis t3 soll lediglich minimiert werden.
3.3 Da die Unterscheidungsmerkmale somit nicht aus dem allgemeinen Fachwissen oder dem Stand der Technik nahegelegt werden, beruht der Gegenstand von Anspruch 1 auf einer erfinderischen Tätigkeit.
4. Vorrichtungsanspruch 11
Die Einwände der Beschwerdegegnerin im Hinblick auf die Patentierbarkeit des Hauptantrags bezogen sich ausschließlich auf den unabhängigen Verfahrensanspruch 1. Die Patentierbarkeit des Vorrichtungsanspruchs 11 war im Rahmen des Beschwerdeverfahrens somit nicht zu überprüfen.
Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass im Vorrichtungsanspruch 11 das Verfahren gemäß Anspruch 1 in einer entsprechend ausgestalteten Steuerung abgebildet ist. Die für die Patentierbarkeit des Verfahrensanspruchs gezogenen Schlussfolgerungen gelten daher mutatis mutandis für den Vorrichtungsanspruch 11.
5. Nach alledem stehen die Einspruchsgründe unter Artikel 100(a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 und 56 EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents nicht im Wege. Die Beschwerde ist somit begründet.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird in unveränderter Form aufrechterhalten.