T 0927/19 13-07-2022
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Antriebsvorrichtung für ein Flügelrad einer Strömungsmaschine
I. Die Beschwerde der Patentanmelderin richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 14 796 750.9 zurückgewiesen wurde, der eine als WO 2015/071213 A1 veröffentliche internationale Anmeldung zugrunde lag.
II. Die folgenden Dokumente sind für diese Entscheidung relevant:
D1: EP 2 418 756 A1
D2: EP 2 566 044 A2
III. In der angefochtenen Entscheidung war die Prüfungsabteilung zu dem Schluss gelangt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 in der veröffentlichten Fassung nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf das Dokument Dl in Verbindung mit Fachwissen beruhe.
IV. In einer Mitteilung nach Regel 100 (2) EPÜ teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung mit, wonach der Gegenstand des einzigen Anspruchs zwar auf einer erfinderischen Tätigkeit zu beruhen scheine, dass er jedoch Klarheitsmängel aufwiese und somit nicht das Erfordernis von Artikel 84 EPÜ erfülle.
V. Mit Schreiben vom 23. Juni 2022, eingegangen am selben Tag, reichte die Patentanmelderin einen geänderten Anspruch sowie eine angepasste Beschreibungsseite ein.
VI. Die Beschwerdeführerin (Patentanmelderin) beantragt schriftlich die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie die Erteilung eines Patents auf der Grundlage der folgenden Unterlagen:
- (Einziger) Anspruch, eingereicht mit Schreiben vom 23. Juni 2022, eingegangen am selben Tag
- Beschreibung Seiten 1, 3 und 4 in der veröffentlichten Fassung
- Beschreibung Seite 2, eingereicht mit Schreiben vom 23. Juni 2022, eingegangen am selben Tag
- Zeichnung Blatt 1/1 in der veröffentlichten Fassung
VII. Der einzige Anspruch hat den folgenden Wortlaut:
"Antriebsvorrichtung für ein Flügelrad (2) einer Strömungsmaschine (1), mit einem Elektromotor und einem an ein Wechselstromnetz (6) angeschlossenen Frequenzumrichter (4), wobei der Elektromotor über den Frequenzumrichter (4) ansteuerbar ist,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Antriebsvorrichtung ein Untersetzungsgetriebe (7) aufweist, dass der Elektromotor als bürstenloser, permanenterregter Synchronmotor (3) mit innerhalb des Rotors angeordneten Permanentmagneten ausgebildet ist, und dass der Frequenzumrichter (4) eingerichtet ist, den Synchronmotor (3) mit einer die Netzfrequenz übersteigenden Frequenz anzusteuern, und dass das Untersetzungsgetriebe (7) zwischen den Synchronmotor (3) und das Flügelrad (2) geschaltet ist, sodass der Synchronmotor (3) das Flügelrad (2) unter Zwischenschaltung des Untersetzungsgetriebes (7) antreibt."
VIII. Die für diese Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Das Dokument D1 bilde keinen geeigneten Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit im Rahmen des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes. Insbesondere betreffe das Dokument D1 keine Antriebsvorrichtung für ein Flügelrad einer Strömungsmaschine, sondern ein Windrad (43) zum Antrieb eines Generators (42), der über einen Energiekonverter (47) elektrische Energie in ein Netz (46) einspeise (siehe Figur 21 und die zugehörige Beschreibung).
Vor diesem Hintergrund sei von einem nächstliegenden Stand der Technik auszugehen, wie er in der Beschreibungseinleitung genannt sei, wobei ein durch einen Frequenzumrichter angesteuerter Asynchronmotor für den Antrieb eines Flügelrades eingesetzt werde.
Dieser nächstliegende Stand der Technik offenbare nicht die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs. Die sich hieraus ergebende objektive technische Aufgabe könne darin gesehen werden, den Gesamtwirkungsgrad einer Strömungsmaschine mit einem Flügelrad zu verbessern, ohne auf eine für die Förderleistung günstige Drehzahlansteuerung des Flügelrads verzichten zu müssen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 werde ausgehend von dem nächstliegenden Stand der Technik und im Lichte der objektiven technischen Aufgabe nicht durch das Dokument D1 und Fachwissen nahegelegt.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Klarheit (Artikel 84 EPÜ)
Der nunmehr zur Disposition stehende einzige Anspruch gibt den Gegenstand an, für den Schutz begehrt wird. Er ist deutlich und knapp gefasst und wird darüber hinaus von der Beschreibung gestützt.
Der Anspruch erfüllt somit die Erfordernisse von Artikel 84 EPÜ.
3. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
Der Gegenstand des einzigen Anspruchs beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
3.1 Gegenstand der Erfindung
Die Erfindung betrifft eine Antriebsvorrichtung, die eine Steuerung der Förderleistung eines Flügelrads einer Strömungsmaschine über die Drehzahl des für den Antrieb des Flügelrads vorgesehenen Elektromotors erlaubt. Nach dem Kerngedanken der Erfindung ist der Elektromotor als bürstenloser, permanenterregter Synchronmotor mit innerhalb des Rotors angeordneten Permanentmagneten ausgebildet. Ferner steuert der Frequenzumrichter den Elektromotor mit einer die Netzfrequenz übersteigenden Frequenz an, sodass der Motor einen höheren Wirkungsgrad aufweist. Des Weiteren ist zwischen den Synchronmotor und das Flügelrad ein Untersetzungsgetriebe geschaltet, welches trotz der die Nenndrehzahl übersteigenden Drehzahl des Motors den Antrieb des Flügelrads in einem, im Hinblick auf seinen Wirkungsgrad vorteilhaften, Drehzahlbereich erlaubt (siehe Seite 2, Zeilen 35 bis 52 der Beschreibung).
3.2 Geeigneter Ausgangspunkt
3.2.1 Das Dokument D1 betrifft keine anspruchsgemäße Antriebsvorrichtung für ein Flügelrad einer Strömungsmaschine, sondern dem Grundgedanken nach eine elektrische Maschine, die in konstruktiver Hinsicht einer bürstenlosen, permanenterregten Synchronmaschine mit innerhalb des Rotors angeordneten Permanentmagneten entspricht. Diese kommt nach der in Figur 21 gezeigten und in den Absätzen [0075] bis [0077] beschriebenen Ausführungsform als Generator in einer Windkraftanlage zum Einsatz. Die Beschwerdeführerin hat in diesem Zusammenhang zutreffend vorgetragen, dass das Windrad den Generator antreibe, der über einen Wandler wiederum elektrische Energie in ein Netz einspeise.
3.2.2 Die Prüfungsabteilung hat in der angefochtenen Entscheidung festgestellt, das Dokument D1 offenbare in Figur 21 eine Ausführungsform, die "exakt eine solche Antriebsvorrichtung für ein Flügelrad (43) einer Strömungsmaschine ("windmill") mit einem Elektromotor (42)" betreffe (siehe Punkt 11.1 der Gründe für die angefochtene Entscheidung).
3.2.3 Die Kammer kann dieser Auffassung nicht folgen. Die Lehre des Dokuments D1 unterscheidet sich bereits dadurch grundlegend von dem beanspruchten Gegenstand, dass dort kein Synchronmotor vorgesehen ist, der ein Flügelrad einer Strömungsmaschine antreibt. Es mag zwar grundsätzlich eine Strömungsmaschine im Zusammenhang mit einer permanenterregten Synchronmaschine offenbart sein, die sich prinzipiell als Motor betreiben lässt. In der Ausführungsform nach Figur 21 kommt die Synchronmaschine jedoch nur als Generator zum Einsatz, der durch das Flügelrad angetrieben wird. Der Einsatz der Synchronmaschine als Motor wird in dem gesamten Dokument D1 nicht beschrieben. Ferner ist offensichtlich, dass die in Figur 21 dargestellte Windkraftanlage weder dazu eingerichtet noch vorgesehen ist, das Windrad motorisch zur Winderzeugung anzutreiben. In dem Dokument D1 fehlt es somit an der Offenbarung einer Antriebsvorrichtung im Sinne des Anspruchs, die einen mittels eines Frequenzumrichters ansteuerbaren Elektromotor umfasst.
3.2.4 Somit liegt das Dokument D1 nach Überzeugung der Kammer zumindest deutlich weiter weg von der Erfindung als der in der Patentanmeldung beschriebene Stand der Technik. Letzter bildet im vorliegenden Fall damit einen geeigneteren Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit.
3.2.5 Üblicherweise kommen bei entsprechenden, aus dem Stand der Technik bekannten Antriebsvorrichtungen, z.B. für Lüfter, Asynchronmotoren zum Einsatz, deren Drehzahl mittels eines Frequenzumrichters entsprechend der jeweils geforderten Lüfterleistung angesteuert wird (siehe insbesondere Beschreibung Seite 1, Zeilen 7 bis 11).
3.3 Unterscheidungsmerkmale
Eine wie vorstehend beschriebene Antriebsvorrichtung unterscheidet sich somit von dem Gegenstand des Anspruchs dadurch, dass die Antriebsvorrichtung ein Untersetzungsgetriebe aufweist, dass der Elektromotor als bürstenloser, permanenterregter Synchronmotor mit innerhalb des Rotors angeordneten Permanentmagneten ausgebildet ist, und dass der Frequenzumrichter eingerichtet ist, den Synchronmotor mit einer die Netzfrequenz übersteigenden Frequenz anzusteuern, und dass das Untersetzungsgetriebe zwischen den Synchronmotor und das Flügelrad geschaltet ist, sodass der Synchronmotor das Flügelrad unter Zwischenschaltung des Untersetzungsgetriebes antreibt.
3.4 Objektive technische Aufgabe
Der Erfindung liegt die objektive technische Aufgabe zugrunde, den Gesamtwirkungsgrad der Antriebsvorrichtung zu verbessern, ohne auf eine für die Förderleistung günstige Drehzahlsteuerung des Flügelrads verzichten zu müssen (siehe Beschreibung Seite 2, Zeilen 25 bis 27).
3.5 Naheliegen der Lösung
3.5.1 Die beanspruchte Lösung wird ausgehend von einer bekannten Antriebsvorrichtungen für ein Flügelrad einer Strömungsmaschine nicht durch die Dokumente D1 oder D2 oder durch Fachwissen nahegelegt.
3.5.2 Die Beschwerdeführerin hat zutreffend dargelegt, das Dokument D1 (siehe insbesondere Figur 21 und zugehörige Beschreibung in Absatz [0076]) betreffe ein Windrad zum Antrieb eines Generators, der über einen Wandler elektrische Energie in ein Netz einspeist. Das Dokument D1 mag in diesem technischen Kontext einen permanenterregten Synchrongenerator im Sinne des Anspruchs 1, einen Wandler sowie ein Flügelrad offenbaren. Es mag ferner zutreffen, dass der Synchrongenerator prinzipiell als Synchronmotor betreibbar ist. Aus D1 ergeben sich dahingehend jedoch keinerlei Hinweise. Die Kammer kann daher nicht erkennen, welche Veranlassung der Fachmann gehabt haben soll, den in D1 offenbarten Synchrongenerator als Synchronmotor in einer Antriebsvorrichtung für ein Flügelrad einer Strömungsmaschine zum Einsatz zu bringen.
Wie die Beschwerdeführerin überzeugend dargelegt hat, ist insbesondere nicht ersichtlich, dass D1 einen irgendwie gearteten Hinweis auf eine Ansteuerung des Synchronmotors mit einer die Netzfrequenz übersteigenden Frequenz im Sinne des Anspruchs enthält. Auch die Prüfungsabteilung hat dieses Merkmal für nicht in D1 offenbart angesehen.
3.5.3 Das Dokument D1 offenbart notwendigerweise ein Übersetzungsgetriebe 44 zwischen dem Windrad 43 und dem Generator 42, da sich das Windrad 43 deutlich langsamer dreht als die für den Generator 42 benötigte Drehzahl. Demgegenüber wird gemäß der Erfindung der Synchronmotor mit einer gegenüber der Nenndrehzahl bei Netzfrequenz erhöhten Drehzahl betrieben und aus diesem Grund ein Untersetzungsgetriebe zum Einsatz gebracht. Es ist daher nicht erkennbar, dass der Fachmann der D1 irgendeinen Hinweis auf den Einsatz eines Untersetzungsgetriebes entnommen hätte.
3.5.4 Schließlich ist die Kammer auch von dem Argument überzeugt, dass eine Anordnung gemäß Figur 21 der D1 für eine drehzahlgesteuerte Ansteuerung der Maschine 42 als Motor nicht geeignet ist, weil der Wandler 47 im Rahmen der in D1 offenbarten Lehre nur von der Generatorseite her beaufschlagbar ist und zunächst durch einen Frequenzumrichter im Sinne des Anspruchs 1 ersetzt werden müsste.
3.5.5 Das Argument der Prüfungsabteilung, wonach es zum Prioritätstag der vorliegenden Anmeldung dem Fachmann hinreichend bekannt gewesen sei, dass die Frequenz des Synchronmotors die Netzfrequenz übersteigen könne, mag zwar zutreffen, ist im Lichte der obigen Feststellungen der Kammer jedoch nicht ausreichend zum Nachweis des Naheliegens des gesamten beanspruchten Gegenstands (siehe Punkt 9 der Gründe für die angefochtene Entscheidung).
Selbst wenn der Fachmann der D1 die Verwendung der dort offenbarten elektrischen Maschine als bürstenloser, permanenterregter Synchronmotor mit innerhalb des Rotors angeordneten Permanentmagneten entnommen hätte, fehlen jegliche Hinweise auf die weiteren beanspruchten Merkmale einer Ansteuerung des Synchronmotors mit einer die Netzfrequenz übersteigenden Frequenz mittels eines Frequenzumrichters sowie die Bereitstellung eines Untersetzungsgetriebes zwischen dem Synchronmotor und dem Flügelrad. Es ist daher insgesamt nicht ersichtlich, dass der Fachmann in der aus dem Stand der Technik bekannten Antriebsvorrichtung, zumindest über die Verwendung eines permanenterregten Synchronmotors hinaus, aufgrund seines Fachwissens und/oder im Lichte der D1, die weiteren Unterscheidungsmerkmale implementiert hätte und so zu der beanspruchten Erfindung gelangt wäre.
3.5.6 Das Dokument D2 betrifft, wie auch das Dokument D1, eine Windkraftanlage mit einem Übersetzungsgetriebe ("Gearbox", Figur 1) sowie einer permanentmagneterregten Maschine ("PM Motor"). Es geht insoweit nicht über die technische Lehre der D1 hinaus, sodass für dieses Dokument die Bemerkungen der Kammer zum Dokument D1 entsprechend gelten.
3.6 Zwischenergebnis
Die Kammer ist daher insgesamt zu dem Schluss gelangt, dass der Gegenstand des einzigen Anspruchs nicht durch den vorliegenden Stand der Technik nahegelegt wird und folglich auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht.
4. Ergebnis
Da der Gegenstand des Anspruchs auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht und darüber hinaus die weiteren Erfordernisse des EPÜ erfüllt sind, war der Beschwerde der Beschwerdeführerin stattzugeben.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent mit folgender Fassung zu erteilen:
Beschreibung:
Seiten: 1, 3, 4 in der veröffentlichten Fassung
Seite: 2 eingereicht mit Schreiben vom 23. Juni 2022
Ansprüche:
Einziger Anspruch: eingereicht mit Schreiben vom 23. Juni 2022
Zeichnungen:
Blatt: 1/1 in der veröffentlichten Fassung