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T 1250/19 25-10-2022
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SCHUTZELEMENT ZUM SCHUTZ GEGEN BALLISTISCHE GESCHOSSE UND MILITÄRISCHES FAHRZEUG
I. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) legte Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, den Einspruch gegen das Streitpatent zurückzuweisen.
II. Die Einspruchsabteilung hatte entschieden, dass
a) der Gegenstand der Ansprüche in der erteilten Fassung neu sei gegenüber den Dokumenten
D3 US 5 007 326,
D11 WO 2011/094740 A2 und
D13 EP 0 209 221 A1.
b) der Gegenstand des Ansprüche in der erteilten Fassung erfinderisch sei gegenüber einer Kombination des Dokuments
D7 DE 10 2008 035 388 B4 mit
D10 WO 2010/036411 A2,
sowie einer Kombination von D10 mit dem Fachwissen des Fachmanns.
c) das Dokument
D20 US 3 380 406 A
als verspätet vorgelegter Stand der Technik nicht zum Verfahren zugelassen wird.
d) der Gegenstand der Ansprüche in der erteilten Fassung nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe.
III. Es fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
a) Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.
b) Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde oder hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Form, aufgrund eines der Hilfsanträge 1, 1b, 2 - 7 eingereicht mit Schreiben vom 8. November 2019 oder eines der Hilfsanträge 0.1 - 7.1 eingereicht mit Schreiben vom 20. Januar 2021.
IV. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"Schutzelement zum Schutz gegen ballistische Geschosse (1) mit mehreren Panzerungsplatten (13, 15), die jeweils als eine mehrere Löcher (13.1, 15.1) aufweisende Lochplatte ausgebildet sind, dadurch gekennzeichnet, dass die Löcher (13.1, 15.1) der Lochplatten in unterschiedlichen Richtungen (L) schräg zur Plattennormalen (N) verlaufen."
V. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
a) Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags sei unzulässig geändert worden, da der Gegenstand des Anspruchs nicht in den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen offenbart sei. Insbesondere sei der auf Seite 8, Zeilen 12/13 der ursprünglichen Beschreibung noch vorhandene Satz "Die Löcher einer Lochplatte können hierbei in derselben Richtung ausgerichtet sein." in der erteilten Fassung des Patentes im Absatz [0025] gestrichen worden, so dass unter den Anspruch nun auch Varianten der Lochplatten fallen, bei der die Löcher unterschiedlicher Richtung auf ein und der selben Platte vorgesehen sind.
b) Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags sei zudem nicht neu gegenüber D3, da aus Figur 4 eine Panzerungsplatte mit schrägen, länglichen Löchern bekannt sei, die gemäß Spalte 3, Zeilen 25 - 27 auch mit einer weiteren Platte gleichen Typs wie in Figur 1 gezeigt hintereinander angeordnet werden könne. Die Orientierung der länglichen Löcher beider Platten würden dann unterschiedliche Richtungen aufweisen, so dass auch die Neigung der Löcher unterschiedlich orientiert wäre.
c) Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei auch nicht neu gegenüber D11, das auf Seite 2 in den Zeilen 18 - 20 beschreibe, dass mehrere Panzerungsplatten mit geneigten Löchern hintereinander angeordnet werden können. Zudem zeige Figur 5 eine derartige Anordnung mit zwei Platten und darin vorgesehenen Löchern unterschiedlicher Neigung.
d) Außerdem sei auch D13 und D20 jeweils neuheitsschädlich für den Gegenstand des Anspruchs 1: Figur 4 der D13 zeige zwei hintereinander angeordnete Platten, deren Löcher unterschiedliche Richtungen aufweisen würden. Gleiches gelte für die in Figur 3 der D20 gezeigten Löcher in den übereinander angeordneten Panzerungsplatten.
e) Des weiteren sei der Gegenstand des Anspruchs 1 ausgehend von D7 als nächstkommendem Stand der Technik nahegelegt, da es D10 lehren würde, für die in D7 verwendeten Platten einerseits die Platte in der Ausführungsform der Figuren 3-5 der D10, sowie für die andere Platte die Ausführungsform der Figuren 6-8 zu verwenden.
f) Zudem würde der Fachmann aber auch ausgehend von D10 aufgrund seines Fachwissens die beiden Plattentypen miteinander kombinieren, um ein aus zwei hintereinander angeordneten Platten bestehendes Schutzelement zu schaffen.
VI. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
a) Der Wortlaut des Kennzeichens des erteilten Anspruchs 1 entspreche dem Wortlaut der ursprünglich eingereichten Ansprüche 11 und 13, so dass der unabhängige Anspruch des Hauptantrags nicht unzulässig geändert worden sei. Zudem offenbare die ursprünglich eingereichte Beschreibung auf Seite 8 durch die Verwendung des Ausdrucks "können ... ausgerichtet sein" im Unterschied zu "müssen ... ausgerichtet sein" ebenfalls, dass die Löcher der Platten mit unterschiedlicher Neigung auch auf ein und der selben Platte vorgesehen werden könnten.
b) Das Dokument D3 offenbare mehrere Ausführungsformen: eine erste Ausführungsform mit mehreren Panzerungsplatten, deren Löcher aber nicht geneigt, insbesondere nicht in unterschiedlicher Richtung geneigt seien (Figur 1), sowie eine zweite Ausführungsform, die aber nur eine einzige Panzerungsplatte umfasst, deren Löcher in einer Richtung geneigt sind (Figur 2 in Kombination mit Figur 3 bzw. 4).
c) Das Dokument D11 zeige kein Ausführungsbeispiel mit mehreren Platten und rege allenfalls auf Seite 2 der Beschreibung an, zwei (oder mehrere) identische Platten hintereinander anzuordnen. Entsprechend hätten dann aber alle Löcher die gleiche Neigung. Figur 5 zeige kein Schutzelement mit zwei Platten sondern die Fertigung einer Platte mit einer Negativform.
d) Die Löcher in den Platten des Schutzelements nach Figur 4 der D13 seien gegenüber der jeweiligen Plattennormalen nicht geneigt, insbesondere aber würden sie nicht so verlaufen, dass sie in unterschiedlichen Richtungen schräg zur jeweiligen Plattenormalen verlaufen würden.
e) D20 sei von der Einspruchsabteilung nicht zum Verfahren zugelassen worden und es gebe auch keinen Grund, diese Entscheidung aufzuheben und das Dokument im Beschwerdeverfahren zuzulassen.
f) Ausgehend von D7 hat der Fachmann keine Veranlassung, unterschiedliche Platten bei einem Schutzelement mit mehreren Platten zu verwenden. Insbesondere aber hätte er keinen Grund, für die eine Platte gerade die Ausführungsform der Figuren 3 - 5 der D10 zu verwenden, während er für die andere Platte die Ausführungsform der Figuren 6 - 8 der D10 wählen würde.
g) Ausgehend von D10 gebe es eine Vielzahl von Möglichkeiten die Schutzwirkung des Schutzelements zu verbessern. Entsprechend würde der Fachmann nur allenfalls dann die Platten der beiden Ausführungsformen kombinieren, wenn er bereits das Streitpatent kenne.
Hauptantrag
Änderungen (Artikel 100(c) EPÜ)
1. Anspruch 1 des Hauptantrags erfüllt die Erfordernisse des Artikels 100(c) EPÜ.
1.1 Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag nicht in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen offenbart worden sei. Durch die Streichung des Satzes "Die Löcher einer Lochplatte können hierbei in derselben Richtung ausgerichtet sein." in der Beschreibung sei nun nicht mehr zwingend verlangt, dass die Löcher einer Lochplatte in unterschiedlicher Richtung zu den Löchern der anderen Lochplatte verlaufen würden.
1.2 Die Kammer teilt die Entscheidung der Einspruchsabteilung und deren Begründung in den Entscheidungsgründen 1.1 und 1.2 vollumfänglich. Maßgeblich zur Beurteilung von Artikel 123(2) EPÜ ist die ursprüngliche Offenbarung, nicht das Patent wie erteilt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 wurde im ursprünglichen Anspruchssatz als Kombination der Ansprüche 1, 11 und 13 offenbart.
1.3 Dem von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argument ist auch nicht dahin zu folgen, dass durch die Streichung des Satzes in der Beschreibung Anspruch 1 des Hauptantrags nun anders zu verstehen sei.
1.4 Der auf Seite 8 der ursprünglich eingereichten Beschreibung genannte Satz verweist - wie die Einspruchsabteilung bereits korrekt erkannte - auf eine mögliche Ausgestaltung, bei der die Löcher einer Platte alle in gleicher Richtung verlaufen. Durch die Verwendung des Verbs "können" wird aber auch deutlich gemacht, dass es andere Ausgestaltungen geben kann, bei der nicht alle Löcher einer Platte in der gleichen Richtung verlaufen, sondern in verschiedenen Richtungen verlaufen können. Ansonsten hätte anstelle des Verbs "können" der Ausdruck "müssen immer in derselben Richtung ausgerichtet sein" verwendet werden müssen.
1.5 Der gestrichene Satz hatte daher in den ursprünglich eingereichten Anmeldeunterlagen nicht die von der Beschwerdeführerin behauptete beschränkende Wirkung. Die Streichung dieses Satzes bedingt daher entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin gerade nicht, dass der erteilte Anspruch 1 nun anders auszulegen ist als die ursprünglich eingereichten Ansprüche 11 und 13 im Lichte der Passage auf Seite 8 der ursprünglich eingereichten Beschreibung.
Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
2. Der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hauptantrags ist neu.
2.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu gegenüber den Dokumenten D3, D11, D13 und D20 sei.
2.2 Hinsichtlich des Neuheitseinwandes bezüglich Dokument D3 verweist die Kammer auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung in Abschnitt 3.1 der Entscheidungsbegründung. Die Kammer teilt vollumfänglich die dort ausgeführte Einschätzung der Einspruchsabteilung zu den von der Beschwerdeführerin vorgetragenen Argumenten, die im Einspruchsverfahren und im Beschwerdeverfahren im wesentlichen übereinstimmten.
2.3 Selbiges gilt in Hinblick auf Dokument D11 und die im Abschnitt 3.2 der Entscheidungsgründe ausgeführte Begründung der Einspruchsabteilung. Auch hier hatte die Beschwerdeführerin die im Einspruchsverfahren bereits vorgebrachten Argumente im Beschwerdeverfahren lediglich erneut angeführt, so dass sie schon ausreichend in der angefochtenen Entscheidung behandelt sind.
2.4 Der auf dem Dokument D13 beruhende Neuheitseinwand wurde erstmals im Beschwerdeverfahren erhoben.
2.4.1 Es ist unstrittig zwischen den Parteien, dass D13 in Figur 4 ein Schutzelement mit mehreren Panzerungsplatten (6, 8) offenbart, die beide Löcher aufweisen.
2.4.2 D13 offenbart jedoch keine weiteren Details zum Verlauf der Löcher, so dass in D13 nicht eindeutig und zweifelsfrei offenbart ist, dass die Löcher der Lochplatten in unterschiedlichen Richtungen schräg zur Plattennormalen verlaufen.
2.4.3 Die Beschwerdeführerin argumentiert zwar, dass die im Zick-Zack verlaufende Platte (8) anders angeordnet sei als die plane Platte (6) und daher die Löcher der beiden Platten automatisch eine andere Neigung aufweisen würden. Zudem sei hier keine Plattennormale definierbar.
Anspruch 1 verlangt aber nicht nur, dass die (absolut gemessenen) Richtungen der Löcher unterschiedlich sind, sondern dass die Richtungen der Löcher (relativ) zur jeweiligen Plattennormalen schräg und zudem in unterschiedlichen Richtungen verlaufen müssen. Die Plattennormale ist dabei entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin für jeden Abschnitt der Zick-Zack-Struktur durchaus bestimmbar - es gibt lediglich nicht mehr nur eine einzige Plattennormale je Platte, sondern eine Normale je Abschnitt der Platte. Für jede Stelle der Platte kann somit aber eine Normale definiert werden. Es ist nicht offenbart, dass die in D13 gezeigten Löcher schräg zu diesen Normalen verlaufen würden.
2.4.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher auch neu gegenüber D13.
2.5 Das Dokument D20 wurde von der Einspruchsabteilung nicht zum Verfahren zugelassen.
Die Kammer kann bei dieser Entscheidung nicht erkennen, warum die Einspruchsabteilung hierbei ihr Ermessen falsch ausgeübt haben sollte, d. h. nach Maßgabe der falschen Kriterien, unter Nichtbeachtung der richtigen Kriterien oder in willkürlicher Weise entschieden hätte. Die im Abschnitt 2 der Entscheidungsgründe angegebene Begründung lässt klar erkennen, dass die Relevanz des Dokumentes als maßgebliches Kriterium verwendet wurde, was dem zentralen Kriterium bei der Frage der Zulassung eines verspätet vorgelegten Dokuments entspricht. Die im Absatz 2.2 gegebene Begründung ist logisch aufgebaut und in sich schlüssig.
Die Beschwerdeführerin hat auch nicht vorgetragen, dass die Ermessensausübung der Einspruchsabteilung Fehler aufweisen würde, sondern argumentiert nur, dass die Relevanz des Dokumentes falsch eingeschätzt worden sei. Die Beurteilung der Relevanz liegt jedoch gerade im Ermessen der Einspruchsabteilung, so dass die Kammer dieses Ergebnis nicht inhaltlich erneut prüft (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern V-A.3.4.1 und IV-C.4.5.2).
Daher gibt es keinen Grund, von der Entscheidung der Einspruchsabteilung zur Nicht-Zulassung von D20 abzuweichen.
Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
3. Der Gegenstand des Anspruchs 1 wird durch keine der vorgebrachten Argumentationslinien nahegelegt.
3.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht erfinderisch sei gegenüber einer Kombination der Dokumente D7 mit D10, sowie des Dokuments D10 mit dem Fachwissen des Fachmanns.
3.2 Hinsichtlich dieser bereits im Einspruchsverfahren vorgetragenen Einwände der fehlenden erfinderischen Tätigkeit verweist die Kammer auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung in Abschnitt 4 der Entscheidungsbegründung. Die Kammer teilt vollumfänglich die dort ausgeführte Einschätzung der Einspruchsabteilung zu den von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Argumentationslinien, die in gleicher Form bereits im Einspruchsverfahren vorgebracht worden waren.
4. Weitere Einwände wurden von der Beschwerdeführerin nicht vorgetragen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.